Im Zeichen der Zauberkugel 11: Im Labyrinth des Minotaurus - Stefan Gemmel - E-Book

Im Zeichen der Zauberkugel 11: Im Labyrinth des Minotaurus E-Book

Stefan Gemmel

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Beschreibung

***Auf ins alte Griechenland zu mythischen Monster und rätselhaften Orakeln! Ein neues fantastisches Abenteuer für alle Fans der Zauberkugel-Reihe***   Sahli und Alex sind entsetzt! Argus ist es gelungen, aus der Unterwasserwelt zu flüchten, und jetzt ist er auf dem Weg zum Orakel von Delphi. Doch bevor die Freunde die Verfolgung aufnehmen können, löst sich Charda vor ihren Augen in Luft auf und ist spurlos verschwunden. Ob das mit dem Fluch zu tun hat, der immer noch auf ihr lastet und der sie an den bösen Magier bindet? Natürlich machen sich Sahli, Alex und die Zwillinge sofort auf die Suche nach ihr. Während Argus seinem Plan, Sahli ein für alle Mal auszuschalten, immer näher kommt ...       ***Band 11 der DEIN-Spiegel-Bestsellerreihe IM ZEICHEN DER ZAUBERKUGEL: tolle Abenteuer mit viel Witz und einer ordentlichen Prise Magie für Mädchen und Jungen!

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Veröffentlichungsjahr: 2025

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Stefan Gemmel

Im Zeichen der Zauberkugel – Im Labyrinth des Minotaurus (Bd. 11)

Mit Bildern von Anemone Kloos

nach Katharina Madesta

Sahli und Alex sind entsetzt! Argus ist es gelungen, aus der Unterwasserwelt zu flüchten, und jetzt ist er auf dem Weg zum Orakel von Delphi. Doch bevor die Freunde die Verfolgung aufnehmen können, löst sich Charda vor ihren Augen in Luft auf und ist spurlos verschwunden. Ob das mit dem Fluch zu tun hat, der immer noch auf ihr lastet und der sie an den bösen Magier bindet? Natürlich machen sich Sahli, Alex und die Zwillinge sofort auf die Suche nach ihr. Während Argus seinem Plan, Sahli ein für alle Mal auszuschalten, immer näher kommt …

Wohin soll es gehen?

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Viten

Die Leute, die auf der Straße an dem Haus vorbeigingen, wunderten sich sehr. Hier war es sonst immer so still, doch an diesem Tag dröhnte laute Musik aus den Fenstern. Papageno sang seine Arie aus Mozarts Zauberflöte, dann – im nächsten Moment – war alles still, bevor Papageno plötzlich wieder lautstark zu hören war, um kurz darauf abermals zu verstummen.

„Seltsam“, sagte eine ältere Dame zu ihrer Enkelin, mit der sie auf dem Weg zum Einkaufen war. „Aurelius wird immer sonderbarer.“

Drinnen im Haus sprachen gleich mehrere Personen auf Charda ein. Sie kniete vor Aurelius’ alter Musikanlage, drehte den Lautstärkeregler mal nach rechts, mal nach links und kicherte immer wieder, wenn Papageno sein „Papapapagena“ so aus den Lautsprechern schmetterte, dass es den anderen in den Ohren dröhnte.

„Charda hat so etwas noch nie gehört“, lachte sie begeistert, während sie den Regler nach unten drehte. „Und Charda hat so etwas noch nie gemacht“, sagte sie, als sie den Regler wieder in die Höhe steuerte und Papagenos Glockenspiel allen anderen in den Ohren klirrte.

Sally führte Chardas Hand und regelte die Lautstärke auf ein erträgliches Maß, während sich Sahli neben Charda kniete.

„Das ist schon alles faszinierend, was es hier gibt, oder?“, fragte er verständnisvoll.

Charda strahlte weiterhin. „Kennst du den Zauber, der dahintersteckt?“

Sahli lachte. „Bis vor Kurzem dachte ich auch noch, das alles sei Zauberei“, antwortete er.

Auch Alex lachte bei dem Gedanken an das Chaos, das auf dem Dachboden geherrscht hatte, und der Erinnerung an die „Zauberkugelwaschanlage“ im Badezimmer.

