Im Liebesbann des Scheichs - Jennie Lucas - E-Book

Im Liebesbann des Scheichs E-Book

Jennie Lucas

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Beschreibung

Wir haben für Sie die schönsten Romane aus der faszinierende Welt des Orients zusammengestellt - vom Scheich bis zum Wüstenprinzen - tauchen Sie ein in 1001 Nacht.

EROBERT VON DEM PRINZEN DER WÜSTE

Ich wünsche dir noch ein schönes Leben, Sharif! Scheich Sharif bin Nazih al-Aktoum ist fassungslos. Normalerweise sinken ihm die schönsten Frauen willenlos in die Arme. Aber Irene Taylor ist offensichtlich anders! Dabei versucht er seit 48 Stunden, sie zu verführen. Doch mit ihrer Absage ist sein männliches Interesse an dieser Traumfrau mit den aufregenden Kurven nicht gestorben. Im Gegenteil. Wenn er Irene nicht mit kostbaren Geschenken und seinem feurigem Charme locken kann, dann muss der Prinz der Wüste eben zu anderen Waffen greifen …

DIE GESTOHLENE BRAUT DES SCHEICHS

Endlich! In einem Pariser Nachtclub spürt Bodyguard Zahir El Hashem die flüchtige Prinzessin auf. Er soll Soraya in den Wüstenstaat Bakhara begleiten, wo bereits alles für ihre arrangierte Hochzeit mit dem Scheich vorbereitet wird. Doch während ihrer Reise durch die Wüste erwartet Zahir eine harte Prüfung. Denn mit ihren aufregenden Kurven, ihren strahlenden Sternenaugen und ihrem sinnlichen Lächeln entfacht die Prinzessin in ihm ein gefährlich verbotenes Verlangen: Er will sie unter dem samtblauen Nachthimmel lieben. Und er weiß, dass sie diese Sehnsucht erwidert …

DIE JUWELEN DES SCHEICHS

Umweht vom betörenden Duft des Jasmins betritt Gina den Palast von Kabuyadir. Der Scheich hat sie eingeladen, weil ihr Auktionshaus kostbare Juwelen für ihn verkaufen soll. Was für ein Schock, als sie entdeckt, dass ihr Gastgeber kein Unbekannter ist! Er ist der geheimnisvolle Zahir, mit dem sie vor Jahren eine magische Liebesnacht unter dem sternenübersäten Himmel der Wüste verbrachte. Sofort ist die Anziehung wieder da, hingebungsvoll genießt Gina Zahirs heiße Küsse. Bis sie erfährt, dass ihr Traummann eine arrangierte Ehe mit der Tochter des Emirs plant!

DIE BRAUT DES SCHEICHS

Xenia ist fassungslos. Ihr Großvater hat sie dem begehrten Junggesellen Scheich Rashid zur Frau versprochen. Doch eine Vernunftehe mit einem Unbekannten will sie auf keinen Fall eingehen. Es gibt nur einen Ausweg...

DAS FEUERHERZ DER WÜSTE

"Azeez lebt." Schockiert erfährt die schöne Ärztin Nikhat Zakhari die Neuigkeit. Azeez, der Kronprinz von Dahaar, hat den schrecklichen Anschlag überlebt? Wo ihn alle verloren glaubten? Ein eiskalter Hauch durchfährt ihr Herz, gefolgt von überwältigender Hitze. Denn nie hat sie Azeez und seine feurige Leidenschaft vergessen. Seine Liebe war wie ein mächtiger Wüstensturm, der sie mitgerissen hat. Und doch hat sie ihn damals verlassen. Erstarrt hört sie jetzt, was ihr Azeez‘ Bruder noch zu sagen hat: "Er braucht dich, Nikhat. Ich flehe dich an - kehr zu ihm zurück!"

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Seitenzahl: 1009

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Jennie Lucas, Annie West, Maggie Cox, Penny Jordan, Tara Pammi

Im Liebesbann des Scheichs

IMPRESSUM

JULIA erscheint in der Harlequin Enterprises GmbH

Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: 040/60 09 09-361 Fax: 040/60 09 09-469 E-Mail: [email protected]
Geschäftsführung:Thomas BeckmannRedaktionsleitung:Claudia Wuttke (v. i. S. d. P.)Produktion:Christel BorgesGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

© 2014 by Jennie Lucas Originaltitel: „The Sheikh’s Last Seduction“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London in der Reihe: MODERN ROMANCE Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe JULIABand 2162 - 2015 by Harlequin Enterprises GmbH, Hamburg Übersetzung: Anike Pahl

Abbildungen: Harlequin Books S.A., alle Rechte vorbehalten

Veröffentlicht im ePub Format in 01/2015 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783733701321

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, BIANCA, ROMANA, HISTORICAL, MYSTERY, TIFFANY

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1. KAPITEL

Vom ersten Augenblick an war ihm klar, dass er sie haben musste!

Sharif bin Nazih al-Aktoum, Emir von Makhtar, hatte gerade noch über den Scherz eines Freundes gelacht, als er sich umdrehte und plötzlich diese Frau entdeckte. Sie stand ganz allein im Mondschein am Ufer des riesigen Comer Sees.

Ihr weißes Kleid leuchtete im silbrigen Licht der Novembernacht, und ihr pechschwarzes langes Haar fiel ihr in weichen Wellen über die Schultern. Sie hatte ein bildhübsches Gesicht, hielt die Augen jedoch fest geschlossen und formte mit ihren sinnlichen Lippen lautlose Worte.

Sein Gelächter verstummte. War sie ein Geist? Eine Traumerscheinung?

Vermutlich nur ein weiterer Hochzeitsgast! Nichts Besonderes jedenfalls. Andererseits …

Fasziniert starrte er sie an. Gerade eben hatte er sich noch über den Bräutigam lustig gemacht – einen notorischen Playboy, der den Fehler begangen hatte, seine Haushaltshilfe zu schwängern. Die frischgebackene Braut war zwar äußerst attraktiv und schien auch loyal und sehr nett zu sein. Trotzdem würde Sharif selbst sich niemals in eine solche Falle locken lassen. Nicht bis zum bitteren Ende, nicht bis …

Hastig brach er diesen Gedankengang ab und wies mit dem Kinn in Richtung Seeufer. „Wer ist das?“

„Wen meinst du?“

„Die Frau da am Wasser.“

Sein Freund, der Herzog von Alzacar, reckte den Hals. „Ich sehe dort niemanden.“

Zwischen ihnen beiden und der Unbekannten amüsierten sich unzählige Partygäste auf der Terrasse, tranken Champagner und genossen die milde Herbstluft. Die abendliche Hochzeitszeremonie war kurz zuvor in einer mittelalterlichen Kapelle abgehalten worden, und nun wartete man auf den Dinnerempfang.

Wieso konnte sein Freund den schwarzhaarigen Engel nicht entdecken?

„Bist du blind?“, fragte Sharif ungeduldig.

„Beschreib sie mir mal!“

Fast wäre Sharif dieser Aufforderung nachgekommen, aber er biss sich rechtzeitig auf die Zunge. Der spanische Herzog war als unverbesserlicher Schwerenöter verschrien, und Sharif hatte den plötzlichen Impuls, die Fremde vor anderen Männern beschützen zu wollen. Es kam ihm vor, als wäre sie nicht von dieser Welt. Irgendwie magisch … mystisch.

„Egal“, brummte er. „Entschuldige mich.“ Entschlossen steuerte er auf den Pfad zu, der hinunter zum Ufer führte.

„Lass dich nicht vom Mondschein verhexen, mein Freund!“, rief ihm der Herzog von Alzacar lachend hinterher. „Sonst werde ich beim nächsten Mal noch zu deiner Vermählung eingeladen!“

Sharif ignorierte diese Spitze. Mit einer erhobenen Hand gab er seinen Leibwächtern zu verstehen, dass sie sich im Hintergrund halten sollten. Wo war seine geheimnisvolle Elfe geblieben? Hatte er sie schon verloren? Oder sich alles nur eingebildet?

Da bemerkte er direkt vor sich eine Bewegung und atmete erleichtert aus. Sie war nur ein Stück weiter am Ufer entlanggegangen, und er folgte ihr lautlos. Ihr Gang war geschmeidig und elegant. Als er sie fast erreicht hatte, trat er versehentlich auf einen Ast, und sie fuhr erschrocken herum.

Schweigend sahen sie sich an.

Sie war nicht – wie er – in Weiß gekleidet, obwohl er das von Weitem angenommen hatte. Ihr Kleid war zartrosa, genau wie ihre Wangen, die einen starken Kontrast zu dem schwarzen Haar bildeten.

Sharif schätzte die junge Frau auf Anfang zwanzig, und aus der Nähe wirkte ihr Gesicht nicht im herkömmlichen Sinne hübsch, sondern eher markant und ausdrucksstark. Nur ihre Lippen waren weich und voll, und in ihren großen braunen Augen lag eine unbestimmte Weisheit, die er nicht richtig einordnen konnte.

Außerdem schwammen sie in Tränen.

„Wer sind Sie?“, wollte sie wissen.

Sharif blinzelte und zog die Stirn in Falten. „Sie kennen mich nicht?“

Sie schüttelte den Kopf. „Müsste ich das denn?“

Diese Frau stammte wirklich aus einer anderen Welt. Schließlich war der Emir von Makhtar – steinreicher Scheich und betörender Frauenheld – praktisch weltberühmt. Schon häufiger hatte Sharif mit seinem Gefolge an einem einzigen Abend in der Öffentlichkeit siebenstellige Summen ausgegeben, und er machte regelmäßig Bekanntschaft mit den schönsten Frauen dieser Erde. Nicht weniger als sechs Leibwächter hielten sich zu seinem Schutz permanent in seiner Nähe auf, und es kursierten die wahnwitzigsten Gerüchte über ihn.

Wusste sie tatsächlich nicht, mit wem sie es zu tun hatte? Oder gab sie das bloß vor, um sich wichtig zu machen? Misstrauisch kniff er die Augen zusammen und zuckte mit den Achseln. „Ich bin Gast auf dieser Hochzeit.“

„Ach so. Genau wie ich.“

„Wieso weinen Sie?“

„Tu ich nicht.“ Eine einsame Träne lief ihr über die Wange.

