Im Land des Lächelns - Reiko Krause - E-Book

Im Land des Lächelns E-Book

Reiko Krause

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Beschreibung

Ein Buch über Geschichten, die das Leben schreibt? Wer kennt sich schon in der Welt aus? Überraschend, neugierig, erstaunlich, charmant, bisweilen nachdenklich, jedoch nie eintönig, nicht monoton. Das Leben ist nicht Schwarz und es ist auch nicht nur Weiß. Es hat so viele Schattierungen, die Farbauswahl ist riesig. Und so sind die Geschichten. So bunt wie ein Regenbogen. Geschichten vom Reisen, in ferne Länder, von anderen Kulturen, in abenteuerliche Regionen. Reisen bedeutet mehr als nur Urlaub. Die Sehnsucht nach der großen, weiten, unbekannten Welt! Einmal leben, um die Welt zu entdecken! Weitere Informationen und Leseproben unter: www.callingindia.de

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Seitenzahl: 212

Veröffentlichungsjahr: 2015

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Inhaltsverzeichnis

Titelseite

Im Land des Lächelns

Vorwort

Die Perle der Karibik (Kuba)

Im Land des Lächelns (Myanmar)

Das Klingeln der goldenen Münze (Indien)

Zu Gast bei Onkel Ho (Vietnam)

Schneller als ein Vogel fliegen kann (Deutschland)

Staatsbesuch in Minsk (Weißrussland)

Taschenkontrolle (Südostasien)

Zuckerrohr und Peitsche (Kuba)

Die Revolution der Touristen (Kuba)

Auf halbem Weg zum Weltfrieden (Nepal)

So weit die Füße tragen (Österreich)

Beschleunigung im Hinterwald (Deutschland)

Männer mit Hut (überall auf der Welt)

Der Regengott (Indien)

Die Stille im Ashram (Indien)

Zug in die Freiheit (DDR)

Ein endgültiger Abschied (...)

weitere Bücher von Reiko Krause

Impressum

Im Land des Lächelns

Geschichten von unterwegs

von

Reiko Krause

Im Land des Lächelns

Für alle die,

die gerne reisen und

in der Welt zu Hause sind!

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie;

detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Herstellung und Verlag: Books on Demand GmbH, Norderstedt

Alle Rechte vorbehalten

contact: www.callingindia.de

Vorwort

Es muss ein Fluch gewesen sein, der mir widerfuhr. Mit einem Lächeln hat er die Geister geweckt. Rastlos, haltlos, von Neugier getrieben und ewig lächelnd. Irgendwann mit Anfang Zwanzig, vielleicht auch ein paar Jahre später. Ein Buch wollte ich darüber schreiben, über Geschichten, die das Leben schreibt. Wer kennt sich schon in der Welt aus? Überraschend sollte es sein, neugierig, erstaunlich, charmant, bisweilen nachdenklich, jedoch nie eintönig, nicht mono-ton. Das Leben ist nicht Schwarz und es ist auch nicht nur Weiß. Es hat so viele Schattierungen, die Farbauswahl ist riesig. Und so sollten die Geschichten werden. So bunt wie ein Regenbogen. Nach der Auswahl musste ich feststellen, die Geschichten handeln zumeist vom Reisen. In ferne Länder, von andere Kulturen, in abenteuerliche Regionen. Reisen bedeutet mehr als nur Urlaub. Auf Reisen bin ich in der Macht des Dämons. Es ist die Sehnsucht nach der gro-ßen, weiten, unbekannten Welt! Wer das Leben verstehen will, das Große und Ganze zu überblicken versucht, der kommt an fremden Ländern nicht vorbei. Der muss reisen! Der muss die Welt entdecken! Werde ich eines Tages ein zu Hause finden? Und wo wird es dann sein?

Manche Geschichten sind älter, einige neuer. Ich wünsche an dieser Stelle allen Lesern herzerfrischende Momente, die Freude auf neue Entdeckungen, manchen Aha-Effekt und ganz wichtig: immer ein Lächeln im Gesicht!

