Im Zentrum der Lust | Erotischer SM-Roman - Alissa Stone - E-Book

Im Zentrum der Lust | Erotischer SM-Roman E-Book

Alissa Stone

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Beschreibung

Dieses E-Book entspricht 372 Taschenbuchseiten ... Lydia liebt ihre sexuelle Unabhängigkeit. Ein One-Night-Stand jagt den nächsten, bis ihr einer zum Verhängnis wird ... Gegen ihren Willen wird sie Sklavin eines pikanten SM-Zirkels. Als sie dort auf den charismatischen Alex trifft, gerät sie in einen Strudel aus Dominanz und Unterwerfung. Unter Alex' Führung begibt sie sich nur widerwillig auf die Ebene einer Sklavin. Hin- und hergerissen zwischen Freiheitsdrang und Leidenschaft ahnt sie nicht, dass noch mehr hinter allem steckt ... Diese Ausgabe ist vollständig, unzensiert und enthält keine gekürzten erotischen Szenen.

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Seitenzahl: 508

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Impressum:

Im Zentrum der Lust | Erotischer SM-Roman

von Alissa Stone

 

Alissa Stone wurde 1977 geboren und lebt im Süden Deutschlands. Neben ihrem Beruf als Grafikerin praktiziert sie seit Jahren BDSM. Doch die erregendsten Erlebnisse, so sagt sie, spielen sich meist im Kopf ab. Denn dort existieren keine Tabus. Alles, was im realen BDSM nicht möglich ist, weil es moralische Grenzen überschreitet, findet in der Fantasie seinen Platz. In ihrem Debütroman „Im Zentrum der Lust“ entführt Alissa den Leser in eine Welt, die sonst nur seiner sexuellen Fantasie vorbehalten bleibt. Sie schickt ihn durch ekstatische Höhen und Tiefen, unerwartete Wendungen und lässt ihn erst wieder frei, wenn er auf der letzten Seite angekommen ist.

 

Lektorat: Nicola Heubach

 

 

Originalausgabe

© 2014 by blue panther books, Hamburg

 

All rights reserved

 

Cover: © Wisky @ istock.com

Umschlaggestaltung: Matthias Heubach

 

ISBN 9783862774333

www.blue-panther-books.de

Kapitel 1

Meine erste Grenze hatte ich überschritten, als ich mich dazu hinreißen ließ, sein Spiel zu spielen. Doch ich musste ihn einfach haben. Ich spürte diesen Drang nach körperlicher Nähe. Ich sehnte mich nach männlichem Fleisch, das ich packen und dessen Duft ich aufsaugen konnte. Ich wollte ihn in mir spüren, ihn berühren und uns beide für eine Nacht lang glücklich machen.

Ich saß in dieser Bar am Golden Square und nippte an meinem Mojito, als sich unsere Blicke das erste Mal trafen. Die gelben und orangen Lichtkegel irrten durch den Raum und heiße kubanische Rhythmen pulsierten in meinem Bauch. Ich sah den vielen Leuten zu, die sich Mühe gaben, der Mambo-Dance-Night gerecht zu werden. Ein Großteil von ihnen war, wie ich, Ende zwanzig und trug bunte, flippige Kleidung, wie es in London Mode war.

Aber eigentlich sah ich nur deshalb durch die Menge, weil ich ihm nicht das Gefühl geben wollte, er sei das Objekt meiner Begierde. Schon wie er am Stehtisch lehnte, so souverän, und dazu dieser lauernde Blick, der durch den Raum schweifte und bereit war zuzuschnappen. Frauen umschwärmten ihn, tanzten ihn an, doch er schenkte ihnen nur ein mildes Lächeln. Er war eine Herausforderung, und genau das reizte mich.

Während meine Gedanken um seine Eroberung kreisten, hatte ich einem schwarzhaarigen Gigolo wohl zu lange beim Tanzen zugesehen, denn schon kam er auf mich zu und fragte, ob ich ihm auf der Tanzfläche Gesellschaft leisten wollte. Klar, warum nicht? Es war eine gute Gelegenheit, zu zeigen, dass ich für Spaß zu haben war. Wenn ich auch einen anderen Spaß beabsichtigte.

Ich stellte den Cocktail ab und vertraute darauf, dass er mich führen würde. Denn ich hatte keine Ahnung von süd­amerikanischen Tänzen. Er zog mich in seine Arme und drehte mich über das Parkett. Er war ein guter Tänzer. Er sah auch nicht schlecht aus und er wollte eindeutig mehr. Seine Hand ging bereits auf Wanderschaft und umfasste meinen Hintern. Dennoch fiel mein Blick immer wieder auf den Mann am Stehtisch. Und jedes Mal sah auch er mich an.

Zwei Songs später löste ich mich aus den Armen meines Tanzpartners und gesellte mich zum Mojito. Ich nahm das Glas zur Hand und setzte mich auf den Barhocker, da sah er mich wieder an. Sein Augenaufschlag verhieß Leidenschaft, Feuer. Wenn der nicht eine gute Wahl war! Ich lächelte, woraufhin er grinste. Sofort schoss Adrenalin in meine Blutbahn. Ein Kribbeln marschierte durch meinen ganzen Körper. Oh, wie ich diese Momente liebte!

Er ging zur Bar und sprach mit dem Barkeeper. Dann sah er wieder auf die Tanzfläche, so, als wäre nichts geschehen. Ein flaues Gefühl drückte meine Stimmung nach unten. Wollte er mich doch nicht? Wirkte ich zu aufgesetzt oder war ich ihm zu leichte Beute? Vielleicht hatte er nur zufällig in meine Richtung gesehen.

Plötzlich schob ihm der Barkeeper zwei Drinks über den Tresen. Also doch! Er bahnte sich einen Weg durch die Menge – genau in meine Richtung. Mein Herz klopfte. Schnell drehte ich mich seitlich zu ihm. Er sollte nicht denken, dass ich auf ihn gewartet hätte. Ich setzte mich aufrecht hin und schlug die Beine übereinander.

Er war nur noch wenige Meter von mir entfernt, als ein tanzendes Paar an ihm vorbeihuschte. Ich nutzte den Moment, drapierte noch ein Bündel Haare auf meiner Schulter und befeuchtete ein letztes Mal die Lippen. Dann stand er da. Er sah mir direkt in die Augen und setzte sich auf den lederbezogenen Barhocker neben mir.

»Hi! Hast du Lust auf ein Spiel?«, fragte er und streckte mir das zweite Glas Martini entgegen. Mit einem transparenten Spieß, der eine Olive auf den Grund zwang. Sein Blick scannte mich von oben bis unten. Es gefiel mir, dass er so schnell zur Sache kam, denn ich wollte ohnehin keine Zeit mit Small Talk vergeuden.

»Und was ist das für ein Spiel?« Ich nahm das Glas entgegen und prostete ihm zu.

Seine blauen Augen funkelten mich an. Er stützte einen Arm auf dem Tresen ab, während sein Fuß auf der untersten Strebe des Barhockers ruhte. Allein diese Selbstsicherheit machte ihn begehrenswert. Sein Haar war dunkelblond und seine Lippen formten sich zu einem Kussmund, als er einen großen Schluck nahm – ohne mich aus den Augen zu lassen. Ich kannte diesen Blick. Er verriet, dass ich diese Nacht nicht allein verbringen würde.

»Das erfährst du erst, wenn du dich dazu bereit erklärst und mit mir kommst«, sagte er und stellte sein Glas auf dem Tresen ab.

Für gewöhnlich bestimmte ich die Regeln. Ich wählte die Männer und ich entschied, ob und wie ich mit ihnen Sex haben wollte.

»Ich lasse mich nicht auf irgendwelche Spielchen ein, solange ich nicht weiß, was mich erwartet.«

»Weil du alles unter Kontrolle haben willst?«

Ich lachte kurz auf, um seine Behauptung ins Lächerliche zu ziehen. Okay, vielleicht hatte er recht, aber was ging ihn das an? Er sollte froh sein, dass er mich überhaupt ins Bett bekam.

»Du solltest mal eine Ausnahme machen«, fuhr er fort.

»Es sind noch genügend andere Männer hier«, entgegnete ich. Oh, ich wusste, dass das eine leere Drohung war. Ich wollte ihn, mein Instinkt wollte ihn und meine Vagina sowieso. Aber das brauchte er ja nicht wissen. »Wer garantiert mir, dass ich bei deinem Spiel auf meine Kosten komme?«

»Ich gebe dir, was du brauchst. Auf meine Art und Weise. Natürlich erfordert es Mut, sich darauf einzulassen. Bist du mutig?«

»Ich denke schon.«

»Du denkst?« Er sah mich skeptisch an.

Ich war mutig, aber nur zu meinen Bedingungen. Wenn er nur nicht so verdammt sexy wäre und irgendwie machte mich seine Geheimniskrämerei auch an. Er hatte etwas Verwegenes an sich, das mich einfach nicht losließ.

»Dann bist du wohl doch nicht die Richtige für mich«, sagte er und stand auf. Ich fühlte mich wie vor den Kopf gestoßen. Ehe ich etwas darauf sagen konnte, kehrte er mir den Rücken zu und ging. Überrascht sah ich ihm hinterher.