Charda zeigte auf die Lampe an der Decke, die Steckdose an der Wand und die Musikanlage vor ihren Beinen.

„Wenn das hier alles ohne Magie möglich ist, braucht es ja fast keine Zauberei mehr“, überlegte sie und wollte die Musik gerade wieder aufdrehen.

Doch Sally hielt ihre Hand fest und sah sie mit einem flehenden Blick an. „Können wir nicht was anderes machen?“, fragte sie Charda.

Im selben Moment war Oma Ilses Stimme zu hören: „Wie wäre es mit einem Stück Torte?“

Alle drehten sich zu ihr um.

„Torte?“, erklang es aus einigen Mündern.

„Ich habe eine ganz spezielle Torte gebacken, zur Feier unseres Wiedersehens und zur Feier eures Erfolgs in Atlantis. Setzt euch doch alle schon einmal an den Tisch.“

Sally regelte Papagenos Gesang auf Zimmerlautstärke und kam dann zu den anderen an den Tisch.

Die Torte, die Oma Ilse hereintrug, war so riesig geraten, dass Alex seinen besten Freund Sahli, der ihm am Tisch gegenübersaß, dahinter nicht mehr sehen konnte. Alle waren begeistert von der gigantischen Torte, auf die Oma mit blauer Lebensmittelfarbe „Herzlich willkommen zurück“ geschrieben und die sie mit Delfinen verziert hatte.

Allerdings war Oma Ilse etwas enttäuscht. Sie hatte ja nicht ahnen können, dass die Kinder auf ihrem Weg aus Atlantis bereits mit einer riesigen Menge an Essen belohnt worden waren. Keines von ihnen hatte noch Appetit. So war Opa Aurelius’ Stück der Torte zwar das größte auf den Tellern, doch auch er hatte es noch nicht angerührt. Denn das, was die Kinder ihm von Atlantis berichteten, faszinierte ihn über alle Maßen. Er hing so sehr an ihren Lippen, dass er manchmal beinahe das Atmen vergaß.

„Wie gern wäre ich auch dort gewesen“, seufzte er und schob sich endlich zu Oma Ilses Erleichterung eine Gabel voll Torte in den Mund.

„Nicht nur du, Aurelius!“ Kadabra hob beleidigt die Schnauze in die Höhe. „Ich finde, es ist eine Unverschämtheit, dass ihr einen solch außergewöhnlichen Ort besucht habt, ohne die außergewöhnlichste Katze der Welt mitzunehmen!“

Sally lachte und streichelte Kadabra über den Kopf.

„Das hast du jetzt schon zehnmal gesagt“, seufzte Liv.

Und Sally fügte rasch hinzu: „Hab ich es nicht vorhergesehen, dass sie uns nerven wird, die alte Kadabra?“

„Alt?“ Kadabra zog den Kopf zurück. „Also echt!“

Bim baute sich vor ihr auf und plapperte ihr nach: „Also wirklich: echt! So richtig: echt! Also, so echt echt!“

Eine Sekunde herrschte Stille, dann brachen alle am Tisch in Gelächter aus.

„Nee, Bim“, rief Alex. „So richtig überzeugend wirkst du nicht.“

Nun spielte Bim die Beleidigte. „Was?“

Kadabra legte eine Pfote auf ihre kleine Freundin und sagte nur: „Ärgere dich nicht. Mäuse sind wohl nicht zum Schimpfen und Ermahnen gemacht.“

„Du siehst einfach immer süß aus“, erklärte Sahli. „Ob du sprichst, isst oder schimpfst. Du bist einfach eine zu süße Maus. Selbst wenn du wütend bist, möchte man dich nur durchkuscheln.“

Bim dachte eine Sekunde über seine Worte nach, dann strahlte sie ihn an. „Aha. Und warum kuschelst du dann jetzt nicht mit mir?“

Sahli ließ sie auf einer Hand Platz nehmen und streichelte ihr mit der anderen Hand sachte übers Fell. „So?“

„Geht doch“, gab Bim zurück, schwieg dann und genoss.

Oma Ilse schnitt noch ein Stück aus der Torte heraus. „Ich hoffe, dass ihr euch in den kurzen Pfingstferien entspannen könnt und Argus euch in Ruhe lässt.“

Aurelius stimmte ihr zu: „Ihr habt es mehr als verdient.“

Alex blickte auf sein Stück Torte, von dem ihm ein kleiner Marzipanfisch entgegenlächelte.

