Im Schoß des Dämons: Die Umwandlung - SteVe Katgeli - E-Book

Im Schoß des Dämons: Die Umwandlung E-Book

SteVe Katgeli

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Beschreibung

"Komm zurück zu mir! Versprich, dass du alles tun wirst, um zurück zu kommen!" Das waren Mithes flehende Worte, bevor seine geliebte Saphira sich einem grausamen Ritual unterzog, das ihr die selbe Unsterblichkeit bringen sollte, wie ihm. Doch Unsterblichkeit hat ihren Preis. Mit göttlichen und dämonischen Fähigkeiten ausgestattet, ziehen Mithes und Saphira gemeinsam durch die Jahrtausende. Sie müssen sich den Schatten ihrer Vergangenheit stellen, und zusammen gegen alte und neue Feinde kämpfen. Wird ihre Liebe alle Widrigkeiten überstehen? Triggerwarnung: Dieses Buch enthält eindeutige bildhafte sexuelle Handlungen sowie detaillierte Darstellungen von Gewalt

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Prolog
Unverhoffte Nachricht
Glückliche Kindheit
Kalte Dusche
Babyglück
Erinnerungen
Versteigerung
Unterricht
Damianos Abschied
Constance
Mein Name ist Mithes
Das Versprechen
Neuanfang
Erste Kampflektionen
Überfahrt
Gefangen
Alte Freunde
Halbwesen
Shanti
Herausforderung angenommen
Verlangen
Begegnung mit der Vergangenheit
Vernissage
Die Hütte
Hondos Kerker
Wenn ich schon in die Hölle gehe
Die Umwandlung
Mein blauer Engel
Über den Wolken
Ein Zuhause für Shanti
Neues Leben
Mile High Club
Das Attentat
Dämonengift
Home sweet Home
Abu Reu`Ef
Die Bibliothek
Die Runen
Wie sieht es denn hier aus?
Täuschung
Der Hinterhalt
Mahesh
Abu Ris
Lass sie leben
Piratenschiff
Piratenhochzeit
Das Ende von Sarkos
Ein neues Zuhause
Jason
Ein alter Feind
Danksagung
Über die Autoren

 

 

 

 

 

 

Im Schoß des Dämons

 

Die Umwandlung

 

von

 

SteVe Katgeli

 

 

Tuschel-Verlag, Stockstadt am Main

 

 

Das Buch:

 

„Komm zurück zu mir! Versprich, dass du alles tun wirst, um zurück zu kommen!“

 

Das waren Mithes flehende Worte, bevor seine geliebte Saphira sich einem grausamen Ritual unterzog, das ihr die selbe Unsterblickeit bringen sollte, wie ihm.

Doch Unsterblichkeit hat ihren Preis.

Mit göttlichen und dämonischen Fähigkeiten ausgestattet, ziehen Mithes und Saphira gemeinsam durch die Jahrtausende. Sie müssen sich den Schatten ihrer Vergangenheit stellen, und zusammen gegen alte und neue Feinde kämpfen.

Wird ihre Liebe alle Widrigkeiten überstehen?

 

 

Der Autor:

 

SteVe steht als Pseudonym für die Eheleute Stefan und Verena Katgeli.

Verena ist Jahrgang 1981 und die Ideengeberin zum ersten Buch von SteVe Katgeli, welches dann als gemeinschaftliches Projekt entstand.

Gemeinsam schreiben sie Geschichten und betreiben den Verlag.

 

 

 

IMPRESSUM

 

Besuchen Sie uns im Internet:

www.tuschel-verlag.de

 

Taschenbuchausgabe

2. Auflage, November 2022

 

Alle Rechte vorbehalten

 

© 2022 Tuschel-Verlag, Stefan Katgeli, Wallstadter Str. 14a, 63811 Stockstadt am Main

 

Umschlag, Illustrationen: AdobeStock, Marcus König, König-Design, www.koenig-design.de

 

Umschlaggestaltung und Buchsatz: Tuschel-Verlag

 

Korrektorat: Anja Adamczyk

 

Printed in EU

 

ISBN

Paperback: 978-3-9823498-5-5

Ebook: 978-3-9823498-6-2

 

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie.

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

 

 

 

Prolog

 

 

Seit nunmehr 3.000 Jahren durchstreife ich gemeinsam mit meinem Gefährten diese Welt. Wir sahen Dynastien aus dem Boden entstehen und wieder zu Grunde gehen.

 

Wir blieben meist am Rande der Gesellschaft und versuchten, nach bestem Wissen und Gewissen, nicht aufzufallen. Das ein oder andere Mal ging dabei leider etwas schief.

 

Der Brand von Alexandria war ein Unfall, das Feuer von Rom war so nicht geplant und wer hätte denn bitte ahnen können, dass der Vesuv ausbricht, wenn ein Feuerdämon darin ein Bad nimmt.

 

Unverhoffte Nachricht

März 2020, Saphiras Wohnung in Paris, Mitternacht

 

Ich liege seit Stunden in meinem Bett und starre in der Dunkelheit an die Decke. Seit einigen Wochen bemerke ich diese innere Unruhe, deren Ursprung ich mir nicht erklären kann. Ich kann kaum mehr abschalten. Dämonen verspüren keinen großen Drang nach Schlaf, aber dauerhaft darauf zu verzichten, zehrt sowohl an den Kräften als auch an meiner Laune.

Das Handy auf dem Nachttisch neben meinem Bett beginnt zu vibrieren und taucht das Schlafzimmer in einen meeresblauen Farbton. Ich schrecke auf, greife danach und runzle die Stirn, als der Name erscheint. Ich kann es nicht fassen! Seit zehn Jahren hat sich mein Mann nicht mehr bei mir gemeldet. Nach einem unsinnigen Streit hatten wir uns damals entschlossen, getrennte Wege zu gehen. Und heute sendet er mir eine Textnachricht? Einfach so? Was er wohl will?

Bei dem Gedanken an Mithes kann ich es nicht verhindern, dass mir ein lüsternes Grinsen übers Gesicht huscht. Ich konnte ihn nie aus meinem Herzen vertreiben. Ein Mädchen vergisst eben niemals seine erste große Liebe. Na komm Saphira, du bist kein Teenager mehr. Er hat dir das Herz gebrochen, nicht nur einmal. Aber endlich mal wieder guten Sex zu haben, wäre nett. Ok, jetzt reicht‘s! Du hast seine Nachricht noch gar nicht gelesen, und schon gehen deine Gedanken mit dir durch.

Ich setze mich auf, mein Blick fällt auf den Mann, der aktuell das Bett mit mir teilt, Baryt. Er schläft tief und fest. Er gehört dem Volk der Erddämonen an und genießt unter seinesgleichen als Wissenschaftler ein gewisses Ansehen. Wir haben uns vor ungefähr 2.000 Jahren kennengelernt, bei einem dämonisch-königlichen Empfang zu unseren Ehren, bei dem so einiges aus dem Ruder lief. Aber das gehört jetzt gar nicht hier her.

Kurz nach der Trennung von Mithes vor fast genau zehn Jahren, habe ich Baryt in Nepal wiedergetroffen. Zu dieser Zeit war er für Ärzte ohne Grenzen tätig. Er hatte die Forschung an den Menschen mittlerweile aufgegeben und war dazu übergegangen, ihnen zu helfen. Die meisten Dämonen seines Stammes stellen die menschliche Rasse auf die gleiche Stufe wie Insekten. Baryt hingegen, dem Hippokratischen Eid verschrieben, wollte schon immer helfen. Aus anfänglicher Freundschaft zwischen uns beiden wurde mit der Zeit Liebe oder so etwas Ähnliches. Es fühlte sich nie „richtig“ an. Seit über einem Jahr schon leben wir nebeneinanderher statt miteinander. Sex hatten wir vor drei Monaten zuletzt. Auf diesem Gebiet vermisse ich Baryt nicht. Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass ihm nicht daran gelegen ist, seiner Partnerin zu geben, was sie braucht. Er kümmert sich nur um seine Arbeit. Wir gehen nicht mehr aus, unternehmen nichts gemeinsam. Unter diesen Umständen würde ich es bevorzugen, allein zu leben. Ich starre wieder auf den Namen, der in der Dunkelheit aufleuchtet. Ich spüre mein Herz so laut in der Brust schlagen, dass ich mich entscheide, leise aufzustehen und ins Wohnzimmer hinüber zu gehen. Wenn allein Mithes‘ Name mein Herz dazu bringt, einen Überschlag zu machen, traue ich mich kaum, seine Nachricht zu lesen. Mit zitternden Fingern klicke ich auf das Symbol mit dem Briefumschlag, und das Fenster öffnet sich.

