Immun - Philipp Dettmer - E-Book

Immun E-Book

Philipp Dettmer

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Beschreibung

Das Immunsystem als Blockbuster: vom Macher des YouTube-Kanals »kurzgesagt« Philipp Dettmer, Gründer und Kopf von »kurzgesagt - in a nutshell«, einer der weltweit erfolgreichsten Wissenskanäle auf YouTube, erklärt unser Immunsystem anschaulich, unterhaltsam und witzig – passend in eine Zeit, in der viele genauer wissen möchten, wie die Immunabwehr unseres Körpers eigentlich funktioniert.  In jeder Sekunde unseres Lebens werden wir angegriffen. Bakterien, Viren, Pilzsporen und andere Lebewesen wollen in unseren Körper eindringen, unsere Energie rauben und uns krank machen. Doch dann werden sie von einer riesigen Armee Zellen angegriffen, unserem Immunsystem. Die Zellen kämpfen wie ein T-Rex auf Speed und opfern ihr eigenes Leben für uns. Ohne Immunsystem würden wir innerhalb von Sekunden sterben. Das klingt simpel, ist aber in Wirklichkeit kompliziert, wunderschön und einfach erstaunlich.   »Mit seinen großartigen Vergleichen und genialen Erklärungen für komplizierte Gedanken gibt Philipp Dettmer eine glänzende Einführung in das riesige System, mit dem unser Organismus gegen Infektionen und andere Bedrohungen kämpft.« – John Green, Autor des Bestsellers Das Schicksal ist ein mieser Verräter »Immun liest sich wie ein fesselnder Sciencefiction-Roman: Philipp Dettmer nimmt uns mit auf eine Reise in unseren eigenen Organismus. Dort begegnen wir den erfahrenen Kriegern, skrupellosen Gladiatoren und getarnten Detektiven, die uns im alltäglichen Krieg gegen Billionen erbarmungslose, feindliche Mikroorganismen beschützen. Seit ich das Buch gelesen habe, verstehe ich meinen Körper besser als je zuvor. Immun ist ein Leckerbissen für Neugierige.« – Tim Urban

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Seitenzahl: 443

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Das Buch

In jeder Sekunde unseres Lebens werden wir angegriffen. Millionen von Bakterien und Viren wollen in unseren Körper eindringen, ihn kolonialisieren und seine Ressourcen stehlen. Doch eine komplexe Armee aus verschiedensten Spezialisten – mit Soldaten, Offizieren und Geheimagenten – stellt sich ihnen in den Weg und sorgt jeden Tag dafür, dass wir noch etwas länger überleben. Diese unermüdlichen Kämpfer beschützen uns vor Krebs, heilen Wunden und trainieren immer aufs Neue unzählige frische Zellen, die sich kompromisslos aufopfern. Für unser Überleben. Das klingt simpel, ist aber in Wirklichkeit kompliziert, wunderschön und einfach erstaunlich.»Immun liest sich wie ein fesselnder Science-Fiction-Roman: Philipp Dettmer nimmt uns mit auf eine Reise in unseren eigenen Organismus. Dort begegnen wir den erfahrenen Kriegern, skrupellosen Gladiatoren und getarnten Detektiven, die uns im alltäglichen Krieg gegen Billionen erbarmungslose, feindliche Mikroorganismen beschützen. Seit ich das Buch gelesen habe, verstehe ich meinen Körper besser als je zuvor. Immun ist ein Leckerbissen für Neugierige.« – Tim Urban, Gründer der Website WAIT BUT WHY

Der Autor

Philipp Dettmer ist Informationsdesigner und lebt in München. 2013 gründete er den YouTube-Kanal »kurzgesagt – in a nutshell«, der inzwischen 15 Millionen Abonnenten weltweit hat und zu einem der erfolgreichsten Wissenschaftsblogs auf YouTube zählt. 2017 wurde der Kanal mit dem Deutschen Webvideopreis ausgezeichnet. Seine Erklärvideos und Infographiken werden außerdem bei FUNK, dem Online-Medienangebot von ARD und ZDF, in dem Kanal »Dinge erklärt – kurzgesagt« ausgestrahlt. Dieser Kanal hat über 1 Millionen deutsche Abonnenten.

Philipp Dettmer

IMMUN

Alles über das faszinierende System,das uns am Leben hält

Aus dem Amerikanischen von Anne Flückiger und Sebastian Vogel

Mit Illustrationen von Philip Laibacher

ullstein extra

Die amerikanische Originalausgabe erschien 2021 unter dem Titel IMMUNE – A Journey into the Mysterious System that Keeps You Alive bei Random House, einem Imprint von Penguin Random House LLC, New York.

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ISBN 978-3-8437-2596-5

© 2021 der deutschen Ausgabe:

Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin

© 2021 by Philipp Dettmer

Umschlaggestaltung: zero-media.net, München nach einer Vorlage von Random House Inc., New York.

Umschlagmotiv: Philip Laibacher

Autorenfoto: Marie Jacquemin

E-Book: LVD GmbH, Berlin

Alle Rechte vorbehalten.

Inhaltsverzeichnis
Über das Buch / Über den Autor
Titel
Impressum
Widmung
Einleitung
Teil 1: Darf ich vorstellen: dein Immunsystem
1 Was ist das Immunsystem?
2 Was gibt’s zu verteidigen?
3 Was sind eigentlich Zellen?
4 Die Imperien und Königreiche des Immunsystems
Teil 2: Katastrophale Schäden
5 Lern deine Feinde kennen
6 Das Wüstenkönigreich der Haut
7 Die Schnittwunde
8 Die Soldaten des angeborenen Immunsystems: Makrophagen und Neutrophile
9 Entzündungen: das Spiel mit dem Feuer
10 Nackt, blind und verängstigt: Woher wissen Zellen, wohin sie müssen?
11 Die Bausteine des Lebens erschnüffeln
12 Das unsichtbare Killerheer: das Komplementsystem
13 Geheimdienst deines Immunsystems: die dendritische Zelle
14 Schnellstraßen und Megastädte
15 Die Ankunft der Superwaffen
16 Die größte Bibliothek des Universums
17 Leckere Rezeptor-Rezepte
18 Die Killer-Universität
19 Informationen auf dem Silbertablett: die Antigen-Präsentation
20 Das Erwachen des adaptiven Immunsystems: die T-Zellen
21 Waffenfabriken und Scharfschützen: B-Zellen und Antikörper
22 Der Tanz von T und B
23 Antikörper
Teil 3: Feindliche Übernahme
24 Das Königreich der Schleimhautsümpfe
25 Seltsam und speziell: das Immunsystem im Darm
26 Was ist ein Virus?
27 Das Immunsystem unserer Lunge
28 Grippe: Vor diesem »harmlosen« Virus haben wir zu wenig Respekt
29 Chemische Kriegsführung: Interferone, bitte intervenieren!
30 Das Fenster zur Seele unserer Zellen
31 Killer-T-Zellen: die Mordspezialisten
32 Natürliche Killer
33 Die Virusinfektion wird ausgerottet
34 Das Immunsystem wird wieder heruntergefahren
35 Immun: ewige Erinnerung an einen Feind
36 Impfstoffe und künstliche Immunisierung
Teil 4: Aufstand und Bürgerkrieg
37 Wenn das Immunsystem zu schwach ist: HIV und AIDS
38 Wenn das Immunsystem zu aggressiv wird: Allergien
39 Parasiten und warum unser Immunsystem sie möglicherweise vermisst
40 Autoimmunkrankheiten
41 Die Hygienehypothese und alte Freunde
42 Wie kannst du das Immunsystem stärken?
43 Stress und das Immunsystem
44 Krebs und das Immunsystem
45 Die Corona-Pandemie
Ein paar Worte zum Schluss
Quellenhinweis
Danksagung
Feedback an den Verlag
Empfehlungen

Für Cathi und Mochi

Einleitung

Stell dir vor, du wachst eines Morgens auf und fühlst dich nicht so gut. Nervige Halsschmerzen, laufende Nase, leichter Husten. Wie hart mein Leben doch ist!, denkst du unter der Dusche, aber kein Grund, nicht zur Arbeit zu gehen. Und während du der Welt beweist, dass du kein Weichei bist, beschwert sich auch dein Immunsystem nicht. Vielmehr hat es gerade alle Hände voll zu tun, dich am Leben zu erhalten, damit du auch morgen noch jammern kannst. Da Eindringlinge deinen Körper stürmen, um Hunderttausende deiner Zellen zu töten, stellt dein Immunsystem eine komplexe Verteidigung auf, kommuniziert über riesige Distanzen und aktiviert komplizierte Abwehrmechanismen; schließlich geht es darum, den schnellen Tod von Millio­nen, wenn nicht Milliarden Feinden sicherzustellen, während du immer noch leicht genervt unter der Dusche stehst.