„Das hoffe ich auch“, gab er zurück. „Aber ich kann es mir nicht vorstellen. Ich bin mir sicher, dass Argus bereits einen neuen Plan ausheckt und nach Möglichkeiten sucht, aus Atlantis zu verschwinden.“

Er schob sich seine erste Gabel mit Torte in den Mund und verspürte ein Unbehagen beim Gedanken an Argus.

„Du musst das doch verstehen“, sagte Argus, der mit aufgestützten Händen am Rand des Teichs saß und auf einen Dipnoi hinabstarrte. „Du hast doch auch eine Menge Geschwister. Verträgst du dich mit allen?“

Der Dipnoi sah grübelnd zu dem Dschinn herauf. „Darüber habe ich mir noch nie Gedanken gemacht“, gab er zu. „Sie sind halt einfach alle hier, im Wasser. Wir schwimmen gemeinsam und wir essen gemeinsam. Und wir sind alle gemeinsam … nun, alle …“

Argus lehnte sich interessiert vor. „Ja?“

Der Lungenfisch dachte angestrengt nach. „Nun, wir sind alle gemeinsam … da. Also hier. Wir sind hier da. Gemeinsam.“ Er strahlte über sein ganzes Fischgesicht und fühlte sich, als hätte er den größten philosophischen Gedanken hervorgebracht, der jemals in dieser Stadt unterhalb von Atlantis ausgesprochen worden war.

Argus verdrehte die Augen und seufzte tief und ernüchtert vor sich hin. Was war bloß aus ihm geworden? Aus dem einstmals höchst angesehenen – wenn auch zugegeben nicht gerade beliebtesten, aber wen störte das schon? – Dschinn, der sich Hoffnungen auf die Krone des wohl mächtigsten magischen Zirkels der Welt hatte machen können, war ein niedergeschlagener Mann geworden, der sich unter einer Stadt im Meer verstecken musste und seine Probleme mit einem Urzeitfisch besprach. Einem Dipnoi, der nicht gerade der cleverste Schwimmer in diesem Wasser war und keinesfalls die Größe und Klugheit jenes Dipnoi besaß, der Alex, Sahli, den Zwillingen und Charda zur Freiheit verholfen hatte.

Aber vielleicht war er genau das, was Argus brauchte: ein einfältiger, leicht zu manipulierender Dipnoi, den er für seine Zwecke ausnutzen konnte, ohne Magie anzuwenden. Schließlich wusste er, dass seine Zauberkräfte in Iskhuros’ Unterwasserwelt nicht wirkten.

„Ich bin also ein gebrochener Magier, dessen Magie gebrochen ist!“, seufzte er noch einmal.

Der Dipnoi rollte mit den Augen. „Das ist ein komischer Satz, den du da ausgesprochen hast. Ich kenne zwar alle Wörter, aber ich verstehe den Sinn nicht.“ Er schüttelte seinen Fischkopf. „Aber wolltest du mir vorhin nicht etwas über deine Schwester sagen?“

„Charda!“ Argus nannte ihren Namen, als wollte er ihn von sich fortwerfen. „Meine Schwester, die falsche Schlange. Tut sich mit Sahli und Alex zusammen. Dabei sollte sie mir dienen, doch mein Fluch über sie hat Lücken. Und dadurch gleitet sie mir aus den Händen.“

Die Fischaugen blickten leer zu Argus herauf und der Dschinn verstand: „Du verstehst wieder alle Wörter, aber nicht den Sinn?“

Der Dipnoi nickte.

„Dann lass es mich anders erklären“, antwortete Argus. „Einer deiner Brüder ist doch der Fisch, der den Kindern und meiner Schwester geholfen hat, aus dieser Welt zu fliehen, in der sie eigentlich gefangen bleiben sollten.“

„Das stimmt.“

„Dabei seid ihr alle doch an Iskhuros gebunden. Ihr habt ihm zu gehorchen.“

„Das stimmt auch.“

„Also musst du doch wütend auf diesen einen deiner Brüder sein, weil er euch verraten hat.“

„Das stimmt nicht“, entgegnete der Fisch und sah an Argus’ erstauntem Blick, dass er das erklären musste. „Seit mein Bruder deinen Leuten geholfen hat, ist Iskhuros noch besser gelaunt als sonst. Er mochte die Gruppe wohl und ist meinem Bruder sehr dankbar für seinen Einsatz.“

Endlich! Endlich zündete ein Gedanke in Argus’ Kopf.