Ich war in diesen Flirt mit einer »Wenn nicht der, dann der Nächste«-Einstellung gegangen. Aber jetzt hatte ich das Gefühl, mir sei der Mann entgangen, den ich unbedingt haben wollte.

Mein Blick irrte durch den Raum, suchte verzweifelt nach einer Alternative. Aber es war zu spät, ich wollte ihn und keinen anderen. Vor allem jetzt, wo ich ihn nicht haben konnte. Er stand wieder an einem der Stehtische und lächelte die Nächste an. Ich hatte das Gefühl, die Zeit lief mir davon. Sollte ich ihm hinterherlaufen? So etwas machten doch nur Frauen, die keinen abbekamen. Das war gegen meine Prinzipien.

Ich trank das Glas Martini in einem Zug leer. Dann stand ich auf und stapfte zu ihm. Ich würde ihm zeigen, wie mutig ich war.

»Gibst du immer so schnell auf, wenn du eine Frau ins Bett bekommen willst?«, fragte ich.

Er drehte sich zu mir und schien kein bisschen erstaunt, dass ich so plötzlich vor ihm stand. »Das kommt auf die Frau an.«

Okay, schlagfertig war er.

»Du meinst also, ich wäre es nicht wert. Dabei weißt du gar nicht, was dir entgeht«, kokettierte ich.

»Beweis es mir.«

»Und wie?«

»Zieh deinen Slip aus.«

Was? »Hier?«

»Warum nicht? Oder überfordert dich das?«

Bestimmt nicht. Mein Bleistiftrock reichte bis zur Mitte der Oberschenkel, ich musste nur schnell sein und keiner würde es mitbekommen. Ich fasste unter den Rock und zupfte am Spitzentanga, bis er nach unten fiel. Schnell stieg ich heraus und hob ihn auf.

»Bitteschön«, sagte ich und drückte ihm das Stück Stoff in die Hand. Der Triumph war es Wert, dass mich womöglich jemand dabei beobachtet hatte. Er neigte seinen Kopf und lächelte mich an.

»Es fällt dir offenbar nicht schwer, dich vor vielen Leuten auszuziehen.«

»Naja, ausziehen kann man das nicht gerade nennen. Es sieht ja keiner, wo ich nackt bin. Nicht einmal du.« Ich legte bewusst einen verruchten Klang in den letzten Satz.

»Du hast recht, wir sollten einen Schritt weiter gehen. Siehst du den Mann dort drüben?« Er deutete zu einem Typen mit grauen Schläfen und einem Bier in der Hand. Er saß gelangweilt auf einem Barhocker und stierte in unsere Richtung. »Ich möchte, dass du ihm zeigst, was du unter dem Rock hast.«

Ich riss die Augen auf und schüttelte den Kopf. »Nein!«

Er zuckte nur die Schultern und ließ seinen Blick durch den Raum schweifen, als würde er bereits nach einem anderen Opfer Ausschau halten. Ich folgte seinem Blick und sah die vielen hübschen Frauen. Sah, wie sie die Hüften kreisen ließen, und bemerkte ihren suchenden Blick, der deutlich zeigte, dass auch sie einem Abenteuer nicht abgeneigt wären.

»Na gut, ich mach es.«

Oh Gott, worauf ließ ich mich da nur ein? Ich musste verrückt sein oder einfach nur geil.

Ich nahm einen tiefen Atemzug und lehnte mich an einen der Hocker. Mein Gesicht glühte. Hoffentlich konnte man das unter dem Make-up nicht sehen. Es war merkwürdig, aber meine Scham zuckte vor Erregung. War ich etwa exhibitionistisch veranlagt? Nein, es war vielmehr, weil er von mir verlangte, diese obszöne Mutprobe zu bestehen. Ich drehte mich in die Richtung des Mannes und wartete, bis er wieder zu uns sah. Offenbar bemerkte er meinen Blick und lächelte mich an. Meine Haut kribbelte und mein Herz pochte. Ich schob den Rocksaum nach oben, bis ein kalter Luftzug meine eindeutig feuchte Vulva überflog.

Dem Mann klappte die Kinnlade nach unten. Ich gewährte ihm nur wenige Sekunden diesen Anblick, dann strich ich den Rock wieder über meine Schenkel und drehte mich von ihm weg. Es fiel mir schwer, ein Kichern zu unterdrücken. Meine Finger zitterten, alles an mir zitterte. Ich fühlte mich berauscht, wie es nach einer Mutprobe wohl üblich war.

»Gut gemacht. Das werde ich heute auf jeden Fall belohnen müssen«, sagte er und erforschte mit entspanntem Ausdruck meine Mimik. Im selben Moment fühlte ich eine warme Hand auf dem Schenkel, die ein Lauffeuer entfachte, das in Windeseile meinen gesamten Körper in Brand setzte.

Langsam beugte er sich zu mir, bis sein Gesicht nur noch eine Handbreite von meinem entfernt war. Wir sahen uns an, Sekunden lang. Sein Atem streichelte meine Wange. Ich wusste, was jetzt kommen würde. Und mein Puls wusste es auch. Der Beat hämmerte in meinem Körper und die Gedanken kreisten einzig um diesen Moment. Als wären nur noch wir beide in der Bar, nein, in diesem Kosmos. Meine Lippen bebten, während ich regungslos wartete. Das Bedürfnis, ihn endlich zu berühren, ihn tief in mir zu spüren, überwand alle Hürden. Ich wollte nicht mehr denken, sondern war kurz davor, ihn an mich zu reißen. Er strich durch meine langen, braunen Haare und berührte endlich meine Lippen mit den seinen. So weich, so sinnlich. Ich schloss die Augen und tauchte ein in das Abenteuer. Ein Abenteuer, das ich zu seinen Regeln erleben sollte.

Kapitel 2

Der Schmerz an meinen Handgelenken riss mich aus dem Schlaf. Mein Atem stockte, während die Panik durch den Körper kroch. Ich schaffte es nicht, die Hände zu bewegen. Entsetzt blickte ich nach oben. Sie waren an ein schmiedeeisernes Bettgestell gefesselt. Das Seil schnitt in meine Haut, sobald ich daran zerrte. Oh mein Gott! Ich war noch bei ihm. So weit wie möglich drehte ich mich zur Seite und ließ den Blick durch das mir fremde Schlafzimmer schweifen. Ich war allein. Die Sonne brach durch die großen Fensterscheiben und warf ihren Schein über den hellgrauen Flokatiteppich, der den dunklen Parkettboden zierte. In der Ecke stand ein weißer Ledersessel, über den eine moderne Stehlampe ragte. Mein Körper war mit einem dünnen Seidenlaken bedeckt, darunter war ich nackt. Der zarte Stoff glitt über meine Haut, sobald ich die Beine bewegte.

Bilder von letzter Nacht füllten wie Bruchstücke meine Gedanken. Aber ich konnte mich nicht erinnern, wie ich von der Bar in dieses Haus gekommen war. Dabei hatte ich nur einen Mojito und den Martini, den er mir spendiert hatte. Wir hatten nicht einmal unsere Namen getauscht. Das waren Nebensächlichkeiten, die uns beim Flirten nur aufgehalten hätten.

Aber ich erinnerte mich deutlich an die Szenen, die mich in die jetzige Lage gebracht hatten. Wie er über meine Schulter gestreichelt hatte, während er meine Handgelenke geschickt im Rücken zusammenhielt. Ich wollte sie ihm entreißen, weil ich nicht wusste, was er vorhatte. Doch er hielt mich einfach fest. Drückte mich rücklings auf das Bett und stimulierte mit den Fingern meinen Kitzler. Er hörte nicht auf, meine Lust zu steigern, bis ich aufhörte, gegen ihn anzukämpfen. Seine Finger forderten meine gesamte Konzentration, ich bebte vor Verlangen. Plötzlich legte er mir die Bluse über den Kopf. Der helle Stoff nahm mir die Sicht, ich musste erst einmal realisieren, was geschah. Er zog meine Hände nach vorn und wickelte etwas um die Handgelenke. Ein Seil. Es schlang sich so fest um meine Arme, dass ich sie ihm nicht entziehen konnte. Als er sie über meinen Kopf hob und ich das Metall des Bettes ertastete, wusste ich, dass er mich daran festbinden würde. Ich warf den Kopf hin und her, wollte die Bluse von mir schütteln. Ich fühlte mich ausgeliefert, hilflos. Er war stark, ich konnte sie ihm nicht entreißen.

»Hab keine Angst. Ich tu dir nichts.« Seine Stimme klang sanft, einfühlsam.

Ich versuchte, ruhig zu atmen, der zarte Stoff verfing sich im Mund. Mein Herzschlag wollte sich nicht beruhigen, weil ich nicht wusste, ob er hielt, was er versprach.

Dann übersäte er meinen Körper mit Küssen. Knetete sanft meine Brüste, zwirbelte immer wieder die Warzen, bis ich zu keuchen und stöhnen begann. Er liebkoste mich, begehrte meinen Körper, streichelte ihn, als wäre er ein kostbarer Edelstein. Es fühlte sich fantastisch an. All meine Sinne konzentrierten sich nur auf das, was er mit mir tat. Er schob seine Zunge in meinen Spalt, bis Wellen der Erregung durch die Schenkel schwappten. Ich spürte alles so intensiv, als wäre mein gesamter Körper ein einziger Nerv. Ich wollte nicht, dass er aufhörte. Meine Augen waren geschlossen, die gefesselten Hände vergessen. Bis er meine Hüfte packte und mich auf den Bauch drehte. Die Bluse wickelte sich um meinen Kopf, das Seil schnitt in die Handgelenke.