All diese komplexen Vorgänge passieren quasi im Verborgenen. Was ziemlich schade ist, denn kaum etwas anderes hat einen so großen Einfluss auf deine Lebensqualität wie dein Immunsystem. Es arbeitet allumfassend und flächendeckend, schützt dich bei kleinen Ärgernissen wie Erkältungen, Kratzern und Schnitten, vor allem aber bei lebensbedrohlichen Krankheiten wie Krebs, Lungenentzündungen und Virusinfektionen wie COVID-19. Dein Immunsystem ist genauso unverzichtbar wie dein Herz und deine Lunge und tatsächlich eines der größten und weitreichendsten Organsysteme in deinem Körper, auch wenn wir es uns kaum als solches vorstellen.

Für die meisten von uns ist das Immunsystem ein nebulöses Etwas, das merkwürdigen, undurchschaubaren Regeln folgt und das manchmal funktioniert und manchmal nicht. Ein bisschen wie das Wetter: sehr schwierig vorherzusagen und ständig irgendwelchen Spekulationen und Meinungen unterworfen, weshalb es uns ziemlich zufällig erscheint. Nun gibt es zwar eine Menge Leute, die völlig überzeugt über das Immunsystem sprechen, doch ohne sich selbst damit auszukennen, fällt es schwer zu beurteilen, welchen Informationen man vertrauen kann und warum. Was ist denn das Immunsystem überhaupt? Und wie funktioniert es?

Dieses Buch zu lesen und die Mechanismen zu begreifen, die uns am Leben erhalten, ist also nicht nur ein nettes Training für unsere grauen Zellen; es ist auch ein Wissen, das jeder Mensch haben sollte. Wenn du weißt, wie das Immunsystem funktioniert, wirst du zum Beispiel Impfungen besser verstehen und weshalb sie dein eigenes sowie das Leben deiner Kinder retten können. Du wirst eine ganz andere Sicht auf Krankheiten gewinnen und dich weniger vor ihnen fürchten. Du bist nicht mehr irgendwelchen Quacksalbern ausgeliefert, die vermeintliche Wundermittel verkaufen. Du kannst besser einschätzen, welche Medikamente dir tatsächlich helfen können, wenn du krank bist. Du lernst, wie du dein Immunsystem stärken kannst. Du bist in der Lage, deine Kinder wirkungsvoll vor gefährlichen Keimen zu schützen, ohne Angst haben zu müssen, wenn sie sich draußen beim Spielen dreckig machen. Und in dem so unwahrscheinlichen Fall wie einer Pandemie wirst du all den Äußerungen von Gesundheitsministern und Experten besser folgen können, wenn du weißt, was ein Virus ist, was es mit dir anstellt und wie dein Körper sich dagegen wehrt.

Abgesehen von diesen vielen praktischen und hilfreichen Dingen ist das Immunsystem eines der größten Wunder der Natur. Es ist nämlich nicht bloß ein Werkzeug, das deinen Husten verschwinden lässt, sondern untrennbar verbunden mit so gut wie allen Vorgängen in deinem Körper. Und obwohl dein Immunsystem eigentlich dazu da ist, dein Überleben zu sichern, kann es auch deinen verfrühten Tod verursachen, wenn es versagt oder hyperaktiv ist.

Die enorme Komplexität des menschlichen Immunsystems fasziniert und verfolgt mich seit fast zehn Jahren. Angefangen hat es mit einem Semesterprojekt für mein Informations­design-Studium. Das Immunsystem erschien mir dafür sehr passend. Also besorgte ich mir einen Stapel Bücher und vergrub mich darin. Doch egal, wie viel ich darüber las, es blieb unheimlich kompliziert. Und je mehr Wissen ich mir aneignete, desto weniger glaubte ich daran, das Immunsystem in einfacher Form verständlich machen zu können. Ständig tauchten weitere Mechanismen, weitere Ausnahmen und noch komplexere Zusammenhänge auf.

Das Projekt sollte ursprünglich nur einen Frühling lang dauern. Es wurde Sommer, dann Herbst, dann Winter … Die Interaktionen zwischen den verschiedenen Teilen des Immunsystems wirkten so elegant wie ein schöner Tanz, dass ich einfach nicht aufhören konnte, noch mehr und noch mehr darüber zu lernen.

Mit dem wachsenden Wissen veränderte sich auch meine Sicht auf meinen Körper von Grund auf. Bekam ich eine Grippe, verfiel ich nicht wie sonst in selbstmitleidiges Gejammer, sondern beobachtete meinen Körper auf einmal ganz genau, befühlte die geschwollenen Lymphknoten und stellte mir vor, was meine Immunzellen gerade taten, welcher Teil des Netzwerks aktiv war und wie T-Zellen Millionen Eindringlinge abtöteten, um mich zu schützen. War ich mal wieder unvorsichtig und zog mir im Wald einen Kratzer zu, war ich dankbar für die Makrophagen, jene großen Immunzellen, die erschrockene Bakterien jagen und in Stücke reißen, um die offene Wunde vor Infektionen zu schützen. Als ich dummerweise in den falschen Müsliriegel biss und mit einem allergischen Schock reagierte, dachte ich auf dem Weg ins Krankenhaus über Mastzellen und IgE-Antikörper nach, die mich fast umgebracht hätten, weil sie meinten, mich vor supergefährlichen Lebensmitteln beschützen zu müssen.

Als ich dann mit zweiunddreißig Jahren die Diagnose Krebs erhielt und mehrere Operationen sowie Chemotherapie über mich ergehen lassen musste, wurde ich noch besessener von der Immunologie. Denn zu den Aufgaben des Immunsystems gehört es, Krebszellen abzutöten. In meinem Fall hatte es zwar versagt, aber irgendwie machte es mich gar nicht so wütend, weil ich wusste, wie schwierig dieser Job für meine Immunzellen war und wie schwer sie dem Krebs das Leben trotz allem machten. Und als die Chemotherapie schließlich den Krebs wegschmelzen ließ, hatte ich wieder vor Augen, wie meine Immunzellen in die sterbenden Tumore einfielen und sie Zelle für Zelle auffraßen.

Krankheiten sind beunruhigend und machen Angst, und ich hatte wahrlich schon mehr als genug davon. Es hat mich jedoch immer getröstet zu wissen, wie meine Zellen mich verteidigen, schützen und für mich sterben, wie mein Immunsystem, dieser zentrale und ganz persönliche Teil von mir, für meinen Körper kämpft, ihn heilt und wiederherstellt. Mehr über das Immunsystem zu wissen hat mein Leben insgesamt besser und interessanter gemacht und mir einiges von der Angst genommen, die mit Krankheiten einhergeht. Zusammenhänge und Prozesse des Immunsystems zu kennen hat vieles relativiert.

