In Spottes Namen - Heino Dölker - E-Book

In Spottes Namen E-Book

Heino Dölker

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Beschreibung

Das sinnlich-seelisch Subjektive, auch Lyrik genannt, - In Spottes Namen - das war gestern! Wer heute ein Anliegen verfolgt, muss bemüht sein, seine Gedanken verständlich niederzuschreiben. Das ist eine Notwendigkeit. Schwammige Sprachästhetik als Passion kennzeichnet das Fabulieren ideologischer und philosophischer Geisterfahrer. Die leidende Welt und den Alltag schildern und zurechtrücken und sich einsetzen für ein Morgen postuliert den neuen Imperativ. Schöngeistig menetekeln? Besser: Wacht auf, ihr Penner. Handelt!

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Seitenzahl: 144

Veröffentlichungsjahr: 2018

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In Gedenken an: Lumpi

Rex

Pius

Fido

Fuchsi

Mucker

und Katz

 

Zum Schreiber

Heino Dölker, geboren 1937 in Bessarabien, Rumänien. 1940 ‚heim ins Reich‘, Westpreußen, Flucht … Nach dem Besuch mehrerer Zwergschulen, Mittlere Reife. 1955 Lehre als Dekorateur. 1961 Abschluss in Messe- und Grafikdesign an der Meisterschule für das Kunsthandwerk Berlin. Liebhaber, aber Autodidakt, der Literatur. Nach freiberuflicher Tätigkeit 1968 erneutes Studium, ausgerichtet auf kreative Konzeption, Abschluss als Werbewirt an der Hochschule für bildende Künste Berlin. Danach angestellt bei namhaften Agenturen und Firmen.

Dann, völlig unverständlich für andere, bewusster, freiwilliger Aussteiger. Lebt seit 1980 auf der Insel Stromboli. Hier entdeckte er sein handwerkliches Geschick beim Ausbau einer Halbruine. Passionierter Unter- und Überwasserjäger für den Eigenbedarf. Seit circa zwei Jahren zurückgekehrt an den Schreibtisch. Vom Gipfel des Vulkans, verschont vom Einfluss ideologischer Geisterfahrer, entwickelt sich eine extraterrestrische Klarsicht auf unsere „Zivilisation.“ Hier kann man mit Abstand wahrnehmen und so schreiben, als ob man nicht dazugehört.

Spät-Lese! Letztlingswerke! Why not?

Heino Dölker

In Spottes Namen

Gedanken

von gestern

über heute

für morgen

© 2018 Heino Dölker

Cover und Illustrationen: Heino Dölker

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung zu kommerziellen Zwecken ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie. Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Verlag und Druck: tredition GmbH

Halenreie 40-44

22359 Hamburg

 

IBSN Taschenbuch: 978-3-7469-8275-5

ISBN E-Book: 978-3-7469-8277-9

Inhaltsverzeichnis

Ich wollte – ich hätte

Haut Couture

Als ich die Drossel spotten hört

Im Labyrinth

Im Vakuum

Septembergericht

Freilos – aber Niete

Sinkflug

Belanglos

Kreuzung mit Kreisverkehr

Banalankunft

Samstag um Mitternacht

Gegenwind

Kreuzritter

Enttäuschung

So nett, nicht ganz honett

Am Kölner Dom

Mauersegler Silhouetten

Rechts vom Rhein

Traumwelten

Wenn Wehmut färbt den Horizont

Zerberus

Leise, ganz leise

Sturmnacht

Gewitter auf Stromboli

IDDU der Vulkan

Schirokko

Arrivederci

Diagnose

Quo vadis

Abendandacht

Mittag

High noon

Siegfried der Laubenpieper

Zugbilder

Ein strahlender Tag

Die Wellenreiter

Zukunftspläne

Frühlingsgewitter

Wenn der Wind stirbt

Zweifel an Morgen

Nekrolog auf Fidel

Was menschelt da?