»Auf die Knie«, forderte er. Es war ein Befehl, der mich komplett aus den Empfindungen riss. Ich musste mir erst klar werden, was um mich herum geschah. Plötzlich traf ein Schlag meinen Hintern. Nicht fest, aber fest genug, dass ich aufschrie. Er ließ mir keine Zeit, schlug immer wieder zu. Abwechselnd auf beide Backen. Ich zog die Knie an und kroch nach oben. Mein Po ragte in die Luft, ich konnte mich vor Geilheit kaum halten. Seine Dominanz erregte mich. In mir zog sich alles zusammen, sehnte sich nach seiner Männlichkeit. Mein Kopf lag auf dem Bett, eingewickelt in die Bluse. Der Atem prallte daran ab und erhitzte mein Gesicht. Dann endlich drang er in mich. Ritt mich mit festen Stößen, während die Fesseln mich an Ort und Stelle hielten. Er war tief in mir. Sein schweißnasser Körper schmiegte sich an meinen. Unser Stöhnen flirrte durch die Stille.

Er hatte sich genommen, was er wollte und hatte es wahrlich geschafft, mich mit in eine Welt zu entführen, die mit einem unbeschreiblichen Höhepunkt explodiert war. Der Sex mit ihm war unglaublich gewesen. Es gab kaum Männer, die mich dazu brachten, nur noch in Lust zu schwelgen. Die meisten zogen Schema F durch, begrapschten meine Brüste und begnügten sich bis zum schnellen Ende mit der Mis­sionarsstellung. Wahrscheinlich, weil sie es von ihrer letzten Beziehung so gewohnt waren. Vor einem halben Jahr hatte mich zum ersten Mal jemand beim Sex gefesselt und mir den Hintern versohlt, wenn ich mich nicht so verhalten hatte, wie er das wollte. Die Affäre mit ihm hatte zwei Wochen gedauert. Damals war ich zum Dolmetschen auf einer Konferenz in Paris geladen gewesen. Als ich Frankreich wieder verlassen hatte, verloren sich unsere Wege. Trotzdem hatte es schon damals eine unerwartete Lust in mir entfacht.

Schwere Schritte schoben meine Erinnerungen mit einem Mal beiseite. Ich atmete flach und starrte auf die Tür, die sich langsam öffnete. Dann hörte ich ein Scheppern und einen Tritt gegen das Türblatt. Mein Herz pochte und der Druck in der Brust legte meine Atmung für Sekunden lahm.

Er trat ins Schlafzimmer. Sein Blick war auf ein Tablett aus weißem Acryl gerichtet, das er in den Händen hielt. In dem blauen, einwandfrei gebügelten Hemd und der schwarzen Hose sah er genauso attraktiv aus wie gestern. Kaffeeduft erfüllte den Raum und ich erspähte einen Korb mit Weißbrot und Konfitüre. Dann sah er zu mir und lächelte mich an. Ich hob die Brauen. Es war mir unangenehm, gefesselt vor ihm zu liegen.

Er setzte sich neben mich aufs Bett und stellte das Tablett auf dem Boden ab. Der herbe Duft seines Aftershaves schwang in meine Richtung und legte sich auf das Kaffeearoma. Sprachlos sah ich in sein Gesicht, so, als sähe ich ihn das erste Mal.

Er sagte nichts, sah mich nur an. Sein Blick wirkte friedlich, zufrieden und auf eine gewisse Art selbstgefällig. Er schmunzelte und riss mit einem Ruck das Laken weg. Ich stöhnte auf, zog die Beine an und versuchte meine Scham zu verbergen. Ich fand es dreist, weil er angezogen war und ich nicht einmal mit den Händen meine privaten Stellen verdecken konnte.

»Gehört das auch zu deinem Spiel?« Ich gab mich verärgert, weil ich nicht zeigen wollte, wie nervös er mich machte.

Gleichwohl strichen seine Finger über meine Lippen, hinab über die Brüste, bis hin zu meinem intimsten Bereich. So zart, als wollte er mich besänftigen. Ich konnte meine Erregung nicht verbergen, die allein durch diese Geste erwacht war.

»Hat es dir gefallen gestern?«, fragte er und arbeitete sich mit dem Finger zum Zentrum meiner Lust vor.

»Hatte ich denn eine Wahl?«

Sein animalischer Blick hielt mich gefangen. Feuchtigkeit bildete sich zwischen meinen Schamlippen und machte mich bereit für mehr.

»Du hast mir schnell vertraut.«

Ja, weil er gut war, aber das wollte ich ihm nicht auf die Nase binden. Plötzlich stieß sein Finger gegen meinen Kitzler. Gerade noch konnte ich ein Seufzen unterdrücken. Mein Körper sehnte sich nach seiner warmen Haut, ich wollte seinen Geruch aufsaugen und das Salz seiner Poren auf der Zunge schmecken. Doch obwohl er meine Erregung mit seinen Fingern zu bemerken schien, zog er die Hand zurück.

»Dabei kenne ich nicht mal deinen Namen«, sagte ich. Ich musste cool bleiben, damit er nicht merkte, dass ich enttäuscht war, weil er nicht weiter machte.

»Jeff. Ändert das was?«

»Vielleicht.«

Er schmunzelte.

Obwohl ich nichts von ihm wusste, hatte ich das Gefühl, ich könnte ihm vertrauen. Vielleicht, weil er genau wusste, was ich brauchte.

Am liebsten hätte ich protestiert, als er mit wenigen Griffen die Fesseln löste und mich zeitgleich aus meiner freudigen Erwartung warf.

Er stand auf und ging zu einem großen Wandschrank, der sich in das Weiß der Wände fügte. Schnell setzte ich mich auf und zog das Laken nach oben, bedeckte meinen Körper bis über die Brüste. Es gab keinen Grund, mich ihm weiterhin nackt zu präsentieren. Offenbar hatte er nicht vor, das Spiel von gestern zu wiederholen.

Er schob die schwere Schranktür beiseite und holte ein ordentlich zusammengelegtes Handtuch heraus. Ohne mich anzusehen, legte er es neben mich aufs Bett. Dann hob er das Tablett auf und stellte es mir über die Beine.

»Iss etwas. Ich muss noch kurz was erledigen und bin gleich wieder bei dir. Das Badezimmer findest du dort drüben.« Er deutete auf eine große, satinierte Glasschiebetür und verließ das Zimmer, ehe ich all die Gedanken, die mir durch den Kopf schossen, in Worte fassen konnte. Ich wollte wissen, wie ich zu ihm gekommen war und ob er mir ein Taxi rufen könnte.

Verwirrt über seinen kurzen Auftritt strich ich mir die Haare aus dem Gesicht. Ich blickte auf ein Gedeck und eine Tasse Kaffee. Schwarz, wie ich ihn mochte. Obwohl ich es befremdlich fand, nach einem One-Night-Stand in einem fremden Schlafzimmer zu frühstücken, und das auch noch allein, legte ich mir eine Scheibe Weißbrot auf den Teller, bestrich sie mit Erdbeerkonfitüre und biss davon ab. Ich wollte höflich sein und außerdem war es ohnehin egal, ob ich hier frühstückte oder später im Hotel.

Mein Blick fiel durch das große Fenster. Das Haus lag offenbar an einem Hang und eröffnete eine Aussicht auf weitläufige Wälder und eine am Horizont besiedelte Stadt, die etliche Kilometer entfernt schien. Das konnte doch unmöglich London sein. Wo genau war ich hier? Und warum nur konnte ich mich nicht daran erinnern, wie ich hierhergekommen war?

Je länger ich darüber nachdachte, desto merkwürdiger fand ich die Situation. Ich stellte das Tablett auf die Bettseite neben mir und stand auf. Auf dem Ledersessel entdeckte ich meine Bluse, den Rock, BH und Tanga-Slip, fein säuberlich zusammengelegt und aufeinandergestapelt. Jeff war ohne jeden Zweifel sehr ordentlich, denn ich war das bestimmt nicht gewesen. Ich packte die Kleidungsstücke, ging zur Glasschiebetür und schob sie beiseite. Vor mir zeigte sich ein Bad, das dem modern eingerichteten Schlafzimmer in nichts nachstand. Ich schritt über das dunkle Parkett. Wie sauber es in diesem Wellnesstempel war! Weder standen Shampooflaschen auf der Ablage hinter der großen, weißen Eckwanne noch konnte ich Kalkflecken an den glänzenden Wandfliesen entdecken. Als wäre das Haus gar nicht bewohnt. Hinter einer Glaswand zeigte sich eine großzügige Sauna, von der aus man dieselbe atemberaubende Aussicht genießen konnte, wie im Schlafzimmer.