„Ach, nein?“

„Nein.“

Er legte den Kopf schief. „Sind Sie vielleicht in den Bräutigam verliebt? Weinen Sie deshalb?“

„Nein!“

„Viele Frauen sind es. Man erzählt sich, halb London war außer sich vor Liebeskummer, nachdem Cesare Falconeri seine Verlobung mit der Haushälterin bekannt gegeben hatte.“

„Emma ist meine Freundin!“

„Dann planen Sie also, sie zu hintergehen und ihn zu verführen, sobald die Flitterwochen vorbei sind?“

Sie starrte ihn an, als wäre er verrückt geworden. „Mit welcher Sorte Frau umgeben Sie sich eigentlich? Ich würde niemals … Ich könnte nie und nimmer …“ Kopfschüttelnd wischte sie sich die Tränen aus den Augen. „Ich freue mich für die beiden. Sie sind füreinander bestimmt.“

„Aha.“ Solche Statements langweilten ihn zu Tode. „Es geht demnach nicht um den Bräutigam. Sie weinen um einen anderen Mann.“

Er sah, wie sie die Zähne zusammenbiss.

„Nein.“

„Was ist es dann?“

„Das geht Sie überhaupt nichts an!“

Jetzt machte er einen Schritt auf sie zu und hörte, wie sie scharf den Atem einsog, während sie zurückwich. Gut so. Sie reagierte demnach genauso empfindsam auf ihn, wie er auf sie – trotz ihres vorlauten Mundwerks.

In ihrem Blick lag eine bemerkenswerte Tiefe, von der Sharif sich magisch angezogen fühlte. Als würden sich darin Geheimnisse verbergen, die es sich zu entdecken lohnte. Er wollte die Wärme ihrer Haut spüren … diese Frau bot ihm genau die Abwechslung, die er jetzt gerade brauchte.

Gekonnt setzte er sein gewinnendstes Lächeln auf. „Verraten Sie mir doch bitte, weshalb Sie Ihre kostbaren Tränen vergießen, Signorina“, bat er mit sanfter Stimme. „Verraten Sie mir, wieso Sie hier ganz allein am Ufer stehen!“

Sie öffnete den Mund und schloss ihn gleich wieder. Dann sah sie zur Seite. „Ich habe doch schon gesagt, ich weine nicht.“

„Und Sie haben behauptet, mich nicht zu kennen.“

„Korrekt.“

Nach der ersten Lüge fiel ihr die zweite offenbar nicht schwer. Gut zu wissen! Nachdenklich betrachtete er ihre aufregend kurvige Erscheinung. Das rosafarbene Kleid lag eng am Körper und brachte ihre Reize gut zur Geltung.

Die junge Frau errötete unter seinen Blicken, was sie noch begehrenswerter machte. Für Sharif stand fest, dass er sie erobern musste. Nicht nur, um sich von diesem Hochzeitszirkus abzulenken, sondern weil ihm schon seit etlichen Monaten eine gewisse Aufregung im Leben fehlte!

Ob sie nun wusste, wer er war, oder nicht. Mit ihr konnte man sich bestimmt hervorragend amüsieren, auch wenn sie optisch etwas von seinem gewöhnlichen Beuteschema abwich. Normalerweise verabredete er sich bevorzugt mit großen Blondinen. Aber diese unbekannte Schönheit am Seeufer stellte für ihn eine ganz besondere Verlockung dar.

„Es wird allmählich kühl“, bemerkte er und bot ihr seinen Arm an. „Lassen Sie uns zur Villa zurückkehren. Dann können wir unser Gespräch bei einem Glas Champagner fortsetzen.“

„Ich soll mit Ihnen zusammen etwas trinken?“

„Sie sind doch nicht etwa verlobt?“

Sie schüttelte den Kopf. „Nein, ich bin nicht verlobt.“

„Das hätte ich auch nicht vermutet.“

Ihre Augen wurden schmal. „Wieso?“

„Dafür sind Sie nicht der Typ“, entgegnete er lächelnd.

Zu seiner Verwunderung machte sie diese Bemerkung wütend. Offenbar fühlte sie sich ernsthaft beleidigt.

„Und warum nicht?“, zischte sie gereizt.

Die Unterhaltung nahm eine Wendung, die ihm nicht passte. Schließlich wollte er seine kleine Elfe nach allen Regeln der Kunst verführen. Da war es strategisch unklug, sie vorher gegen sich aufzubringen.

Er runzelte die Stirn. „Warum regen Sie sich denn so auf? Habe ich etwas Falsches … ach, ich verstehe schon!“

„Ach ja?“

„Na, ich kenne zumindest den Grund, weshalb Sie hier am See allein sein wollten.“ Selbstsicher zog er die Augenbrauen hoch und nickte. „Ich hatte ganz vergessen, wie sensibel Frauen auf Hochzeitsfeiern reagieren. Wahrscheinlich haben Sie schon vorhin während der Zeremonie im Kerzenschein heimlich Tränen vergossen und vom Wunder der Liebe geträumt?“ Bei dem Wort Liebe bleckte er die Zähne, als hätte er einen bitteren Geschmack auf der Zunge. „Und zu Hause wartet wohl ein netter Bursche, von dem Sie sich einen Antrag erhoffen? Sie fühlen sich einsam, und das macht Sie gleichzeitig traurig und wütend. Sie sind es leid, auf Ihr Glück zu warten.“

Ruckartig drehte sie den Kopf zur Seite, als hätte er ihr eine Ohrfeige verpasst. „Sie irren sich, sogar gewaltig!“

„Freut mich zu hören“, murmelte er und meinte jedes Wort ernst. Solange es keinen anderen Mann gab, der ihm seine Beute streitig machen konnte, war er zufrieden. „Was immer auch der Grund für Ihre trübselige Stimmung sein mag, ab sofort ist Schluss damit! Heute Abend wollen wir uns amüsieren. Vielleicht sogar die ganze Nacht lang …“, fügte er vielsagend hinzu.

Noch immer hielt er ihr seinen Arm hin, doch sie starrte ihn regungslos an und brauchte fast eine Minute, ehe sie ihre Sprache wiederfand. „Ist das etwa Ihre Vorstellung von Smalltalk?“, fragte sie scharf.

„Ich kürze nur gern überflüssige Umwege ab und komme direkt zum Punkt“, erklärte er trocken.

„Das ist also Ihre Erklärung für dieses unmögliche Benehmen?“, erkundigte sie sich empört und hob ihr Kinn. „Entschuldigen Sie mich!“

Damit ließ sie ihn stehen, als wäre der Emir von Makhtar nichts weiter als ein gewöhnlicher Bittsteller. Das war ihm definitiv noch nie passiert!

Fassungslos sah Sharif ihr nach.

Sie sind es leid, auf Ihr Glück zu warten.

Die Worte des attraktiven Arabers hallten in ihr nach, und Irene Taylors Schritte wurden allmählich langsamer.

War sie es wirklich leid, auf ihr Glück zu warten? Eilig blinzelte sie die frischen Tränen fort. Mit unbeabsichtigter Grausamkeit hatte er die Ängste ans Licht gezerrt, mit denen sie schon den ganzen Tag über kämpfte – trotz oder gerade wegen der bezaubernden Hochzeit ihrer Freundin.

Irene war dreiundzwanzig Jahre alt und wartete schon ihr ganzes Leben lang auf den Einen, den Richtigen, auf ihren Liebsten. Inzwischen glaubte sie, er würde ihr nie mehr über den Weg laufen.

Seit ihrer Kindheit träumte sie fantasievoll von ihrem späteren Leben, ihrem Zuhause und einer eigenen Familie. Damals war sie von ihrem ersten Tag in der Vorschule heimgekommen, völlig in Tränen aufgelöst. Niemand war dort gewesen, der sie in Empfang genommen hätte, aber die Nachbarin Dorothy Abbott hatte das weinende Mädchen mit der zerbrochenen Brotdose durchs Fenster beobachtet.

Sie hatte Irene sofort zu sich ins Haus geholt, ihren blutenden Kratzer an der Stirn verarztet und ihr selbst gebackene Kekse mit frischer Milch hingestellt. Für Irene war das in dem Moment der Himmel auf Erden gewesen. Sie hatte sich geborgen und aufgehoben gefühlt.

Wie wunderbar wäre es, in einem kleinen Cottage zu wohnen mit einem weißen Zaun davor … Kuchen backen, im Garten arbeiten und das alles mit einem ehrlichen, liebevollen Partner an der Seite? Seit diesem Tag nach der Vorschule wollte Irene irgendwann das Leben führen, das Dorothy und Bill Abbott sich aufgebaut hatten. Die beiden waren vierundfünfzig Jahre verheiratet gewesen und hatten sich bis zu ihrem Todestag aufopfernd umeinander gekümmert.

Irene hatte auch schon früh erfahren, wie sie als Erwachsene niemals leben wollte! Ihre Mutter war eine schwere Alkoholikerin gewesen, und ihre wesentlich ältere Schwester Melissa hatte zu jeder Tages- und Nachtzeit diverse Herren empfangen, die sich mit ihr vergnügten und ihr anschließend Geld zukommen ließen.

Damals schon stand für Irene fest, dass sie es aus eigener Kraft zu einer besseren Existenz schaffen wollte. Nach der Highschool schuftete sie sich in diversen Jobs die Finger wund, kam jedoch auf keinen grünen Zweig, da ihre Mutter und ihre Schwester teilweise auf diese dürftigen Verdienste angewiesen waren.

Nachdem Dorothy und Bill gestorben waren, hatte Irene sich unendlich einsam gefühlt und war daher bereitwillig und naiv auf die Avancen des freundlichen Bürgermeistersohns hereingefallen. Sie hatte sich Hals über Kopf in ihn verliebt, hätte es allerdings besser wissen müssen! Carter war letztendlich der Grund gewesen, weshalb sie ihrer Heimatstadt den Rücken gekehrt hatte.