Itys

Eine Party

Aus dem Seienden einer WC-Schüssel

SMS mit Priorität

Erkenntnis

Montagsbeichte

Und letztlich waren’s zehn

Die sichtbar Unsichtbaren

“Out of Africa“

Ein Hoch der Poesie

Großes Dreimaleins

Krippenopfer

Symbiosen

Die Heilspraktiker

Herr Machtegern

Epilog auf Machtegern

Der Dekalog, die Zehn Gebote

Der Eid von gestern

Denk positiv

Bruderherz zeugt Bruderschmerz

Gipfelplausch

Ninna nanna für Farbige

Klage eines Totengräbers

Das Lied der Toten

Wiegenlied

Nemo an Simone

An Janne

Die Schwalbe im Winter

Begegnung

Ernst Zorn

Identitätsbrise

Kunst in der Warteschleife

Gelocht und abgelegt

Diesseits im Eden

Freie Auswahl

Ach ja – die Liebe

Im Frisiersalon

So nett ein Suff

Schade um sie

Meer der Freiheit

Das Glück klopft an

Objektive Fantasie

Alle Jahre wieder

Im Fußballstadion

Die weiße Flagge

Abnehmend

Jetzt bin ich seelenfrei

Hallo Dienstmann

Hello Dolly

Gerechtigkeitsvisionen

Dialog mit das Katz

Trinklied

Ein alter Freund

Zorn & Zorn

Übersetzungen kredenzt von Ernst Zorn

erlkönig

herr von reibach aus frankfurt

das ringkartell des scheichs

Modernste Versuche von Ernst Zorn

der teelöffel

kunststoffgedanken

heureka

Ich wollte – ich hätte

 

Ich wollte die Welt begreifen

und dann reparieren.

Ich hätte das Zeug dazu

die Klemmpunkte zu schmieren.

Ich hätte die Jurisdiktion

weltweit egalisiert.

Ich hätte das Kapital

gerecht rechtlich dividiert.

Ich hätte Managern

die Bonusse ad hoc gestrichen.

Ich hätte den Lobbyismus

mit Krebsgeschwür verglichen.

Ich hätte die Börsen

wegen Volksbetrugs geschlossen.

Ich hätte die Atommüllmafia

standrechtlich erschossen.

Ich hätte die Journaille

und auch die Politik enttarnt.

Ich hätte die Kinder

vor Ideologien gewarnt.

Ich hätte jeden Krieg

durch schöne Volksfeste ersetzt.

Ich hätte die Religionen

mit Hollywood vernetzt.

Ich hätte dem Papst

den Oskar jährlich gern verliehen.

Ich hätte den Jasagern

die Ignoranz verziehen.

Ich hätte Klosetts und Schrauben

einfach global genormt.

Ich hätte selbst Schweinetröge

ästhetisch schön geformt.

Ich hätte die fiesen Spekulanten

hops genommen.

Ich hätte ein Stück

vom Paradies zurückgewonnen.

Ich wollte den Konjunktiv

zum Indikativ machen,

Doch wurde ich inkriminiert,

gestraft von Hohn und Lachen.

Ich hätte es gepackt,

mit dir und dir, mit meinesgleichen,

Doch ihr wart absorbiert,

beim Zugzwang niemals zu erreichen.

Haut Couture

Ich stöbere im Warenhaus der Zeit,

Bin die Etagen abgelaufen.

Ich such mein individuelles Kleid

Und kann das Meinige nicht kaufen.

Ich fühl mich nackend, hilflos irritiert,

Nur Qualität für Schnäppchenjäger.

Ein Sonderangebot devot drapiert,

Verlockt zu Mimikry den Träger.

Buy second hand bleibt kritisch in Betracht.

Die abgelegten von den Toten,

Den Epigonen gut gemeint vermacht,

Mich kleidet keins, so wie geboten.

Im Ausgang schon, mit Blick zum Spiegel,

Mich hat die Zeit gekleidet bunt kariert.

Ein Durchschnittshemd in Serie ohne Siegel,

Konglomerat auf mir wird reflektiert.

Im Surrogat will ich partout nicht leben.

Problem erkannt und reiflich selektiert.

Drum lernt ich schneidern, färben, weben …

Trag jetzt ein Hemd nach Maß von mir kreiert.

Als ich die Drossel spotten hört

Als ich die Drossel spotten hört! –

Als ich die Drossel spotten hört,

Vom Kohlenplatz beim Fließbandbeben,

Kam mir Erinnrung an mein Streben,

Da ward ich plötzlich aufgestört,

Denn Kohlenhalden glich mein Leben.

Als ich die Drossel spotten hört –

Stieß ich die Schaufel in das Band

Und ballte trotzig meine Hand.

Als ich den Rosenkäfer sah! –

Als ich den Rosenkäfer sah,

Metallen grün sein Panzer glühte,

Wie er im Kohlenstaub sich mühte,

Da ward mir jene Zeit ganz nah,

Die schnell, die ach so schnell verblühte.