 

„Hallo mein blauer Engel,

ich bin geschäftlich in Paris.

Ich würde mich freuen,

wenn wir uns auf einen

Kaffee treffen könnten?“

 

Er ist der Einzige, der mich je so genannt hat: „Mein blauer Engel“.

Ich stehe auf diesen Kosenamen. Seine Nachricht wirkt nüchtern und emotionslos. Was erwarte ich denn?

 

„Saphira, komm zurück zu mir. Ich vermisse und liebe dich wie seit dem ersten Tage!“

 

Sicher nicht. Aber warum meldet er sich jetzt? Nach zehn Jahren. Für einen Dämon vergeht die Zeit genauso schnell wie für einen gewöhnlich sterblichen Menschen. Mithes wandelt seit fünfhundert Dekaden über den Planeten, was bedeutet ihm da schon ein Jahrzehnt? Was soll ich antworten? Außer Entschuldigungen, Liebesbekundungen und der Bitte, einen neuen Anfang zu wagen, fällt mir nichts ein. Ich setze mich auf die Couch und atme einige Male tief durch. Jetzt reiß dich zusammen! Du bist schließlich 3.000 Jahre alt! Wenn es um Mithes geht, bin ich noch immer das kleine unschuldige, hilflose und verlorene Mädchen aus der Taverne, welches er vor Jahrtausenden aus ihrem Joch befreite, um mit ihr die Ewigkeit auf Erden zu verbringen. Jede Woche gibt es in der Klatschpresse einen neuen Artikel über die Liebesabenteuer von Adam Lewis zu lesen, so nennt sich Mithes als Mensch. Der Geschäftsführer von Danava Enterprises ist der begehrteste Junggeselle und „sexiest man alive“. Er hatte sich in den letzten Jahrhunderten ein stattliches Vermögen erarbeitet. Und nach unserer Trennung gründete er die Firma, mit deren Hilfe er den technischen und medizinischen Fortschritt der Menschheit vorantreibt. Außerdem besitzt er einige Hotelketten. Im Verlagswesen ist er unterwegs, in der Rüstungsindustrie mischt er mit und in der Politik beeinflusst er so manche Entscheidung. Mein Feuerdämon hat sich im letzten Jahrhundert zu einer der einflussreichsten Personen auf diesem Planeten gemausert. Eifersüchtig auf seinen Erfolg war ich nie, auf seine Betthäschen schon. Im Gegenteil, es ängstigte mich. Jahrtausende lang lebten wir im Verborgenen und nun solch großes Interesse der Öffentlichkeit auf uns zu ziehen, konnte gefährlich werden.

 

„Hallo mein feuriger Dämon.

Wir können uns sehr gerne treffen.“

 

Tippe ich spontan, schicke die Nachricht ab und lege das Handy auf den Couchtisch. Als ich mit einem Glas Wasser aus der Küche zurückkomme, leuchtet das Display erneut auf. Ein Anruf. Mithes ruft mich an! Mein Herz setzt für einen Schlag aus. Mit zitternden Händen nehme ich das Gespräch entgegen.

„Hallo?“

„Entschuldige, ich weiß, bei dir ist es mitten in der Nacht. Aber du hast geantwortet. Können wir reden?“

„Ja, ich, es ist...“, stottere ich umher. Saphira, reiß dich zusammen. Du bist kein verliebtes Teenie Girl. Ich atme tief durch.

„Ja, ich bin wach. Deine Nachricht kam unerwartet. Wie kann ich dir helfen?“

„Indem du dich mit mir triffst, das wäre ein Anfang.“

Ein Anfang? Ein neuer Versuch, eine gemeinsame Zukunft aufzubauen? Jetzt reiß dich doch endlich zusammen, Mädchen! Verdammt, was ist denn mit mir los? So kenne ich mich nicht!

„Das können wir gerne machen“, antworte ich, ohne meine im Geiste formulierten Fragen zu stellen. Klappt das Gedankenlesen auch über das Telefon, überlege ich.

„Es ist schön, deine Stimme zu hören, mein blauer Engel.“

Schweig still, mein Herz. Ich atme hörbar aus. „Was ist los? Habe ich etwas Falsches gesagt?“

„Nein, so hat mich nur schon sehr lange niemand mehr genannt.“

„Gefällt es dir nicht?“

„Oh doch, sehr! Nur niemand nennt mich so, niemand außer dir.“

„Und so soll es auch bleiben!“, posaunt er bestimmend in den Hörer.

„Mit wem telefonierst du da?“, ertönt eine Stimme hinter mir. Überrascht, und mit dem Gefühl bei etwas Unerlaubtem erwischt worden zu sein, zucke ich zusammen. „Hast du mich erschreckt“, sage ich außer Atem.

„Mit wem telefonierst du da?“, wiederholt Baryt. Seine Stimme wird drängender.

„Mithes. Er ist demnächst in der Stadt und bat um ein Treffen. Ich habe mein neues Manuskript an einen von seinen Verlagen geschickt, er möchte darüber reden“, gebe ich zur Antwort. Es hat keinen Sinn, es zu leugnen. Baryts übermenschliches Gehör hatte ihm sicher verraten, wer am anderen Ende der Leitung ist.

Ja, ich kann deine Gedanken lesen, wenn wir telefonieren. Es erfordert etwas Übung, aber du warst schon immer ein offenes Buch für mich. Woher wusstest du, dass ich dein Manuskript vor mir liegen habe?

Mit Mithes‘ sanfter Stimme im Kopf huscht ein Lächeln über mein Gesicht.

Ein Schuss ins Blaue!, antworte ich mental. Baryts Miene verfinstert sich.

„Haben wir nicht entschieden, dass du es ihm nicht schickst?“

„Du hast das entschieden! Das heißt jedoch nicht, dass ich automatisch tue, was du beschlossen hast!“

Durch die Leitung kann ich ein raues Lachen vernehmen.

„Sag dem Erddämon, er soll sich aus unseren Geschäften raushalten und zurück ins Bett gehen“, sagt Mithes am Telefon so laut, dass Baryt es hören kann, ohne sich Mühe zu geben.

„Hast du vergessen, was er dir angetan hat?“, fragt Baryt.

Das geht so nicht, ich kann nicht mit beiden gleichzeitig reden. Daher muss ich mich entscheiden, welches Gespräch es zu entbehren gilt.

„Mithes“, sage ich schließlich. „Hier bei uns ist es mitten in der Nacht, Baryt muss früh in die Klinik und ich habe auch einen Termin. Sag mir Bescheid, wann du Zeit hast, dann können wir uns sehr gerne treffen.“

„Du hörst von meiner Sekretärin.“

Das war’s. Ohne einen Abschiedsgruß legt er auf und ich stehe da, als hätte mich ein wuchtiger Schlag in die Magengrube zu Boden gestreckt. Ich drehe Baryt den Rücken zu und versuche mit aller Kraft, gegen die Tränen anzukämpfen. Warum mischt er sich überhaupt ein? Mithes war schon immer extrem eifersüchtig. Nein, stopp. Mein aktueller Lebensgefährte hat sich nichts zu Schulden kommen lassen. Die korrekte Frage lautet: aus welchem Grund gestatte ich Mithes, wieder Einzug in mein Leben zu nehmen? Die letzten zehn Jahre lebte ich nur vor mich hin, war weder glücklich noch unglücklich. Das Leben mit Baryt war und ist nett. Bis auf die Tatsache, dass wir im Bett nicht zueinandergefunden haben, gibt es keine Beanstandungen. Auf dem Gebiet des Liebesspiels bevorzuge und suche ich die Abwechslung, je exotischer umso besser. Gerne auch mal über den Wolken, sprichwörtlich. Baryt ist da doch konservativer. Ich spreche ihm nicht seine Vorzüge ab, nur passen diese nicht zu meinem Geschmack. „Komm ins Bett!“

Sein Tonfall gefällt mir nicht. Ich zögere einen Moment zu lange, er packt meinen Arm und zieht mich hinter sich her.

„Lass mich sofort los, du tust mir weh.“

„Stell dich nicht so an. Was hatten deine Worte am Telefon zu bedeuten? Hast du etwa vergessen, wie sehr er dich verletzt hat?“

„Nein, das habe ich nicht! Wir haben doch nur eine kurze Unterhaltung geführt!“

„Er ruft dich nach zehn Jahren an und du schleichst dich mitten in der Nacht raus?“

„Ja, ich war neugierig.“

Verliebt, entzückt, hin und weg, aufgeregt. All das hätte meine Gefühle besser beschrieben, aber dies kann ich Baryt nicht sagen. Er stößt mich aufs Bett und drückt mir seinen Oberkörper auf die Brust.