Reiko Krause im Dezember 2013

Die Perle der Karibik (Kuba)AutorennameAbstractDatum

Mickrige Laternen werfen ein düsteres Licht auf die Straßen. Die Sonne hat sich soeben verabschiedet, der Flughafen von Havanna verschwindet im Rückspiegel. In rasanter Fahrt geht es im Taxi durch die schwarze Nacht. Letztes Etappenziel nach einem langen Flug ist eine Unterkunft. Unruhe macht sich breit, ich bin übermüdet, schon 20 Stunden auf den Beinen. Und ich bin alleine unterwegs. Zum ersten Mal allein auf großer Tour. Mir geht so viel durch den Kopf. Von der Vorfreude auf ein unbekanntes Land bis zum irren Gedanken, nur am Strand zu liegen und die Tage rückwärts zu zählen. Alles oder Nichts. Jede Entscheidung werde ich selbst treffen, jede Verhandlung selbst besiegeln, jedes Gespräch selbst führen. Das heißt, ich werde spanisch sprechen. Etwas genauer: Ich werde spanisch sprechen müssen. Der Trip war zunächst mit Gwen geplant, einer langjährigen Freundin, wir hatten bereits Flugtickets und die gemeinsame Absicht auf den Kuba-Urlaub. Zu Zweit wird vieles leichter, zumal sie ein Jahr in Spanien gelebt hat. Dann wurde sie überraschend krank und wich mir tagelang aus, nicht jedoch Amors Pfeil, der sie mitten im Herzen traf. Alte Freundschaft gegen die neue Liebe. Ich benötigte 24 Stunden für die Entscheidung. Das geht auch ohne sie! Und es geht mit Händen und Füßen. Wie bei den Taxikosten, die ich eben auf 20 Kuba-Dollar senken konnte, also auf den normalen Touristenpreis. Die Flughafen-Taximafia war wie erwartet vollzählig versammelt und sie hatte es auf mich und alle anderen westlichen Touristen abgesehen.

„Hola, Amigo!“ Sie versuchten zuerst den Trick, mich ohne Preishandel in den Wagen zu lotsen.

„Cuanta costa?“

Meine Frage gefiel ihnen nicht, auch nicht meine Beharrlichkeit: „No, máximo veinte“. Plötzlich wollten sie nichts mehr verstehen, umkreisten mich jedoch weiter, bearbeiteten mich und schließlich checkte ich ein. Dieser Punkt ging klar an mich. Unzufrieden sitzt der Fahrer nun hinter dem Steuer. Es herrscht kaum Verkehr, nur ein unbeleuchteter Karren mit Holzscheibenrädern taucht Halbdunkel auf. Als sei es das normalste dieser Welt, rollt er langsam über die Straße. Typische Bilder schweben dazu im Kopf, Bilder von fast leeren Straßen, einige betagte Straßenkreuzer aus den Fünfzigern, daneben pastellfarbene Kolonialhäuser, Zigarrenfabriken und halbleere Rumflaschen, eben so, wie es die Berichte über Kuba immer illustrieren. Am Horizont flimmern bereits die Lichter von Havanna. Meine Gedanken sind schon beim nächsten Augenblick, saugen im Scheinwerferkegel weitere Impressionen auf, als sie schlagartig zurückgesetzt werden. Moment, ein Karren mit Holzscheibenrädern, anstatt PKW und Lastwagen? Wo bin ich denn hier gelandet? Wir sind noch keine fünf Minuten vom Flughafen entfernt und befinden uns längst in einer anderen Welt. Nein, ich erwartete keine modernen Fahrzeuge, keine Neubauten, keine Zukunft.

Ich erwartete ETWAS aus der Vergangenheit.

Aber Holzscheibenräder? Wie weit reisen wir in der Geschichte zurück? Und was kommt als nächstes? Eine Kutsche mit Pferdegespann?

Was folgt ist eine lange Fahrt über eine breite Chaussee, düster ausgeleuchtet, mit Palmen am Straßenrand. Die erste Aufregung liegt bereits hinter mir. Recht schnell war ich aus dem Flugzeug raus, folgte dem Tipp eines Bekannten und suchte bei der Einreise die Schlange, wo nur Touristen standen und kam so als einer der ersten zum Gepäckband. Ich wartete dort und wartete und wartete. Eine gefühlte Ewigkeit, fast eine Stunde voller Ungeduld und war schließlich der Letzte, der ausharrte. Jeder griff irgendwann nach seinem Koffer, ob Einheimische, Pauschalurlauber, Geschäftsleute oder Individualtouristen. Nur ich ging leer aus. Was ist, wenn mein Gepäck verschwunden ist? Die Gedanken rasten unsinnig umher. Immer schneller. Ich überlegte bereits, wie ich dem Flughafenpersonal erklären soll, wie der Rucksack aussah. Nur, wie hätte ich beschreiben sollen, was nicht gesagt werden kann? Vor einigen Wochen noch reduzierten sich meine Spanischkenntnisse auf „Hola“ und „Buenos Diaz“ sowie „Hasta la vista, baby“. Mein Spanisch war sehr, sehr übersichtlich. In einem Crashkurs brachte ich mir diverse Standardsätze und wie erwähnt einige Zahlen bei, kaum ausreichend für längere Wortwechsel. Die Freundin gab mir zwar ihre Handy-Nummer, für den Notfall, falls ich nicht mehr weiter weiß, aber so weit sind wir jetzt noch nicht. Zum Glück gab es hier ein weiteres Gepäckband und als ich dort den Rucksack endlich sah, musste die Steinlawine, die von mir abfiel, bis weit in die Vororte Havannas zu hören sein.