Ich wollte mich bloß mit dir amüsieren, Irene. Das ist alles. Du bist nicht der Typ Frau, den ich heiraten würde. Er hatte freudlos gelacht. Mal im Ernst, hast du echt gedacht, ein Mann wie ich – mit meinem Hintergrund – würde sich ernsthaft auf jemanden wie dich einlassen? Allein deine Familie … das passt nie und nimmer zusammen.

Ja, sie hatte sich eingeredet, er würde sich ernsthaft auf sie einlassen. Das Ganze war jetzt zwei Jahre her. Zum Glück war sie mit Carter nie im Bett gelandet. Aber die Demütigung, ihn vergeblich zu lieben, hatte ihr gereicht, um Colorado endgültig hinter sich zu lassen. Zuerst war sie zum Arbeiten nach New York geflohen, anschließend nach Paris.

Obwohl sie sich einredete, unbedingt einen Neuanfang zu wollen, ohne jemals ihren Schritt zu bereuen, träumte sie heimlich davon, eines Tages selbstbewusst, schlank und kultiviert in ihr kleines Heimatstädtchen zurückzukehren. Wie in einem Film von der einzigartigen Audrey Hepburn. Sie würde in einem eleganten schwarzen Kleid über die Straße gehen, mit dunkelrot geschminkten Lippen den Passanten zulächeln und darauf warten, dass der zutiefst beeindruckte Carter ihr gegenüber Abbitte leistete. In ihrer Fantasie war er von ihrem neuen Ich überwältigt und legte ihr nicht nur seine Liebe, sondern auch seinen guten Namen zu Füßen.

So ein Blödsinn! Allein der Gedanke an diese Märchenszene trieb ihr mittlerweile die Schamesröte ins Gesicht. Energisch wischte sie die letzten Tränen fort. Als wenn ein Aufenthalt in New York oder Paris aus ihr den Menschen machen könnte, mit dem Carter sein Leben verbringen würde! Designerklamotten und teure Frisuren änderten nichts daran, dass sie aus übelsten Verhältnissen stammte. Der Weg hinauf in die einhundert Jahre alte, legendäre Linsey Mansion der Carters blieb ihr auf ewig verwehrt.

Schlimmer noch, sie würde in einem erbärmlicheren Zustand nach Hause zurückkehren, als sie fortgegangen war: arbeitslos, pleite und kein einziges Pfund leichter als früher. Dabei hatte sie fest daran geglaubt, etwas aus sich und ihrem Leben machen zu können.

Nach dem unglücklichen Vorfall, der sie vor sechs Monaten ihre Anstellung gekostet hatte, war Irene voller Hoffnung gewesen, in Paris einen neuen Job zu finden. In der Zwischenzeit hatte sie von ihren mageren Ersparnissen gelebt – und von dem kleinen Erbe, das die Abbotts ihr vermacht hatten.

Sie blieb stehen und presste sich ihre Finger fest an die Schläfen. Wie hatte dieser seltsame Scheich sich ausgedrückt? Was immer auch der Grund für Ihre trübselige Stimmung sein mag, ab sofort ist Schluss damit! Heute Abend wollen wir uns amüsieren. Vielleicht sogar die ganze Nacht lang …

Wieso ausgerechnet mit ihr? In ihrer Heimatstadt hätte sie ein unmoralisches Angebot wie dieses auf den schlechten Ruf ihrer Familie zurückgeführt. Sie hatte sich immer eingeredet, sie dürfe die Anfeindungen der Menschen nicht persönlich nehmen. Aber wieso dachte dieser Araber schlecht von ihr? Er traute ihr sogar zu, dass sie Emmas Ehemann verführen wollte! Und dann erwartete er noch, dass sie bereitwillig mit ihm selbst die Nacht verbrachte …

Ratlos schüttelte sie den Kopf und kühlte mit den Handrücken ihre heißen Wangen. Zugegeben, sie hatte sich extrem zu dem fremden Mann hingezogen gefühlt. In dieser weißen Gewandung wirkte er geheimnisvoll und exotisch auf sie. Seine fast schwarzen Augen und die sinnlichen Lippen waren genauso aufregend wie seine kraftvolle Statur. Er war männlich, erotisch, mit einer Aura von Macht und Reichtum – jedenfalls schloss sie das aus der Tatsache, dass sich eine Reihe Furcht einflößender Bodyguards in seiner Nähe aufhielten.

Wenn Carter sich schon außerhalb ihrer Liga bewegte, war dieser Scheich geradezu Teil einer völlig fremden, unerreichbaren Dimension. Einer unbekannten Galaxie, wenn man so wollte. Weshalb sollte sich ein Mann wie er ausgerechnet für sie interessieren?

Um Emmas willen hatte Irene sich heute große Mühe gegeben, hübsch auszusehen. Sie trug sogar Kontaktlinsen anstelle ihrer dicken Brille und hatte sich ein zauberhaftes Designerkleid ausgeliehen. Aber das alles war keine ausreichende Erklärung für den spontanen Annäherungsversuch eines Fremden. Und für diese plötzliche Vertrautheit zwischen ihnen …

Vielleicht war sie einfach leichte Beute gewesen … ganz allein am Seeufer und offensichtlich in einem emotional aufgewühlten Zustand? Diese unheimlich dunklen Augen hatten ihr anscheinend direkt in die Seele geblickt. Eine erschreckende Vorstellung!

Und zu Hause wartet wohl ein netter Bursche, von dem Sie sich einen Antrag erhoffen? Sie fühlen sich einsam, und das macht Sie gleichzeitig traurig und wütend. Sie sind es leid, auf Ihr Glück zu warten.

Ich kann nicht nach Colorado zurück! schoss es ihr durch den Kopf.

Andererseits hatte sie nicht mehr als zwanzig Euro in der Tasche, ihr Pariser Apartment war nur noch bis Ende der Woche bezahlt, und sie hatte den Heimflug bereits gebucht.

Mit einer hellen Glocke läutete Emma von der oberen Terrasse herunter und rief auf diese Weise die Dinnergäste zusammen. Ihr frisch angetrauter Ehemann Cesare Falconeri stand neben ihr unter zahlreichen cremefarbenen Lampions, und ihr gemeinsamer Sohn lag gähnend in den starken Armen seines Vaters. Lächelnd gab Cesare seiner Emma einen innigen Kuss.

Emma hatte ihre große Liebe gefunden, sie hatte geheiratet und war Mutter eines zuckersüßen Babys. Cesare und sie waren unbeschreiblich glücklich miteinander. Und sie würden niemals Geldsorgen haben, weil Cesare mit seinen Hotels Milliarden verdiente. Die beiden hatten Irene sogar ein Flugticket zur Hochzeitseinladung beigelegt. Von Paris nach Italien, und das Ganze erster Klasse! Für Irene war es eine einmalige Erfahrung gewesen, von vorn bis hinten bedient und verwöhnt zu werden.

Allerdings brauchte sie keinen Luxus im Leben. Sie wollte bloß wissen, dass sie eines Tages das Gleiche wie Emma und auch Dorothy Abbott erleben durfte: Irene wollte einen loyalen Mann finden, der sie liebte und respektierte. Und sie wünschte sich ein fröhliches Leben, gesunde Kinder und ein gemütliches Heim.

Langsam schlenderte sie weiter und gesellte sich zu den übrigen Gästen. Die Hochzeitstafel war üppig mit Blumen und Kerzen geschmückt, und in allen vier Ecken der Terrasse standen große Gasheizungen, die eine wohlige Wärme in die Novembernacht strahlten. Trotzdem fröstelte Irene.

Ihr fuhr jedes Mal ein Stich ins Herz, wenn sie Emmas kleine Familie betrachtete, auch wenn sie ihrer Freundin dieses Glück wirklich gönnte. Nur ließ sich der nagende Gedanke einfach nicht abschütteln, dass ihr selbst möglicherweise keine rosige Zukunft vergönnt war.

Irene schluckte schwer und wandte sich ab, um im nächsten Augenblick gegen eine Wand aus Muskeln zu prallen. Einer ihrer hochhackigen Schuhe rutschte unter ihr weg, und sie stieß taumelnd einen leisen Schrei aus. Sofort griff eine kräftige Hand nach ihrem Arm und stützte sie.

„Vielen Dank.“ Dann erkannte sie, mit wem sie da zusammengestoßen war. Natürlich handelte es sich um diesen arroganten Scheich, der ihr am Seeufer nachgestellt hatte. „Ach, Sie sind es!“

Darauf antwortete er nicht, sondern wartete schweigend ab, bis sie ihr Gleichgewicht wiedergefunden hatte. Seine Handfläche lag warm auf ihrer Haut und löste die wundersamsten Gefühle in ihr aus. Im sanften Schein der Lampions sah er noch viel attraktiver aus als zuvor.

Hastig zog sie ihren Arm zurück. „Dankeschön“, wiederholte sie in feindseligem Ton. Leider ließ er sich davon nicht abschrecken.

„Sie haben mir rüdes Verhalten vorgeworfen, dabei habe ich mir gar nichts zuschulden kommen lassen“, erwiderte er leise.

Unbewusst rieb sie die Stelle, wo er sie berührt hatte. „Sie haben mich beleidigt.“

„Weil ich Sie eingeladen habe, die Nacht mit mir zu verbringen?“, fragte er verwundert. „Wie kann man das als Beleidigung auffassen?“

„Machen Sie Witze? Wie könnte man es denn sonst verstehen?“

Belustigt sah er sie an. „Normalerweise verstehen Frauen ein solches Angebot als Kompliment.“

Beinahe hätte sie das Gesicht verzogen. Frauen! dachte sie geringschätzig. Wahrscheinlich standen sie bei ihm Schlange und gaben ihm ständig das Gefühl, unwiderstehlich zu sein!

„Wie schön für Sie“, bemerkte sie trocken. „Offenbar reichen bei Ihnen ein paar billige Worte, um damit eine Frau ins Bett zu locken. Tut mir leid, wenn das bei mir nicht funktioniert.“

Ihre aufsässige Art schien ihn zu irritieren. Kein Wunder, diesen Umgang war er als junger, attraktiver Scheich sicherlich nicht gewohnt.