„Was wird das hier?“

„Du entziehst dich mir seit Monaten, weißt von meinen Affären in der Klinik, jedoch sprichst du mich nicht darauf an. Das kann nicht euer erstes Telefonat gewesen sein.“

„Doch, allerdings.“

„Lüg mich nicht an!“ Seine Baritonstimme grollt durch das Schlafzimmer.

Baryt schiebt das Nachtkleid nach oben und versucht, seine Hüfte zwischen meine Beine zu drängen.

„Bist du dir sicher, dass du hier weitermachen möchtest?“ Ich blinzele ihn mit entschlossenen Augen an und der Unterton in meiner Stimme lässt ihn verharren. Baryts Pupillen verfärben sich schwarz, seine dämonische Wut steigt in ihm auf.

„Letzte Warnung. Geh von mir runter, sonst bereust du es!“

„Ist das dein Ernst? Du würdest mich töten?“

„Unsinn!“ Seine Frage erschreckt mich und lässt die Wut ein wenig abklingen. „Ich würde dich doch nicht töten. Doch wenn du glaubst, du könntest mich vergewaltigen, wirst du ein paar Blessuren davontragen, die dich den Rest deines Lebens daran erinnern werden.“ Er legt sich neben mich und stößt einen lauten Seufzer aus.

„Das war doch gar nicht meine Absicht. Ich bin nur wütend, weil du mir verheimlichst, dass du wieder Kontakt zu deinem Ehemann hast.“

„Wie gesagt, es war das erste Telefonat.“ Er lacht rau. „Hättest du mir davon erzählt?“

„Keine Ahnung“, antworte ich ehrlich. „Du wirst ihn treffen?“

„Ja.“

„Und wenn ich dich bitte, es nicht zu tun?“

„Werde ich ihn trotzdem treffen.“

„Selbst, wenn dies unsere Beziehung gefährden würde?“ Ich stocke kurz. „Du musst mir nicht antworten, dein Schweigen offenbart mir alles, was ich wissen wollte.“ Er steht auf, nimmt seine Decke, verschwindet ins Wohnzimmer und lässt mich allein im dunklen Schlafzimmer. Ich schließe die Augen und lasse die Gedanken tief in meine Vergangenheit zurückschweben. In eine Zeit, in der ich noch ein junges menschliches Mädchen war.

 

Glückliche Kindheit

Einige Jahrhunderte vor Christi Geburt, im antiken Griechenland

 

„Saphira! Damianos! Kommt nach Hause, Essen ist fertig!“, hörten wir unsere Mutter rufen. Ich kauerte in meinem Versteck hinter einer großen Baumwurzel und hielt den Atem an, um kein Geräusch von mir zu geben. Ich lauschte dem Knarren der Äste und dem Rauschen des Windes, wie er sanft durch das Blätterdach blies. Der Wald veränderte langsam seine Farbe. Das saftige Grün wich der Farbvielfalt des Herbstes. Der blumige Duft des Sommers verging, unterschwellig lag der Geruch von Schnee in der Luft. Damianos achtete nicht auf seine Schritte, er polterte wie eine Herde Ziegen durch das Laub. Er war nicht zu überhören. Kurz bevor er mein Versteck fand, sprang ich mit einem lauten Schrei heraus. Vor Schreck plumpste er auf den Hosenboden und starrte mit seinen weit aufgerissenen smaragdgrünen Augen in meine Richtung.

„Fang mich doch!“, rief ich und spurtete durch den Wald, ohne auf den Weg zu achten. Feine Äste schnitten mir ins Gesicht und hinterließen kleine Wunden auf meiner Wange. Ich drehte mich zu Damianos um und verlor dabei den Weg aus den Augen, rannte gegen etwas Weiches, prallte davon ab und landete rücklings auf dem Waldboden. Erschrocken schrie ich auf, sah nach oben und war gezwungen, meine Augen gegen die tiefstehende Sonne abzuschirmen. Im Gegenlicht erkannte ich eine große massige Gestalt mit langen Haaren vor mir stehen. „Vater, du hast mich erschreckt“, sagte ich atemlos und rang nach Luft. Er stierte finster drein.

„Eure Mutter hat euch gerufen, sie wartet mit dem Essen!“, raunte er in einem verärgerten Ton. Sein Gesichtsausdruck passte so gar nicht mehr zu seiner Stimmlage, denn seine grimmige Miene hatte sich in ein breites Lächeln verwandelt. Endlich schloss Damianos zu uns auf. Er war vollkommen verschwitzt und außer Puste. „Na kommt her ihr zwei!“ Vater schnappte uns beide und warf uns über seine Schultern. Er war ein großer stattlicher Mann von etwa 1,90 Meter er trug einen wallenden Vollbart, seine hüftlangen dunklen Haare waren von grauen Strähnen durchzogen. Die Hände glichen Bärenpranken, mit denen er angeblich wilde Tiere erlegte. Dies hatte er uns schon öfter beim Zubettgehen glaubhaft erzählt. Wir quietschten euphorisch und zappelten mit den Füßen. Vater hielt uns fest und stapfte über die herbstliche Blumenwiese.

„Hier sind die beiden Ausreißer“, sagte er liebevoll zu Mutter. Er setzte uns ab und wir Kinder liefen umgehend ins Haus. Der Hof, welchen wir bewohnten, war der letzte in der Straße des Dorfes. Dahinter gab es eine große Blumenwiese, an deren Ende sich der Wald erstreckte. Damianos und ich spielten dort häufig Verstecken, oder wir versuchten uns in der Kunst des Bogenschießens. Vater lehrte uns das Aufstellen von kleineren Fallen und das Lesen von Spuren.

„Hier geblieben!“, ermahnte uns Mama. „Zuerst wascht ihr euch!“ Mutter war eine zierliche, schlanke Frau. Ihre blonden Haare trug sie stets nach hinten gekämmt. Ihre Haut war schneeweiß und mit ihren grünen Augen funkelte sie uns verärgert an, weil der Staub des gesamten Waldes an uns klebte. „Ihr tragt mir den ganzen Dreck ins Haus!“

Schuldbewusst zogen wir die Schultern hoch, ließen unsere Köpfe hängen und schlichen langsam an die Tränke, um uns zu waschen. Ich warf einen verträumten Blick über die Wiese hinterm Haus. Am Waldrand ästen friedlich ein paar Rehe. Unser Dorf trug den Namen Sarkos, es lag in einer kleinen Talsenke. Am westlichen Ende begrenzt durch den Wald, in östlicher Richtung eingekesselt von einem breiten Fluss. Jedes Frühjahr nach der Schneeschmelze stieg Vater einen Pfad hinauf in die Berge und verbrachte die Sommermonate allein in einer Hütte. Er jagte Tiere, zog deren Felle ab, um diese zu bearbeiten und im Herbst auf dem Markt zu verkaufen.

„Saphira, hilf beim Tisch decken. Damianos geh deinem Vater zur Hand!“ Mutters Bitte klang wie ein Befehl, dem wir ohne Protest Folge leisteten. Mitten im Wohnraum unseres kleinen Hauses stand ein großer Tisch. Vater hatte diesen gebaut, sowie die dazugehörenden Holzstühle. In einer Ecke war die Kochstelle, auf welcher Mutter das Essen zubereitete. Im hinteren Teil des Hauses trennte eine Tür den Weg in den Schlafraum von Damianos und mir. Angrenzend angelegt fand sich das Schlafzimmer unserer Eltern. Vater hatte ein großes Tier gejagt und erlegt, dessen Fleisch für das Abendessen zubereitet wurde. Nach der gemeinsamen Mahlzeit rollten Damianos und ich uns auf unseren Betten zusammen. Solch ein Festmahl waren wir nicht gewohnt, das tägliche karge Mahl bestand meist aus Früchten und etwas Fladenbrot. Die kalten Wintermonate verbrachte Vater bei uns und kümmerte sich um die Arbeiten am Haus. Er reparierte kaputte Zäune, flickte das Dach. In einem Winter baute er ein weiteres Zimmer, damit wir mehr Platz zur Verfügung hatten. Aufgrund seines handwerklichen Geschicks war er ein gern gesehener Gast bei unseren Nachbarn. Er half, wo es nötig war.