Als ich den Rosenkäfer sah –

Stand Mohn und Ginster voller Lust

Am Zaun, und engte meine Brust.

Als ich den Lindenduft verspürt! –

Als ich den Lindenduft verspürt,

Trotz Motorlärm und Abgaswehen,

Da konnte ich nicht widerstehen,

Die Kehle ward mir zugeschnürt,

Ließ meine schwarzen Tränen gehen.

Als ich den Lindenduft verspürt –

Trieb Lohnarbeit die Wollgraspracht Mit stetem Drängen gegen Nacht.

Im Labyrinth

Ich streife über anonyme Straßen.

Lichtreflexe zerschneiden die Nacht,

Befeuern Kirchtürme und Essen.

Silhouetten plappern, beleben das Pflaster.

Ihre Gesichter flanieren grußlos vorbei,

Entwischen durch parallele Gassen

In die Mauselöcher der Sozialbauten.

Krane greifen mit gierigen Armen

Nach den letzten Lindenbäumen.

Vom Gasometer rieselt Schlaf

Auf die parkende Blechwüste.

Über den Brückenbogen huscht eine S-Bahn.

Degenerierte Tauben rumoren,

Auf lästigen Lichtreklamen versteckt,

Rund um die Uhr im erbitterten Selektionsstreit.

Das Café – eine weinende Geigensaite.

Geruch einer gärenden Melone – die Bar.

Die Kinos suggerieren Entkommen.

Ideomotorisch peile ich meine Schlafstelle an,

Bis eine vertraute Tür mich nicht erkennt.

Feindlich recken sich die Hochhäuser.

Unruhe rankt an ihren Fassaden,

Von Fenster zu Fenster, bis zur Antenne.

Wo bleibt der Nachtigallen schlagen?

Wo das Konzert der Frösche?

Ich lausche an grünblauen Glasfronten.

Nur das Brodeln aus Tiefgaragen

Dröhnt aus den Luftschächten herauf.

Ihr munteren, murmelnden Quellen!

Der Najaden Reiche bleiben ungeklärt

Und münden in einem Abwasserkanal.

In den rachitischen Parkanlagen

Wird jedes Gänseblümchen einzeln

Von rotierenden Messern dahingemäht.

Statisten huschen unerkannt in Büros,

Suchen den Theaterdonner des Erfolgs.

Mohn – roter Mohn!

Stoppschild stiller Wiesenraine.

Wohin sind deine ungezählten Tage

Mit dem friedlichen Gebrumm der Hummeln?

Eure Affären verschleißen in der Rotation,

Wie Segeltuch trunkener Dschunken im Wind.

Eure Fotografien infizieren die Illustrierten,

Wöchentlich mutiert werden sie resistent.

Eure vierfarbigen Hochglanztränen,

Vom Koks animiert, halluzinieren

Kleinbürgerliche Raffinessen.

Eure Ratio, total besoffen im Kollektiv,

Akzeptiert die Parolen vom Präventivkrieg,

Jubelt im Wahnsinns-Sog der Atomraketen. –

Auch du! Auch du vermarktet

Von dem American way of life.

Zersprungen ist Noldes Amaryllis.

Auch du! Auch du entblättert,

Gebrochen auf ewig, in Poesie gepresst –

Ist die wilde Federnelke vertrocknet.

Auch du! Auch du gegangen,

Intermezzo eines verschneiten Junitages

In den weißherbstlichen Bergen um Beuron.

Am Horizont torkelt das Ulmer Münster.

Mein Passbild erinnert mich nicht.

Hinter dem zufälligen Namen

Stehen keine besonderen Kennzeichen.

Meine Vergangenheit wird ausgebleicht

Und gleicht einem schneebedeckten Rollfeld.

Meine Zukunft wird programmiert

Und auf Knopfdruck eingespeist.

Meine Gegenwart bleibt ambivalent,

Entweder schon vorbei oder noch voraus:

Unfassbar das Dazwischen.

Fremd tollen meine Assoziationen,

Fremd rhythmisiert meine Aorta,

Fremd eruptiert mein Es,

Fremd diktiert mein Über-Ich!

Ein Fremdsein dividiert mein Ich.

Der Himmel reißt unter Presslufthämmern,

Und die Verheißung rinnt durch meine Finger.

Mohn – roter Mohn!

Wohin sind meine gestrigen Tage?!