„Sind wir uns früher schon einmal begegnet? Gibt es einen bestimmten Grund für Ihre Feindseligkeit?“

„Nein, wir sind uns nie begegnet. Und ja, ich habe tatsächlich einen guten Grund für meine Feindseligkeit.“

„Der wäre?“

„Hören Sie mal, mir ist schleierhaft, weshalb Sie es ausgerechnet auf mich abgesehen haben. Denn ich kenne Männer wie Sie.“

„Männer wie mich?“

„Muss ich wirklich noch deutlicher werden? Das könnte Ihre Gefühle verletzen. Andererseits …“ Nachdenklich wiegte sie den Kopf hin und her. „Aber vermutlich haben Sie gar keine.“

„Probieren Sie es ruhig aus!“

„Man merkt sofort, dass Sie ein skrupelloser Playboy sind, der mir schon nach fünf Minuten unterstellt, ich würde meiner Freundin den Ehemann ausspannen wollen. Angeblich verzehre ich mich ja auch nach einem Lover, aber – wie praktisch – da bieten Sie sich gleich als Liebhaber an! Was fällt Ihnen eigentlich ein, so zu tun, als könnten Sie mir direkt in die Seele blicken? Und dann provozieren Sie mich auch noch, indem Sie mit mir die Nacht verbringen wollen. Ja, das alles könnte ich Ihnen an den Kopf werfen, aber natürlich tue ich das nicht. Immerhin ist dies Emmas Hochzeit, und sie verdient einen perfekten Tag. Ich möchte hier keine Szene veranstalten. Mir hat man nämlich beigebracht, einfach den Mund zu halten, wenn man einem anderen Menschen nichts Nettes sagen kann.“ Vielsagend hob sie die Augenbrauen. „Manche Leute haben nämlich noch Manieren. Wenn Sie mich jetzt also bitte entschuldigen?“

Sie kam nur ein paar Schritte weit, ehe er sie am Handgelenk festhielt. Stumm starrte sie zuerst auf seine Finger, dann in sein Gesicht. Sofort ließ er sie wieder los.

„Selbstverständlich, meine Liebe.“ Beschwichtigend hob er beide Hände. „Sie haben recht, ich habe mich danebenbenommen. Das tut mir aufrichtig leid.“ Er lächelte. „Je besser ich Sie kennenlerne, desto mehr sehe ich ein, dass ich mich in Ihnen getäuscht habe. Natürlich sind Sie nicht auf der Suche nach einem Liebhaber. Ohnehin würde kein Mann, der seinen Verstand beisammen hat, dafür infrage kommen. Das wäre ja, als würde man versuchen, einen Kaktus zu verführen.“ Seine ironische Verbeugung gab ihr den Rest. „Vergeben Sie mir, Teuerste! Und erlauben Sie mir bloß nicht, Sie aus Ihrer selbstgewählten Einsamkeit zu befreien!“

Seine weißen Gewänder raschelten leicht, als er sich abwandte und Irene einfach stehen ließ. Fassungslos und mit weit aufgesperrtem Mund sah sie ihm nach, während er in der Menge verschwand. Dann biss sie die Zähne aufeinander. Dieser Idiot!

Wütend stampfte sie mit einem Fuß auf. Was fiel ihm ein? Ihre selbstgewählte Einsamkeit? Nicht zu glauben!

Wenigstens war sie ihn endlich los, das machte es leichter, einen klaren Gedanken zu fassen. Männer wie ihn kannte sie zur Genüge – oder nicht? Ein offensichtlich steinreicher Scheich, umringt von breitschultrigen Bodyguards und in traditioneller Robe, tauchte eher selten in Colorado auf. Nicht einmal ihre Mutter oder ihre Schwester hatten es geschafft, ein solch exotisches Exemplar mit nach Hause zu bringen.

Trotzdem ist er ein Playboy, dachte sie missmutig.

Und diese tiefdunklen Augen … Ihr Herz war vor Aufregung völlig aus dem Takt gekommen, als sie sich beide im Mondlicht am Seeufer unterhalten hatten. Und seine Berührung hatte etwas ganz Besonderes in Irene ausgelöst. Vielleicht auch nur deswegen, weil sie schon den ganzen Tag darüber nachdachte, wann ihr wohl endlich die große Liebe über den Weg lief.

Gut, dass sie diesen Kerl vergrault hatte! Er war ja sowieso davon überzeugt, dass sich kein normaler Mann für sie interessieren könnte. Na und? Besser so! Sie wollte lieber allein und ungeküsst bleiben, als zuzulassen, dass jemand ihr Herz brach und darauf herumtrampelte.

Sie wollte mehr im Leben!

Nach Irenes erstem Tag in der Vorschule hatten Dorothy und Bill sie unter ihre Fittiche genommen. Bill war sogar in die Schule gefahren, um sich die Bürschchen vorzuknöpfen, von denen die kleine Irene herumgeschubst worden war.

Sie hatte es geliebt, ihre Zeit bei dem Rentnerpaar zu verbringen und sich oft eingebildet, deren gemütliches Heim wäre ihr wahres Zuhause. Später zu Highschoolzeiten hatte Irene sich ständig gegen die plumpen Annäherungsversuche ihrer Mitschüler zur Wehr setzen müssen. Damals hatte sie Dorothy danach gefragt, wie sie und Bill sich einst nähergekommen waren.

„Wir haben schon mit achtzehn geheiratet“, hatte Dorothy ihr mit einem Schmunzeln verraten. „Beide jungfräulich, naiv und mittellos. Alle fanden, wir wären viel zu jung für diesen Schritt.“ Lachend nahm sie einen Schluck von ihrem Pfefferminztee. „Aber wir wussten genau, was wir wollten. Auf die erste gemeinsame Nacht zu warten, hat uns auf ganz besondere Weise verbunden. Es war ein Versprechen für die Ewigkeit. Ich weiß, heutzutage hat Sex für die meisten Menschen an Bedeutung verloren. Häufig ist er nicht mehr als ein Moment flüchtiger Befriedigung, schnell wieder vergessen oder mit anderen Partnern wiederholt. Aber für uns beide war er heilig, und diese Entscheidung haben wir auch niemals bereut.“

Damals war Irene schon achtzehn gewesen und hatte sich selbst geschworen, auch auf die wahre Liebe zu warten. Sie hatte die zahlreichen Affären ihrer Schwester und ihrer Mutter erlebt. Kurzbeziehungen ohne Treue, Sicherheit oder echte Freude. Irene wollte etwas anderes für sich. Sie wollte eine Beziehung mit Werten und Bestand.

Beinahe wäre sie bei Carter schwach geworden, aber das würde ihr sicher nicht noch mal passieren. Schon gar nicht hier und heute! Eines war ihr vollkommen klar: Ein Kerl wie dieser Scheich – auf exotische Weise umwerfend, schwerreich und unheimlich von sich eingenommen – konnte jemanden wie sie gar nicht lieben. Nicht für eine Stunde und bestimmt kein ganzes Leben lang. Es war richtig gewesen, ihm die Meinung zu sagen!

Und sie war heilfroh, als sie sich an den Tisch setzte und feststellte, dass er am gegenüberliegenden Ende platziert worden war. Während des köstlichen Essens hatte sie ihre Ruhe vor ihm und genoss die warme Herbstnacht unter den kleinen, wippenden Laternen, in deren Licht die glänzend polierten Gläser und Bestecke funkelten.

Meistens versuchte sie, nicht in seine Richtung zu schauen, trotzdem spürte sie häufig seinen Blick auf sich ruhen. Doch wenn sie es mal wagte, den Kopf zu heben, sah sie ihn mit einer seiner bildhübschen Tischnachbarinnen lachen.

Bilde ich mir vielleicht nur ein, dass er sich immer noch für mich interessiert? fragte sie sich mit gemischten Gefühlen.

Nach dem Dinner wurden die Tische beiseitegeschoben, um Platz für eine Tanzfläche zu schaffen. Ein spanisch anmutender junger Mann mit feurigem Blick und einer seltsam geformten Akustik-Gitarre unter dem Arm erschien in der Flügeltür zur Villa und gab seine Kunst zum Besten.

Bei den ersten Klängen der Musik tauchte plötzlich auch Emma neben Irene auf und hielt ihr das Baby hin. „Würdest du ihn kurz halten, damit mein Ehemann mich zum ersten Tanz auffordern kann?“

„Liebend gern.“ Lächelnd nahm sie Emma den warmen, schlummernden Sam ab und schloss die Arme um das strampelnde Kind. Ihr kam ein Gedanke, und sie berührte mit den Fingerspitzen die Hand ihrer Freundin. „Sag mal, hier ist ein Scheich unter den Gästen, oder? Wer ist das eigentlich genau?“

Emma kniff kurz die Augen zusammen und runzelte die Stirn. Dann sah sie sich vorsichtig um und senkte den Kopf, bis der Saum ihres Schleiers fast den Boden berührte. „Das ist Scheich Sharif bin Nazih al-Aktoum, der Emir von Makhtar.“

„Ein Emir?“, wiederholte Irene leise. „Du meinst, so etwas wie ein König oder Fürst? Von seinem eigenen Land?“

„Ja, genau.“ Emma richtete sich wieder auf und blickte ihre Freundin streng an. „Er ist unglaublich reich und hat sehr viel Macht. Außerdem ist er dafür bekannt, dass er am laufenden Band Frauenherzen bricht. Warum fragst du nach ihm?“

„Ich war nur neugierig.“

„Lass bloß die Finger von dem!“, warnte Emma sie. „Nur weil Cesare sein Playboyleben aufgegeben hat, darf man nicht davon ausgehen, jeder Mann könnte …“

„Das hatte ich schon ganz vergessen“, unterbrach Irene sie nachdenklich. „Cesare war wohl kein Kind von Traurigkeit?“

„Ganz und gar nicht“, seufzte Emma. „Früher gehörte es sogar zu meinem Job, kostbare Abschiedsgeschenke für seine Verflossenen zu besorgen. Der Punkt ist, Irene, die meisten Kerle ändern sich nie. Das weißt du doch, oder?“

Ihrer Freundin schien es sehr ernst zu sein, also nickte Irene. „Sicher.“

„Gut.“

Seufzend lehnte Irene sich auf ihrem Stuhl zurück, während Mr und Mrs Falconeri Hand in Hand auf die Tanzfläche schwebten. Dort drehten sie sich eng umschlungen zu den romantischen Klängen langsamer Gitarrenmusik, und es war, als hätten die beiden die Welt um sich herum vergessen.