Die Abende verbrachten wir gemeinsam zuhause vor dem warmen Feuer, er erzählte uns Geschichten aus den Bergen. Wir hingen an seinen Lippen und lauschten jedem Wort. „Ich stand allein im Wald, bewaffnet nur mit einem kleinen Messer. Der Bär richtete sich zu seiner vollen Größe auf und überragte mich um einen Kopf. Ich blickte ihm tief in die Augen. Würde ich jetzt zögern, wäre es um mich geschehen.“

„Narkissos, du machst den Kindern Angst!“, unterbrach ihn Mutter. „Aber Kore, mein Schatz, ich habe den Bären bezwungen, wie du siehst“, entgegnete er mit einem Zwinkern. „Das reicht jetzt, die Kinder müssen ins Bett!“, erwiderte sie liebevoll und lächelte ihren Mann verliebt an. „Oh, bitte Mama!“, flehte Damianos, „Wenn ich so groß bin wie Vater, will ich mit ihm in die Berge.“

„Ich nehme dich bereits im nächsten Frühjahr mit, Junge!“, versprach ihm Vater. Die Augen meines Bruders wurden groß und begannen zu leuchten. Er sprang übermütig um den Tisch und sein blonder Haarschopf hüpfte bei jeder Bewegung rhythmisch auf und ab. „Narkissos, er ist noch viel zu jung!“, mahnte Mutter. „Ich möchte, dass du noch ein paar Jahre damit wartest.“

„Er hat bereits elf Winter erlebt, er ist alt genug!“, beharrte der Hausherr. „Ich will auch mit, ich habe bereits zwölf Winter erlebt“, mischte ich mich ein.

„Das ist viel zu gefährlich für ein junges Mädchen“, warf Mutter mahnend ein.

„Geht jetzt schlafen, ihr zwei. Die Sonne ist bereits untergegangen.“ Sie drückte uns einen Kuss auf die Wange und wir hüpften singend zu Bett.

 

Am nächsten Morgen wurden wir von dem Duft unseres Frühstücks geweckt. „Mh, das riecht gut“, sagte ich und mir lief das Wasser bereits im Munde zusammen. Damianos streckte seine Nase in die Luft. „Herrlich! Wer zuerst in der Küche ist, bekommt den ersten Teller“, rief er verschmitzt, sprang auf und hechtete zur Tür hinaus. Er saß bereits am Tisch, als ich den Raum betrat.

„Das war gemein!“, maulte ich verärgert und streckte ihm die Zunge raus.

„Na ihr zwei, streitet ihr wieder?“, wollte Mama erfahren. „Nein, Damianos ist nur gemein zu mir!“ „Es ist genug für alle da. Euer Vater hat dieses Mal sehr viel mitgebracht. Esst euch satt“, sagte sie liebevoll und lächelte uns freundlich an.

„Danke, Mama.“

„Der Brunnen hinterm Haus führt kein Wasser mehr. Geht ihr nach dem Frühstück beide bitte an den Fluss und holt uns zwei Tonkrüge voll. Euer Vater versucht das Problem zu lösen, aber bis es so weit ist, benötigen wir Wasser aus dem Fluss.“

Nach dem Frühstück nahmen wir die Gefäße und spazierten durch das Dorf hinüber zum Fluss. Wir liefen die breite Hauptstraße entlang. Diese führte zum Marktplatz. Ringsum befanden sich die wichtigsten Gebäude unseres Dorfes. Es gab eine Herberge, eine Taverne sowie ein Gemeindehaus. Damianos und ich überquerten rennend den Marktplatz, hasteten zwischen den Häusern hindurch und kletterten über Zäune. „Wer zuletzt am Fluss ist, ist ein Esel!“, rief mir Damianos zu und sprintete über die Felder hinab zum Wasserlauf. „Na warte!“, flüsterte ich und hastete los. Kurz vor dem Ziel holte ich ihn ein und packte seinen Arm. Er geriet ins Straucheln und landete mit der Nase voran im Matsch. Ich sprang über ihn hinweg, stolperte und flog bäuchlings in den Fluss. Links und rechts von mir stiegen hohe Wasserfontänen auf. Wir blickten uns an und mussten beide lauthals loslachen. „Mutter wird wütend, wenn sie dich so sieht“, prustete Damianos und hielt sich den Bauch vor Lachen.

„Mein Kleid ist wenigstens sauber, schau dich mal an“, gab ich kichernd zurück.

Er überlegte nicht lange und sprang zu mir ins Wasser. Wir begannen uns gegenseitig nass zu spritzen und ausgelassen zu spielen.

„Wir sollten so langsam zurückgehen. Mutter und Vater machen sich bestimmt schon sorgen“, sagte ich atemlos und wir befüllten unsere Krüge mit Wasser. Die Sonne stand bereits hoch am Himmel, als wir endlich wieder den Hof betraten. „Wie seht ihr denn aus?“, fragte Mutter entsetzt. „Seid ihr verletzt?“

„Nein, wir sind irgendwie ins Wasser gefallen“, erklärte Damianos. „Irgendwie?“, wiederholte sie lachend. „Na kommt, trocknet euch und wechselt die Kleidung. Ich will nicht, dass ihr krank werdet. Die Sonne verliert langsam ihre Kraft, der Winter kommt mit großen Schritten auf uns zu.“ Es war die glücklichste Zeit in meiner Kindheit. Damianos und ich waren eine eingeschworene Gemeinschaft, wir zwei gegen den Rest der Welt.  

Kalte Dusche

März 2020, kleine Wohnung in Paris

 

Als ich die Augen öffne, blendet mich das Licht der Straßenlaterne durch die Lamellen des Rollladens. Ich blinzle einige Male, um meinen Blick zu fokussieren. Die Zeitanzeige des Handys verrät mir, dass es erst 4:30 Uhr ist. Diese verworrenen Gedanken lassen mich nicht mehr zur Ruhe kommen. Es ist eine Ewigkeit her, dass ich von meiner Familie geträumt habe. Mithes´ Anruf hat mich so aus der Bahn geworfen, dass sich einige meiner sorgfältig verdrängten Erinnerungen einen Weg an die Oberfläche gebahnt haben. Um auf andere Gedanken zu kommen, beschließe ich, eine kalte Dusche zu nehmen. Ich schäle mich aus dem großen Kingsize Bett, werfe meinen Morgenmantel über und schleiche im Halbdunkel durch den Flur. Auf keinen Fall möchte ich Baryt wecken, unser kurzer Streit hat mir gereicht. Das Letzte, was ich momentan gebrauchen kann, ist eine weitere Auseinandersetzung. Ich öffne leise die Tür zum Badezimmer, und da steht er direkt vor mir, ein Handtuch um seine Hüften und putzt am Waschbecken seine Zähne.

„Oh, Guten ... Morgen, ähm“, murmle ich leise.

„Mhm“, antwortet er mit der Bürste im Mund.

Einerseits widerstrebt es mir, mich jetzt auszuziehen und in die Dusche zu steigen. Andererseits schüre ich mit einem Rückzug ins Schlafzimmer mehr Zwietracht. Ich entscheide mich für das kleinere Übel und hänge meinen Morgenmantel hinter die Tür und werfe das Nachthemd in den Wäschekorb. Aus dem Augenwinkel sehe ich, dass Baryt mich im Spiegel beobachtet.

Oh, bitte mach‘ jetzt bloß keine Dummheiten.

Ich drehe das Wasser auf und steige in die Dusche. Bevor ich die Duschtür geschlossen habe, steht Baryt vor mir. Ein Blick auf seine trainierten Brustmuskeln reicht aus, um mich daran zu erinnern, warum ich ihn einst so reizvoll fand.

„Wir müssen reden“, sagt er.

„Jetzt?“

„Ja! Ich will wissen, woran ich bin!“

„Was willst du hören?“

„Die Wahrheit, Saphira! Wie lange geht das schon wieder mit euch beiden?“

„Es war sein erster Anruf! Das ist die Wahrheit. Ich kann dir nicht helfen, wenn du mir nicht glaubst. Aber Mithes ist gar nicht unser Problem. Ich mag dich Baryt, du warst immer da, wenn ich dich gebraucht habe, und ich bin eine verdammt schlechte und egoistische Freundin. Als ich vor einigen Wochen herausfand, dass du eine Beziehung mit Claire hast, war ich ehrlich gesagt erleichtert und habe mich für dich gefreut.“

„Du freust dich, dass ich dich betrüge?“

„Ich sehe es nicht so, und hier liegt unser Problem. Du bist für mich zu einem Freund geworden, für den ich mich freue, dass er endlich eine Frau gefunden hat, die ihn zu schätzen weiß.“

„Du weißt, dass es mit einem Menschen nie etwas Ernstes sein kann!“

Ich schließe meine Augen, stoße einen lauten Seufzer aus und blicke zu Boden. In diesem Moment wird mir klar, dass unsere Beziehung gescheitert ist. Warum will er nicht loslassen, wenn er doch gefunden hat, wonach er sucht.