Wir nähern uns bereits der Stadtgrenze, warten vor einer roten Ampel. Der Taxifahrer ist ein Profi, er beruhigte sich wieder und zeigt auf die benachbarte Fahrspur. Außer unzähligen Ladas aus vergangener Zeit und weiterer ehemaliger Ost-Block-Fahrzeuge rollt langsam ein alter, halb verrosteter Oldtimer an uns vorbei. Und dahinter gleich noch einer, wie an einer Schnur aufgereiht einer nach dem anderen, als wären sie auf dem Weg zu einem Oldtimertreffen. Mittendrin statt nur dabei. Ich werde mich bestimmt noch häufig wiederholen, aber lebendiger kann kein Verkehrsmuseum der Welt aussehen. Ein tiefer Blick zurück. Es ist nicht nur ein Traum, eher eine entrückte Zeit, eine fünfzig Jahre alte Wirklichkeit.

Wir halten vor beleuchteten Fenstern in einer Nebenstraße, einer Sackgasse wie sich herausstellt. Die meisten Häuser sind alt und verfallen, soweit ich das im Laternenlicht erkennen kann, manche nur noch eine Ruine, Farbe blättert von den Hauswänden, Zeitungspapier wirbelt umher, ein Hund stöbert im Abfall und einige Kinder rennen lauthals vorbei. Eine schwere Holztür öffnet sich einen Spalt breit. „Hola“ antworte ich zaghaft. “Casa Zenaida?” Ein junger Mann mustert mich von oben bis unten, bittet mich herein. Ich stehe in einem hohen Raum, ein riesiger Kronenleuchter funkelt an der Decke und wirft helles Licht auf antikes Mobilar. Viel Holz, viel Glas, zwei hohe Vitrinen mit Silbertellern springen ins Auge, in der Ecke stehen einladend ein Schaukelstuhl, daneben Grünpflanzen und eine Zimmerpalme. Wo viele Hotels in der weiten Welt mit dem Gefühl der Authenzität geizen, der fehlenden Echtheit, weil es eben nur Hotels sind, Bettenburgen oder einfach nur Schlafgelegenheiten, strahlt dieser Wohnbereich Wärme und Geborgenheit aus. Durch seine Gestaltung sorgt er schnell für kubanische Atmosphäre, für eine entspannte Ankunft nach einer langen Anreise.

Für das Übernachten in Kuba gibt es mehrere Möglichkeiten. Ein teures Touristenhotel in der Innenstadt mit dem Flair alter Tage oder ein preiswertes Hotel in passabler Lage mit etwas weniger Komfort. Näher am kubanischen Leben ist man in einer Casa particular. Casa bedeutet Wohnung und Casa particular werden die Privatunterkünfte genannt, die Teil der real existierenden sozialistischen Planwirtschaft sind. Die kosten nur den Bruchteil eines Hotelzimmers und bieten den direkten Kontakt mit Einheimischen.

Ich werde in das obere Stockwerk geführt, in ein kleines Zimmer mit niedrigen Decken, Doppelbett und eigenem Bad mit Toilette. Immerhin, das macht vieles gleich angenehmer. Die Unterkunft ist benannt nach der Inhaberin, einer dunkelhaarigen Kubanerin mit vollem Ausschnitt, so um die sechzig, mit der ich vor drei Tagen meine ersten spanischen Worte wechselte. Am Telefon stolperte ich einige verkrampfte Sätze, um hier die ersten Nächte zu reservieren. Nicht weniger holprig leistet Zenaida eine Stunde Gesellschaft, unterhält sich mit mir so gut es geht und ich spüre, wie peinlich es ist, nicht ihre Sprache zu verstehen. Es reicht einfach nicht, nur einige Wochen Spanisch im Selbststudium zu lernen, denn ich brauche jetzt weder ein freies Zimmer, noch ihren Namen wissen oder als was sie arbeitet. Und nein, jetzt auch keine Wegbeschreibung. Ich brauche vielmehr kubanisches Geld! Am Flughafen konnte ich zwar tauschen, aber wie überall auf der Welt zu schlechteren Kursen. Neben dem Peso nacional gibt es in Kuba eine Devisenwährung als Zahlungsmittel, den Peso cubano convertible (CUC), auch Kuba-Dollar genannt, sodass ein Reisender oft zwei Währungen zur Auswahl hat. Der Umrechnungskurs CUC in Peso liegt bei 1:24, der wiederum in etwa 1:1 an den Dollar gekoppelt ist. Dem kubanischen Staat sind auf diese Weise zusätzliche Deviseneinnahmen möglich. Allerdings, mit den alten Pesos kann man nicht wirklich viel anfangen, denn die Touristen sollen IMMER mit CUC bezahlen. Das gesamte touristische Warenangebot ist mit dieser Kunstwährung erhältlich. Wer nicht aufpasst und hier nicht die richtigen Geldscheine zückt, der zahlt schnell das Vierundzwanzigfache. Und das belastet die Urlaubskasse enorm, wie sich noch zeigen wird.