Sehnsucht bohrte sich wie ein Pfeil durch Irenes Herz. Eines Tages würde auch sie einen Mann finden, der sie auf diese Weise ansah. Und sie würde ein bezauberndes Baby wie dieses hier haben. Zur richtigen Zeit, am richtigen Ort … Irgendwann würde der perfekte Mann einfach in ihr Leben stürmen, sie würden sich unsterblich ineinander verlieben und dann heiraten. Und sie würden sich ein Haus kaufen und viele Kinder bekommen. Alles würde nach Plan funktionieren.

Und wenn nicht? Wenn sie ihr Leben lang abwartete, hart arbeitete und alle Regeln befolgte, nur um am Ende immer noch arm und einsam zu sein?

Ich muss fest daran glauben! nahm sie sich vor und schloss die Augen. Ich muss es mir wünschen und Vertrauen haben!

„Tanzen Sie gar nicht, Fräulein?“

Überrascht sah sie hoch, doch anstelle des Emirs von Makhtar stand ein hellblonder Mann mit stahlblauen Augen vor ihr. „Nein, danke.“ Ihr fiel ein, wie unverschämt der Scheich sie mit einem Kaktus verglichen hatte. Deshalb setzte sie entschlossen ein höfliches Lächeln auf und wies auf das Baby in ihren Armen. „Sehr freundlich von Ihnen, aber ich muss mich um Sam kümmern, solange das Brautpaar tanzt.“

„Aha. Wirklich ein Jammer“, fügte der Mann mit deutschem Akzent hinzu.

„Ja, finde ich auch“, stimmte sie zu und atmete erleichtert auf, als er sie allein ließ. Sie hatte keine Ahnung, wie sie darauf reagieren sollte, dass ihr gleich zwei Männer an einem Abend Avancen machten. Das war ihr vorher noch nie passiert.

Wahrscheinlich liegt es an diesem aufreizenden Kleid, überlegte sie und sah an sich runter. Trotzdem war sie nicht annähernd so aufgetakelt wie der Rest der Hochzeitsgäste – und auch nicht so gertenschlank.

Irene wusste um ihre Problemzonen. Das lackschwarze Haar war zwar ein Hingucker, aber ihre Figur wirkte im Ganzen etwas zu üppig. Außerdem hatte sie eine unelegante Stupsnase, und mit ihrer Sehkraft war es auch nicht weit her. Die neuen Kontaktlinsen fühlten sich wie Fremdkörper in ihren Augen an. Sie sehnte sich nach ihrer vertrauten Brille zurück und danach, für ihre Mitmenschen wieder unsichtbar zu sein. Ihr gefiel die plötzliche Aufmerksamkeit nicht. Am liebsten hielt sie sich in ihren eigenen vier Wänden auf und las ein gutes Buch.

„Guten Abend, Señorita.“

Überrascht sah Irene hoch und blickte in die warmen Augen des spanischen Gitarrenspielers.

„Sie sind unheimlich toll“, gestand sie ihm freimütig und ohne nachzudenken.

„Wer hat Ihnen das verraten?“, gab er zurück.

Irene wurde rot. „Ich meine natürlich Ihre Musik. Aber wenn Sie hier sind, wer spielt inzwischen für die Gäste?“ Sie drehte sich auf dem Stuhl um und bemerkte eine vierköpfige Band in einer Ecke der Terrasse, die schon die zweite Strophe eines bekannten Evergreens anstimmte. Ihr war der Wechsel gar nicht aufgefallen. Verlegen wandte sie sich wieder dem spanischen Musiker zu. „Sie spielen außergewöhnlich schön Gitarre.“

„Nicht meine einzige Begabung, das kann ich Ihnen versichern. Möchten Sie tanzen?“

Noch ein Frauenmagnet, der mit ihr flirtete? Das war doch verrückt! Hatte Emma etwa einige der männlichen Gäste heimlich um einen Gefallen gebeten? Sollten sie das Selbstbewusstsein eines hoffnungslosen Mauerblümchens aufpolieren?

Sie betrachtete Sam, der friedlich in ihrem Arm lag. „Tut mir leid, aber die Braut hat mich als Babysitter eingespannt. Vermutlich wäre ich Ihnen sowieso nur auf die Füße getreten. Aber trotzdem vielen Dank“, fügte sie schnell hinzu.

„Vielleicht ein anderes Mal“, sagte er mit tiefer Stimme und zog ungerührt weiter zu einem der Supermodels, mit denen sich dieser Sharif vorhin bei Tisch amüsiert hatte.

„Muss ziemlich frustrierend sein“, bemerkte jemand hinter ihr voller Ironie. „Je abweisender Sie sich benehmen, desto mehr potenzielle Liebhaber müssen Sie sich vom Leib halten.“

Der glutäugige Scheich stand direkt hinter ihr, und Irene schlug das Herz sofort bis zum Hals. „Sie müssen es ja wissen“, murmelte sie erstickt und verrenkte sich beinahe den Hals beim Versuch, dem Scheich ins Gesicht zu sehen. „Für Sie scheint es zwischenmenschlich ja ziemlich gut zu laufen, oder? Sie brauchen einem Mädchen nur zu versprechen, dass sie die nächste Kerbe an Ihrem Bettpfosten sein darf, und die Damen stehen bereitwillig Schlange? Oh, bitte nimm mich, jetzt gleich?“

Er trat noch dichter an sie heran. „Sag diesen Satz zu mir, und wir werden sehen, was geschieht, Miss Taylor.“

Sie bekam eine Gänsehaut. Jetzt wusste er also auch, wer sie war. „Nicht in einer Million Jahren würde ich das zu Ihnen sagen.“

„Ich glaube schon, dass ich Sie dazu bringen könnte. Wenn ich es darauf anlege …“

„Bemühen Sie sich nicht! Sie würden scheitern.“

„Ich scheitere nie.“

„Niemals?“

„Nein.“

Während sie sich schweigend anstarrten, lud sich die Atmosphäre zwischen ihnen so rasant auf, dass es fast knisterte. Irene hatte das Gefühl, die Zeit wäre stehen geblieben, und es kostete sie einige Mühe, ihre Sprache wiederzufinden.

„Sie haben sich nach mir erkundigt?“, fragte sie heiser.

„Ich war neugierig.“

„Genau wie ich. Und meine Befürchtungen haben sich bestätigt. Sie gelten tatsächlich als unverbesserlicher Playboy“, behauptete sie schnippisch.

„Dafür weiß ich jetzt, warum Sie nicht mit den anderen Männern tanzen“, konterte er. „Sie sparen sich für mich auf!“

2. KAPITEL

Sein intensiver Blick hielt Irene gefangen. Sie fühlte sich hilflos und gefährlich verletzlich.

„Ich möchte mit Ihnen tanzen“, sagte der gut aussehende Scheich beharrlich.

Ihr Mund war unangenehm trocken, und ihr Verstand hatte vorübergehend ausgesetzt. Dann fiel ihr das schlafende Baby wieder ein, und sie sah zu Sam hinunter. „Tut mir leid, aber ich kann nicht. Ich habe versprochen, mich um das Kind zu …“

Unglücklicherweise tauchte in diesem Augenblick die Braut auf und nahm Sam lächelnd in ihre Arme. „Zeit zum Schlafengehen, kleiner Mann“, flötete sie und warf dem Scheich einen misstrauischen Seitenblick zu. „Sei vorsichtig!“, flüsterte sie Irene ins Ohr.

„Keine Sorge“, gab diese zurück. Traute ihre Freundin ihr etwa nicht zu, auf sich selbst aufzupassen?

„Gut“, murmelte Emma und nickte dann. „Entschuldigt mich!“

Irene betrachtete ihren zweifelhaften Verehrer und fragte sich, ob er den Rat ihrer Freundin mitbekommen hatte. Vermutlich schon, denn er zog ironisch eine Augenbraue hoch.

„Es ist doch nur ein Tanz“, sagte er. „Sie haben doch keine Angst vor mir?“

„Kein bisschen.“

„In diesem Fall …“ Formell wie ein Prinz aus dem vorigen Jahrhundert reichte er ihr seine Hand.

Sie zögerte kurz, weil sie daran dachte, wie heftig ihr Körper vorhin auf die Berührung dieses Mannes reagiert hatte. Andererseits war dies wirklich nur ein Tanz. Es gab keinen Grund, das Ganze zu dramatisieren!

Außerdem konnte sie sich beim Tanzen selbst beweisen, dass sie ihre Reaktionen fest unter Kontrolle hatte. Doch als sie mit den Fingerspitzen seine Handfläche berührte, spürte sie, wie eine starke Energie auf sie überging.

Im fahlen Schein des Mondes und der Laternen bewegten sie sich auf der improvisierten Tanzfläche zu langsamer Musik, und diese Nähe war Irene so vertraut, als hätte sie nie etwas anderes getan.

„Verraten Sie mir nun den wahren Grund, weshalb Sie mir gegenüber so abweisend sind“, murmelte er.