Es hat mir aber auch einfach Spaß gemacht, immer tiefer in die Materie vorzudringen, und wurde regelrecht zu einem Hobby. Bis ich schließlich in die Wissenschaftskommuni­kation einstieg und es zu meiner Lebensaufgabe machte, komplexe Sachverhalte gut verständlich zu vermitteln. Vor etwa acht Jahren gründete ich den YouTube-Kanal Kurzgesagt – In A Nut­shell, der Wissen anschaulich und ansprechend präsentieren, dabei aber wissenschaftlich so exakt wie möglich sein sollte. Heute – im Frühjahr 2021 – arbeiten im Kurzgesagt-Team über vierzig Leute an dieser Vision mit, der Kanal hat über vierzehn Millionen Abonnenten und erreicht jeden Monat etwa dreißig Millionen Zuschauer. Aber wenn es diese riesige Plattform schon gibt, wieso mache ich mir dann die Heidenarbeit, dieses Buch zu schreiben? Tja … wir haben zwar einige sehr erfolgreiche Videos über das Immunsystem gemacht, mich hat aber immer gestört, dass ich dieses wunderbare Thema dabei nicht in der Tiefe behandeln konnte, die ihm zusteht. Dafür reicht ein Zehn-Minuten-Video einfach nicht. Dieses Buch ist also der Versuch, meine bald zehn Jahre dauernde Liebelei mit dem Immunsystem zu etwas Handfestem zu machen, das dir hoffentlich dabei hilft, auf unterhaltsame Art und Weise etwas über jene ebenso erstaunliche wie wunderschöne Vielschichtigkeit zu lernen, die uns Tag für Tag am Leben hält.

Leider ist das Immunsystem, gelinde gesagt, kompliziert. Etwa so kompliziert wie die Besteigung des Mount Everest. Und ungefähr so leicht verständlich wie das deutsche Steuergesetz auf Chinesisch. Abgesehen von dem Gehirn ist das Immunsystem das komplexeste biologische System, das wir kennen. Und je ­dicker ein Immunologie-Lehrbuch ist, desto mehr Details türmen sich auf, desto mehr Ausnahmen kommen zum Vorschein, desto verschlungener wird das ganze System und desto spezifischer für jede einzelne Eventualität. Jeder der vielen Teile des Immunsystems hat diverse Jobs, Funktionen und Spezialgebiete, die sich aber alle überschneiden und gegenseitig beeinflussen. Willst du das Immunsystem dennoch verstehen lernen, taucht die nächste Hürde auf: die Menschen, die das Immunsystem beschreiben.

Wissenschaftler haben den Grundstein gelegt für die wunderbare moderne Welt, in der wir heute leben dürfen. Das war harte Arbeit und bedingte bodenlose Neugier, weshalb wir diesen Frauen und Männern größte Dankbarkeit schulden. Bedauerlicherweise waren und sind Wissenschaftler aber oft sehr schlecht darin, schlüssige Bezeichnungen und eine verständliche Sprache für ihre Entdeckungen zu finden. Dabei dürften die Immunologen zu den schlimmsten Übeltätern gehören. So wird eine eh schon atemberaubend komplexe Disziplin noch schwieriger durch Wörter wie Haupthistokompatibilitätskomplexmolekül-Klasse-I und -Klasse-II, Gamma-delta-T-Zellen, Interferon-alpha, -beta, -gamma und -kappa oder das Komplementsystem mit Mitspielern wie der C5-Konvertase, sprich dem C4b2a3b-Komplex. Es ist also wirklich kein Zuckerschlecken, ein Lehrbuch aufzuschlagen, um mal rasch etwas über das Immunsystem zu erfahren. Die hochkomplexen Beziehungen zwischen den vielen Teilen des Immunsystems, die zahllosen Ausnahmen und die umständlichen und unverständlichen Regeln zu kapieren ist auch ohne all die sprachlichen Stolpersteine eine riesige Heraus­forderung. Immunologie ist kompliziert – selbst für Leute, die im Gesundheitssystem arbeiten, selbst für Leute, die Immunologie studieren, ja selbst für die führenden Expertinnen und Experten auf dem Gebiet.

Das alles macht es so furchtbar, das Immunsystem erklären zu wollen. Wird zu stark vereinfacht, geht die Schönheit des Ganzen flöten, das Wunder dieses evolutionären Geniestreichs, dieser scheinbar unendlichen Komplexität, die sich mit den zentralsten Problemen des Lebens beschäftigt. Wird hingegen jedes Detail aufgeführt, kann kaum noch jemand mithalten, und die Gefahr, seine Leser zu Tode zu langweilen, ist groß. Alles aufzulisten geht also schlicht zu weit. Das wäre etwa so, als würde dir jemand gleich beim ersten Date seine komplette Lebensgeschichte erzählen: völlig erdrückend. Und deine Lust auf ein zweites Date wäre vermutlich dahin.

In diesem Buch versuche ich, diese Hindernisse vorsichtig zu umgehen. Ich benutze Normalsterblichensprache und setze nur dann komplizierte Wörter ein, wenn es wirklich nötig ist. Auch Prozesse und Interaktionen vereinfache ich, solange ich dabei wissenschaftlich korrekt bleiben kann. Und habe ich dir in dem einen Kapitel sehr viele Informationen serviert, dann ist ein anderes gechillter, damit du etwas durchatmen kannst. Außerdem gibt’s immer mal wieder eine Zusammenfassung dessen, was du bereits gelernt hast. Kurzum: Dieses Buch soll es jedem ermöglichen, sein eigenes Immunsystem zu verstehen und dabei hoffentlich auch etwas Spaß zu haben. Hinzu kommt, dass all diese Komplexität und Schönheit eng mit deiner eigenen Gesundheit und deinem Überleben verknüpft sind. Insofern lernst du dabei sicher auch das eine oder andere Nützliche über dich selbst. Und wenn du dich wieder einmal krank fühlst, wirst du deinen Körper hoffentlich mit ganz neuen Augen betrachten.

Hier noch der obligatorische Hinweis: Ich bin kein Immunologe, sondern komme aus der Wissenschaftskommunikation und bin einfach ein großer Fan des Immunsystems. Am Ende des Buches findest du einen Link zu den Quellenangaben und Empfehlungen zum Weiterlesen.

Dieses Buch kann niemals alle Immunologen zufriedenstellen. Gleich zu Beginn meiner Recherchen hat sich gezeigt, dass jede Menge unterschiedlicher Vorstellungen und Konzepte zu einzelnen Details des Immunsystems existieren und dass sich auch Wissenschaftler über vieles nicht einig sind (was Wissenschaft ja überhaupt erst aus- und so aufregend macht!). Zum Beispiel halten manche Immunologen gewisse Zellen für überflüssige Fossilien, während andere die gleichen Zellen als unerlässlich für unsere Abwehr erachten.

Dieses Buch stützt sich auf Gespräche mit Wissenschaftlern, auf aktuelle Lehrbücher der Immunologie und auf wissenschaftliche Artikel. Trotzdem wird es irgendwann bestimmt überarbeitet werden müssen. Und das ist auch gut so! Die Wissenschaft der Immunologie ist ein dynamisches Feld, in dem immer wieder spannende Dinge passieren, in dem verschiedene Theorien und Ideen sich gegenseitig beeinflussen, in dem es noch vieles zu entdecken gibt. Das ist großartig, weil es bedeutet, dass wir ständig mehr über uns selbst und unsere Welt herausfinden.

Bevor wir jetzt ins kalte Wasser springen und uns anschauen, was das Immunsystem eigentlich so macht, wollen wir zunächst die Grundlagen definieren, damit wir in der Hinsicht festen Boden unter den Füßen haben: Was ist das Immunsystem? In welchem Kontext arbeitet es? Und welche klitzekleinen Teile verrichten die eigentliche Arbeit? Haben wir diese Grundlagen intus, schauen wir uns an, was bei einer Verletzung passiert und wie das Immunsystem dir zu Hilfe eilt. Danach sehen wir uns an, wie sich das Immunsystem bemüht, die empfindlichsten Teile deines Körpers vor schweren Infektionen zu schützen. Und schließlich werfen wir noch einen Blick auf Immunstörungen wie Allergien und Autoimmunerkrankungen, wobei wir auch klären, ob und wie du dein Immunsystem bei seiner Arbeit unterstützen kannst.