Ich drehte mich zum Waschbecken und betrachtete mein Spiegelbild. Die Nacht hatte eindeutig ihre Spuren hinterlassen. Hellrote Wangen brachten mein Gesicht zum Leuchten, und der schwarze Kajal um die Augen war so verwischt, dass es verrucht wirkte.

Ich legte meine Sachen auf eine der Holzablagen, die neben der Dusche hingen, und stellte das Wasser an. Ich sollte mich besser beeilen. Um 15 Uhr musste ich den Flieger nach Marseille erwischen, denn morgen Früh hatte ich ein Meeting zu dolmetschen mit Wirtschaftsbossen aus Frankreich und Großbritannien. Wenn ich dort nicht auftauchte, konnte ich alle Folgeaufträge wieder aus dem Kalender streichen.

Außerdem hatte jeder bekommen, was er wollte, es gab nichts, was mich hier noch hielt.

Als ich im Bad fertig war, öffnete ich die Schiebetür zum Schlafzimmer. Jeff saß auf dem Ledersessel und sah zu mir. Vor Schreck riss ich die Augen auf. Ein groß gewachsener Mann, dessen muskulöse Oberarme sein Jackett zu sprengen drohten, lehnte am Türrahmen und musterte mich argwöhnisch. Eine Narbe zog sich über seine linke Wange und die schwarzen Haare hatte er zu einem Zopf gebunden. Er wirkte bedrohlich. Allein durch sein Äußeres und wie er dastand. Breitbeinig und mit beiden Händen in den Hosentaschen. Was machte dieser Mann hier? Ich hätte nackt sein können. Vorwurfsvoll blickte ich zurück auf Jeff. Der stand auf und schmunzelte.

»Wer ist das?«, fragte ich.

Jeff ging langsam auf mich zu, immer noch mit diesem Schmunzeln im Gesicht. Mein Gefühl sagte, irgendetwas stimmte nicht. Er sah mich so durchdringend an. Als passte er nur den richtigen Moment ab, um zuzuschnappen.

»Ich habe dir doch gesagt, dass es nach meinen Regeln läuft«, sagte er so ruhig, wie er sich bewegte, und neigte den Kopf zur Seite. »Es wäre in deinem Interesse, wenn du freiwillig mitspielst. Ansonsten müssen wir dich zwingen es zu tun.«

»Zwingen? Zu was zwingen?« Ich sah zu dem Mann an der Tür, dann wieder auf Jeff. Ein eiskalter Schauder zog sich durch meine Adern.

Ich musste hier weg, so schnell wie möglich. Kurzerhand zwang ich mich an ihm vorbei. Doch ich kam nicht weit, denn der Fremde versperrte mir den Weg. Er lachte, laut und dreckig.

»Was wollt ihr von mir?« Mein Herz pochte.

Der Mann wich keinen Schritt zur Seite. Plötzlich streckte er die Hand aus, packte meinen Oberarm und riss mich zu sich.

»Wie Jeff schon sagte, ein bisschen spielen«, hauchte er mir ins Ohr. Ich roch seinen fauligen Atem und geriet in Panik. Mit aller Kraft drückte ich mich von ihm weg und boxte mit der freien Hand auf seinen Brustkorb. Mühelos wirbelte er mich herum und drückte meine Arme grob hinter meinen Rücken.

»Hör auf, lass mich sofort los!«

»Theo! Sei vorsichtig mit ihr«, rief Jeff, woraufhin der Mann knurrte.

Ich zerrte an seinen Händen und trat mehrmals gegen sein Schienbein, damit er mich endlich losließ. Zwar lockerte er den Griff, doch ich schaffte es nicht, mich daraus zu lösen. Er bog meinen Arm nach hinten, sodass ich ihn nicht mehr bewegen konnte. Der Schmerz wurde stärker, sobald ich daran zerrte.

»Hör auf. Lass mich los, was soll das? Du tust mir weh!«

Schon presste sich seine Hand auf meinen Mund. Ich atmete hektisch und versuchte in die Finger zu beißen. Doch sein Griff war zu fest. Er schleppte mich durch das Treppenhaus, hin zu einem Aufzug. Ich hatte Angst. Mein Gesicht war heiß und die Knie ganz weich. Mein Zwerchfell zuckte, während ich mit aufgerissenen Augen Jeff dabei zusah, wie er den Aufzugknopf drückte. Dann schob sich die weiß lackierte Tür zur Seite. Oh mein Gott, was geschah mit mir? Noch nie im Leben hatte ich solche Panik gehabt wie jetzt! Ein weiteres Mal trat ich mit den Füßen und grub die Fingernägel in Theos Hände. Doch ich konnte mich nicht befreien. Im Gegenteil, er presste mich so fest an sich, dass ich auf Zehenspitzen vor ihm herlaufen musste. Ich keuchte, schnappte nach Luft und versuchte, mich aus seinem Griff zu winden. Er ließ sich nicht von meinem Widerstand abhalten und zerrte mich in den Aufzug. Das quadratische Neonlicht in der Decke blendete mich, weil Theo nicht aufhörte, meinen Hinterkopf gegen seine Brust zu drücken.

Jeff stellte sich neben uns und tippte irgendwelche Zahlen auf einem Nummernblock. Ich schwitzte und mein heißer Atem stieß gegen Theos Hand, die meinen Mund und das Kinn umfasste wie ein Gipsverband. Dann schloss sich die Tür. Der Aufzug ruckelte kurz und setzte sich in Bewegung. Die rote Ziffer schnellte von 1 auf 0.

Noch immer versuchte ich mich von ihm wegzudrücken, aber mir fehlte einfach die Kraft. Mein Kopf dröhnte und meine Finger pulsierten, weil Theo sie so fest zusammenhielt. Es war sinnlos, mich gegen diesen Koloss zu wehren. Ich sollte die Kräfte sammeln, bis er den Griff irgendwann lockerte.

Die Metalltür auf der anderen Seite öffnete sich. Es zeigte sich ein Raum, etwa so groß wie eine Doppelgarage. Er glich einer steinernen Höhle. Fackellampen spendeten düsteres Licht und am hinteren Teil des Gemäuers erkannte ich eine Nische, die durch eine Glasscheibe vom restlichen Raum abgetrennt war. In der Mitte dieses Glaskäfigs stand eine senkrechte Eisenstange, die wie eine Tanzstange vom Boden bis zur Decke reichte. Ein merkwürdiger Bügel aus Metall war daran befestigt. Alles wirkte so düster, so unheimlich. Theo drängte mich an einem schwarzen Ledersofa vorbei, das wie eine kleine Zuschauertribüne außerhalb des Glaskäfigs stand.

Mein Herz schlug schneller, ich schwitzte und fror gleichzeitig, obwohl es hier weder heiß noch kalt war.

Ein Schlüssel klirrte und Jeff schloss den Käfig auf. Ich wimmerte bei jedem Atemzug und versuchte noch einmal, mich von Theo wegzudrücken. Aber es war zwecklos. Er schob mich an Jeff vorbei in den Käfig, als wäre ich ein Sack gefüllt mit Federn.

Plötzlich zog Jeff ein Taschenmesser aus seiner Hosentasche, klappte es auf und hielt mir die Spitze entgegen. Ich zuckte zusammen. Theo ließ meine Hände los, dann das Gesicht. Er fasste meine Haare zu einem Pferdeschwanz zusammen und hielt ihn wie einen Strick fest. Mit aufgerissenen Augen fixierte ich die Klinge.

»Zieh dich aus, Lydia!«, sagte Jeff und kam mit dem Messer bedrohlich nahe. Er kannte meinen Namen? Woher wusste er den? Meine Tasche! Sie hatte nicht auf dem Sessel in Jeffs Schlafzimmer gelegen. Aber in ihr war nichts weiter als mein kleiner Geldbeutel und der Zimmerschlüssel. Meine Papiere und mein Handy lagen im Hotel.

»Woher kennst du meinen Namen? Ich habe ihn dir nie genannt, oder doch?«

Jeff grinste. »Nein, das hast du nicht. Aber es spielt auch keine Rolle, woher ich das weiß. Zieh dich aus.«

Ich konnte kaum mehr atmen, die Kehle schnürte sich zusammen. Mein Blick sauste durch den fensterlosen Raum. Neben einer Tür führte eine Treppe nach unten. Womöglich in den Keller. Der Aufzug war geschlossen. Wieder sah ich zur Tür neben der Treppe. Ich musste hier weg! So schnell wie möglich. Zwei Schritte, mehr schaffte ich nicht. Denn Theo wickelte meine Haare um seine Hand und zog daran. In dem Moment war mir der Schmerz egal, ich schlug mit den Fäusten auf ihn ein und traf genau zwischen seine Beine. Theo krümmte sich und ließ endlich meine Haare los.

»Du verschwendest deine Energie«, sagte Jeff und versperrte mir den Weg. »Es wäre wirklich besser für dich, wenn du einfach tust, was wir sagen.«

Er drehte das Messer, sodass die Klinge das Licht einfing und kurz aufblitzte. Ich atmete schneller und sah ihn an. Was sollte ich tun? Mich an ihm vorbeizwängen und einen Stich ins Herz riskieren? Wie weit würde er gehen? Mich umbringen? Aber wozu?

»Was habt ihr mit mir vor?«, fragte ich, um Zeit zu gewinnen. Egal was sie mit mir vorhatten, ich wusste, es würde mir nicht gefallen.