„Baryt, musst du nicht in die Klinik?“

„Willst du mich loswerden?“

„Ich habe jetzt keine Lust zu streiten.“

„Hast du mich je geliebt?“, fragt er und fixiert meine Augen. Damit habe ich nicht gerechnet. Einige Sekunden jongliert mein Geist mit dieser Frage. Auf keinen Fall so wie Mithes.

„Du hast mir schon immer viel bedeutet ...“, stammle ich kleinlaut.

„Ja, ich weiß, als Freund oder Vertrauter. Oder als deine Quelle bei den Erddämonen, um zu erfahren, ob sich König Achat an die Regeln hält.“ Er schlägt mit der Faust gegen die Wand und zerschmettert einige Fliesen, die klirrend zu Boden fallen.

„Oh, verdammt Saphira. Warum bin ich dir so verfallen? Wir sollten eine Selbsthilfegruppe eröffnen mit allen Dämonen, die ihr Herz an dich verloren haben und deren Gefühle du nie erwidert hast. Wir wären schon zu dritt!“

„Was?“ Wovon spricht er bitte?

„Ich mache es dir leicht, Saphira. Wenn du dich mit ihm triffst, dann ist es aus“, sagt er und stürmt aus dem Badezimmer.

Erleichtert atme ich aus, schließe meine Augen und versuche, das warme Wasser der Dusche, welches sanft auf meine Haut herniederprasselt, zu genießen. Dieses entspannende Gefühl trägt meinen Geist erneut fort, zurück in eine Zeit, die lange vergangen ist.

 

Babyglück

Einige Jahrhunderte vor Christi Geburt, im antiken Griechenland

 

Als Mutter ein weiteres Mal schwanger wurde, war unsere Freude groß. Vater konnte sein Glück kaum fassen. Er baute eine neue Babywiege und zimmerte etwas, das entfernt an die heutigen Kinderwagen erinnerte. Er schnitzte den Namen des Babys in dessen Bettchen. „Narkissos, Schatz, was machen wir, wenn es ein Junge wird? Wirst du ihn dann auch Briseis nennen?“, scherzte Mutter. Vater kratzte sich verlegen am Kopf. „Vielleicht war ich etwas zu voreilig“, räumte er schmunzelnd ein.

„Dann bekommt er eine neue Wiege“, beschloss er grinsend. „Ich zeige ihm, wie man kämpft!“, versprach Damianos. „Und ich zeige ihr, wie sie ihren großen Bruder ärgern kann“, scherzte ich.

 

Eines Nachmittags im Hochsommer war es dann so weit, die Geburt kündigte sich an.

„Saphira, bitte hilf mir“, rief Mutter. „Was soll ich tun?“, fragte ich stotternd. Es gelang mir nicht, meine Aufregung zu verstecken. „Hol mir bitte Wasser aus dem Brunnen.“ Ihre Stimme war abgehackt und das Gesicht schmerzverzerrt. Mutter lief stundenlang durch unseren Wohnraum und versuchte, ihre Schmerzen zu kontrollieren, bis sie, geschwächt von ihrer Pein, schreiend zusammenbrach. „Hole Agnodike herbei!“, brüllte sie und trommelte verzweifelt mit ihrer Faust auf den Fußboden. So schnell meine Füße mich trugen, rannte ich durch das Dorf und traf völlig atemlos bei der Herberge ein. „Mein Kind, was ist denn mit dir passiert.“ Agnodike strich mir sorgenvoll über den Rücken.

„Mama!“, keuchte ich. Das genügte, sie verstand sofort. Sie war die Heilerin des Dorfes und wusste, dass Mutter kurz vor der Niederkunft stand. Agnodike holte ihre Tasche und wir eilten zusammen zurück in unser Haus. Ihr Blick verriet Besorgnis, als sie Mutter sah. Diese kauerte in der Küche und krallte sich am Tisch fest. Wir halfen ihr, sich ins Bett zu legen. Blut lief in Strömen ihre Beine hinunter. Agnodike mischte einige Kräuter zusammen und verabreichte diese unserer Mutter.

„Kau dies, Kore. Es betäubt den Schmerz ein wenig.“ Ich stand wie angewurzelt in der Mitte des Raumes und vermochte mich nicht mehr zu bewegen.

„Saphira! Geh raus zu deinem Bruder!“, befahl Agnodike. Ich reagierte nicht und stierte weiterhin auf das Blut, welches sich unter Mutter sammelte.

„Saphira! Verschwinde!“, schrie mich die Kräuterfrau an. Ihr Tonfall jagte mir einen Schrecken ein und ich eilte nach draußen. Damianos saß auf dem kleinen Bänkchen vor dem Haus, er starrte ins Leere und war leichenblass. Wir hörten Mutters Schreie, zuckten zusammen und hielten uns an den Händen. Die Wartezeit schien endlos. Tränen liefen über unsere Wangen. Ich vermisste Vater, er hätte uns in den Armen gehalten und Mut zugesprochen. Erst als ich die Schreie des Babys vernahm, fiel die Anspannung von mir ab und wir lächelten uns erleichtert an.

„Saphira!“, hörte ich Agnodike schreien. Vor dem Schlafzimmer angekommen übergab sie mir das Baby und ging wieder zurück zu Mutter. Ich sah Damianos hilflos an. „Wieso dürfen wir nicht zu Mama?“ Damianos hämmerte gegen die Tür. Er schien endlich aus seiner Trance erwacht zu sein. „Mama! Mama!“, schrie er verzweifelt. Agnodike öffnete die Tür und legte ihren Zeigefinger gegen ihre Lippen.

„Shhhh“, versuchte sie uns zum Schweigen zu ermuntern. „Eure Mutter ist sehr schwach und braucht viel Ruhe“, erklärte sie uns. Damianos schob sich an ihr vorbei und setzte sich an Mamas‘ Seite. Agnodike nahm mir das Baby ab und nickte mir auffordernd zu. Ich ging ebenfalls an das Bett. Mutter war blass, sie rührte sich nicht. „Mama! Mama!“, rief ich panisch. Agnodike, alarmiert von meinem schrillen Ton, kam sofort herbeigeeilt.

„Kore?“ Sie legte Mutter die Hand auf die Stirn und öffnete ihr ein Auge. Sie ließ die Schultern sinken und schüttelte den Kopf. „Es tut mir leid“, sagte sie traurig zu uns. „Ihr kommt erst einmal mit zu mir. Ich kümmere mich um euch und das Baby, bis euer Vater aus den Bergen kommt.“ Ihre Worte drangen nicht bis zu mir durch. Wieso sollten wir zu ihr? Sobald Mama aufwachte, würde sie sich sorgen. Ich würde sie nicht allein lassen. Wir reagierten beide nicht und verharrten an Mutters Bett. Damianos begann das Schlaflied zu summen, welches Mama uns immer vorsang, wenn wir Angst hatten oder uns Albträume quälten.

„Mama, bitte wach doch auf!“ Ich war wie im Wahn, erst jetzt bemerkte ich, dass Agnodike uns allein gelassen hatte. Sie musste Briseis mitgenommen haben. Aber das war egal, ich wollte sitzen bleiben, bis Mama wieder aufwachte. Ohne Vorwarnung griffen ein paar Arme nach meinem Bruder und mir. Wir wehrten uns beide, jedoch vergeblich und wurden aus dem Haus getragen.

„Bringt sie in die Herberge“, hörte ich Agnodikes Stimme in der Ferne. Dort angekommen, sperrte man uns in einem Zimmer ein. Wir trommelten gegen die Tür und schrien aus Leibeskräften. Es dauerte nicht lange und wir schliefen vor Erschöpfung ein. Agnodike hielt ihr Versprechen, sie kümmerte sich um uns, obwohl wir anfänglich keine dankbaren Gäste waren. Die Kräuterfrau half uns in dieser schweren Zeit. Der Tod unserer Mutter löste bei Damianos ein Trauma aus. Ihr Verlust hatte ihn vollkommen verändert. Er wurde apathisch und redete kein Wort mehr. Er ignorierte mich völlig. Sobald ich einen Raum betrat, in dem er sich aufhielt, verließ er diesen sofort.

Eines Tages kam ich in Briseis´ Kinderzimmer und erwischte Damianos, wie er gerade dabei war, unserer kleinen Schwester eine Decke auf das Gesicht zu pressen.