Aber nun lass uns am Anfang anfangen. Besser ist’s …

Teil 1

Darf ich vorstellen:dein Immunsystem

1 Was ist das Immunsystem?

Die Geschichte des Immunsystems hat vor etwa dreieinhalb Milliarden Jahren begonnen, und zwar mit der Geschichte des Lebens selbst, in einer merkwürdigen Pfütze auf einem feindseligen, unendlich einsamen Planeten. Wir wissen nicht, was bei diesen ersten Lebewesen in der Pfütze so abging, jedenfalls waren sie schon bald ziemlich fies zueinander. Du denkst, dein Leben sei hart, weil du morgens so früh aufstehen und die Kinder startklar machen musst oder weil dein Burger kalt ist? Da können die ersten lebenden Zellen nur drüber lachen. Während sie dabei waren herauszufinden, wie sich die Chemie in ihrer Umgebung in brauchbare Stoffe umwandeln ließ, mussten sie sich gleichzeitig ständig genug Energie besorgen, um überhaupt am Leben zu bleiben. Dabei nahmen einige von ihnen einfach eine Abkürzung. Warum selber schuften, wenn man auch bei anderen stibitzen kann? Dafür konnte man entweder seinen Nächsten als Ganzes verschlucken oder ihn durchlöchern und sein Inneres aussaugen. Beides barg allerdings die Gefahr, plötzlich selbst zum Opfer zu werden. Vor allem, wenn der Nächste größer und stärker war als man selbst. Einen sicheren Weg zum Ziel gab es aber: Man schlüpfe in den anderen hinein und mache es sich dort bequem. Mitfuttern im fremden Schoß. Klingt irgendwie schön, wenn dieses Schmarotzertum nicht so schreckliche Folgen für den Wirt hätte.

Schmarotzer aber hatten damit ihre Überlebensstrategie gefunden. Gleichzeitig wurde es aber evolutionär notwendig, sich gegen sie zu verteidigen. In den nächsten knapp drei Milliarden Jahren traten die Mikroorganismen gegeneinander an und bekämpften einander mit den immer gleichen Waffen. Könntest du mit einer Zeitmaschine zurückreisen, um diesem wunderlichen Kampf beizuwohnen, würdest du dich ziemlich bald langweilen. Noch war nichts groß genug, dass du es mit bloßem Auge hättest sehen können. Nur ein hauchdünner Bakterienfilm auf feuchten Felsen. In den ersten paar Milliarden Jahren war die Erde ein ziemlich öder Ort. Bis das Leben den wahrscheinlich größten Sprung seiner Geschichte machte und von nun an immer komplexer wurde: Neben Einzellern, die auf sich allein gestellt sind, entstanden große Zellgemeinschaften (Mehrzeller), die eng zusammenarbeiten und sich spezialisieren. Was diesen gewaltigen Entwicklungsschritt ausgelöst hat, wissen wir allerdings nicht genau.*

* Vielleicht handelte es sich ironischerweise um eine Nebenerscheinung der fiesen Einzeller. Irgendwann muss eine Zelle eine andere verschluckt haben, ohne sie zu zerstören, und diese beiden Zellen begannen eine der erfolgreichsten Partnerschaften auf unserem Planeten. Eine Partnerschaft, die bis heute bestens funktioniert. Die »innere Zelle« (die wir Mitochondrien nennen) hat sich darauf spezialisiert, dem Wirt Energie zur Verfügung zu stellen, während die »äußere Zelle« Schutz bietet und Futter auftreibt. Dieser Deal klappte richtig gut und erlaubte es der neuen Superzelle, immer komplexer zu werden.

Vor etwa fünfhunderteinundvierzig Millionen Jahren wurde mehrzelliges tierisches Leben plötzlich allgegenwärtig – und jetzt auch sichtbar. Aber nicht nur das: Es wurde auch binnen kürzester Zeit immer vielfältiger. Das war natürlich problematisch für unsere neu entwickelten Vorfahren. Milliarden von Jahren hatten die Keime in ihrer eigenen winzigen Welt um Platz und Ressourcen gekämpft, und das in jedem verfügbaren Ökosystem. Nun sind Tiere für Bakterien und andere Viecher aber auch nichts anderes als einladende Ökosysteme. Schließlich sind sie randvoll mit kostenlosen Nährstoffen. Eindringlinge und Parasiten waren somit von Anfang an eine existenzielle Gefahr für mehrzellige Lebensformen.

Nur Mehrzeller, die irgendwie mit dieser Bedrohung fertigwurden, hatten überhaupt eine Chance, zu überleben und sich weiterzuentwickeln. Leider ist es uns nicht möglich, das Immunsystem von Fossilien zu studieren, da Zellen und Gewebe einfach keine Hunderte Millionen Jahre überdauern. Doch dank der Wissenschaft können wir die vielen Äste des Lebensbaums studieren und das Immunsystem jener Tiere unter die Lupe nehmen, die daraus entstanden sind und die es heute noch gibt. Grundsätzlich gilt: Je weiter voneinander entfernt zwei Lebewesen auf dem Lebensbaum liegen, dabei aber immer noch gewisse gemeinsame Immuneigenschaften haben, desto älter müssen diese Eigenschaften sein.

Die große Frage lautet also, worin sich verschiedene Immunsysteme unterscheiden und welche Gemeinsamkeiten es zwischen verschiedenen Tieren gibt. So gut wie alle heutigen Lebewesen verfügen über irgendeine Form einer inneren Abwehr – und je komplexer das Lebewesen, umso komplexer das Immunsystem. Indem wir also die Abwehrsysteme von entfernt verwandten Tieren vergleichen, können wir eine Menge über das Alter des Immunsystems lernen.

Selbst die kleinsten Lebewesen, sprich Bakterien, geben nicht kampflos auf, sondern besitzen Abwehrmechanismen gegen Viren. Und Schwämme, die einfachste und älteste lebende Tierart – sie existieren seit mehr als einer halben Milliarde Jahren –, verfügen über die wohl älteste tierische Immunreaktion, die sogenannte humorale Immunantwort. In diesem Zusammenhang ist Humor das altgriechische Wort für Körpersaft. Die humorale Immunantwort meint also winzig kleine Proteine, die in der Körperflüssigkeit außerhalb der tierischen Zellen schwimmen und dort fremde Mikroorganismen jagen, um sie zu töten. Diese Urform der Verteidigung war bereits so erfolgreich, dass im Grunde alle Tiere darüber verfügen. Auch du. Die Evolution hat es gewissermaßen zum Kern jeglicher Immunabwehr gemacht; und es funktioniert immer noch wie vor einer halben Milliarde Jahren.

Das war aber erst der Auftakt.

Ein mehrzelliges Tier zu sein hat den großen Vorteil, ganz viele unterschiedlich spezialisierte Zellen einsetzen zu können. Von einem evolutionären Standpunkt aus betrachtet, dauerte es also vermutlich nicht sehr lange, bis Tiere auch Zellen besaßen, die auf die Abwehr spezialisiert waren. Auch diese zellbasierte Immunität war von Anfang an ein echter Renner. Sogar Würmer und Insekten haben spezialisierte Soldaten-Immunzellen, die sich frei durch den Tierkörper bewegen und jeden Eindringling direkt bekämpfen. Je höher wir in den Ästen der Evolution klettern, umso ausgeklügelter wird das Immunsystem. Aber schon auf den untersten Ästen, bei den ersten Wirbeltieren, kommen spezialisierte Immunorgane und Trainingszentren für Zellen ebenso zum Vorschein wie eines der mächtigsten Prinzipien der Immunität. Dabei handelt es sich um die Fähigkeit, spezifische Gegner zu erkennen, schnell jede Menge maßgeschneiderter Waffen gegen diese herzustellen und den Feind gegebenenfalls sogar wiederzuerkennen. Selbst einfachste Wirbeltiere wie kieferlose Fische mit ihrem absurden Aussehen verfügen über diese Abwehrmechanismen.

Im Laufe von Hunderten Jahrmillionen wurden die Verteidigungssysteme ausgefeilter und raffinierter, doch an den grundlegenden Prinzipien hat sich seit etwa einer halben Milliarde Jahren nichts geändert. Die Evolution musste das Immunsystem also nicht immer wieder neu erfinden, sondern brauchte ein großartiges System nur zu justieren.