»Zieh dich aus oder wir helfen dir dabei«, sagte Jeff. Seine Stimme klang ruhig, konsequent.

Theo hielt noch immer die Hände an den Schritt und sah mich finster an.

Ich schüttelte den Kopf. »Damit kommt ihr nicht durch!«

»Ich weiß, du glaubst mir nicht. Das kann ich dir auch nicht verübeln. Du denkst, ich sei ein Verbrecher. Und du hast recht, das bin ich. Das bringt dieser Job mit sich. Aber ich verspreche dir, wir werden dir nichts tun, wenn du dich an das hältst, was wir sagen. Du wirst keinen Schaden nehmen.«

Sollte ich ihm das wirklich glauben? Hielt er mich für dumm?

»Lasst mich hier raus!« Ich ging auf ihn los, packte seinen rechten Ärmel, um mir das Messer vom Leib zu halten und versuchte, mich an ihm vorbeizuzwängen. Theo griff mir in die Haare und zog mich zurück.

»Lydia«, sagte Jeff, kam einen Schritt auf mich zu und streifte seinen Ärmel glatt. »Es ist, wie gesagt, nicht meine Absicht, dir wehzutun, aber irgendwann ist der Punkt erreicht, wo ich zu Maßnahmen greifen muss.« Mein Blick krallte sich am Messer fest. Immer näher führte er es an mein Gesicht, bis es meine Wange berührte. Ich spürte das kalte Metall an meiner Haut und wagte kaum zu atmen.

»Bitte«, flehte ich.

»Tu einfach, was ich dir sage. Wenn nicht ...« Er sprach nicht weiter, stattdessen zog er mit der stumpfen Kante eine Linie über meine Wange.

Oh Gott, er würde mich töten! Mein Atem ging flach und meine Finger zitterten. Hektisch tastete ich nach den kleinen Perlmuttknöpfen der Bluse und öffnete sie. In mir verkrampfte sich alles, mein Gefühl sagte, es war vorbei. Sie waren stärker, und wenn ich nicht tat, was sie verlangten, würden sie mich womöglich umbringen.

Ich streifte den seidigen Stoff von den Schultern und warf die Bluse auf den Holzboden. Erst jetzt bemerkte ich das Seil, das rechts vor mir in der Ecke lag.

Jeff ließ das Messer über meinen Hals gleiten. Ohne ihn aus den Augen zu lassen, tastete ich nach dem Reißverschluss des Rockes. Ich schob ihn samt Slip von den Beinen. Dann führte Jeff das Messer an meine Schulter und durchschnitt die Träger des BHs. Ich zuckte. Als er beide durchtrennt hatte, zog er mit der flachen Kante eine Linie über meine Haut, bis hin zum Halter zwischen meinen Brüsten. Er setzte das Messer kurz an und zog es zu sich, schon fiel der BH zu Boden. In dem Moment war mir egal, dass ich nackt vor ihnen stand. Die Angst, er könnte mich mit der scharfen Klinge verletzen, übertönte jedes Schamgefühl.

»Bitte, tut mir nichts«, brachte ich wimmernd hervor.

Ich zitterte und bekam nur in kurzen Zügen Luft. Theo packte meine Unterarme und zog mich rücklings gegen die Eisenstange. Hinter der Stange presste er meine Arme zusammen. Seine Finger gruben sich in meine Unterarme und umschlossen sie wie eine Schraubzwinge. Ich drückte dagegen, doch mir fehlte die Kraft. Jeff stellte sich neben ihn, legte die Hand an meinen Hals und drückte meinen Kopf gegen die Stange.

»Mach den Mund auf«, sagte er.

Nein, warum? Ich presste die Lippen aufeinander und schüttelte den Kopf. Er hob die Brauen und sah mich eine Sekunde lang geduldig an. Ohne eine Miene zu verziehen, verengte er den Griff um meinen Hals. Er würgte mich. Oh mein Gott, ich drohte zu ersticken! Ich riss den Mund auf und schnappte nach Luft. Plötzlich legte sich etwas in meinen Mund. Es hielt den Kiefer geöffnet. Jeff ließ meinen Hals los, aber ich konnte den Kopf nicht mehr bewegen. Weder nach unten oder oben noch zur Seite. Er war fest mit dieser Stange verankert. Es musste der Metallbügel sein, der meinen Kopf umfasste, und ein Bolzen aus hartem Kautschuk spreizte meinen Kiefer. Obwohl ich ungehindert atmen konnte, hatte ich das Gefühl, mir blieb die Luft weg.

Ich wollte mir das Teil aus dem Mund reißen, aber Theo hielt noch immer meine Unterarme fest. Dann sah ich Jeff das Seil aufheben, das in der Ecke lag. Er kam zu mir und fesselte meine Handgelenke. Erst dann ließ auch Theo von mir ab.

»Höher«, sagte Jeff, der nun wieder vor mir an der Glaswand stand.

Ich hörte ein Schraubgeräusch neben dem linken Ohr. Dann drückte sich der Knebel nach oben. So weit, dass ich auf Zehenspitzen stehen musste. Wieder war da dieses Schraubgeräusch. Jeff nickte.

Wozu das alles? Ich konnte keinen Gedanken formen, der mir eine logische Erklärung gab, warum sie mich hier fixierten. Mit weit geöffneten Augen starrte ich die beiden an. Wie sie vor mir standen und mich zufrieden taxierten. Der starre Knebel erlaubte mir nicht mal zu schlucken. Warmer Speichel kroch mir aus dem Mundwinkel und tropfte auf meine Brüste. Ich hatte solche Angst. Tränen begannen meine Augen zu trüben und bahnten sich einen Weg über die Wange. In meinem Kopf hämmerte es, ich atmete zu schnell und mein Hals fühlte sich trocken an. Warum sagten sie mir nicht, was sie von mir wollten?

»Kümmern wir uns um die Formalitäten«, sagte Jeff. »Wir haben noch eine viertel Stunde, dann kommt Shazar.«

Theo nickte. Er schenkte mir einen hämischen Blick, bevor er Jeff durch die Tür neben der Treppe folgte. Als sie hinter ihnen zufiel, beherrschte Stille den Raum. Nur hin und wieder durchbrochen von einem metallischen Knirschen, sobald ich versuchte, den Kopf zu bewegen. Ich fühlte mich so hilflos. Und ich hatte Angst. Angst vor dem Ungewissen. Ich befand mich in der Gewalt von Menschen, die ich nicht kannte. Plötzlich musste ich an die Vermisstenaufrufe aus den Nachrichten denken. War ich jetzt eine von denen? Eine von denen, die niemals zurückkehrten, weil man ihre Leiche irgendwo verscharrt hatte? Ich kannte die Gesichter meiner Entführer, egal was sie mit mir vorhatten, ich konnte ihnen gefährlich werden. Sie durften mich nicht laufen lassen. Und es gab niemanden, der nach mir suchen würde. Der Kontakt zu meinen Eltern war schon lange abgebrochen, weil ich irgendwann keine Zeit mehr gefunden hatte, mich bei ihnen zu melden. Bei den wenigen Freunden, die ich im Laufe der letzten Jahre gehabt hatte, war es nicht anders. Niemand würde mich vermissen. Meine Kunden schon gar nicht. Es gab genügend Dolmetscher, die bereit waren, meinen Platz einzunehmen, so wie es auch leicht sein würde, einen Ersatz für meinen Ausfall in Marseille zu finden. Was interessierte schon Wirtschaftsbosse und Politiker oder deren Assistenten, wo ich war, wenn ich nicht ans Handy ging oder ihre E-Mails beantwortete!

Oh mein Gott, ich befand mich in einer verdammt beschissenen Situation. Ich war meinen Entführern ausgeliefert. Warum nur hatte ich mich von meiner Geilheit leiten lassen? Ich hatte Prinzipien, ich hätte mich nur daran halten sollen und all das wäre nicht passiert.

Noch einmal ratterten die Erinnerungen an letzte Nacht durch meinen Kopf. Der Blickkontakt mit Jeff, das Glas Martini, das er mir entgegengestreckt hatte. Nicht ich hatte ihn ausgewählt, sondern er mich. Ich war auf ihn reingefallen. Er hatte mich absichtlich angemacht. Warum sonst kannte er meinen Namen? Er kannte mich. Ich war nicht einfach ein willkürliches Opfer. Aber warum? Warum ausgerechnet ich?

Ich verlagerte das Gewicht von einem Ballen auf den anderen, weil es inzwischen wehtat, auf Zehen zu stehen. Mit den Händen umfasste ich die Eisenstange, versuchte mich daran festzuhalten, damit ich die Füße entlasten konnte. Sie war kalt und glatt. Ich starrte auf die Aufzugtür, sah den runden Knopf daneben. Hätte es wenigstens scharfe Kanten an dieser Stange gegeben, an denen ich das Seil hätte aufscheuern können. Ich musste mich von diesem Apparat befreien, an den man mich montiert hatte. Ich wollte flüchten, ehe meine Peiniger ihr Verbrechen fortsetzen würden.