„Was tust du denn da?“, schrie ich und riss ihn fort. Er landete auf seinem Hintern und funkelte mich mit wütenden Augen an. Dann rannte er wortlos davon. Seit diesem Tage ließ ich ihn nicht mehr allein in ihre Nähe. Bis zu Vaters Rückkehr im Herbst wohnten wir bei Agnodike. Wir halfen ihr im Haushalt und sie kümmerte sich um unsere kleine Schwester. Sie organisierte eine Amme, diese lehrte mich das Windelwechseln, das Füttern sowie den Umgang mit einem Baby. Die Trauer über den Verlust unserer Mutter ließ mich jeden Abend weinend einschlafen.

„Mama, du fehlst mir so, ich weiß nicht, ob ich das mit dem Baby schaffe“, betete ich schluchzend immer wieder zu meiner toten Mutter.

Als Vater an einem Herbstmorgen den Bergpfad herabstieg, sah ihn Damianos schon aus der Ferne. Er holte unseren Esel aus dem Stall und ritt ihm ein Stück entgegen. Ich war vor Agnodikes Haus und erwartete ihre Rückkehr, die beiden kamen erst am Abend im Dorf an. Damianos hat alles berichtet und einen Schuldigen für die Situation hatte unser Vater auch schon gefunden: Mich! Er gab mir die Schuld, Agnodike nicht rechtzeitig verständigt und Mutter nicht genügend geholfen zu haben. Ich war sein Sündenbock, nur damit er seine Wut und Trauer über die Tatsache, nicht bei der Geburt anwesend gewesen zu sein, verbergen konnte. Ohne Vorwarnung schlug Vater mir so fest ins Gesicht, dass ich nach hinten flog und mir die Luft wegblieb. Während ich wehrlos am Boden lag, versetzte er mir einige gezielte Tritte und brach dabei mehrere Rippen. Damianos sah unbeteiligt zu, wie Vater mir den Hieb zufügte. Agnodike, durch mein Geschrei alarmiert, eilte zusammen mit einigen Männern aus dem Dorf herbei. Ich war so benommen, dass ich nicht vernahm, was alles geschah. Theodoros, der Schankwirt, trug mich in das Haus der Kräuterfrau. Ich fiel in einen tiefen Schlaf und träumte von Mama.

Agnodike versorgte meine Wunden und pflegte mich wieder gesund. Wie lange es dauerte, vermag ich heute nicht mehr zu sagen. Nachdem die Knochenbrüche und Blessuren verheilt waren, durfte ich das Bett wieder verlassen. Bei dem Gedanken, dass ich zurück zu meiner Familie sollte, überkam mich große Furcht. Ich bat Agnodike, bei ihr bleiben zu dürfen.

„Mein Kind, dein Vater sorgt sich sehr. Die Trauer um eure Mutter hatte ihn übermannt. Er ist ein guter Mann, das weißt du doch, er liebt seine Kinder.“

Vater hatte mir zuvor nie etwas getan. Dennoch zitterte ich angesichts meiner Sorge über das Wiedersehen. Ich stand verschüchtert vor der Tür und klopfte zaghaft an. Narkissos öffnete mit glasigen Augen die Tür. Alkoholgeruch stieg mir in die Nase.

„Na schau an wer sich hier wieder rein traut. Und das Balg hat sie auch gleich dabei“, lallte er mich an. „Na komm rein, wir haben Hunger, ab jetzt wirst du das Essen zubereiten und das Haus aufräumen. Und kümmere dich um das Balg, ich will es nicht sehen!“ Meine Kindheit endete an diesem Tage, ich musste fortan die Familie versorgen.

Damianos entschuldigte sich bei mir. Er war wütend wegen Mutters Tod und hatte all seine Wut auf mich übertragen. Deshalb hatte er Vater erzählt, ich sei schuld an ihrem Tod gewesen, da ich ihr nicht geholfen habe. Doch er war genauso erschrocken von dessen Reaktion, wie ich es war. Damianos versuchte, mir bei der Hausarbeit zu helfen. Vater durfte jedoch nichts davon erfahren, denn für ihn waren dies Aufgaben, welche von einer Frau zu erledigen waren. Daher trat mein Bruder in die Fußstapfen unseres Vaters und begann damit, kleinere Reparaturen an den Häusern der Nachbarn auszuführen.

Erinnerungen

März 2020, Wohnung von Baryt und Saphira, Paris

 

Minutenlang stehe ich unter der Dusche und versuche, mir die Erinnerungen an Vergangenes abzuwaschen. Warum lässt ein Anruf meine Welt erzittern? Mädchen, jetzt reiß dich zusammen. Ich beende die Dusche, ziehe mich an und beginne mit der Arbeit. Das nächste Buch schreibt sich nicht von allein! Ich koche mir einen Kaffee und hole die Zeitung rein. Baryt ist mittlerweile auf dem Weg zur Klinik, sein Dienst beginnt in einer halben Stunde, um Punkt 6:00 Uhr. Den Laptop stelle ich auf dem Esszimmertisch auf, den herrlich duftenden und heiß dampfenden Kaffee platziere ich daneben. Beim Durchblättern der Zeitung stolpere ich auf Seite zwei über einen Artikel, der meine Aufmerksamkeit auf sich zieht:

 

Adam Lewis eröffnet Kunstgalerie in Paris

Der Geschäftsmann, Milliardär und Playboy Adam Lewis unterstützt weltweit aufstrebende Künstler.

In dieser Woche wird er zur Eröffnung einer seiner Galerien in Paris erwartet.

 

Da haben wir es ja! Das ist dann wohl das Geschäftliche, das ihn in die Stadt führt. Die Eröffnung ist übermorgen. Wenn er sich nicht mehr meldet, könnte ich ja dort einfach auftauchen. Nur um zu sehen, wie er mit irgendeiner Tussi im Arm über den roten Teppich schlendert. Nein, besser nicht! Ich habe kein Recht, eifersüchtig zu sein, aber ich kann es einfach nicht abstellen. Oh verdammt, ich liebe diesen Kerl. Baryt hatte nie eine Chance. Warum komme ich nicht über Mithes hinweg? Er hat meine Zuneigung mit Leichtigkeit für sich gewonnen. Abgesehen von der Tatsache, dass der Feuerdämon und ich füreinander bestimmt waren, und sind!

 

Mittlerweile ist es 10:00 Uhr, ich habe noch nicht ein Wort getippt. Meine Gedanken kreisen nur um Mithes. Es bringt nichts, hier weiter zu grübeln. Ich packe ein paar Sachen zusammen und verlasse die Wohnung Richtung Innenstadt. Ein kleiner Spaziergang und ein wenig frische Luft werden sicherlich helfen, den Kopf frei zu bekommen. Mein Ziel ist der Eiffelturm. Mithes und ich lebten Ende des 19. Jahrhunderts in Paris und verfolgten mit Spannung und Interesse die Erbauung. Daher hege ich eine besondere Bindung zu diesem Bauwerk. Ich erinnere mich, dass ein Aufschrei durch die Bevölkerung ging, als der Bau beschlossen wurde. Heute ist es das Wahrzeichen der Stadt. Auf der Brücke „Pont d’Iéna“ bleibe ich auf halbem Wege stehen und betrachte das trübe Wasser der Seine. Warum habe ich mich für die Hauptstadt Frankreichs entschieden? Wieso bin ich nicht ans Meer gezogen. Für einen Wasserdämon wäre das die logische Wahl gewesen. Doch habe ich hier in Paris mit Mithes einige aufregende Jahre verbracht. Vermutlich hat mich die Erinnerung daran hierher zurückgeholt. Ich beschließe, Mithes anzurufen. Darauf zu warten, dass sich seine Sekretärin meldet, zerreißt mich. Wer etwas erreichen will, muss sein Schicksal selbst in die Hand nehmen. Ich brauche Klarheit! Es klingelt einige Male, doch er hebt nicht ab. Ich bin im Begriff wieder aufzulegen, als sich eine Frauenstimme meldet.

„Hallo?“

Ich stocke und lasse enttäuscht den Kopf sinken.

„Was tust du da?“, knurrt eine Baritonstimme im Hintergrund. Dann raschelt es und ich erkenne Mithes am anderen Ende der Leitung.

„Saphira? Bist du noch da?“

„Hallo“, stottere ich leise. „Bitte verzeih meine Störung.“ Für ihn muss sich mein Gestammel wie der tapsige Versuch eines verliebten Teenagermädchens anhören, dass mit ihrer ersten große Liebe spricht und kein Wort über die Lippen bekommt.

„Du störst nicht! Nie!“

Im Hintergrund entbrennt eine geflüsterte Diskussion.

„Halt die Klappe, zieh dich an und verschwinde!“, kann ich verstehen.