Womit wir beim Menschen und damit bei dir selbst angelangt wären. Du hast das Glück, in den Genuss eines in Hunderten Jahrmillionen verfeinerten Immunsystems zu kommen. Du bist die Spitze der Immunsystementwicklung. Dabei ist das Immunsystem nicht irgendwo in dir drin, sondern es ist du. Es ist Ausdruck deiner Biologie, die sich selbst schützt und dir auf diese Weise zu leben ermöglicht. Wenn wir also vom Immunsystem sprechen, sprechen wir immer auch von dir.

Das Immunsystem ist auch nicht ein einziger Teil. Vielmehr ist es eine Ansammlung von Hunderten Stützpunkten und Rekrutierungszentren überall in deinem ganzen Körper, miteinander verbunden durch eine Schnellstraße. Ein Netzwerk aus Gefäßen, so ausgedehnt und omnipräsent wie dein Herz-Kreislauf-System. Und als wäre das noch nicht genug, sitzt in deiner Brust der Thymus, ein spezialisiertes Immunorgan von der Größe eines Hähnchenflügels, das allerdings mit den Lebensjahren an Effizienz einbüßt.

Darüber hinaus überwachen Milliarden von Immunzellen sowohl die Schnellstraße als auch deinen Blutkreislauf, jederzeit bereit, deine Feinde anzugreifen. Viele von ihnen halten in dem Gewebe Wache, das dich von der Außenwelt abgrenzt. Neben dieser Aktivverteidigung verfügst du über Abwehrsysteme aus Trillionen von Protein-Waffen, die du dir als herumschwimmende selbstorganisierte Landminen vorstellen kannst, sowie über spezialisierte Immununiversitäten, wo Zellen zu kämpfen lernen. Zudem arbeitet dein Immunsystem mit der größten biologischen Bibliothek der Welt, um alle Sorten von Eindringlingen, die dir in deinem Leben jemals begegnen könnten, zu erkennen und sich bei Bedarf an sie zu erinnern.

Grundsätzlich ist das Immunsystem ein Werkzeug, um Selbst und Nicht-Selbst voneinander zu unterscheiden. Dabei spielt es keine Rolle, ob das Nicht-Selbst dir schaden würde oder nicht. Steht es nicht auf der exklusiven Gästeliste, die freien Zugang garantiert, wird es vorsorglich attackiert und zerstört. Denn in der Welt des Immunsystems ist kein Nicht-Selbst es wert, ein Risiko einzugehen. Ohne diese bedingungslose Regel wärst du innerhalb von wenigen Tagen tot. Doch wie wir noch sehen werden, kann leider auch ein übereifriges oder zögerliches Immunsystem schweres Leid bis hin zum Tod verursachen.

Selbst und Nicht-Selbst zu unterscheiden liegt dem Immunsystem zwar als Prinzip zugrunde, sein Ziel aber ist es, die perfekte Balance zwischen allen Elementen und Zellen des Körpers aufrechtzuerhalten, die sogenannte Homöostase. Ich kann hier gar nicht genug betonen, wie tatkräftig das Immunsystem versucht, diesen Ausgleich zu wahren beziehungsweise wiederherzustellen, und wie besorgt es darum ist, sich selbst zu beruhigen und nicht überzureagieren. Dem Immunsystem geht es letztlich um eine stabile Ordnung, die dir das Leben angenehm und leicht macht. Wir nennen es Gesundheit. Sie ist die Voraussetzung für ein gutes Leben, in dem wir tun und lassen können, was wir wollen, ohne von Schmerzen oder Krankheiten eingeschränkt zu werden.

Wie wichtig Gesundheit ist, merken wir immer dann, wenn wir sie einbüßen. Gesundheit ist somit ein abstraktes Konzept, denn sie beschreibt die Abwesenheit von etwas. Die Abwesenheit von Leid und Schmerzen, die Abwesenheit von Einschränkungen. Bist du gesund, fühlst du dich normal, eben richtig. Verlierst du deine Gesundheit, und sei es für einen kurzen Moment, wirst du kaum je wieder vergessen können, wie zerbrechlich du bist und dass dein Leben eigentlich geliehene Zeit ist. Krankheiten sind ein unausweichlicher Teil des Lebens. Vielleicht hattest du bislang Glück und musstest dich noch nicht sonderlich damit auseinandersetzen. Aber hast du oder jemand, der dir nahesteht, jemals an einer ernsten Krankheit gelitten, weißt du, dass es für ein angenehmes Leben nichts Wichtigeres gibt als Gesundheit. Dafür tritt dein Immunsystem ein, indem es die Homöostase zu bewahren versucht.

Den Kampf um unsere Gesundheit können wir zwar nur verlieren, sterben müssen wir schließlich alle irgendwann, aber wir führen ihn natürlich trotzdem, um noch ein paar Jahre, Monate, Tage oder Stunden mehr am Leben zu sein. Denn im Großen und Ganzen ist es doch ziemlich schön zu leben, oder?

Deine Gesundheit aufrechtzuerhalten ist allerdings gar nicht so einfach, denn Tag für Tag kommst du mit zig Millionen Bakterien und Viren in Kontakt, die nur zu gern in deinem nährstoffreichen Körper wohnen würden, wie wir es schon von den urzeitlichen Einzellern wissen. Für einen Mikroorganismus bist du ein Ökosystem, das es zu erobern gilt. Ein vielversprechendes Land, reich an Rohstoffen, Brutstätten und Chancen. Ein richtig nettes Zuhause. Dass diese ganzen Bakterien und Viren am Ende immer gewinnen, liegt in der Natur der Sache: Wenn du stirbst, hält keine Abwehr mehr diese außer Rand und Band geratenen Mikroorganismen unter Kontrolle, weshalb sich der Zerfall deines Körpers explosionsartig beschleunigt.

Aber nicht nur über eine Unmenge kleiner Lebewesen, die versuchen, in dich einzudringen, musst du dir Gedanken machen, sondern auch über dein eigenes Selbst, das womöglich aus den Fugen gerät und den körpereigenen Gesellschaftsvertrag bricht. Die Folge: Krebs. Das zu verhindern ist eine der Hauptaufgaben des Immunsystems. Und während du die letzten paar Seiten gelesen hast, haben deine Immunzellen still und heimlich eine junge Krebszelle eliminiert.

Wird die Abwehr allerdings ausgetrickst, kann dein Immunsystem sogar Krankheiten in deinem Körper verbreiten oder dafür sorgen, dass keine Krebszellen mehr entdeckt werden. Es kann auch passieren, dass das ausgefeilte System aus dem Gleichgewicht gerät oder fehlerhaft ist und in seiner Verwirrung plötzlich den eigenen Körper als Feind wahrnimmt. Es kann das Selbst also für ein Nicht-Selbst halten und somit genau die Zellen angreifen, die es eigentlich beschützen soll. Solche Autoimmundefekte müssen ständig mit Medikamenten behandelt werden, die teilweise üble Nebenwirkungen haben.

Oder Allergien. Sie sind eine extrem starke Reaktion des Immunsystems auf Dinge, die ihm eigentlich egal sein sollten. Ein allergischer Schock zeigt sehr eindrücklich, wie viel Macht dein Abwehrsystem hat und wie dramatisch es versagen kann: Eine Krankheit braucht vielleicht Tage, um dich zu töten – dein Immunsystem schafft das innerhalb weniger Minuten.

Ach, und selbst ein Immunsystem, das einwandfrei funktioniert, kann mitunter ziemlich anstrengend sein, denn viele Krankheitssymptome rühren von einem Immunsystem her, das nur ordnungsgemäß seinen Job macht. Bei einigen Krankheiten kann eine aus dem Ruder gelaufene Immunantwort sogar die größten Schäden der gesamten Krankheit, wenn nicht den Tod verursachen. So sind zum Beispiel viele COVID-19-Patienten daran gestorben, dass ihr Immunsystem seinen Auftrag etwas zu enthusiastisch ausgeführt hat. Der Kollateralschaden, den deine aktive Immunabwehr dir im Laufe des Lebens zufügt, kann sich summieren. Inzwischen geht man davon aus, dass viele tödliche Krankheiten daraus resultieren, dass dein Immunsystem seinen Job richtig macht.