„Du meinst, wenn man netten Leuten hilft, freut sich Iskhuros?“

„So habe ich das verstanden.“

„Gut, so sage mir, mein simpel gestrickter Freund: Magst du mich?“

Der Dipnoi behielt seinen leeren Blick bei. „Darüber habe ich noch nie nachgedacht.“

Argus biss die Zähne zusammen, um nicht die Geduld zu verlieren. Er musste sich zügeln, denn ihm war bewusst, dass von diesem Gespräch sehr viel abhing. Vielleicht sogar alles.

„Würdest du mir zuliebe mal darüber nachdenken?“, fragte er daher in säuselndem Tonfall.

„Worüber?“, hakte der Dipnoi nach – und Argus fiel es langsam schwer, sich zu zügeln.

„Ob du mich magst. Es wäre schön, wenn du darüber nachdenken könntest.“

Der Dipnoi dachte nach. Er war nicht sehr geübt im Nachdenken. Das war ihm anzusehen. Seine Fischaugen kullerten nach oben, dann erst zur einen und danach zur anderen Seite und zum Abschluss wieder nach oben, bis er schließlich Argus wieder anschaute.

„Ja, ich glaube schon“, antwortete er endlich zu Argus’ Erleichterung. „Ich glaube, ich mag dich. Denn du nimmst dir gerade sehr viel Zeit für mich und besprichst wichtige Dinge mit mir, über Geschwister und … und … und die anderen Dinge, über die wir gesprochen haben. Es ist zwar schade, dass ich nicht alles verstehe, aber die Gespräche mit dir mag ich sehr. Und darum mag ich wohl auch dich. Klingt das logisch?“

„Ja, sehr logisch“, gab Argus zurück und über das Gesicht des Dipnoi zog sich ein zufriedenes, glückliches Lächeln.

Für sich jedoch dachte Argus: Das war vermutlich der längste Satz, den dieser Fisch in seinem Leben ausgesprochen hat. Vor allem aber stimmte ihn die Antwort des Fischs hoffnungsvoll, denn nun konnte er sein Vorhaben umsetzen.

„Würdest du mir denn auch helfen wollen?“, fragte er so freundlich, wie ihm das möglich war. „Denn ich mag dich und du magst mich und Iskhuros mag es, wenn man sich gegenseitig hilft, wenn man sich mag.“

Wieder rollte der Fisch mit den Augen. „Äh … Kannst du bitte in kurzen Sätzen sprechen?“

Argus beugte sich nah an den Dipnoi heran und formulierte gleich mehrere kurze Sätze: „Ich muss nach oben. An Land. Ich brauche meine Magie zurück. Hier unten sitze ich nur meine Zeit ab.“

„Das hab ich verstanden“, freute sich der Dipnoi. „Und natürlich helfe ich dir gern.“

„Wirklich?“ Nun war es Argus, dessen Augen strahlten.

„Natürlich. Und wie gern …“

„Das ist nett.“

„Und wie gern ich dir helfe, wenn du mir auch hilfst“, beendete der Dipnoi seinen Satz.

Argus wurde misstrauisch. „Was soll das heißen?“

„Die Gruppe, die du nicht magst, hat meinem Bruder, der ihr geholfen hat, ein Geschenk gemacht. Er hat jetzt wackelige Dinger an seinen Flossen.“

„Du meinst Finger?“

„Ja, Fingerdinger an den Flossen. Die möchte ich auch gern haben.“

Argus fragte sich, wer hier gerade wen an der Nase beziehungsweise an den Kiemen herumführte. Konnte es sein, dass dieser Dipnoi das Ganze von Anfang an so geplant hatte? Hatte er sich dumm gestellt, um das zu erreichen, was er sich wünschte?

Aber im Grunde war das egal, sagte Argus sich. Denn es kam nur darauf an, hier hinauszukommen. Und dafür bot dieser Urzeitfisch die beste Möglichkeit.