Mehrfach läutet es an der Haustür, Stimmen dringen von der Straße, spanische Worte werden gewechselt und zwischendurch lauthals gelacht. Dann erscheint Señora Zenaida wieder und stellt mir Steffen vor, 25 Jahre alt und aus Magdeburg. Im nächsten halben Jahr absolviert er in Havanna ein Praktikum für sein Ökologie-Studium, war mit seinem Vater bereits vor drei Jahren hier und kann endlich einige Worte übersetzen. „Einmal quer durch Kuba, vom Westen bis ganz in den Osten. Alles mit dem Fahrrad, drei Wochen lang“ schwärmt er. Seine Augen glänzen. Auch vor Müdigkeit, er ist ebenfalls erst am Morgen in Deutschland gestartet.

Wir kommen ins Gespräch, sind schnell bei den Reisevorbereitungen. Was mich überhaupt an Kuba interessiert? Er schaut erwartungsvoll. Etwa Fidel Castro oder Ché Guevara? „Nein“, ist meine Antwort und relativiere etwas. „Nur am Rande, aber nicht wirklich.“ Dann vielleicht das Land? Die Leute? Die Kultur? Schon eher, aber nicht nur. Zusammengefasst in einem Satz: Kuba war mehr oder weniger ein Teil meiner Kindheit; ich bin in der DDR aufgewachsen, wir haben in der „Havannaer Straße“ gewohnt, mein Spitzname in der Schule war eine Zeit lang „Ramirez“. Und das ist alles, nicht mehr und nicht weniger. Jeder geht irgendwann zu seinen Wurzeln zurück. Was liegt da näher, als nach 20 Jahren noch einmal den Sozialismus erleben zu wollen und zu schauen, was daraus geworden ist? Einige bereisen die Orte der Revolution, manche interessiert der planmäßige Aufbau eines sozialistischen Staates vor der Haustür der USA, viele sind beim Anblick der Oldtimer begeistert und etliche Urlauber kommen nur wegen der karibischen Sonne. Niemandem wird es verwundern, dass ein dreiwöchiger Urlaub nicht ausreicht und auch ich nur einen kurzen Blick durch eine angelehnte Tür werfen kann. Immerhin. Ich will die Augen offen halten, mich dem Gefühl aus der Kinderzeit hingeben, diesen einen Moment erleben, als alles noch jung und unverbraucht war. Wie ein Frühlingstag im Paradies.

Erschlagen von den ersten Eindrücken und auch geschafft vom Flug und der noch fremden Umgebung klingt der Abend aus. Ausgestreckt liege ich auf dem französischen Bett, spiele mit der Fernbedienung für die Klimaanlage. Ich fühle mich großartig, es alleine bis hierher geschafft zu haben. Trotz aller Unwägbarkeiten vor der Abreise. Die fehlenden Sprachkenntnisse, die kurzfristige Absage der Reisebegleitung, der erste vollkommen allein organisierte Rucksackurlaub. Dennoch, es scheint wirklich der gewünschte Start in dieses unbekannte Land zu werden. Ganz gleich wie der Urlaub wird, welche Route ich nehme oder was alles passiert: Wichtig ist ein guter Anfang!

„Buenos Diaz!“ Müde Augen blicken mich aus einem zerzausten Spiegelbild an. Ich will es kaum glauben, doch das war bereits die erste Nacht in Kuba! Noch etwas benommen stehe ich unter der Dusche, lasse den Brausenkopf plätschern und genieße den erfrischenden Moment. Und spucke plötzlich jeden Tropfen wieder aus. Nur nichts hinunter schlucken! Verflucht sei meine Gedankenlosigkeit. Blass jagt die Morgensonne die Erinnerung in den Kopf. Trink kein Wasser!, legte mir gestern Steffen ans Herz, nimm es noch nicht einmal zum Zähne putzen. Die Keime können Übelkeit erregen bis zur Wiederkehr des Mageninhalts. So genau wollte ich es gar nicht wissen, auch nicht, dass die alten, vergammelten Leitungen in Havanna mehr Schadstoffe und Bakterien enthalten als die Abwässer eines deutschen Chemiebetriebes.