„Ich wollte mich nur entschuldigen“, fahre ich fort ohne auf seine Bestätigung zu warten, dass seine uneingeschränkte Aufmerksamkeit mir gehört. „Aber wenn es gerade ungünstig ist, dann melde ich mich einfach später nochmal.“

„Ich habe jetzt Zeit!“ Er klingt wieder sanft und freundlich.

„Wo bist du gerade?“, will er von mir wissen.

„Paris.“

„Ich weiß. Doch Paris ist groß.“ Dem Klang seiner Stimme wohnt ein Lächeln bei.

„Sorry, ja klar, ähm, ich stehe mittlerweile vor dem Eiffelturm.“

„Nicht rot werden, mein blauer Engel.“ Er kennt mich einfach zu gut. Bei der Vorstellung seiner leuchtenden Augen und seines sexy Grübchens spüre ich, dass meine Wangen feuerrot glühen.

„Mh, ich erinnere mich gut an die Zeit, als der Turm gebaut wurde“, sagt er.

„Ja, ich auch, damals waren wir auch hier!“

„Hat sich dein Lover wieder abreagiert?“ Der abrupte Themawechsel bringt mich erneut ins Stottern. „Na ja, es herrscht gerade eisiges Schweigen. Was ist mit deiner Freundin? Ist sie heulend davongelaufen?“

Ehrlich gesagt brauche ich es gar nicht zu wissen. Statt nachzudenken, plappere ich drauf los. Schreckliche Angewohnheit!

„Ich gehe davon aus. Aber sie ist nicht meine Freundin. Einfach nur etwas fürs Bett.“

„Aha.“

„Wie gesagt, ich bin ein paar Tage in der Stadt, triffst du dich mit mir?“

Selbst mit Baryts Warnung in den Ohren brauche ich keine Sekunde darüber nachzudenken.

„Ja gerne. Es gibt hier ein kleines Café in der `Quai du Louvre´.“

„Klingt gut, das kenne ich. Morgen früh 10 Uhr?“

„Bis dann“, sage ich und lege auf. Ich setze mich auf eine Bank vor dem Eiffelturm und beobachte gedankenverloren die Menschen. Eine Mutter schiebt einen Kinderwagen vor sich her und versucht, ihren etwa dreijährigen Sohn zur Ordnung zu rufen, der die Tauben auf dem Platz immer wieder aufscheucht. „Sebastian, hör damit auf!“, mahnt sie ihn lautstark.

Bei dem Klang dieses Namens läuft mir ein eisiger Schauer über den Rücken. Meine Gedanken spielen mir einen grausamen Streich und ich schweife erneut in dunkle Kindheitserinnerungen ab.

 

Versteigerung

Einige Jahrhunderte vor Christi Geburt, im antiken Griechenland

 

In den folgenden Jahren nach Mutters Tod bestand mein Leben nur aus Arbeit. Unser Vater verbrachte die meiste Zeit in den Bergen und kehrte immer seltener mit Fellen zurück, dies erschwerte die Versorgung der Familie erheblich. Briseis war etwa fünf Jahre alt, als ich meine Arbeit in der Taverne aufnahm, um ein wenig Geld nach Hause zu bringen. Ich räumte die Tische ab und fegte die Schankstube am Abend, wenn alle Gäste gegangen waren. Die Taverne war ein schlichtes Holzhaus. Die Schankstube bestand aus einem einzigen Raum, bestückt mit sechs großen Holztischen, an deren Längsseiten je eine Holzbank aufgestellt war. An der gegenüberliegenden Wand zur Eingangstür war eine Art Tresen aufgebaut. Links dahinter führte ein kleiner Durchgang in einen angrenzenden Raum, in dem zumeist Vorräte eingelagert wurden.

 

Eines Abends betrat Theodoros mit seiner Frau die Taverne und verriegelte hinter sich die Tür. Ein ungutes Gefühl stieg in mir auf. Ich stand mit dem Besen in der Hand vor der Theke und hielt diesen fest umklammert. Die beiden bauten sich vor mir auf und Theakleia zerrte unwirsch den Besenstiel aus meinen Fingern. „Du könntest weit mehr Geld verdienen, Saphira“, sagte er mit gelassener Stimme. „Du bist mittlerweile zu einer sehr hübschen jungen Frau herangereift. Die Jungen und Alten im Dorf drehen sich nach dir um. Bei dir sitzt alles da, wo es sein soll, und wie es ein Mann gerne hat.“ Theodoros begrapschte meine Brüste und fing an, sie leicht zu kneten. Von Scham ergriffen versuchte ich ihn abzuwehren. Dies ermutigte ihn, fester zuzupacken und meine Brüste zusammenzudrücken.

„Bitte aufhören, du tust mir weh!“, forderte ich. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte mich noch nie jemand auf diese Weise berührt. Ich hielt den Atem an und versuchte, seinem Griff zu entkommen. Doch er lachte nur und beugte sich vor, sodass mir sein fauliger Geruch in die Nase kroch. Während er sich an mir rieb, meine Brüste fester zusammen quetschte und mir Tränen in die Augen stiegen, ergriff seine Frau das Wort.

„Wir bieten in dieser Schänke weit mehr Dienste an, mein Kind. Theodoros wird dir nun demonstrieren, was ein Mann von dir erwartet. Ich werde dich lehren, deinen Körper richtig einzusetzen.“ Kaum waren die Worte ausgesprochen, packte er meine Arme und drehte mich mit einem Ruck um. Mit seiner linken Hand umfasste Theodoros behände Nippel und Brust und steckte seine rechte Pranke blitzschnell unter mein Kleid. Zielsicher bahnte er ihren Weg langsam zwischen den Schenkeln entlang nach oben. Ein Schauer durchfuhr meinen ganzen Körper. Ich presste die Lippen zusammen und riss die Augen weit auf, als er mit einem seiner Finger den Anus befummelte. Eingekeilt zwischen dem Tresen und seinem Oberkörper, wurde ich von Panik gepackt.

„Aufhören, bitte“, flehte ich unter Tränen.

„Ganz ruhig, es tut nur beim ersten Mal weh.“ Seine Worte klangen sanft. Doch angesichts der Umstände verfehlten sie gänzlich ihre Wirkung. Er löste eine Hand und drang mit einem Finger in meinen Po ein. Ich schrie vor Schmerz auf und verkrampfte so heftig, dass er stecken blieb. „Lass gefälligst locker!“, schnauzte Theodoros. Ich atmete tief ein und war bemüht mich zu beruhigen. Er knetete behutsam meine Knospe, welche sich versteifte und mir einen noch nie verspürten Schauer über den ganzen Körper jagte. Unbeabsichtigt entfuhr mir ein leises Stöhnen.

„Verrate uns, lag schon je ein Mann bei dir?“

Seine Lippen berührten sanft mein Ohr. Ich schüttelte verlegen den Kopf. Theodoros drehte sich zu seiner Frau um und grunzte lüstern: „Was denkst du, Theakleia? Wie viel können wir wohl für eine Jungfrau verlangen?“ Er ließ von mir ab. Ich richtete mein Kleid und kauerte mich am Ende des Tresens in die Hocke. Tränen kullerten zu beiden Seiten meiner Wangen hinab. Seine Augen leuchteten wie bei einem pubertierenden jungen Mann aufgeregt und Speichel tropfte vor Erregung aus seinem Mundwinkel. „Damit verdienen wir richtig viel Geld. Im Dorf würden sich viele Männer gerne zu einer Jungfrau legen.“

„Bedenke, ihre Jungfräulichkeit können wir nur einmal verkaufen“, entgegnete Theakleia. Theodoros fuhr mit triumphierender Stimme fort: „Eine Versteigerung, wir bieten ihre Jungfräulichkeit zur Versteigerung an. Wer am meisten zahlt, darf sie haben. Danach bringst du ihr bei, was sie wissen muss.“

Die beiden redeten über mich, so als wäre ich gar nicht da. Den Begriff Jungfräulichkeit hatte ich nie zuvor gehört. Theodoros hatte allerdings mit seiner Aussage recht: Vielen Männern jeden Alters im Dorf war ich bereits mit meinen weiblichen Rundungen aufgefallen. Einige von ihnen pfiffen mir laut hinterher, wenn ich die Straße entlanglief. Doch niemand hatte es gewagt, sich an mir zu vergreifen. Der Akt der Liebe war mir jedoch nicht fremd.