Sie schluckte. „Zuerst will ich etwas von Ihnen wissen.“

„Das wäre?“

„Warum versuchen Sie ausgerechnet mit mir zu flirten?“ Sie drehte den Kopf zur Seite. „Die anderen Frauen hier sind viel hübscher als ich und offensichtlich auch an Ihnen interessiert. Wieso fordern Sie dann mich zum Tanzen auf? Vielleicht weil ich sowieso nein sage?“

„Ich wusste, Sie würden nicht nein sagen.“

„Woher?“

„Wie schon gesagt, ich bekomme immer, was ich will. Ich wollte mit Ihnen tanzen, und Sie wollten es auch.“

„Sie sind dermaßen arrogant!“

„Das hat nichts mit Arroganz zu tun, sondern ist schlicht die Wahrheit.“

Ihr Herz klopfte wie wild. „Ich habe nur um des lieben Friedens willen eingelenkt und um Ihnen zu beweisen, dass sich nichts Besonderes zwischen uns abspielt.“

Seine Lippen verzogen sich zu einem wissenden Lächeln. „Mission verfehlt.“

„Ich bin langweilig“, gestand sie. „Ganz im Ernst. Eher der schlichte, unscheinbare Typ.“

Seine warme Hand berührte ihre Wange. „Da irren Sie sich. Sie sind bei Weitem die aufregendste Frau hier. Seit ich Sie am Seeufer entdeckt habe, fühle ich mich magisch von Ihnen angezogen.“ Anstelle seiner Hand berührte nun sein Kinn ihr Gesicht, und sein Atem streifte ihre Haut. „Ich möchte all Ihre Geheimnisse herausfinden.“

Er hob den Kopf und sah sie auffordernd an.

Vergeblich suchte Irene nach den passenden Worten, aber sie war zu verblüfft, um zu sprechen.

Gekonnt drehte er sie um ihre eigene Achse und zog sie dann wieder an sich. „Ich habe Ihre Frage beantwortet, und jetzt beantworten Sie meine. Warum geben Sie sich so unnahbar? Ist es etwas Persönliches, oder haben Sie prinzipiell eine Aversion gegen reiche Menschen?“

„Reiche Menschen?“

„Na, der deutsche Automogul war schon dreimal verheiratet, trotzdem gilt er europaweit als höchst lukrative Partie. Und dann ist da natürlich noch mein Freund, der Herzog von Alzacar, zweitreichster Mann von ganz Spanien.“

„Ein Herzog? Soll das ein Scherz sein? Ich dachte, er wäre Musiker!“

„Hätte es einen Unterschied gemacht, wenn Sie es vorher gewusst hätten, wer er ist?“

„Nein, ich bin bloß überrascht. Er ist ein toller Gitarrist, und ich hätte einem Milliardär dieses Talent nicht zugetraut. Normalerweise erwarten solche Leute doch, von anderen unterhalten zu werden. Ihnen ist es egal, wer sich mit Herz und Seele darum bemüht, ihre Aufmerksamkeit … ihre Liebe …“ Sie brach ab, doch es war schon zu spät. Entsetzt begegnete sie seinem wissenden Blick.

„Nur weiter“, ermunterte er sie. „Erzählen Sie mir mehr davon, wie unmöglich Milliardäre sich gebärden.“

„Diese Kreise sind eben nicht nach meinem Geschmack, das ist alles“, murmelte sie.

„Keiner von uns ist Ihr Typ?“, hakte er ungläubig nach.

„Nein.“

„Dann haben Sie einen ziemlich speziellen Geschmack. Immerhin sind wir drei ganz unterschiedliche Charaktere.“

„Sie sind alle gleich.“

„Was soll das heißen?“

„Das soll heißen, Eure Eminenz … Oder wie soll ich Sie ansprechen?“

„Normalerweise reicht Eure Hoheit aus. Für Sie: Sharif!“

„Einverstanden.“

„Und ich sage Irene zu dir.“

Wie er ihren Namen aussprach … es klang wie Musik in ihren Ohren! Sinnlich, sanft und vielversprechend. Bereitwillig ließ sie sich von dem Scheich über die Tanzfläche wirbeln, und um sie herum floss der Champagner in Strömen. Die Gäste feierten inzwischen laut und ausgelassen.

„Du musst mir aber schon erläutern, weshalb du uns alle in einen Topf wirfst“, forderte er nach einer Weile.

„Wie soll ich mich ausdrücken? Ich halte euch eben für unverbesserliche Playboys, die ziemlich von sich selbst eingenommen sind. Das liegt wohl daran, dass die meisten Frauen euch in eurer Selbstherrlichkeit bestätigen.“

„Du hältst mich also für eitel und aufgeblasen?“

„Es ist ja nicht deine Schuld“, setzte sie schnell nach. „Jedenfalls nicht allein. Deine Art, deinen Willen durchzusetzen, ist eben ganz schön selbstsüchtig und rücksichtslos. Andererseits haben es naive Frauen auch nicht anders verdient, wenn sie so leicht auf deine falschen Versprechen hereinfallen.“

„Was für falsche Versprechen? Jetzt nennst du mich noch einen Lügner?“

„Ich bemühe mich, es vorsichtig zu umschreiben. Außerdem wolltest du es wissen.“

„Mich wundert nur, dass du mich zu kennen glaubst.“

Durch die fließenden Gewänder spürte sie seinen muskulösen, warmen Körper. „Genau wie du angenommen hast, du könntest mich einschätzen, oder?“

Er hörte auf zu tanzen. „Ich habe noch keiner Frau ein falsches Liebesversprechen gemacht. Niemals.“

Irene wurde bewusst, wie viel größer er war, aber davon ließ sie sich nicht einschüchtern. „Vielleicht nicht mit vielen Worten, aber du hast es bestimmt mal angedeutet. Und zwar mit gewissen Hintergedanken. Das kann ein Blick sein, eine Berührung … so wie du es jetzt gerade tust.“

Sein Griff um ihre Taille wurde fester. „Und was deute ich dir gegenüber an?“

„Dass du dich in mich verlieben könntest“, entgegnete sie leise. „Nicht nur für heute Nacht, sondern für immer.“

Ein paar Sekunden lang rührte sich keiner von ihnen. Dann rückte Irene von Sharif ab. „Aus diesem Grund möchte ich mit niemandem hier tanzen. Männer dieser Sorte sind einfach nicht mein Fall. Euer ganzes Gehabe ist nicht echt. Dein sexy Charme ist nichts weiter als eine Lüge.“

Zuerst wirkte er perplex, dann grinste er. „Du findest mich charmant? Und sexy?“

„Das weißt du doch genau!“

Ihre Blicke hielten einander fest, und in Irene entflammte eine nie da gewesene Sehnsucht. Ein primitives, körperliches Verlangen, das ihr einen gehörigen Schrecken einjagte!

Denk an Emmas Worte! ermahnte sie sich. Die meisten Kerle ändern sich nie!

Diese Lektion hatte Irene schon in ihrer Kindheit gelernt und später durch das Fiasko mit Carter am eigenen Leib erfahren.

„Du verschwendest deine Zeit mit mir“, sagte sie zu Sharif und wies auf die Models, mit denen er vorhin zusammen am Tisch gesessen hatte. „Versuch es mal bei einer von denen da!“

Auf dem Absatz machte sie kehrt und betete, er möge nicht bemerkt haben, wie stark sie zitterte.

Er hatte sie gründlich unterschätzt.

Sharif biss fest die Zähne aufeinander, während er allein von der Tanzfläche stapfte. Von rechts und links näherten sich einige weibliche Gäste und versuchten, ein Gespräch mit ihm anzufangen.

„Eure Hoheit, was für eine Überraschung …“

„Hallo, wir sind uns mal auf einer Party begegnet …“

„Ich würde zu gern mit Ihnen tanzen, Eure Hoheit, nachdem Sie ja nun von Ihrer …“

Grimmig ging er an ihnen vorbei, ohne auf irgendjemanden zu reagieren. Vielleicht war das unhöflich, und Irene unterstellte ihm zu Recht Rücksichtslosigkeit. Aber diese dürren Gestalten mit ihren hohlen Wangen und den überschminkten Lippen waren für ihn plötzlich unsichtbar geworden. Dafür konnten sie nichts. Er hatte eben ausschließlich Augen für eine einzige Frau.

Sie fürchtete sich nicht davor, ihm die Wahrheit auf den Kopf zuzusagen. Sie schreckte nicht davor zurück, ihn zu beleidigen. Und sie ließ ihn stehen wie einen kleinen Schuljungen.

Miss Irene Taylor aus Colorado, dem wilden Bergland der Vereinigten Staaten von Amerika. Er selbst war einmal zum Skifahren dort gewesen.

Wie konnte sie nur glauben, sie wäre nichts Besonderes? Er wollte sie unbedingt, von der ersten Sekunde an. Und er würde sie für sich gewinnen. Nur wie?

„Amüsierst du dich?“

Sharif blieb stehen und starrte Cesare Falconeri irritiert an. „Deine Hochzeit ist richtig aufregend“, stieß er hervor. „Um ehrlich zu sein, es ist die beste Feier, die ich jemals besucht habe.“

„Vielen Dank. Emma wird sich freuen, das zu hören.“ Der Bräutigam grinste breit. „Und das ist erst der Anfang. Morgen fahren wir zur standesamtlichen Trauung in die Stadt. Es sind noch jede Menge Aktivitäten geplant, unter anderem ein großes Picknick, und dann ist da noch der gigantische Abschlussball.“ Freundschaftlich schlug er dem Scheich auf die Schulter. „Deshalb teil dir deine Kräfte ein, mein Freund!“

Sharif blieb demnach das ganze Wochenende lang Zeit, um Irene näherzukommen und sie irgendwann hoffentlich zu verführen. Er war sicher, dass es ihm gelingen konnte. Sie hatte sich verraten und ihm gegenüber zu viel über ihre wahren Gefühle preisgegeben. Offensichtlich kämpfte sie wie eine Löwin gegen ihre eigene Leidenschaft an. Aber das würde ihr nichts nützen, irgendwann reichte pure Willenskraft nicht mehr aus. Vor allem dann nicht, wenn Lust im Spiel war.

Am Ende würde Sharif siegen, er musste nur den Belagerungszustand aufrechterhalten. Dieses Mädchen hatte definitiv Mumm. Morgen würde er ihr tagsüber den Hof machen, und nach dem großen Ball hatte er sie hoffentlich so weit, dass sie die Nacht mit ihm verbrachte. Dann würden sie ihren Spaß miteinander haben und sich am nächsten Tag nach dem Abschlussfrühstück für die Gäste respektvoll voneinander verabschieden.