Mit dem friedlichen Gebrumm der Hummeln.

Im Vakuum

Ich bin noch physisch am Aufbau,

Doch chemisch dem Tod längst verfallen.

Und im All, wo Urnebel wallen,

Ist Sinnschrei von mir am Verhallen.

Ich wehr mich gegen das Driften.

Mit Bewusstsein, schick es auf Reisen,

Um mir Existenz zu beweisen,

Wohl wissend, auch sie wird vereisen.

Ob Entropie, ob neuer Bang,

Vorzeitig, gleichzeitig, daneben,

In Nischen hat es mich gegeben:

Durch Zufall! – Ein absurdes Leben.

Septembergericht

Lange. –

Lang ging mir

Verloren der Tag!

Ich weiß nur,

Es muss Frühling gewesen sein. –

Schrill ins Jagdhorn geblasen,

Mit falschen Empfehlungen,

Begann ich den Aufbruch

Im überfüllten Abteil

In sehnsüchtiger Hast.

Seit jenen Tagen

Sind eure Villen gewachsen.

Sie leuchten reif

Durch die entlaubten Hecken.

Die Jasager

Walten aus weichen Ledersesseln.

Doch ich!

Stehe – mit leeren Händen –

Und blicke nach Innen.

Wende den Kopf,

Ich bin hinausgeeilt

In gutem Glauben.

Die Zeit,

Geschüttet wie ein Korb voller Steine,

Erdig und polternd,

War mir im Herzen vertraut.

Doch meine Gedanken haben sich gelöst,

Verwischen und sind betrogen.

Es steht kein Sportcoupé vor meiner Tür.

Langsam –

Ganz langsam

Habe ich das System durchschaut.

Ich kehre um!

Oder steige ich aus?

Mit einem spöttischen Lächeln

Nehme ich Platz in der Opposition.

Früh war ich ausgezogen.

Spät werde ich heimkehren.

Ich möchte mir Zeit nehmen

Bei dem Urteil über eure Moral.

Will keinen der Prediger vergessen!

Und es wird Herbst sein.

Freilos – aber Niete

Sonntag steht heut im Kalender.

Vier Schläge quälen sich aus einer Uhr.

Ein raues Elefantenfell

Hat mir die Sonne zugespannt.

Der Regen rauscht. Es weint ein Kind,

Und Tantalus stöhnt müde monoton.

Ich hab den Tag verschlafen.

Wie war das Wetter um halb acht?

Jetzt ist es trostlos wie Gogol.

Zwielicht umschleicht die Reihenhäuser.

Ich starr von meiner alten Liege

Durch löchrige Gardinen,

Durch matte Scheiben in den Hinterhof,

Der auf dem Fensterbrett zertropft.

Beschirmte Menschen hopsen irr.

Der Zwanziger dreht um den Prager Platz

Ganz fahrplanmäßig.

Vorm Fenster im Kastanienbaum

Zappelt im Windstoß noch ein Blatt.

Ein Traum verzerrt sich in dem Tüll,

Wird unscharf, torkelt, kommt zu nah.

Sinkflug

Ach, wäre ich doch ein glatter Pfeil,

Von meiner Sehnsucht getrieben,

In eine Richtung verschossen,

Auf rechtem Kurs geblieben,

In ein Zentrum getragen,

Gezielt, Herz Ass vielleicht?!

Ich hätte es erreicht. –

Doch ich bin rollender, kantiger Stein,

Dazu ins Wasser gefallen.

Resistent auskreisend,

Uferlos in steten Intervallen,

Verringt mein Veto

Fruchtlos mit Spiegelgeblinke. –

Ich – ich aber sinke.

Belanglos

Ein gewöhnlicher Tag heute

Kurz vor Herbstausverkauf,

Neblig trüb, zu billigen Preisen.

Wir fahren gemeinsam zur Krummen Lanke.

Die letzten Dahlien trotzen,

Und der Wald

Atmet stoßweise mit uns.

Greis neigt sich das Schilfrohr.

Henze wogt auf Halmen. –

Alltag –

Gaukelnder Bärenspinner.

Stolpert einer von uns,

Über eine nackte Kiefernwurzel,

Lacht der Falke ganz schrill.

Weiß keiner warum.

Banalankunft

Die Amsel singt auf dem Laternenpfahl.

Ich bleibe stehn und lausche.

Ein lauer Luftzug drängt vom Parkplatz her

Durch alle engen Gassen.