Aus der Küche dringen Geräusche, Geschirr klappert und irgendwann steigt der Geruch von gebratenem Ei in die Nase. Zenaida stellt Toast dazu und Kaffee und weist mir am Frühstückstisch einen Platz zu. Erwartungsvoll beginnt der Tag. Neben Steffen und Frank, ebenfalls ein deutscher Student, der hier seine dreimonatige Mittelamerikareise abschließt, hockt ein Ehepaar aus Norwegen. Beide sind um die sechzig, die zwei Wochen lang mit einem privaten Führer und dessen Wagen quer durch Kuba reisten. Ihr Guide kannte neben Land und Städten vor allem die illegalen Tricks, um voran zu kommen und etwas zu erleben. Nicht ungewöhnlich und vielmehr Voraussetzung in einem Land mit Mangelwirtschaft, das seine Einwohner nur schwer umfassend versorgen kann. Lebensmittel bekommen die Kubaner auf Rabattmarken und auch die Kraftstoffzuteilung wurde wegen der Verknappung des Öls reglementiert. So können beispielsweise an bestimmten Tagen nur Fahrzeuge mit entsprechenden Kennzeichen tanken. Staatskarossen der Regierungsmitglieder, Polizei und Feuerwehr sowie registrierte Touristen-Mietwagen natürlich ausgenommen. Für alle anderen heißt das in erster Linie: Beziehungspflege! Wer entsprechende Tauschobjekte dabei hat, erhält auch so sein Benzin.

„Für ein paar CUC mehr könnte man in Kuba wirklich alles bekommen“, lacht der Norweger und erzählt, wie ihr Guide stets an den knappen Treibstoff gelangte. An manchen Tagen dürfen nur Autos mit bestimmten Nummernschildern tanken, deshalb sei oftmals ein zusätzlicher Handel erforderlich. Die Motorhaube seines Wagens war über und über mit Schlössern versehen und er verstand es trotz Rationierung, immer mit genug Sprit versorgt zu werden. Bis in den letzten Winkel war der Motorraum mit Rumflaschen voll gestopft. Das Grinsen des Norwegers streicht beim Gedanken an die kubanischen Tauschmodalitäten über das ganze Gesicht. Er ist überzeugt, in Kuba kommt es nicht nur darauf an, was man hat, sondern auch, wie man es bekommt. Die Art und Weise sei jedenfalls abwechslungsreich.

Frank kann ebenso viele Geschichten beisteuern. Eine spannender als die andere, so hat es den Eindruck. Wir unterhalten uns meistens in Englisch, das verstehe ich wenigstens. Wie die Norweger schwärmt er von Trinidad und hängt träumend dem dort absolvierten Tauchkurs mit seiner fantastischen Unterwasserwelt nach. Wie alle Touristen besuchte auch er das Ché Guevara-Monument in Santa Clara und sonnte sich anschließend am Strand von Varadero. „Was willst du dir alles anschauen?“, stößt er mich an. Acht Augenpaare richten sich auf mich. Schulterzucken. Ich weiß von der Einzigartigkeit Havannas, von der Revolution und dem Ché Guevara-Denkmal, habe vom Urlaubsparadis Varadero gehört und natürlich auch von Santiago de Cuba. Ich habe nicht wirklich einen Plan und noch keine vollständige Reiseroute. Bedächtig schaue ich über die ausgebreitete Landkarte auf dem Tisch. „Von Havanna erst nach links und dann nach rechts,“ zeige ich auf einige Orte. „Auf jeden Fall auch nach Trinidad, soweit es die Zeit und die Finanzen zulassen.“ Ich blicke fragend in die Runde. „So stelle ich mir das vor. Einmal quer über das Land und dann wieder zurück auf Anfang.“ Also ganz einfach, eigentlich.

Drückende Hitze, Staub, Dreck in den Straßen. Das Domizil liegt in Havanna Centro, dem Wohnviertel der Arbeiter, zehn Minuten von der Altstadt entfernt. Steffen begleitet mich auf dem Weg in die Stadt.

Fremde Blicke, verfallene Häuserfassaden, alte Torbögen, Straßenköter und Kot auf dem Gehweg, sofern ein Gehweg vorhanden ist. Die Eindrücke stürzen pausenlos auf einen ein. Hinzu kreuzen immer wieder Oldtimer die Szenerie. Selbst in den unscheinbaren Seitengassen erstrahlt durch sie der Glanz vergangener Tage. Havanna sei die größte und lebhafteste Stadt der Karibik, die einen von der einen auf die andere Minute bezaubert, verwirrt, entmutigt. So steht es im Reiseführer. War Havanna bis zur Revolution die „Perle der Karibik“, ist sie heute eine „Grande Dame“, die mit viel Make up aufgehübscht wird, ohne dabei die Falten zu kaschieren, die ein Gesicht erst interessant machen. In den vergangenen Jahrhunderten hat sie jeden verführt, ob karibische Freibeuter, amerikanische Schmuggler oder ausländische Touristen. Von den zuletzt genannten gibt es wohl keinen, den der Anblick der steinzeitlichen Pontiacs aus den vierziger Jahren oder der verfallenen Kolonialbauten der Altstadt nicht verzaubert. Nirgends in Europa, Asien oder Amerika findet sich ein Ort, der so aussieht wie hier. Eine einzigartige Atmosphäre. Ein Bekannter kam zwei Wochen nicht aus Havanna heraus, erlebte jeden Tag oder vielmehr jede Nacht aufregende Parties, bereiste Kuba anschließend ein weiteres Mal, um doch noch das Land zu sehen. Aus diesem riesigen Freiluftmuseum mit seinen unbändigen Salsarhythmen gibt es einfach kein Entkommen.