Das Seil schnitt in die Handgelenke, während ich unentwegt daran zerrte. Mein Herz galoppierte. Immer mehr Schweißperlen sammelten sich auf meiner Stirn. Ich sah zur Tür, durch die Jeff und Theo gegangen waren. Wie lange hatte ich noch Zeit? Jeff sprach von einer viertel Stunde. Die war bald vorüber, sagte mein Zeitgefühl. Konzentrier dich!, ermahnte ich mich. Wie wild rieb ich die Handgelenke aneinander. Der Schmerz pochte unter der wund gescheuerten Haut. Doch die Fessel gab ein wenig nach. Es war ein Gefühl, als trennten mich nur noch wenige Handgriffe von der Freiheit. Ich rieb weiter, drückte immer wieder die Hände auseinander. Das Seil lockerte sich, ich konnte mein Glück kaum fassen. Ich quetschte die rechte Hand so weit zusammen, bis es mir gelang, sie aus der Fessel herauszuziehen. Schnell streifte ich das Seil von der anderen Hand und griff an den Knebel. Meine Finger zitterten und die Fußballen hatten Mühe, das Gewicht meines Körpers zu tragen. Das Eisen war starr und unnachgiebig um meinen Kopf gespannt, als hätte man mich darin eingeschweißt. Schließlich fand ich die Schraube, an der Theo gedreht hatte. Sie bewegte sich keinen Millimeter. Ich ertastet eine zweite Schraube auf der anderen Seite des Knebels. Doch für meine vom Zittern geschwächten Finger saß auch diese zu fest. Ich konnte nicht mehr klar denken, zerrte an den Schrauben, ohne darüber nachzudenken, in welche Richtung sie sich öffnen ließen. Plötzlich hörte ich ein Knarren. Ich riss die Augen auf und versuchte leiser zu atmen. Langsam öffnete sich die Tür und blieb einen Spalt weit offen. Scheiße. Da waren Stimmen. Gefolgt von Gelächter. Ein letztes Mal rüttelte ich am Knebel. Trat mit dem Fuß gegen die Eisenstange, in der Hoffnung, der Knebel würde sich lockern.

Dann verstummten die Stimmen. Das Einzige, was ich nun hörte, war mein Atem und mein Herz, das wie verrückt pochte.

Kapitel 3

»Ich hoffe, du hast die Zeit genutzt, um dich zu beruhigen«, sagte Jeff, der, gefolgt von Theo, in den gläsernen Käfig trat. Die Strenge in seiner Stimme hielt mich nicht weniger gefangen wie der unbewegliche Knebel, der inzwischen schmerzhafte Verspannungen in Mund und Nacken hervorgerufen hatte.

»Miststück!«, raunte Theo. Er sah zu dem Seil, das neben meinen Füßen lag.

Wie konnte ich nur glauben, solange ich meine Hände hinter dem Rücken verbarg, würden sie es nicht bemerken, dass ich mich davon befreit hatte.

»Das braucht sie ohnehin nicht mehr«, sagte Jeff und zog flache, schwarze Bänder aus seiner Hosentasche an denen etwas silbern glänzte. Theo packte meine Handgelenke und streckte sie Jeff entgegen. Es waren Manschetten, die jeweils einen kleinen Metallring trugen. Elastisch schmiegten sie sich um meine Handgelenke und fühlten sich an wie breite, enge Armbänder.

Jeff schloss die Schnappverschlüsse und klinkte die beiden Ringe ineinander. Wieder war ich gefesselt. Meine innere Unruhe stieg, ich zitterte.

Jeff löste den Knebel und mein Gewicht sackte auf die Füße. Ich verlor an Halt. Die Knie knickten ein und meine Fußsohlen spürte ich kaum noch, als wären sie eingeschlafen. Theo hatte scheinbar damit gerechnet und fing mich auf. Mit einem Ruck warf er mich über die Schulter. Ich war zu erschöpft, um zu protestieren.

Wie ein erlegtes Tier ließ ich mich die Treppe nach unten tragen. Nur meine Sinne waren noch im Geschehen. Tränen lösten sich und trübten meinen Blick. Verschwommen nahm ich den schmalen Gang wahr. Der Boden war schwarz, die Wand grau. Theo schleppte mich an mehreren Türen vorbei, die ebenfalls grau waren. Der Gang war lang, oder kam es mir nur so vor?

Endlich blieben wir stehen. Eine Tür wurde geöffnet. Das helle Zimmer dahinter setzte sich in Kontrast zum fahlen Korridor. Ein paar Schritte später befand ich mich im Licht.

Theo setzte mich auf etwas Weichem ab. Ich kniff die Augen zusammen und befreite sie von den angesammelten Tränen.

Ich fand mich in einem kleinen Raum wieder, mit weißen Wänden und einem langen, weißen Tisch, der an einer der kahlen Wände stand. Eine Lichtquelle, die beinahe die gesamte Decke einnahm, tauchte das fensterlose Zimmer in künstliches Tageslicht. Mehr liegend als sitzend befand ich mich auf einer weißen Liege, die ähnlich einem Gynäkologenstuhl über zwei Beinhalter verfügte. Theo hob mein Bein auf einen der Halter und schnallte es mit breiten Nylongurten daran fest. Ebenso mein zweites Bein.

Alles kam mir so unwirklich vor. Als würden diese Körperteile nicht zu mir gehören. Als wäre alles nicht echt.

Jemand fasste meine Haare zu einem Zopf zusammen, zog sie nach oben und hob dadurch meinen Kopf von der Kopfstütze an. Wieder sah ich Jeff neben mir. Er hielt eines dieser Bänder in der Hand. Nur war es länger, als die an meinen Handgelenken. Ich fühlte mich noch immer so schwach, so neben der Spur. Wie in Trance sah ich zur Decke. Ständig sammelte ich Speichel und schluckte ihn runter, weil sich mein Mund trocken anfühlte. Das Gefühl der Ohnmacht drängte sich auf. Ich schaffte es nicht, an irgendwas zu denken. Es war mir alles zu viel. Die Aufregung, diese Umgebung, Jeff, Theo.

Irgendetwas legte sich um meinen Hals. Es fühlte sich kalt an. Meine Augen brannten, weil ich zu lange ins Licht gesehen hatte. Ich schluckte und spürte dieses Teil am Hals. Gerade wollte ich die Hände heben und danach tasten, als Jeff vor meinen Augen zu verschwimmen begann. Mein Kreislauf sackte nach unten. Ich atmete tief durch, ich wollte nicht kollabieren. Ich musste bei Bewusstsein bleiben. Er drückte meine Arme wieder nach unten. Kalter Schweiß benetzte meine Stirn und ein Pfeifen durchdrang meine Ohren. Zwei Personen betraten den Raum. Schemenhaft, wie Schnellzüge, eilten sie an mir vorbei. Dann legte sich ein grauer Schleier über den weißen Raum und meine Sinne.

***

Eine kalte Hand tätschelte meine Wange. Da waren Geräusche, Stimmen, nur dumpf. Das Licht blendete. Mit einem Mal klärte sich der Druck auf meinen Ohren.

»Es passt schon alles«, sagte Jeff.

Was passt? Was war geschehen? Wo war ich? Mein Blick jagte umher. Alles wirkte extrem hell, steril, leblos. Ich konnte mich nicht bewegen. Sah in fremde Gesichter, die alle mit etwas beschäftigt waren, nur nicht mit mir. Ich war festgebunden. Arme, Beine, mein ganzer Körper war mit breiten Gurten an diesen weißen Stuhl fixiert. Ich versuchte zu schreien, doch irgendetwas hinderte mich daran. Mein Mund war geschlossen. Zugeklebt. Mit Klebeband oder Ähnlichem. Panik stieg in mir auf.

Ein Mann im Arztkittel saß auf einem Hocker und drehte sich zu mir um. Er zog an seinem hellblauen Latexhandschuh und spreizte die damit bekleideten Finger. Die eisblauen Augen und das fahle Gesicht wirkten emotionslos wie das eines toten Fisches. War ich tot? Nein, ich fühlte mich nicht tot, viel mehr lebendig begraben. Ich wollte mich bemerkbar machen, versuchte meine drapierten Körperteile zu bewegen, versuchte Laute von mir zu geben. Niemand schien mich wahrzunehmen.

Neben dem Arzt stand eine junge Frau mit hochgesteckten Haaren. Seine Assistentin? Auch sie trug diese Handschuhe und einen weißen Kittel. Auch sie sah nicht, wie ich versuchte, mich mitzuteilen. Oder wollte sie es nicht sehen? In der Hand hielt sie ein Rasiermesser, das sie mit einer Flüssigkeit besprühte und dann auf ein Tablett aus Edelstahl legte, auf dem, soweit ich das erkennen konnte, noch andere Instrumente lagen. Plötzlich kam sie zu mir und nahm eine kleine Kompresse von meiner Ellenbeuge. Ich sah einen kleinen roten Punkt, eine Einstichstelle. Sie hatten mir etwas injiziert!

»Hab keine Angst. Es war nur eine Blutentnahme«, hörte ich Jeffs Stimme. Leise, sanft. Er stand hinter mir und legte seine Hand auf meine Schulter. Glaubte er allen Ernstes, das würde mich beruhigen? Dennoch war ich froh, dass er mit mir sprach. Ich hatte Angst. Immer wieder riss ich an den Gurten. Sie ließen nicht locker und auch das Wimmern verschaffte mir kein Mitgefühl.