Schon mehrere Male hatte ich Theakleia und Theodoros beobachtet, wie sie es miteinander trieben. Es war ein festes Ritual: Jeden Abend, nachdem der letzte Gast die Schänke verlassen hatte, verriegelte sie die Tür. Dann begab Theakleia sich zu ihm hinter den Tresen. Während er damit beschäftigt war, die Einnahmen des Tages zusammenzuzählen, öffnete sie seine Hose und streichelte oder massierte seine Männlichkeit. Einige Male blieb es dabei. Bei anderen Gelegenheiten begab sie sich in die Hocke und bereitete ihm orale Freuden. Die beiden scherten sich nicht, dass ich anwesend war, um die schmutzigen Krüge einzusammeln, die Tische abzuwischen oder mit dem Besen den Boden zu reinigen. Ich konnte stets in seinen Augen sehen, wie sehr er dieses Spiel genoss. Mir hingegen bereitete es großes Unbehagen und trieb mir die Schamesröte ins Gesicht.

Nachdem ich mich von dem Schock der letzten Minuten erholt hatte, versuchte ich die Gelegenheit zur Flucht zu nutzen. Theodoros und Theakleia waren in eine leidenschaftliche und lüsterne Umarmung verstrickt. Sie küssten sich mit geöffneten Mündern und spielten wild mit ihren Zungen. Er befummelte dabei ihren Po und sie massierte sein entblößtes Glied. Doch ich kam nicht weit, der Ausgang war verschlossen.

„Wo willst du denn hin?“, fragte Theodoros verächtlich. Er ergriff meinen Arm und gab mir eine Ohrfeige. Dann setzte er mich auf einen Stuhl. „Hör mir genau zu, Kleine. Es sieht folgendermaßen aus.“ Er sah mir dabei tief in die Augen und sprach langsam und eindringlich. „Dein Vater hat hohe Schulden bei uns und du wirst diese begleichen. Mit der Arbeit in der Taverne kommst du nicht weit. Aber als Dirne kannst du gutes Geld verdienen und eure Familie versorgen.“

„Überlege es dir gut“, fügte Theakleia triumphierend hinzu. „Wenn du dich verweigerst, werden wir deine Schwester im Fluss ertränken.“

„Geh jetzt!“, befahl Theodoros. „Wenn du morgen nicht zur Arbeit erscheinst wissen wir, wie du dich entschieden hast.“

Zu Hause angekommen konnte ich die Tränen nicht mehr zurückhalten. Ich schrie lauthals, hatte Angst und zitterte am ganzen Körper. Es gab niemanden, dem ich mich hätte anvertrauen können. Vater hatte ich dieses Grauen zu verdanken, er hatte seine Kinder verkauft. Nun wurde ich gezwungen, für seine Schulden aufzukommen. Meine Angst verwandelte sich in Wut. Ich nahm einen Tonkrug vom Tisch und schmetterte ihn an die Wand. Er zerbarst in tausend Teile, die sich in jede Ecke auf dem Boden verteilten. Ich starrte atemlos die Splitter an und versuchte, meine Gefühle wieder unter Kontrolle zu bekommen. Welche Optionen blieben mir?

Weglaufen? Eine junge Frau allein würde sicherlich nicht weit kommen. Würde ich Briseis mitnehmen? Am Ende landete ich wahrscheinlich in einem Freudenhaus irgendwo in Athen. Meine kleine unschuldige Schwester wäre dem Tode geweiht. Also welche Wahl blieb mir?

 

So erschien ich am nächsten Tag wieder zur Arbeit. Für Briseis nahm ich dieses Leid auf meine Schultern. In meinen kühnsten Träumen wagte ich nicht einmal, mir im Ansatz auszumalen, was mich später erwarten würde.

Ich verrichtete mein Tagwerk, ohne mir etwas anmerken zu lassen. Die Stimmung in der Taverne hatte sich jedoch verändert. Einige Männer musterten mich wie ein Stück Vieh von oben bis unten und drehten sich, sodass sie aus Versehen meinen Hintern oder Brüste streiften. Andere wiederum tätschelten lüstern meine üppigen Rundungen und lachten dabei laut. Ich versuchte, so gut es mir möglich war, die Arbeit zu erledigen, ohne mich davon beeinflussen zu lassen. Zu später Stunde schloss Theakleia die Tür. Theodoros schlug auf den Tresen, um die Aufmerksamkeit der anwesenden Herrschaften zu erlangen. „Ihr konntet sie jetzt alle lange genug ansehen und ihre Vorzüge bewundern. Ich erwarte das erste Gebot“, rief er in die Runde.

„Sie soll sich ausziehen! Wir wollen sehen, wofür wir zahlen“, forderte einer der Männer. Ich erschrak, zuckte zusammen und verschränkte die Arme. Weitere Gäste stimmten mit ein. Dann ergriff Theakleia das Wort.

„Sie wird sich ausziehen, aber zuerst müsst ihr ein Gebot abgegeben.“

„Zehn Silberstücke“, grunzte ein älterer Mann. Theodoros verzog das Gesicht.

„Herrschaften, sie ist Jungfrau! Noch unbefleckt und unerfahren. Kein Mann vor euch hat diese rosigen Wangen je berührt.“

„100 Goldstücke“, erklang eine tiefe Stimme aus den hinteren Reihen. Ein Gesicht vermochte ich nicht zu erkennen. Ich zitterte. Hier wurde verhandelt, wer mich nach dem Zuschlag des höchsten Gebots entjungfern durfte. Mir schnürte es die Kehle zu, mein Herz begann zu rasen, ich bekam kaum Luft und Schwindel überkam mich. Ich kämpfte gegen die aufsteigende Übelkeit an.

 

„150 Goldstücke, und sie zieht das Kleid jetzt aus!“, forderte ein weiterer Gast. Die Menge johlte. Theakleia zog mir das Kleid über den Kopf. Der Versuch, sie daran zu hindern, brachte mir eine schallende Ohrfeige ein. Der Geschmack von Blut sammelte sich in meinem Mund. Sie riss mir die Kleider vom Leib und warf diese achtlos zu Boden. So stand ich splitternackt und zitternd vor Kälte und Furcht in der Taverne. Ich konnte die lüsternen Blicke der gaffenden Männer auf meiner Haut spüren und war verschämt bemüht, meine Blöße zu verdecken. Theakleia packte mich an den Handgelenken und hielt diese hinter dem Rücken über Kreuz. Ich stand hilflos, den Blicken der Männer komplett ausgeliefert, mitten in der Taverne. Tränen der Verzweiflung rannen ungehindert meine Wangen hinunter, während ich den sauren Geschmack von Übelkeit in der Kehle aufsteigen spürte. Ich musste mich beherrschen, nicht einen Strahl an Galle auszuspucken.

Theakleia zerrte mich in die Mitte des Raumes auf einen Stuhl. Ich schwankte und drohte herunter zu fallen, daher breitete ich die Arme aus, um das Gleichgewicht besser halten zu können. Die Männer gafften meine Rundungen von allen Seiten an. Ich kam mir vor wie ein Stück Vieh, das auf dem Wochenmarkt zum Verkauf stand. Mehr stellte ich in diesem Moment nicht dar. Die Gebote überschlugen sich. Am Ende erhielten Theakleia und Theodoros die Summe von 1.000 Goldstücken von einem Mann, den ich noch nie zuvor im Dorf gesehen hatte. Er hielt sich während der Versteigerung im Hintergrund und trieb den Preis immer weiter in die Höhe. Am Ende erhielt er den Zuschlag, denn so viel Geld hatte noch kein Mann aus dem Dorf besessen.

Die lauter werdende Enttäuschung der übrigen Männer besänftigte Theakleia, indem sie der Menge versprach, die Herren könnten mir nach meiner Entjungferung jederzeit einen Besuch abstatten. Für mich bestand kein Zweifel, dass dieses Angebot viele der Anwesenden wahrnehmen würden.

Derweil führte Theodoros mich in ein Hinterzimmer. Ich zitterte noch immer wie Espenlaub am ganzen Körper und meine Hände waren schweißnass.

„Reiß dich zusammen, Saphira. Entspanne dich, dann ist es im Nu vorbei“, lautete sein emotionsloser Ratschlag. Mit einem lüsternen Blick auf meinen nackten Körper fügte er hinzu: „Glaube mir, es wird dir gefallen.“

Theakleia regelte zwischenzeitlich das Geschäftliche mit dem Fremden. Dann betrat dieser Hüne das Zimmer und schloss die Tür hinter sich. Er war mindestens einen Kopf größer als ich und trug eine Soldatenrüstung. Der Unbekannte legte seinen Krummsäbel ab und entledigte sich seiner Rüstung, die unter dem Hemd zum Vorschein kam. Ich stand bewegungslos da, splitterfasernackt, mitten im Raum und zitterte vor Furcht.

---ENDE DER LESEPROBE---