Wir laufen den Malecón entlang, der berühmten Uferpromenade Havannas. Mit Wucht brandet das Meer an die Kaimauer und ergießt sich bis weit auf die Straße. Die Gischt spritzt meterhoch. Ein überwältigendes Bild, wenn im Sonnenlicht die Oldtimer vorbeirollen. Und immer wieder stehen die Wagen mit geöffneten Motorhauben am Straßenrand.

Wie Suchscheinwerfer schweifen die Augen über die Straßen, entdecken vergessen geglaubte Automobile aus einer vergangenen Zeit. „Havanna ist ein gigantisches Verkehrsmuseum“ staunte ich bereits vorhin mit offenem Mund. „Nicht nur die alten Ami-Schlitten, auch die ganzen Ladas, Moskwitschs und Wolgas, fast die gesamte Fahrzeugflotte des Ostens rollt vorüber – einfach faszinierend.“ Für mich ist es eine Reise wie in ein Märchen oder in die automotorisierte Kindheit. Ich kenne noch alle Autotypen! „Schade, dass die kaum noch bei uns fahren.“ Mit Wehmut schaue ich den Wagen nach, so lange, bis sie zwischen den Häuserschluchten verschwinden.

Steffen blickt ebenso lächelnd auf die Fahrzeuge, dann leuchten auch seine Augen. „Da, so einen haben wir früher gehabt.“ Er zeigt auf einen vorbeirollenden Lada, den Mercedes des Ostens, dessen verchromte Stoßstangen in der Sonne blitzen.

„So einen? Den fuhren doch nur die Parteibonzen!“

Schlagartig verblasst die Sonne. Ein Kommentar wie aus einer Pistole, er schaut irritiert zu mir, ein Donnerhall rollt über uns hinweg. „Nicht jeder“ blickt er mit zusammengekniffenen Augen dem Wagen nach und entgegnet schroff: „Es war nicht alles schlecht ...“

Den Kopf zur Seite geneigt trete ich einen Schritt zurück und mustere Steffen. Auf mein Kopfschütteln beginnt er eine Litanei über die Vorteile der DDR, spricht von kostenloser Bildung, umfassender Gesundheitsvorsorge und Kinderbetreuung. Er schließt mit den Worten, dass es das auch hier in Kuba gibt.

„Und warum gibt es die DDR dann nicht mehr?“

Für einen Moment treffen sich unsere Blicke. Zu kurz für eine Wahrheit. Keine Antwort, keine Reaktion, nur die rauschende See ist zu hören. Das Meerwasser legt sich wie Tau über uns. Wir kennen uns noch keine 24 Stunden, und bislang machte Steffen einen angenehmen, unterhaltsamen Eindruck. Ohne weitere Anspielung führt die Unterhaltung zunächst zu belangloseren Themen.

Wir schauen auf die Festung El Morro, die im Hintergrund des Malecón die Hafeneinfahrt überragt. Sie war einst eine der größten Festungsanlagen Spaniens, schützte Havanna und all das geraubte Gold der Inkas vor Piratenübergriffen. Vom Meer aus war das Castillo uneinnehmbar, bis die Engländer im 18. Jahrhundert über die Landesseite kamen und es aushungerten. Im Tausch gegen Florida zog sich das englische Königreich nach einem Jahr wieder zurück, hinterließ jedoch freizügigere Handelsstrukturen, die schließlich den Aufstieg Havannas ermöglichten. Die Stadt blühte auf, wurde das „Paris der Antillen“ genannt und als 1898 die Spanier mit Hilfe der USA endgültig vertrieben wurden, war Kuba auf dem Weg zum weiteren Stern auf der Stars-and-Stripes-Flagge. Vom Regen in die Traufe, dem nordamerikanischen Einfluss konnte es sich nicht lange erwehren und wurde in der Zeit der Prohibition das Rückzugsgebiet für Mafiosi, versenkten Glücksspieler ihr Erbe in prachtvollen Casinos und träumte die käufliche Liebe in teuren Hotels vom schnellen Geld. An der Spitze stand dementsprechend ein korrupter Politiker, aber das ist ja ein jeder Politiker irgendwo und irgendwann. Jeder auf seine Weise. Batista nahm das Land aus, unterdrückte die Cubaneros, gab den Großkriminellen Rückendeckung. Bis Fidel Castro auf den Plan trat, die Revolution anzettelte und einen Staat nach sozialistischem Vorbild aufbaute.

„Natürlich ging es den Kubanern danach besser“ verteidigt Steffen erneut die Revolution.