„So sei es vereinbart zwischen uns beiden. Du bringst mich hier hinaus und ich sorge dafür, dass du Finger bekommst.“

Der Dipnoi stieß sich vom Teichrand ab und schlug im Wasser einige Saltos und Purzelbäume vor Glück.

„Das muss ich wohl abwarten“, knurrte Argus ungeduldig und sah dem Fisch bei seinem Freudentaumel zu.

Kurz darauf waren sie unterwegs. Der Dipnoi schwamm den schmalen Zufluss zum Teich entlang, während Argus am Rand neben ihm herging.

„Bist du sicher, dass wir hier richtig sind?“, fragte Argus skeptisch. „Dieser Weg scheint ja kein Ende zu nehmen.“

„Ich hatte dir gesagt, dass es leichter wäre, wenn du mit mir tauchen würdest. Aber das wolltest du ja nicht.“

Argus schüttelte den Kopf. „Auf keinen Fall! Ich bin ein Mann der Wüste. Hitze und Sand sind meine Heimat. Niemals würde ich durch Wasser tauchen wie ein … wie ein …“ Er blickte zum Dipnoi. „Wie ein Fisch.“

„Und deshalb musst du länger laufen“, amüsierte sich der Lungenfisch und schwamm weiter an Argus’ Seite.

Argus entging nicht, dass der Weg nach oben führte. Der Fisch brachte ihn also tatsächlich aus der unterhalb gelegenen Stadt zurück nach Atlantis. Das bedeutete, er konnte ihm trauen, das bedeutete aber auch, dass er sich vorsehen musste, um Iskhuros nicht zu begegnen.

Sie passierten die Wandverzierungen und Argus erblickte die ersten Gebäude der einstmals so prächtigen Stadt.

„Was für eine Tragödie“, brachte er hervor. „Dass eine so beeindruckende Stadt unter dem Meeresspiegel verschwinden musste.“

„Ja, unglaublich, nicht wahr?“, pflichtete der Dipnoi ihm bei. Gleich darauf fügte er etwas hinzu, das Argus aufhorchen ließ: „Es ist wirklich unglaublich, dass euch Menschen immer wieder so etwas passiert, obwohl es Möglichkeiten und Methoden gibt, derartige Unglücke zu verhindern.“

Argus blieb stehen und sah den Lungenfisch an, der sich zu ihm umwandte und dabei heftig die Flossen bewegte, um sich in der Strömung an der Stelle zu halten.

„Was meinst du damit?“, hakte Argus nach.

„Ihr Menschen seid manchmal nicht zu verstehen. Da hat man euch schon Dinge wie das Orakel von Delphi geschenkt und ihr denkt nicht einmal daran, es zu befragen und eine Katastrophe wie den Untergang von Atlantis vorherzusehen.“

Argus starrte auf den Dipnoi. In diesem Moment begriff er, dass dieser tatsächlich nur den einfältigen Urzeitfisch gespielt hatte, um Argus für sich zu gewinnen und Finger zu erhalten. Viel mehr noch beschäftigte ihn aber das, was der Fisch gesagt hatte: das Orakel von Delphi befragen.

Der Dschinn schlug sich mit der Hand gegen die Stirn. „Das Orakel von Delphi, diese Stätte der Weissagungen, den Ort der Weisheit.“

Warum war er noch nie auf die Idee gekommen, dieses außergewöhnliche Medium aufzusuchen und zu fragen, wie er gegen Sahli vorgehen könnte?

Er blickte den Dipnoi an. „Du bist mir gerade eine größere Hilfe, als du erahnen kannst, mein gar nicht so einfältiger Freund.“

„Das freut mich“ war die Antwort des Fischs. „Wenn du nur unseren Handel nicht vergisst.“

„Freiheit für mich und Finger für dich“, wiederholte Argus. „So ist der Handel.“

„Und ein Dschinn ist an seine Versprechen gebunden, nicht wahr?“

„So ist es“, bestätigte Argus und setzte seinen Weg fort. „Aber nun lass uns nicht noch mehr Zeit verlieren. Ich muss los. Nach Delphi.“

Der Dipnoi schwamm weiter an seiner Seite. Er merkte, dass Argus langsamer wurde und sich immer wieder umschaute.