Ein schnell und hart agierendes Immunsystem ist für die Gesundheit also unabdingbar, doch genauso wichtig ist es, das Immunsystem im Zaum zu halten und zu verhindern, dass es austickt und selbstzerstörerisch agiert. Genau wie in der Menschenwelt: Wenn du schon in den Krieg ziehen musst, sollte dieser Krieg wenigstens möglichst kurz sein und hoffentlich mit einem klaren Sieg enden. Du willst keine jahrzehntelange Besetzung und Konflikte, die sämtliche Rohstoffe auffressen und eine zerstörte Infrastruktur zurücklassen.

Dein Immunsystem trägt also die enorme Verantwortung, dass du möglichst lange gesund bleibst. Obwohl es diesen Kampf am Schluss verloren haben wird, so ist es doch in jedem Moment deines Lebens wichtig, dass er mit der nötigen Sorgfalt ausgetragen wird. Auch jetzt.

Fassen wir noch einmal zusammen:

Kernprinzip des Immunsystems ist die Unterscheidung zwischen Selbst und Nicht-Selbst, während die Homöostase das Ziel ist. Das kann allerdings auf schrecklich viele Arten schiefgehen.

Was das Immunsystem so faszinierend macht, ist die Tatsache, dass all diese komplexen Vorgänge von Einzelteilen ausgeführt werden, die keinen Verstand haben, sondern jedes ist für sich allein genommen ziemlich blöd. Dennoch gelingt es ihnen, sich zu koordinieren und rasch auf eine veränderte Situation zu reagieren. Stell dir den Zweiten Weltkrieg vor, nur zehnmal so groß und ohne Generäle. Überall lauter kopflose Immun-Soldaten, die versuchen herauszufinden, ob sie Panzer brauchen oder doch eher Kampfflugzeuge und wo sie eigentlich hinmüssen. Und das alles innerhalb von wenigen Tagen. Schon bei einer ganz gewöhnlichen Erkältung muss dein Immunsystem in eine solche Schlacht ziehen.

Nehmen wir das Immunsystem nun genauer unter die Lupe, damit du beim nächsten Mal, wenn du dich unter der Dusche stehend über Erkältungssymptome ärgerst, zumindest kurz innehalten und deinen inneren Vorgängen Bewunderung zollen kannst, bevor du dich weiterärgerst.

2 Was gibt’s zu verteidigen?

Die Frage scheint erst mal ziemlich einfach zu beantworten zu sein: deinen Körper beziehungsweise deine Haut und alles Organische darunter. Logisch, oder? Aber das ist, wie sich unseren Planeten vom All aus anzusehen. Aus der Umlaufbahn wirst du dir niemals auch nur annähernd ein detailliertes Bild machen können.

Insofern müssen wir nun in eine sehr merkwürdige, fremdartige Welt reisen, noch merkwürdiger als die Tiefsee und so fremdartig wie ein unbekannter Planet. In eine Welt, in der kein einziges Lebewesen weiß, dass es existiert, und in der Monster ganz alltäglich sind. In eine Jahrmilliarden alte Welt. Stets allgegenwärtig, aber unsichtbar. Die Welt des Winzigsten, wo die Grenze zwischen tot und lebendig verschwimmt. Wo aus uns immer noch schleierhaften Gründen Biochemie zu Leben wird.

Zoomen wir also mal in dich hinein – ganz nah –, in deine Organe, durch das Gewebe hindurch bis zu unseren Grundbausteinen, den Zellen. Zellen gehören zu den kleinsten lebendigen Einheiten auf der Erde. Aus Sicht einer einzelnen Zelle ist dein Körper ein Planet, umgeben von einem feindseligen Universum. Ein gigantisches Konstrukt aus Röhren, so groß wie Berge, gefüllt mit Ozeanen voller Flüssigkeiten, die flutartig durch ein verzweigtes Kammersystem von der Fläche ganzer Nationen strömen. Abgesehen von den harten, kristallinen Knochen ist diese Welt lebendig. Eine Zelle kann an einer Wand um Einlass bitten und sich dann durch eine winzige Öffnung zwängen, die sich hinter ihr wieder schließt. Sie kann durch Kanäle schwimmen und Gebirge aus Fleisch bezwingen, um ans Ziel zu gelangen.

Die Zellen deines Immunsystems haben die Aufgabe, das alles zu verteidigen. Vor allem die Schwachstellen, an denen Feinde eindringen könnten, also hauptsächlich die Grenzen, die äußeren Teile des Körpers. Wenn du dir diese äußeren Teile vorstellst, fällt dir vermutlich als Erstes die Haut ein. Alles in allem hat deine Haut eine Oberfläche von etwa zwei Quadratmetern (was ungefähr der Fläche eines Billardtisches entspricht) und ist zum Glück gar nicht so schwer zu verteidigen, da sie hauptsächlich aus einer harten, dicken Schranke mit einem eigenen Verteidigungssystem besteht. Sie fühlt sich zwar weich an, aber solange sie unversehrt ist, gibt es kaum ein Hineinkommen.

Deine größte Schwachstelle für Infektionen sind deine Schleimhäute – das Material, mit dem deine Luftröhre und Lunge, deine Augenlider, dein Mund und deine Nase, dein Magen und dein Darm, deine Fortpflanzungsorgane und deine Blase ausgekleidet sind. Es ist schwierig, die genaue Fläche zu bestimmen, weil das von Mensch zu Mensch sehr unterschiedlich ist, aber durchschnittlich hat ein gesunder Mensch zweihundert Quadratmeter Schleimhäute (etwa so groß wie ein Tennisplatz), von denen die meisten in der Lunge und im Verdauungstrakt liegen.

Du hältst deine Schleimhäute sicherlich für etwas Inneres. Doch das stimmt so nicht, denn Schleimhäute sind im Grunde Außenwände. Wenn wir mal ganz ehrlich sind, bist du eigentlich nur eine komplizierte, wenn auch an beiden Enden verschließbare Röhre. Und die ist sehr feucht, schleimig und irgendwie eklig.

Deine Fortpflanzungsorgane, Nasenlöcher und Ohren sind zusätzliche Eingänge zu langen Tunneln und weiteren Kammern, die durch dich hindurchführen. All diese Orte sind also deine Außengrenzen, Berührungspunkte mit der Außenwelt, um die dein Körper herumgewickelt ist. Und diese Außengrenzen in dir drin bieten Tag für Tag Millionen potenzieller Eindringlinge eine Angriffsfläche. Da hat eine winzige Zelle enorm viel Fläche zu verteidigen. Für sie ist die Oberfläche deiner Schleimhäute so groß wie Zentraleuropa oder die USA für dich. Die Zellen können auch nicht einfach eine Mauer an der Grenze bauen, weil sie ja die gesamte Oberfläche verteidigen müssen. Die Eindringlinge könnten schließlich auch mit Fallschirmen landen. Deine Immunzellen müssen also das komplette Land vor Angreifern schützen.

Trotzdem ist es immer noch einfacher, Feinde an diesen Berührungspunkten abzufangen, als überall sonst. Würden wir zum Beispiel sämtliche Blutgefäße und Kapillaren in deinem Körper aneinanderreihen, hätten sie die verblüffende Länge von einhundertzwanzigtausend Kilometern – das ist der dreifache Erdumfang – und eine Oberfläche von etwa eintausendzweihundert Quadratmetern. Besser also, man schnappt die Feinde gleich an den Grenzen.