„Aber es ist und bleibt eine Diktatur!“

„Du siehst alles nur negativ“ protestiert er. „Kuba war lange Kolonie, anschließend abhängig von den imperialistischen USA!“ Zufrieden mit seinem Widerspruch lächelt er spöttisch. „Kuba hat sich gewehrt, die BRD damals halt nicht …“

Geschichtsverdreher, denke ich, gehe jedoch nicht mehr darauf ein. Es hämmert zwar weiter im Hinterkopf, ganz leise, ganz dumpf. Nein, du wirst jetzt nicht weiter diskutieren, sage ich mir. Keine endlose Diskussion über Vor- und Nachteile der vorherrschenden politischen Systeme! Der Sozialismus ist nach meinen Erfahrungen nicht mit dem Menschen vereinbar. Auch wenn er theoretisch noch so gut klingt.

Als trennten uns augenblicklich Welten, bummeln wir durch die Innenstadt. Die heiße Sonne wird von einem auf den anderen Moment von Wolken verdeckt, wie aus dem Nichts folgt ein heftiger Regenschauer. Dicke Tropfen prasseln hernieder, es ist wie bei einem deutschen Sommergewitter. Eine kleine Taverne bietet uns Unterschlupf. Wir sitzen in einer düsteren Ecke im schummrigen Licht. Schwerer Tabakgeruch steigt in die Nase. Die Luft kühlt ab, die Reize bleiben. Von der Straße klingen Salsaklänge, junge Frauen schwingen im Takt dazu ihre Hüften und stolzieren in knappen T-Shirts und noch kürzeren Miniröcken vorbei. Anregende Bilder überschwemmen die Augen. Eine reizvolle Schwarzhaarige stellt jedem einen Mojito auf den Tisch. Rum ist das Nationalgetränk der Kubaner und Mojito der Geschmack der Karibik, bestehend aus Rum mit Limettensaft, Minze und Rohrzucker.

Der Blick wechselt von nackten Schenkeln zum prallen Dekolletee, von tiefschwarzen Locken zu endlosen Beinen.

„War das ein Zwinkern von ihr?“ schaue ich der Versuchung nach. Wie ein Traum, der durch den Raum schwebt, schwingt sie lasziv zum nächsten Tisch.

„Ein Zwinkern? Zu dir?“ kichert Steffen und lehnt sich zurück. „Bestimmt nicht!“

 „Da, wieder ein feuriger Blick!“

„Aber nicht zu dir!“ Glucksend fügt er hinzu. „Eben hast du den Sozialismus noch verdammt und nun schaust du ihm voll Sehnsucht nach.“ Sein meckerndes Lachen schwillt immer lauter an.

Langsam rinnt der Mojito die Kehle hinab. Die Sekunden werden länger, die Gedanken zu einem endlosen Moment. Ein Lächeln vielleicht und wieder von vorn. Der Genuss des Lebens, lebendige Leidenschaft, dazu eine edle Zigarre, zurückgelehnt in einem Schaukelstuhl schmauchend. So käme Kuba dem Paradies schon sehr nahe. Und die Entspannung von ganz allein.

Nach einer gelösten Nacht fühle ich mich in der Casa schon fast heimisch. Es ist wunderbar und gleicht einem Glücksgefühl, ohne spezielle Empfehlungen aus Deutschland mit der selbst ausgesuchten Unterkunft mehr als nur zufrieden zu sein. Dass nebenbei hier auch weitere junge Traveller aus Deutschland nächtigen, bestätigt nur die richtige Wahl.

„Warte, ich fliege ja erst am Abend“, greift Frank nach seinem Fotoapparat und folgt mir auf die Straße. Er berichtet viel von seinen Erfahrungen in Mittelamerika und bietet Unmengen an Informationen über Kuba. Die Reiseplanung wird damit zum Kinderspiel. Wer braucht schon in der Landessprache antworten oder gar Bedenken haben, wenn man auf solch tatkräftige Unterstützung bauen kann?

Gemeinsam erkunden wir die Altstadt, genießen an der Uferpromenade das kubanische Flair. Frank reiste zuvor durch Venezuela und Costa Rica, war in Mexico und in drei weiteren südamerikanischen Ländern. „Spanisch, Englisch, Französisch, ein bisschen Italienisch. Damit kommt man gut zurecht,“ gibt er sich nicht unbescheiden. „Englisch und ein klein wenig Russisch,“ halte ich mit meinen Sprachkenntnissen dagegen. „Jedenfalls komme ich damit weiter als mit Spanisch! Ach ja, und Deutsch, also immerhin drei!“ scherze ich krampfhaft. Nun, wenn er problemlos die Leute versteht, kann er ebenso meine Bustickets ordern. „Nach Viñales? Die habe ich mir dort im berühmten ‚Inglaterra’ gekauft.“