Mein Atem beschleunigte sich und mein Herz galoppierte, während der Mann mit dem Fischgesicht auf seinem Hocker zu mir rollte und zwischen meinen Beinen haltmachte. Die Frau nahm das Tablett und stellte sich neben ihn. Ich konnte nicht sehen, welches von den Instrumenten er nahm. Kurz darauf spürte ich etwas Kaltes am Schamhügel. Bitte, schluchzte ich lautlos in den Knebel und suchte nach Jeff, dessen Hand noch auf meiner Schulter ruhte. Doch er stand außerhalb meines Blickfeldes. Lediglich den Ärmel seines Hemds konnte ich hinter mir erkennen. Ich spürte, wie der Mann dieses kalte Etwas auf meinem Hügel verteilte, es fühlte sich an wie eine Flüssigkeit oder ein Gel. Ich hörte ein Scheppern und spannte jeden Muskel an. Plötzlich fühlte ich ein leichtes Kratzen. Als würde er mit einer kleinen Spachtel über die Haut schaben. Mir fiel das Rasiermesser ein, das die Assistentin in der Hand gehalten hatte. Rasierte er mich etwa? Aber warum? Ich war rasiert! Nach einigen Minuten hörte er auf und reichte das Messer wieder der Frau. Okay, er hatte mich rasiert, denn an der Klinge haftete noch Rasierschaum.

Er schob sich mit dem Stuhl zu den Tischen und griff nach einer Sprühflasche. Nach mehrmaligem Pumpen spürte ich einen kalten Nebel an meiner Schamlippe. Es brannte, wenn auch nur ganz leicht. Mit einem Tuch trocknete er die Stelle ab. Wieder klapperte es und ich wusste, es war noch nicht vorbei. Ich presste den Hinterkopf an die Kopfstütze und richtete den Blick nach oben zur leuchtenden Decke. Konzentrierte mich auf die silbernen Streben der Deckenleuchten. Ich stellte mir die übelsten Szenarien vor. Wie sie meinen Bauch aufschlitzten und mir ein Organ entnahmen oder mir einen Fremdkörper einsetzten. Entgegen der wachsenden Panik atmete ich tief durch und versuchte, mich zu beruhigen.

Die körperliche Anspannung entlud sich, noch bevor ich sie zügeln konnte. Ein heller, spitzer Druckschmerz durchbohrte meine Schamlippe. Ein Schrei raste durch meine Kehle und ich zerrte an den Fesseln. Wider Erwarten spürte ich keinen weiteren Schmerz. Das Stechen hatte so schnell nachgelassen, wie es gekommen war. Nur ein leichtes Ziehen und Drücken machte sich bemerkbar. Der Arzt drehte sich zur Assistentin und nahm irgendetwas entgegen, das ich nicht erkennen konnte. Dann entflammte ein grelles Licht. Ein kurzes Hitzegefühl drang an meinen Schoß und endete mit einem metallischen Schmorgeruch. Was machten die mit mir? Ich versuchte, nach unten zu sehen, doch ich konnte nichts erkennen, weil die Gurte meinen Oberkörper auf die Liege zwangen. Ich stieß den Atem durch die Nase und sah wieder nach oben. Meine Pupillen schossen ständig hin und her.

Endlich rollte der Mann seinen Hocker zurück an den Tisch. Er stand auf und packte wortlos kleine, runde Plastikbehälter in eine schwarze Ledertasche. Ich versuchte, mich auf die Stelle zu konzentrieren, die er eben noch behandelt hatte. Sie fühlte sich warm und taub an.

»Tapferes Mädchen«, sagte Jeff, nachdem der Arzt mit seiner Assistentin den Raum verlassen hatte. Wir waren allein. Er streichelte über meine Schulter und trat neben mich. Seine Hand lag auf einem der Gurte, die meinen Oberarm umspannten. Mit dem Handrücken streichelte er mir über die Wange. Auf die zarte Berührung folgte ein schmerzhaftes Kratzen.

Er hatte das Klebeband von meinem Mund gerissen und faltete es zusammen. Dann drehte er sich um und ließ es neben sich in einen Papierkorb fallen.

Mit der Zunge leckte ich über die trockenen Lippen. Ich traute mich nicht zu schreien. Die Befürchtung, er würde mich erneut knebeln, hielt mich davon ab. Ich wollte lieber, dass er mich aufklärte. Ich wollte wissen, was der Arzt bei mir gemacht hatte, welche Qualen mir noch bevorstünden. Wann man mich gehen lassen würde, ob man mich überhaupt gehen lassen würde.

»Bitte Jeff«, flüsterte ich.

Er drehte sich zu mir. Ein Funkeln lag in seinen Augen. In der Hand hielt er ein Glas, das er mir an den Mund führte.

»Trink, das ist Wasser«, sagte er.

Ich tat es, weil mein Hals so trocken war. Es schmeckte nach nichts. Es hätte auch etwas anderes sein können, kam es mir viel zu spät in den Sinn. Ich wartete auf einen erneuten Schwächeanfall, womöglich war etwas im Wasser. Aber ich blieb bei vollem Bewusstsein.

»Lass mich gehen. Bitte!«, flehte ich, den Tränen nahe.

Er grinste nur und schnalzte mit der Zunge »... zzz, du wirst uns doch nicht verlassen wollen, bevor das Spiel begonnen hat.« Ein ironisch vorwurfsvoller Ton lag in seiner Stimme. Es hatte noch gar nicht angefangen? War das alles nur ein Vorspiel? Eine Vorbereitung auf etwas noch viel Schlimmeres?

»Was ist das für ein Spiel?« Meine Stimme zitterte.

»Ein Spiel, bei dem es keine Verlierer gibt. Es wird dir gefallen«, sagte er, ohne mich dabei anzusehen. Sein Blick lag auf meinem Fuß und seine Hand folgte ihm. Was machte ihn so sicher, dass es mir gefiel? Oder wollte er mich nur beruhigen, damit ich tat, was sie von mir verlangten? Das konnte er vergessen!

Er streichelte über meine Wade und weiter nach oben über die Innenseite meines Schenkels.

»Du wirst mir vertrauen müssen, so wie du es gestern getan hast.«

Seine Hand wanderte weiter. Ich spürte seine Fingerkuppen, wie sie um meine äußeren Schamlippen streiften. Es fühlte sich so zart an, so unschuldig. Das durfte nicht sein. Ich konnte nicht zulassen, dass er meine Empfindungen steuerte. Nein, rief ich in Gedanken. Doch je mehr ich mich darauf konzentrierte, es nicht zuzulassen, desto größer wurde mein Verlangen nach mehr. Mehr von diesem berauschenden Gefühl, das die Angst verdrängte, die Unruhe entspannte und mich vergessen ließ, dass ich gegen meinen Willen auf diesem Stuhl festgeschnallt war. Ich verzehrte mich plötzlich nach diesem paradiesischen Gefühl, das mich in einen friedvollen Zustand geleitete, ein Gefühl, das er mir heute Morgen nicht geben wollte.

Dann traf er den Punkt, der eine Welle der Erregung unter meine Haut schickte. Die Wogen reichten bis zu den Zehenspitzen. Mit kreisenden Bewegungen stimulierte er diese empfängliche Stelle.

»Ich kann dir nicht vertrauen«, sagte ich und fühlte mich sogleich als Lügnerin, weil seine Finger es erneut schafften, ein Gefühl zu entfachen, das meinen Atem stocken ließ. Ein so wunderschönes Gefühl, von dem ich nur noch mehr wollte.

»Du wirst es lernen«, sagte er sanft, »und jetzt ... scht.«

Er beugte sich über meinen Körper und begann, meine Schenkel mit Küssen zu bedecken. Ich fragte mich, wie etwas sein konnte, was nicht sein durfte.

Geschickt umspielten seine Fingerkuppen meine Knospe. Suchten sich den Weg zu meiner Mitte und versanken kurz darin. Langsam aber siegessicher verteilte er die Feuchte um meine Klitoris und setzte fort, wo er zuvor aufgehört hatte. Ich schämte mich so sehr.

»Nein«, stöhnte ich, während mein Körper sich seinen Berührungen nicht entziehen konnte, und es auch nicht wollte. Es fühlte sich zu gut an. Besser, als die Angst.

Ununterbrochen massierte er den Ansatz meines Kitzlers. Eine innere Hitze stieg in mir auf, die schleichend intensiver wurde. Bis ich nur noch in dieser berauschenden Empfindung badete. Er beschleunigte sein Tempo, während er meine empfindsamste Stelle so sacht liebkoste, dass es sich anfühlte, als würde er sie kaum berühren. Als würde ein Wirbelsturm darüber hinwegfegen, der als Vorbote einer bevorstehenden Naturgewalt geradewegs ins Meer der Besinnungslosigkeit toste. Und wieder tauchte ein Finger in meine Vagina. Er streichelte meinen Körper von innen, während sein Daumen meine Spitze umschmeichelte. Dabei massierte er die beiden Stellen, die mich direkt an die Schwelle der Ekstase führten. Wiederkehrende Wellen setzten ein. In immer kürzeren Abständen umspülten sie meinen intimsten Bereich. Ich wusste, ich war kurz davor. Entgegen meiner Vernunft. Und mit einem erlösenden und gewaltigen Ausklang überrollte mich ein unaufhaltsamer Orgasmus, besänftigte für einen kurzen Moment mein Gewissen und meinen Verstand, der sich nun, wo alles vorbei war, zutiefst schämte.