Dieser Plan machte ihn noch lange nicht zum Playboy! Und er spielte auch nicht mit den Gefühlen anderer. Das ginge ja auch nur, wenn man über einen längeren Zeitraum zusammenbliebe …

Nachdenklich bewunderte er die Fassade der eindrucksvollen Falconeri-Villa. Dieses ganze Wochenende war für ihn wie eine Auszeit vom echten Leben, und er würde dafür sorgen, dass Irene auch auf ihre Kosten kam und ein paar nette Erinnerungen mit nach Hause nehmen konnte.

Eine einzige Nacht reichte sowieso nicht aus, um bei einer Frau ernste Absichten zu wecken – selbst wenn diese so romantisch veranlagt war wie Irene Taylor. Sie war zwar jung, doch in ihr wohnte eine alte Seele. Das konnte er spüren, und er sah es in ihren Augen. Wahrscheinlich hatte sie einmal irgendjemand zutiefst verletzt.

Und Sharif war gern bereit, ihr diese bitteren Erinnerungen auszutreiben. Ihm selbst würde es dabei helfen, den eigenen Schmerz zu verdrängen. Es sollte eine unvergessliche Nacht für sie beide werden!

Heute Abend hatte sie eine Schlacht gewonnen, aber den Krieg würde er für sich entscheiden.

Voller Tatendrang beschloss er, sich in sein Zimmer zurückzuziehen, um für den kommenden Tag fit zu sein. Er ließ sich von seinen Leibwächtern nach oben begleiten und schloss die Tür hinter sich zweimal ab. Dann legte er seine weiße Kopfbedeckung, die Kufiya, ab und wickelte sich die Agal, die traditionell dazu gehörende schwarze Kordel, nachdenklich um seine Hand, als plötzlich sein Handy klingelte.

Mit gerunzelter Stirn betrachtete er das Display. „Ist etwas mit Aziza?“, fragte er anstelle einer Begrüßung.

„Tja …“ Gilly Lanvin, die er als Gesellschafterin für seine kleine Schwester eingestellte hatte, druckste herum.

„Ist sie verletzt?“, hakte er ungeduldig nach. „Braucht sie mich?“

„Neiiiin“, antwortete die junge Frau zögernd und zog dabei das Wort unnötig in die Länge. „Ich wollte eigentlich nur wissen, wann Sie ungefähr in den Palast zurückkommen?“

„Miss Lanvin“, unterbrach er sie streng. „Diese Anrufe müssen aufhören! Sie wurden eingestellt, um meiner Schwester Gesellschaft zu leisten, mehr nicht. Es wäre ein Ärgernis für mich, wenn ich Sie noch vor der Hochzeit entlassen müsste, also zwingen Sie mich bitte nicht, es zu tun!“

„Oh, nein, Eure Hoheit. Entschuldigen Sie bitte, dass ich Sie störe. Ich dachte doch bloß, Sie wären vielleicht einsam. Ich dachte …“

Er beendete das Gespräch, ehe er sich anhören musste, was genau dieser seltsamen Person durch den Kopf ging. Spätestens jetzt stand fest, die Frau musste dringend ersetzt werden! Im Grunde war ihm das schon vor zwei Monaten klar geworden, als sie ihm zum ersten Mal unverhohlen schöne Augen gemacht hatte.

Aber Aziza mochte sie gern. Deshalb hatte er gehofft, mit der Entlassung wenigstens bis nach Azizas Hochzeit warten zu können. Denn dann wurde keine Gesellschafterin mehr gebraucht, und er konnte Miss Lanvin in den Flieger zurück nach Beverly Hills setzen. Noch drei Monate. Dann war seine Schwester verheiratet, und das Problem löste sich in Luft auf.

Unter der heißen Dusche dachte er wieder an die außergewöhnliche Miss Irene Taylor. Und er stellte sich vor, wie er sie stöhnend von innen gegen die Duschwand drückte und ihren aufreizenden Körper mit beiden Händen abseifte. Oh, ja! Morgen Nacht würde es so weit sein. Eventuell früher, wenn es gut für ihn lief!

Am nächsten Morgen wählte er als Rüstung für seinen Eroberungsfeldzug kein traditionelles Gewand, sondern einen maßgeschneiderten Anzug von einem bekannten Londoner Designer. Anders als die meisten Männer in seiner Position hatte er keinen Kammerdiener, was im Palast schon für einen mittelschweren Skandal gesorgt hatte. Aber es gab eben gewisse Dinge, die er lieber selbst für sich erledigte.

Unten im Frühstücksraum wurde er schon von den anderen Gästen und dem übermüdeten Brautpaar erwartet, doch weit und breit keine Spur von Irene. Er wartete fast zwei Stunden und behauptete immer wieder, er wäre noch nicht mit Kaffeetrinken fertig, als die anderen nach und nach zur standesamtlichen Trauung in die Stadt aufbrachen.

In der Villa wurde es unheimlich still. Nur das Hauspersonal ließ sich ab und zu blicken, um Tische umzustellen, zu putzen oder Geschirr wegzuräumen.

Lächelnd sah Sharif von seiner arabischen Tageszeitung hoch, als Irene endlich in den Frühstückssalon stürmte.

„Bin ich zu spät?“, rief sie erschrocken.

„Die letzten sind vor fünf Minuten abgefahren“, informierte er sie kühl.

Sie sah noch umwerfender aus als am Vorabend: schwarze Pumps und ein raffiniert geschnittenes Kleid im Stil der fünfziger Jahre, das ihre Sanduhrfigur betonte. War es von Valentino? Oder von Oscar de la Renta? Vervollständigt wurde das Ensemble mit einer Perlenkette und einem cremefarbenen Halbmantel.

„Verflixt noch mal!“ Resigniert ließ sie die Schultern hängen. „Ich kann nicht fassen, dass ich verschlafen habe. Ich bin wirklich eine ganz furchtbare Freundin.“

„Die gesamte Hochzeit zieht sich doch über mehrere Tage hin“, beruhigte er sie. „Du verpasst nichts, sei nicht zu streng mit dir!“

„Aber wie kann ich so gedankenlos sein?“, jammerte Irene weiter und rieb sich müde die Stirn. „Ich muss den Wecker wieder ausgeschaltet haben. Die halbe Nacht hab ich wach gelegen und bin erst gegen Morgen eingeschlafen.“

„Tut mir leid, das zu hören. Was hat dich wach gehalten?“

Sie öffnete den Mund, hielt dann jedoch die Luft an. „Egal“, seufzte sie schließlich und schenkte sich dampfenden Kaffee in eine zarte Porzellantasse mit Goldrand. Dann rührte sie eine Unmenge Sahne und Zucker hinein und zeigte auf seine Zeitung. „Was liest du da?“

„Nachrichten aus meiner Heimat.“

„Wo hast du die her?“

„Die wurde mir per Flugzeug gebracht.“

„Kann man das denn nicht online lesen?“

„Mir gefällt die Papierversion besser.“

„Da lässt du einen Flieger herkommen, nur um dir …?“

„Genau“, stimmte er zu. „Nur deswegen.“

„Das ist doch verrückt“, murmelte Irene und setzte sich ein paar Stühle weiter an den Tisch. Sie funkelte ihn über den Rand ihrer Tasse hinweg an. „Erwartest du heute irgendeinen Angriff?“, erkundigte sie sich spitz und zeigte auf die vier Leibwächter, die sich in den Ecken des Raumes postiert hatten.

„Was für einen Angriff?“

„Weswegen bringt man sonst eine ganze Armee mit zum Frühstück?“

„Ich bin der Emir von Makhtar“, sagte er, als würde diese Erklärung vollkommen ausreichen.

Abfällig stieß sie einen zischenden Laut aus. „Ständig vier riesige Babysitter um sich zu haben, klingt für meine Ohren nach der Hölle auf Erden. Na, auf diese Weise wirst du wahrscheinlich deine Gespielinnen am Morgen danach los.“

„Willst du mit mir Streit anfangen?“

„Warum nicht? Immerhin bist du daran schuld, dass ich verschlafen habe.“

„Habe ich mich in deine Träume geschlichen?“, wollte er wissen und grinste.

„Wohl kaum. Mit Träumen hatte der Lärm nebenan – das ganze Gestöhne und Gepolter – wirklich nichts zu tun. Eher mit einer Sportübung, wenn man sich mal die Länge und die Energie dieser Vorführung betrachtet. Schön, dass du meinen Rat befolgt und gleich eine andere Frau gefunden hast, die dir zu Diensten ist.“

„Länge und Energie?“, wiederholte er mit gespielter Verwunderung.

Ihre Wangen wurden dunkelrot. „Ach, vergiss es!“

„Mir schmeichelt doch nur, dass du glaubst, ich wäre es gewesen.“

„Natürlich warst du es“, antwortete sie scharf. „Und jetzt verpasse ich deswegen Emmas standesamtliche Trauung.“

„Danke für das Kompliment, aber ich habe mit der Sache nicht das Geringste zu tun.“

Wortlos starrte sie ihn an, dann änderte sich allmählich ihr Gesichtsausdruck. „Oh, entschuldige“, stammelte sie und versuchte ein trockenes Lachen. „Heute geht echt alles schief.“

„Macht es dir derart zu schaffen, dass du den Termin versäumst?“

Mit dem Zeigefinger strich sie unter ihren Augen entlang und blinzelte. „Normalerweise bin ich die Zuverlässigkeit in Person. Was ist, wenn Emma mich braucht? Wenn ich mich um Sam kümmern soll? Wenn sie sich Sorgen …“

„Da sind unheimlich viele Gäste. Vermutlich bemerkt sie deine Abwesenheit nicht einmal.“

„Ich habe sie im Stich gelassen.“

„Du hast bloß verschlafen, so etwas passiert schon einmal.“

„Mir nicht“, beklagte sie sich. „Das werde ich mir nie verzeihen.“

„Wieso solltest du die Einzige sein, die perfekt ist?“, fragte er sarkastisch.