„Was ist mit dir, Argus?“, fragte er besorgt.

„Nichts! Alles ist in bester Ordnung“, wiegelte der Dschinn ab, denn er wollte nicht zugeben, dass nichts für ihn in Ordnung war.

Inzwischen waren die beiden im Zentrum der Stadt Atlantis angekommen und Argus wollte keinesfalls Iskhuros’ Aufmerksamkeit erregen. Er hatte den Herrscher der Unterwasserwelt sehr verärgert und wusste, dass Iskhuros ihn zur Rede stellen würde.

„Wenn ich doch nur meine Magie wiederhätte“, brummte Argus. „Wie leicht würde mir dann die Flucht aus dieser nassen Hölle gelingen.“

„Nicht mehr lange“, versicherte der Dipnoi an seiner Seite. „Wir haben es fast geschafft. Siehst du das größere Gebäude auf der rechten Seite dieser Straße?“

Argus erkannte ein Haus, das alle anderen Häuser überragte. Vermutlich war es einst ein Staatsgebäude oder eine größere Schule gewesen.

„Wenn du dich rechts von diesem Gebäude hältst, erreichst du den Schutzschirm, den Iskhuros selbst dort verankert hat. Wenn du durch diesen Schirm gehst, wirst du von einem Teil des Schirms eingehüllt und es bildet sich eine Sauerstoffblase um dich“, erklärte der Lungenfisch.

„Eine Sauerstoffblase wie die, in der ich hierhergekommen bin?“

„Ganz genau.“ Der Dipnoi nickte. „In ihr kannst du in aller Ruhe nach oben gleiten. Und wenn ich alles richtig verstanden habe, kannst du deine Magie benutzen, sobald du in ihr steckst. Denn dann hast du Iskhuros’ Machtbereich verlassen und bist wieder Herr über all deine Fähigkeiten.“

Argus wandte sich dem Urzeitfisch beeindruckt zu. „Du bist wirklich nicht so dumm, wie du mich hast glauben lassen. Im Gegenteil, du bist ein sehr kluger Fisch und ich danke dir für deine Hilfe.“

Der Dipnoi lächelte. „Manchmal ist es gut, seine Fähigkeiten zu verstecken. Du hättest dich mir nicht anvertraut, wenn du nicht das Gefühl gehabt hättest, mir überlegen zu sein, oder?“

„Du bist nicht nur klug, sondern auch weise.“

„Und ich bin noch etwas: Ich bin einen Handel mit dir eingegangen. Du siehst, dass ich mein Versprechen gehalten habe. Nun musst du deins einlösen.“

Argus verbeugte sich vor dem Dipnoi. „Sobald ich meine magischen Kräfte zurückhabe, werde ich dir Finger zaubern.“

„Dann los, Magier aus einer anderen Welt. Hol dir deine Kräfte zurück.“

Das ließ sich Argus nicht zweimal sagen.

„Achte darauf, dass eine Lücke bleibt, wenn du durch den Schutzschirm gegangen bist“, bat der Dipnoi. „Durch den Spalt, der dort entsteht, kannst du deine Magie hier hineinleiten und mir die Finger schenken.“

Argus blickte sich ein letztes Mal vorsichtig nach allen Seiten um. Die Straßen von Atlantis waren völlig verlassen. Er wandte sich dem großen Gebäude zu und ging entschlossen die rechte Hauswand entlang. Es war ganz einfach. Schon einige Schritte bevor er die Schutzhülle erreichte, konnte er sie erkennen. Wie ein hauchdünner Schleier umfing sie die ganze versunkene Stadt. Argus schloss die Augen und trat durch den schleierhaften Schirm hindurch. Er spürte, wie die Hülle ihn umfing, sich erst sachte auf seinen Körper legte und ihn einhüllte, bevor sie sich spannte und die Form einer Blase annahm. Genau so, wie der Dschinn es von seiner Reise an diesen Ort kannte.

Er schloss die Augen und bereitete sich darauf vor, nach oben getragen zu werden. In seine Freiheit. Zu seinem neuen Plan, den er dem Dipnoi verdankte.

„Hast du nicht etwas vergessen?“, ertönte es hinter ihm.