Jeff trat neben mich und streichelte Haarsträhnen beiseite, die an meiner vom Lustschweiß benetzten Stirn klebten.

»Warum?«, fragte ich. »Warum tust du das?«

»Weil es dir gefällt.«

»Nein, es macht mir Angst.«

»Das gehört dazu.« Er öffnete die Gurte an meinen Beinen. »Du wirst lernen, damit umzugehen. Und wenn es so weit ist, wirst du dafür dankbar sein.«

»Warum sagst du mir nicht, was du mit mir vorhast?«

»Das wirst du früh genug erfahren.« Mit wenigen Handgriffen befreite er meinen linken Arm von den Gurten. Kurz überlegte ich, ob eine Chance darin bestand, ihn mit einem gezielten Tritt außer Gefecht zu setzen. Als ahnte er von meiner Überlegung, schritt er um mich herum und stellte sich zwischen meine Beine. Er drückte sich nah an meinen geöffneten Körper.

»Ich bin die Falsche für dein Spiel«, sagte ich.

»Es steht dir nicht zu, eine Wahl darüber zu treffen.«

»Man wird sowieso nach mir suchen«, entgegnete ich, auch wenn es niemanden gab, der mich vermisste.

»Sicher wird man das.« Ein schelmisches Lächeln durchzuckte seine Gesichtszüge, als wüsste er um mein soziales Umfeld. »Aber nicht hier. Nicht in diesem Land und nicht an diesem Ort.«

»Wo bin ich?«

»Du hast geschlafen wie ein Baby. Und es war ein Leichtes, nach stundenlanger Überfahrt dort anzuknüpfen, wo wir in der Bar aufgehört hatten. So leicht, wie es gerade eben war. Du bist wie geschaffen für das, was wir mit dir vorhaben.«

Seine Hose, die ohne Zweifel etwas Hartes in sich barg, rieb an meiner Scheide. Ob er das absichtlich machte? Oder war es nur eine Folge dessen, weil er sich vorgebeugt hatte, um auch die Schnallen an meinem zweiten Arm zu lösen? Er griff nach meinen Handgelenken, führte sie zusammen und hakte die Manschetten ineinander.

»Ich möchte endlich wissen, was du mit mir vorhast! Und warum ausgerechnet ich?«

Er schüttelte bedächtig den Kopf. »Du bist ungeduldig. Und du solltest dich darin üben, erst dann zu sprechen, wenn du gefragt wirst. Aber ich bin mir sicher, du wirst dich an die Regeln schnell gewöhnen. Du bist ein kluges Mädchen.«

Welche Regeln? Ich wollte gerade den Mund öffnen, als er mir zuvor kam: »Und jetzt sei still. Es sei denn, du möchtest, dass ich dir wieder den Mund zuklebe.« Er drehte sich um und nahm die Rolle Klebeband vom Tisch. Ein lautes Reißen zischte durch die Luft. Demonstrativ zog er ein Stück davon ab.

Ich schüttelte energisch den Kopf. Eine seiner Regeln hatte ich bereits gelernt, Jeff würde seinen Willen durchsetzen, ob ich mich ihm freiwillig fügte oder nicht.

»Ich möchte, dass du aufstehst«, sagte er und öffnete den letzten Gurt um meinen Brustkorb. »Und«, fuhr er fort, »ich möchte, dass du genau das tust, was ich von dir verlange. Wenn du meinen Anweisungen folgst, werde ich dir nicht wehtun.«

Und wenn ich es nicht tue?, hätte ich am liebsten gefragt. Doch ich fragte nicht. Stattdessen versuchte ich, mir selbst Antworten darauf zu geben. Er hatte gesagt, es sei ein Spiel. War ich das Spielzeug? Aus einer Laune heraus konnte die Idee für dieses Spiel nicht entstanden sein, dafür war alles zu perfekt organisiert. Die Manschetten waren extra angefertigt. Jeder der Räume, den ich bis jetzt zu sehen bekommen hatte, diente einem Zweck. Ich war mir sicher, Jeff und Theo machten das nicht zum ersten Mal.

Jeff fasste nach meinen aneinandergehakten Händen und zog mich in eine aufrechte Position.

Ich rutschte von der Liege und erschrak. An meiner rechten, äußeren Schamlippe entdeckte ich einen kleinen Ring.

»Auch daran wirst du dich gewöhnen«, sagte Jeff. Er zog ein weiteres Mal an den Manschetten, bis ich auf beiden Füßen stand. War es dieser Ring gewesen, der den Schmorgeruch verursacht hatte? Hatte der Mann im Kittel ihn etwa gelötet? Damit ich ihn nicht mehr abbekam? Das war doch verrückt, was bezweckten sie damit?

»Bleib hier stehen«, sagte Jeff und öffnete einen Wandschrank. Kurz darauf hielt er eine Kamera mit großem Objektiv in der Hand. Er würde doch nicht etwa Fotos von mir machen wollen. Auf denen ich nackt war, womöglich noch in obszönen Posen. Wofür? Um sie ins Internet zu stellen?

»Stell dich bitte an die Wand.« Er deutete auf eine kahle weiße Wand neben der Liege.

Die Bitte konnte er sich in die Haare schmieren, das würde ich nicht tun! Ich blieb stehen und schüttelte den Kopf.

Sein Blick traf mich hart. Unruhe machte sich in mir breit. Aber da war noch ein anderes Gefühl, das mich irritierte. Je länger ich seinem Blick standhielt, desto mehr prickelte es in meiner Scham. Reizte es mich etwa, was da gerade zwischen uns ablief? Das Prickeln verstärkte sich sogar, als er mir sagte, er würde meine Brustwarze packen, um mich daran an die Wand zu ziehen, sollte ich nicht tun, worum er mich gebeten hatte.

Keine Ahnung, warum ich ihn dazu herausfordern wollte, aber ich blieb trotzdem stehen. Tatsächlich griff er nach meiner Brustwarze und ließ sie auch nicht mehr los, bis ich ihm schnellen Schrittes folgte.

»Dreh dich mit dem Gesicht zur Wand«, sagte er und drückte einige Knöpfe an der Kamera.

War ich etwa feucht? Das konnte unmöglich sein. Sicher war das noch von vorhin. Ein Nachbeben sozusagen. Denn an dem, was er mit mir machte, konnte es ja kaum liegen. Er zwang mich zu Dingen, die ich nie aus freien Stücken tun würde. Er entzog mir meine Freiheit. Er war ein Verbrecher und ich gehörte hier nicht her. Und wenn sich die Gelegenheit ergab, war ich weg.

»Ich möchte erst wissen, wofür die Fotos sind«, sagte ich.

»Habe ich nicht gesagt, du sollst still sein?« Seine Stimme klang ruhig, als wollte er mir demonstrieren, dass ich es nicht schaffen würde, ihn zu provozieren.

Ich biss mir auf die Lippe. Wut keimte in mir. Seine kargen Antworten gefielen mir nicht. Warum sagte er mir nicht einfach, was los war?

Er neigte seinen Kopf in Richtung Wand. Ich folgte seiner Anweisung, denn solange er vor der Tür stand, war es ohnehin nicht möglich zu fliehen. Und ich würde fliehen, dazu war ich fest entschlossen. Bei der erstbesten Gelegenheit, die sich mir bot, würde ich davonlaufen.

Ich drehte mich um und starrte an die glatt verputzte Wand. Seine Hand berührte meine Schulter, er legte meine Haare zur Gänze nach hinten. Gleichzeitig bebte ein Schauder durch meinen Leib und bedeckte meinen Körper mit Gänsehaut. Ich atmete tief ein und stieß einen Schwall Luft aus. Leise, damit er es nicht mitbekam. Es erregte mich, wie er mich berührte. So sanft und doch so fordernd. Es war nur eine Berührung, sagte ich mir, sie war zärtlich und es war ganz normal, dass es mir gefiel.

Sekunden später klickte der Auslöser der Kamera. Mehrere Male hintereinander.

»Dreh dich um«, hörte ich ihn sagen.

Ich tat es und war froh, dass die gefesselten Hände meine Scham verdeckten. Obwohl ich meinen Körper mochte und ihn gern gewagt kleidete, schämte ich mich, nackt vor ihm zu stehen. Weil ich auch nicht wusste, wozu er diese Fotos brauchte.

»Spreiz die Beine. Ich möchte das Schmuckstück glitzern sehen, das ich dir zum Geschenk gemacht habe«, sagte er und sah mich schmunzelnd an. »Deinen wütenden Blick darfst du gern beibehalten.«

Ich kniff die Augen ein Stück weiter zusammen und öffnete die Beine, kaum merklich. Jeff legte die Kamera auf einem der Tische ab und kam zu mir. Sofort wusste ich, dass ich wieder leiden sollte. Er griff mir in die Haare und sah mich an.