Kommen wir zu einem lustigen Gedankenexperiment und stellen uns vor, dass wir so einen riesigen Körper aus echten Menschen zusammenbauen, um mal zu verdeutlichen, von was für verrückten Dimensionen hier die Rede ist. Zunächst brauchen wir dafür eine Menge Menschen. Der durchschnittliche menschliche Körper besteht aus etwa vierzig Billionen Zellen. Billionen! Vierzig Billionen ist 40.000.000.000.000. Eine echt beeindruckende Zahl. Wenn deine Zellen von einzelnen Menschen dargestellt werden sollen, brauchen wir mehr als einhundertmal so viele Menschen wie in der gesamten Menschheitsgeschichte je gelebt haben. Unvorstellbar? Versuchen wir’s dennoch: Aktuell sind wir knapp acht Milliarden Menschen. Aber Schulter an Schulter würden wir überraschenderweise nur eine Fläche von etwa eintausendachthundert Quadratkilometern bedecken. Das ist nur wenig mehr als die Fläche von London. Um vierzig Billionen zu erreichen, müssen wir das mit einhundertzwanzig multiplizieren.*

* Das ist sogar nur die halbe Wahrheit, denn unser Körper bietet auch Bakterien ein Zuhause, die wir zum Überleben brauchen. Wie vielen? Einem Bakterium für jede einzelne der vierzig Billionen Zellen in deinem Körper. Die eignen sich übrigens auch gut für eine grobe Größenangabe: Wenn eine durchschnittliche Zelle so groß wie ein Mensch wäre, wäre ein Bakterium etwa so groß wie ein Kaninchen. Stellen wir sie uns deshalb einfach als kleine Kaninchen vor, was weniger gruselig ist. Die meisten von ihnen leben in deinem Darm. In dieser riesigen Höhle gibt es sechsunddreißig Billionen Kaninchen, die sich vermehren und sterben und die ansonsten hochhausgroße Futterstücke zerkleinern, damit die Nahrung an all die Leute verteilt werden kann, die in diesem weiten Land aus Fleisch und Blut leben. Die restlichen vier Billionen Kaninchen leben auf deiner Haut, in deiner Lunge, hüpfen über deine Zähne und deine Zunge, schwimmen in der Flüssigkeit in deinen Augen und kriechen in und aus deinen Ohren. Wir werden später noch mehr über sie erfahren. Für den Moment genügt es, dir vorzustellen, dass du von niedlichen Kaninchen bedeckt bist, die nur dein Bestes wollen.

Gut, jetzt stehen also vierzig Billionen Menschen Schulter an Schulter. Dieses Meer an Menschen würde ganz Großbritannien bedecken, jeden Winkel, See und Berg. Um unseren Körper so zu bauen, dass ein Mensch einer Zelle entspricht, müssen wir die Menschen alle aufeinanderstapeln und nebeneinanderstellen, bis Billiarden Menschen zusammenstehen, die einander die Hand geben und sich unterhaken, um lebendige Strukturen zu schaffen. Ein Gigant aus Fleisch, der hundert Kilometer in den Himmel ragt und somit bis ins All reicht. Dieser Gigant besteht aus Höhlen von der Fläche kleiner Länder, aus Knochen so dicht und breit wie Berge, aus weitverzweigten Hohlgängen und Tunneln. Durch seine Arterien rauschen Ozeane von Flüssigkeit mit Leuten, die Nahrung und Sauerstoffbehälter in die hintersten Winkel transportieren. Wenn du ein rotes Blutkörperchen wärst oder in diesem Fall ein rotes Blutmenschlein, würde dich ein Herz von der Größe einer Stadt jede Minute einmal von Paris nach Rom pumpen. Absolut großartig. Und alle würden ­zusammenarbeiten, um diesen Berg aus Fleisch und somit sich selbst am Leben zu erhalten.

Doch der enorme Reichtum an Rohstoffen und Nahrung in Verbindung mit so viel warmem, feuchtem Lebensraum ist verlockend. Auch Milliarden von Parasiten wollen sich deshalb an dem Fleischgiganten gütlich tun. Einige von ihnen sind groß wie Elefanten oder Blauwale und haben vor, ihre riesigen Eier in ihm zu legen, sodass ihr Nachwuchs sich von den armen Menschen ernähren kann, aus denen das Gewebe besteht. Andere Parasiten haben die Größe von Waschbären oder Ratten. Sie wollen Nahrung klauen und sich dauerhaft einnisten, um Generationen von Nachwuchs in dem Giganten aufzuziehen. Eigentlich geht es ihnen gar nicht darum, den dortigen Menschen Schaden zuzufügen, sie tun es aber, weil sie mit ihren Hinterlassenschaften allen das Leben vermiesen. Das ekelhafteste Ungeziefer, gegen das sich der Fleischgigant jeden Tag wehren muss, sind Milliar­den Spinnen, die durch die Münder oder Ohren in die Zellmenschen zu gelangen versuchen, um sich in ihren Bäuchen fortzupflanzen. Für einen Riesen aus Billionen Menschen ist es nicht so schlimm, den einen oder anderen zu verlieren; das stellt nicht wirklich eine Gefahr dar. Ließe er das Ungeziefer jedoch einfach machen, brächte ihn das um. Eine ziemlich schreckliche Vorstellung, oder?

Genau damit müssen sich deine Zellen allerdings Tag und Nacht herumschlagen, von deiner Geburt an bis zu deinem Tod. Dein Überleben ist also alles andere als selbstverständlich. Aber lasse dich von dem Gedanken, ständig unter Beschuss zu sein, bitte nicht zu sehr stressen. Du bist nämlich nicht nur ein Fleischberg, der hilflos darauf wartet, erobert zu werden, sondern hast glücklicherweise einen starken Verbündeten im Kampf ums Überleben, den wir, wie wir jetzt gesehen haben, gar nicht genug schätzen und feiern können: dein Immunsystem.

Es macht dich zu einer Festung, und zwar zu einer Festung mit Milliarden der schlagkräftigsten Soldaten im Universum. Sie haben unzählige Waffen zur Verfügung und setzen diese auch schonungslos ein. Die Armee deines Immunsystems hat in deinem Leben schon Milliarden Feinde und Parasiten erledigt und ist bereit, noch Milliarden oder gar Billionen weitere auszumerzen.

3 Was sind eigentlich Zellen?

Jetzt haben wir schon ziemlich viel über Zellen gesprochen, und das werden wir auch im weiteren Verlauf des Buches tun. Um deinen Körper zu verstehen, dein Immunsystem und die Krankheiten, die es bekämpft, von Grippe bis Krebs, brauchst du natürlich ein grundsätzliches Verständnis für seine Grundbausteine. Aber zum Glück sind Zellen ein besonders faszinierendes Kapitel der Biologie.

Zellen sind, wie gesagt, die kleinste Einheit des Lebens, wenngleich die Definition, was Leben ist, echte Gehirnakrobatik ist. Im Allgemeinen gibt es aber ein paar Eigenschaften, die wir ihm zuschreiben: Etwas Lebendiges unterscheidet sich von dem umgebenden Universum. Es hat einen Stoffwechsel, nimmt also Nährstoffe von außen auf und gibt Abfallstoffe nach außen ab. Es reagiert auf Reize. Es wächst und kann sich vermehren.

All das tun auch Zellen, aus denen du fast komplett bestehst. Deine Muskeln, Organe, Haut und Haare bestehen aus Zellen. Dein Blut ist voll von ihnen. Klein, wie sie sind, haben Zellen jedoch weder ein Bewusstsein noch einen freien Willen, Gefühle oder Ziele. Folglich treffen sie auch keine bewussten Entscheidungen. Kurz gesagt, sind Zellen biologische Roboter, die nur durch unzählige biochemische Reaktionen angetrieben werden, gelenkt von noch kleineren Teilen, aus denen sie selbst bestehen.

Deine Zellen haben so etwas wie Organe, die Organellen heißen. Dazu gehört etwa der Zellkern, das Informationszentrum einer Zelle, ein vergleichsweise großes Gebilde mit einer eigenen Schutzwand, in dessen Innerem sich die DNA, dein genetischer Code, befindet. Zu den Zellorganellen gehören auch die Mitochondrien, die Nahrung und Sauerstoff in chemische Energie umwandeln, die deine Zellen antreibt. Nicht umsonst werden sie Kraftwerke der Zellen genannt. Darüber hinaus gibt es ein spezialisiertes Transportnetz, ein Verpackungszentrum, Teile für die Verdauung und die Wiederverwertung sowie Bauzentren. Oft werden Zellen als leere Tüten mit Organellen dargestellt. Das wird der komplexen Aktivität einer Zelle allerdings nicht gerecht.