„Wenn ich es nicht bin, macht mich das nicht besser als … als …“

„Als wen?“

Ihre Tasse klirrte auf der Untertasse, und das Geräusch schien sie wieder zur Vernunft zu bringen. „Ist nicht wichtig. Ich habe eben versagt, das scheint mir zur Gewohnheit zu werden.“

Sharif hatte zwar nicht die geringste Lust noch einer pompösen Trauungszeremonie beizuwohnen, doch sein Mitleid siegte. Seufzend stand er auf, warf seine Serviette neben seinen Frühstücksteller und ging auf Irenes Stuhl zu. „Mein eigener Wagen steht im Nebengebäude, und mein Fahrer ist auch hier.“

Hoffnungsvoll sah sie zu ihm hoch. „Würdest du mich hinbringen?“

„Ich würde dich überall hinbringen, wann immer du willst.“ Er zwinkerte. „Ich dachte, das hätte ich deutlich gemacht?“

Wieder errötete sie, blieb jedoch stumm.

„Persönlich finde ich ja, eine Zeremonie reicht. Ich muss das Ganze nicht noch mal hören und dazu in einem stickigen Amtszimmer. Aber wenn es dir so viel bedeutet …“

„Das tut es auf jeden Fall!“

„Dann fahre ich dich hin, sobald du fertig bist.“

Hastig stürzte sie den letzten Schluck Kaffee hinunter. „Es kann sofort losgehen.“ Sie klatschte in die Hände wie ein kleines Mädchen, das sich freut. „Und ich nehme alles zurück, was ich Gemeines über dich gesagt habe.“

Als sie ihm spontan um den Hals fiel, erstarrten sie beide, und Irene riss erschrocken die Augen auf. Die pulsierende Energie zwischen ihnen war deutlich spürbar.

„Küss mich ruhig, wenn du unbedingt musst“, forderte er sie heiser auf.

Irene zögerte kurz und schob sich dann von ihm. „Wenn ich es mir recht überlege, lag ich mit meiner ersten Einschätzung doch gar nicht so falsch.“ Unsicher blickte sie sich nach den Bodyguards um. „Kommst du dir nicht manchmal wie ein Gefangener vor, wenn die dauernd dabei sind?“

Ihre Frage weckte ein Gefühl der Enge in ihm, das nichts mit der Anwesenheit seiner Leibwächter zu tun hatte. Es lag an dem, was ihn vor zwanzig Jahren unfrei gemacht hatte und was ihn bald auf ewig zum Gefangenen machen würde. Um in Ruhe und mit Abstand über dieses Schicksal nachdenken zu können, war er überhaupt zu dieser italienischen Hochzeit geflogen.

„Ich bin daran gewöhnt“, erwiderte er gepresst und führte sie vor die Villa, nachdem er einem der Leibwächter ein Zeichen gegeben hatte.

Sie schüttelte den Kopf. „Ich kann ja verstehen, weshalb man in deiner Position Schutz braucht, aber das Privatleben …“

Sharif musste lächeln, als er beobachtete, wie sie sprachlos seine riesige schwarze Rolls-Royce-Limousine anstarrte, die gerade aus dem Nebengebäude gefahren wurde – komplett geschmückt mit diplomatischer Beflaggung. Der uniformierte Chauffeur beeilte sich, ihnen die Tür aufzuhalten.

Auf der Rückbank drückte Irene sich so weit in ihre Ecke, wie es ging.

„Hast du Angst in meiner Nähe?“, wunderte Sharif sich.

„Nein, ich mache Platz für die anderen.“

„Welche anderen?“

„Na, für deinen Schlägertrupp.“

Sein Lächeln wurde breiter. „Einer von ihnen wird vorn sitzen, und die anderen folgen uns in einem Extrafahrzeug.“

„Ach so? Aber hier wäre doch genug Platz? Man könnte eine ganze Footballmannschaft …“

Sie brach ab, als ihr auffiel, wie er ihre Beine musterte. Der Saum des Kleids war beim Einsteigen hochgerutscht, und Irene zerrte ihn hastig herunter. Dann setzte sie sich kerzengerade hin und klemmte die Knie fest zusammen.

Da er sicher war, dass er diese Schenkel noch heute Nacht liebkosen würde, ließ Sharif sich seine Belustigung nicht anmerken. Er musste an seinem Verführungsplan festhalten und wollte es sich nicht unnötig schwerer machen, indem er Irene provozierte.

Spätestens in ein paar Stunden würde sie ihren Widerstand aufgeben und ihm zu Diensten sein. Gemessen an der Leidenschaft, die er hinter ihrer kratzbürstigen Fassade vermutete, könnte es sogar ein regelrechtes Inferno werden, das sie beide zu einem Häufchen Asche verbrannte! Sollte sie ruhig versuchen, sich vor ihm zu verstecken, das machte die Jagd nur interessanter …

„Warum grinst du so komisch?“, fragte sie misstrauisch.

„Nichts weiter.“

Die Fahrt verging wie im Flug, und vor dem Standesamt wartete Irene nicht darauf, dass der Fahrer ihr die Tür öffnete, sondern sprang von selbst aus dem Wagen. Nur wenige Minuten später schlichen Sharif und sie sich leise in den kleinen Saal, in dem die Trauung gerade erst begonnen hatte.

„Sie sehen unwahrscheinlich glücklich aus“, flüsterte Irene ihm zu.

„Gestern Abend war es viel schöner“, gab er leise zurück. „Da ging es wenigstens um Romantik, aber dies hier ist nur der offizielle, rechtliche Teil. Hier geht es um die Falle, die laut zuschnappt und beide für immer aneinanderkettet.“

Überrascht hob sie die Augenbrauen und kam noch etwas dichter an sein Ohr heran. „Hören Sie mal gut zu, Eure Hoheit! Inzwischen habe ich begriffen, wie wenig dir Emotionen bedeuten, die sich nicht in einem One-Night-Stand erschöpfen. Aber Cesare ist schließlich dein Freund …“

„Eher mein Geschäftspartner“, berichtigte er sie.

„Jedenfalls ist Emma meine Freundin, und dies ist ihre Hochzeit. Behalte deine unpassenden Kommentare also bitte für dich!“

„Du hältst dich wohl für die letzte echte Romantikerin in einer kalten, modernen Welt, was?“ Er legte den Kopf schief. „Und du glaubst wirklich an diese Fantasie, oder?“

„Das muss ich tun“, antwortete sie tonlos und starrte geradeaus auf das strahlende Brautpaar. „Sonst könnte ich das alles nicht ertragen. Und sieh sie dir doch an! Was sie miteinander haben, ist …“

Sharif erkannte die tiefe Sehnsucht auf Irenes Gesicht, die unausgesprochene Hoffnung auf das eigene Glück. Ihm wurde flau im Magen. Während vorn die Treuegelübde gesprochen wurden, nahm er vorsichtig Irenes Hand und drückte sie. Und in dieser Minute dachte er nicht an seinen Verführungsplan. Er wollte sie trösten … sie beide.

Und dieses Mal zog sie sich auch nicht von ihm zurück.

3. KAPITEL

„Es ist herrlich hier“, seufzte Irene wenige Stunden später und streckte sich auf der Picknickdecke aus, damit ihr die italienische Sonne direkt ins Gesicht scheinen konnte.

„Ja“, stimmte ihr Sharif mit tiefer Stimme zu. Er saß neben ihr auf der Decke und freute sich insgeheim darüber, dass er Irene erfolgreich zum Bleiben überredet hatte. Die meisten Gäste waren nämlich nach dem großen Picknick auf dem Hügel wieder zur Villa zurückgekehrt.

Emma und ihre kleine Familie hatten sich vorübergehend in ihre Privaträume zurückgezogen, daher fehlte Irene ein plausibler Grund, Sharifs Gesellschaft zu meiden, denn die anderen Gäste kannte sie nicht. Außerdem gefiel er ihr von Stunde zu Stunde besser.

Das hat natürlich nichts weiter zu bedeuten, redete sie sich ein. Schließlich sonnte sich jede Frau gern in männlicher Aufmerksamkeit. Auch Irene begann es zu genießen, und warum auch nicht? Seit Sharif seine traditionelle Gewänder gegen einen eher westlichen Look eingetauscht hatte, fühlte sie sich in seiner Gegenwart deutlich wohler.

Obwohl er immer noch nicht wirkte wie die Männer, mit denen sie es bisher zu tun gehabt hatte. In der maßgeschneiderten grauen Anzughose mit passender Weste und dem weit aufgeknöpften weißen Hemd sah er zum Anbeißen aus. Das Jackett hatte er abgelegt und sich die Hemdärmel hochgekrempelt. Immer wieder fiel ihr Blick auf seine kräftigen, gebräunten Unterarme.

„Ziemlich warm für November“, bemerkte sie, um überhaupt irgendetwas zu sagen.

„Ja?“

„Ist dir das noch nicht aufgefallen?“ Sie setzte sich auf und stellte fest, dass es sich weiter unten auf dem Hügel noch ein paar andere Gäste bequem gemacht hatten. Zum Glück! Es kam ihr sicherer vor, mit dem Scheich nicht ganz allein zu sein.

Verzweifelt suchte sie nach neuen Gesprächsthemen, um sich vom Anblick seiner einladenden Lippen abzulenken. Wie es wohl wäre, ihn zu küssen? Nein, daran durfte sie nicht einmal denken!

Wenn man seine Jungfräulichkeit verlor, war das nicht mehr rückgängig zu machen, und Irene fühlte sich nicht bereit, das zu riskieren. Obwohl ihr die Versuchung nicht mehr aus dem Kopf ging … Aber sie hatte sich geschworen, nur eine einzige wahre Liebe auszuleben, und dabei würde sie bleiben! Sie durfte sich nicht plötzlich dazu hinreißen lassen, einer verrückten Leidenschaft nachzugeben.

Das goldene Sonnenlicht tanzte über die grünen Wiesen des Falconeri-Anwesens, aber Irene hatte nur Augen für Sharifs sinnlichen Mund.