Das Hotel ist ein restauriertes Gebäude, von außen reich verziert, innen mit hohen Wänden und Stuck an der Decke. Weicher Teppichboden schluckt jeden Schall. Betont leise bestellt er die Fahrtkarten und übersetzt die Abfahrtszeiten. Als ich die Ticketverkäuferin auf Englisch nach den Sitzplätzen frage, bekomme ich auf Deutsch eine Antwort. Erstaunt stocke ich und blicke irritiert. Sie lernte wahrscheinlich in den 80er Jahren deutsch, um - wie andere Kubaner auch - im Osten Deutschlands zu studieren. Die Gedanken zucken. Offensichtlich waren die Befürchtungen unbegründet, ohne Spanisch aufgeschmissen zu sein. Ein hörbares „Danke und gracias!“ beim Aufstehen. Übermütig wische ich letzte Zweifel zur Seite, der Urlaubstrip könnte an der Sprachhürde scheitern.

Die Kamera stets einsatzbereit durchstreifen wir die Innenstadt. Zwischen den Balkonen der verschlissenen Häuserfassaden sind Wäscheleinen gespannt, Frauen schwatzen lautstark in den engen Gassen. Wir betreten dunkle Hinterhöfe, betrachten restaurierte Villen neben halb eingestürzten Ruinen, hören laute Salsamusik und nebenbei das Stimmengewirr der unzähligen Touristen. Inmitten hoher Häuserschluchten finden wir wieder zurück zum Malecón. Langsam wälzen sich die Autos über den breiten Boulevard, geben immer wieder neue Fotomotive. Ich kann mich kaum entscheiden, welcher Oldtimer nun besser zu den Ruinen und dem blauen Ozean im Hintergrund passt. Nebenbei, das Meer ist aufgewühlt, peitscht gut zehn Meter an der Kaimauer hoch, setzt die Straße immer wieder für einen kurzen Moment knietief unter Wasser - und vergisst uns leider auch nicht. Nasse Hose, nasse Haare, Glück für den Fotoapparat. Außer der Umhängetasche sind nur die Taschentücher und Streichhölzer unbrauchbar.

Den alten Autos ergeht es nicht besser. Vor uns rollt ein Moskwitsch aus, dessen Fahrer umgehend damit beginnt, unter der Motorhaube zu werkeln. Minuten später stoppt ebenfalls ein Ladafahrer mitten auf der Straße. Auch dieser klappt die Motorhaube hoch, kramt anschließend im Kofferraum nach Ersatzteilen und Ölkanister. Die Kubaner sind wahrlich ein Volk der Schrauber und Improvisationskünstler. Jedes Fahrzeug, jeder Wagen, jedes Vehikel wird repariert, solange diese noch rollen können. Die amerikanischen Plymouth oder Oldsmobile oder Buick waren robust gebaut, fahren heute noch kreuz und quer über Havannas Straßen. Die Langlebigkeit der Wagen sowjetischer Bauart hingegen überrascht, sind diese mittlerweile auch fast vierzig Jahre alt. Aber kein Sozialismus ohne Kreativität. Wie Frank zu berichten weiß, kommt es nicht nur einmal vor, dass neben einem Lada-Motor ein Hyundai-Getriebe oder eine Benzinpumpe aus einem verrosteten Wolga ihren Dienst verrichtet. Und alles eingebaut in einem betagten Chevrolet, der alten Glanz wieder aufleben lässt. In Havanna wird die vergangene Zeit konserviert und dem Betrachter gleichzeitig fünf Jahrzehnte Stillstand vorgegaukelt, damit ein jeder in Erinnerungen schwelgen kann.

„Irgendwie sieht es hier anders aus, als ich erwartet habe“, wende ich mich an Steffen, mit dem ich am Nachmittag abermals durch Havanna Centro streune. Es ist wie ein Gefühl aus einem verlorenen Traum. Mit offenen Augen suche ich weiter. „Alles scheint bekannt und sieht doch so fremd aus.“ Er gibt noch keine Antwort. Wir schlendern weiter über den Obispo, Havannas Fußgängerzone, laufen über den Plaza Vieja, wo Havanna am schönsten und das Eis am teuersten ist, stehen erhaben inmitten dieses unglaublichen UNESCO-Weltkulturerbes. Zu fast jeder Straßenecke weiß Steffen etwas erzählen, erinnert sich an seinen Besuch hier vor drei Jahren. Was mir auffällt, ist schnell erzählt. Havanna ist alt und verfallen, städtebaulich leblos, trotz der imposanten und herrschaftlichen Gebäude und zahlreichen bunten Einwohner. Einerseits wird es vom Leben erfüllt, von spielenden Kindern, von fremden Besuchern, von dazugehörigen Schleppern und manchmal auch von Gelegenheitsprostituierten. Doch etwas fehlt noch im Vergleich zu anderen Metropolen, ganz gleich, auf welchem Erdteil. Zwar spürte ich bereits gestern, dass etwas anders ist, als ob etwas Vertrautes fehlt, kann es jedoch nicht bestimmen.