Sieh dich mal in dem Zimmer um, in dem du gerade sitzt.*

* Falls du das draußen liest, funktioniert diese Metapher leider nicht. Sorry! Dann stell dir einfach vor, du wärst in einem Zimmer.

Und jetzt stell dir vor, dieses Zimmer wäre bis unter die Decke mit irgendwelchem Zeug gefüllt. Millionen Sandkörner, Millionen Reiskörner, ein paar Tausend Äpfel und Pfirsiche und ein Dutzend Wassermelonen. Ungefähr so sieht es im Zellinneren aus. Was das in der Realität bedeutet? Nun, in einer einzigen menschlichen Zelle befinden sich Dutzende Millionen von Molekülen. Etwa die Hälfte davon sind Wassermoleküle – in unserer Zimmermetapher sind das die Sandkörner –; sie geben dem Zellinneren eine puddingartige Konsistenz. In dieser geringen Größe ist Wasser nämlich nicht mehr dünn-, sondern zähflüssig, ein bisschen wie Honig.** Das hat den Vorteil, dass sich andere Dinge leicht darin fortbewegen können.

** Vielleicht fragst du dich jetzt, warum das so ist. Wir könnten das lang und breit erklären, zumal es wirklich interessant ist, gleichzeitig aber ist es ein Fass ohne Boden. Begnügen wir uns also einfach damit, dass es darauf ankommt, wie groß etwas ist: Für dich in Menschengröße ist Wasser eine einheitliche Substanz, aber für ein Protein zum Beispiel ist ein einzelnes Wassermolekül ein Ding, mit dem es zusammenstoßen kann. Wärst du genauso klein, wäre es auch für dich sehr viel schwieriger, durch Wasser zu schwimmen.

Die andere Hälfte des Zellinneren besteht hauptsächlich aus Proteinmolekülen, und zwar zum Teil in Abertausend verschiedenen Formen – je nachdem, welche Funktion die Zelle hat und was sie benötigt, um diese Funktion auszuführen. In unserem Beispiel mit dem Zimmer wären das der Reis und die meisten Früchte. Das Dutzend Wassermelonen wiederum wären die Organellen, die stets auf Abbildungen von Zellen auftauchen.

Demnach sind Proteine ein wesentlicher Zellbestandteil. Lass uns also kurz über Proteine reden, denn sie sind superwichtig, um das Immunsystem, deine Zellen und die Mikrowelt, in der sie leben, zu verstehen. Sie sind sogar so wichtig, dass wir deine Zellen auch gleich Proteinroboter nennen können. Proteine kennst du wahrscheinlich vor allem im Zusammenhang mit Ernährung; vielleicht ernährst du dich auch extra proteinreich, weil du viel Sport machst und mehr Muskeln aufbauen willst. Das ist auch richtig so, denn alle festen Teile deines Körpers, die nicht aus Fett sind, bestehen hauptsächlich aus Proteinen (selbst deine Knochen sind eine Mischung aus Proteinen und Kalzium). Aber Proteine sind nicht nur gut für die Muskeln, vielmehr sind sie die grundlegenden organischen Bausteine und Werkzeuge sämtlicher Lebewesen auf diesem Planeten. Sie sind so praktisch und vielfältig, dass Zellen sie für beinah alles einsetzen können: Sie können damit Signale aussenden oder etwas bauen, von einfachen Wänden oder Gebilden bis hin zu komplexen Mikromaschinen.

Proteine bestehen aus Ketten von Aminosäuren. Das sind zierliche organische Bausteine, die es in zwanzig Variationen gibt. Du brauchst sie nur in irgendeiner Reihenfolge zu einer Kette zusammenzufügen – und voilà, schon hast du ein Protein. Dieses Prinzip ermöglicht es der Natur, eine erstaunliche Vielfalt an Dingen zusammenzubauen. Willst du zum Beispiel ein einfaches Protein mit Hilfe von zehn Aminosäuren bauen, wozu du zwanzig Aminosäurearten zur Auswahl hast, ergibt das atemberaubende 10.240.000.000.000 verschiedene mögliche Proteine.

Stell dir einen Spielautomaten in einem Kasino vor, der zehn Bilder in einer Reihe anzeigen kann und zwanzig verschiedene Symbole hat. Schon auf einer Maschine, die nur drei Bilder anzeigt, gehört viel Glück dazu, dreimal das gleiche Symbol zu erwischen – und jetzt überleg dir mal die Masse an möglichen Kombinationen auf deinem Protein-Spielautomaten. Ein typisches Protein besteht aus fünfzig bis zweitausend Aminosäuren (das wäre ein Spielautomat mit fünfzig bis zweitausend Bildern), und die längsten uns bekannten Proteine bestehen aus dreißigtausend Aminosäuren. Das ergibt Milliarden über Milliarden von möglichen Proteinen, die unsere Zellen herstellen können.

Dabei sind die allermeisten dieser möglichen Proteine nutzlos. Manche Schätzungen gehen davon aus, dass nur eine Aminosäuren-Kombination von einer Million oder gar einer Milliarde ein nützliches Protein ergibt. Aber da es so viele mögliche Proteine gibt, genügt selbst eins in einer Milliarde!

Doch woher wissen deine Zellen, in welcher Reihenfolge sie die Aminosäuren zusammensetzen müssen, um die erforderlichen Proteine herzustellen? Tja, das ist wiederum die Aufgabe des Lebenscodes, sprich deiner DNA, jener langen Abfolge von Anleitungen also, die jedes Lebewesen braucht, um eben das zu sein: lebendig. Etwa ein Prozent der DNA sind Proteinbaupläne, auch bekannt als Gene. Der Rest der DNA bestimmt, welche Proteine wann und wie und in welcher Anzahl gebaut werden. Da taucht jedoch gleich die nächste Frage auf: Wie funktioniert dieser Proteinbau laut DNA? Kurz gesagt, werden Proteine nach den DNA-Instruktionen in zwei Schritten gebaut: Zunächst lesen spezielle Proteine die Information aus der DNA-Kette ab und verwandeln sie in ein spezielles Botenmolekül namens mRNA. Das ist im Prinzip die Sprache, in der unsere DNA ihre Befehle erteilt.

Das mRNA-Molekül wird nun vom Zellkern in eine andere Organelle transportiert, und zwar zu den Protein-Fabriken, die Ribosomen heißen. Hier wird das mRNA-Molekül gelesen und in Aminosäuren übersetzt, die anschließend in der richtigen Reihenfolge zusammengebaut werden – und schon hat die Zelle nach Anleitung der DNA ein Protein hergestellt. Deine DNA ist also im Grunde ein Code mit einzelnen Abschnitten beziehungsweise Genen, die sämtliche Bauanleitungen für den Maschinenpark deiner Zellen darstellen; die Gene bestimmen also, wie Proteine gebaut und reguliert werden sollen. Und daraus werden jene Merkmale, die dich als Individuum ausmachen: deine Größe, deine Augenfarbe, wie anfällig du für gewisse Krankheiten bist und ob du Locken hast. Deine DNA sagt deinem Körper aber nicht: »Locken herstellen!«, sondern befiehlt deinen Zellen: »Lockenproteine bauen!« Ganz vereinfacht ausgedrückt entstehen all deine persönlichen Merkmale auf diese Weise.

Von solchen genetischen Codes hast du eine beachtliche Menge. Zögest du die DNA einer einzigen Zelle auseinander, wäre der Strang etwa zwei Meter lang. Ja, du hast richtig gelesen: Die DNA in nur einer von deinen Zellen ist schon länger, als du vermutlich groß bist. Setzten wir nun deine gesamte DNA zu einem Faden zusammen, reichte der von der Erde zum Pluto und zurück.*