So unverfälscht,

So tief ersehnt,

So wonnevoll erwartet. –

Es ist der Frühling!

Der Abgassmog hat sich ergeben.

Auch Motorenlärm kann ihn nicht bremsen.

Er kommt gewaltlos, lang erwünscht.

Mit seinem sanften Odem

Haucht er dem Winter ins Gesicht,

Steigt langsam bis zum siebten Stock,

Klopft zaghaft noch,

An nebelblinde Fensterscheiben.

Samstag vor Mitternacht

Theater und Kino löschen bunte Lichter.

Noch in Narkose wankt der Menschenstrom.

Ein Steinmaul hat ihn gnädig ausgespukt

Und irgendwo erkaltet ein lauwarmer Sitz.

Man hat, nach einem profanierten Schluss,

Die Brause schnell wieder abgedreht.

Das Wörtchen Ende reißt mich aus der Illusion,

Und schiebt mich ab zur nächsten Straßenbahn.

Der Held wird blass in hellen Neonröhren.

Ich kenn sie nicht, die reichen Schwulen,

Nicht die verbrannten Waisenkinder.

Ein Auspuffknall dicht neben mir Stößt mich zurück aufs Trottoir.

Aus den Lokalen plärrt Musik mit Rauch.

Über geheimnisvoll geschlossenen Türen,

Lockt bald ein volles Glas, bald eine nackte Frau.

Die S-Bahn donnert über eine Brücke.

Zu Hause ist die Cognacflasche leer.

Verstohlen wag ich einen Blick zum Himmel:

Der Wetterdienst hat recht, es ist bewölkt.

Zögernd wäg ich zwischen Soll und Trieb

Ganz insgeheim die Autos zählend. –

Entschließ mich endlich für gesunden Schlaf,

Doch siehe da – die Ampel springt auf Rot.

Gegenwind

Geht meine Wege nach –

Und saugt ihn langsam

Den Fahrtwind aller Einbahnstraßen.

Durchlebt die Abschiedsluft

Im blumenlosen Vorwärtsgehn,

Dann Ankunftslärm

Mit irritiertem Suchen.

Stückweise ließ ich mich zurück.

Auch Stücke nur

Nahm ich im Innern wieder mit.

Erinnerung:

Du Strand am Meer und eine Hand …

Der Kinderschlaf:

Kornfelder unendlich weit mit rotem Mohn …

Der Glaube:

Ein Aufschrei und ein Scherbenhaufen …

Die Ironie:

Lohn für das geschändete Vertrauen …

Die Sehnsucht:

Der Atem einer wohlbekannten Straße …

Und meine Liebe:

Nur ein verwischter Mund …

Ich fahre wieder,

Weil ich fahren muss.

Geht meine Wege nach.

Kreuzritter

Opinionleader flattert auf dem Banner.

Tief zerstritten, doch stets bekreuzt,

Driftet die westlich heilige Arroganz

Auf einem Kreuzfahrtluxusliner.

Der sture Kurs, mit inhärenter Kollision,

Soll die Kultur vor den Barbaren schützen.

Börsennotiertes Kapital

Besticht stets jeden Steuermann. –

Ich bin gebucht und fahre mit!

Mit dem durch Taufwasser versklavten Hirn

Starrt man, vom Stammplatz erster Klasse,

Auf atomares Patt, das noch äquilibriert

Auf den rhetorisch glatten Teakholzplanken.

In Talkshows werden Gefahren klein gequatscht

Und im globalen Quiz verramscht.

Börsennotiertes Kapital

Bekämpft meine Revolutionsgedanken. –

Ich bin gebucht und glotze mit!

Im Topp, an dem Antennenmast verborgen,

Ein letzter Schmetterling, ein Admiral,

Sucht nach dem Strand zum Überleben.

Bis er von Journalisten aufgestöbert,

Gehetzt nach gnadenloser Pressefreiheit,

In Headlines sauber abgeschossen wird.

Börsennotiertes Kapital

Kauft stets die Medien für sich selbst. –

Ich bin gebucht und lese mit!

Lethe-Beat dröhnt im Play-back auf Deck.

Fantastisch kostümiert in Uniformen

Stürzt sich behänd senile Hautevolee

Auf das Büfett Crème de la Crème.

Verschreckt ist selbst das Firmament

Beim pyrotechnischen Finale.

Steuerflucht schöpft neues Kapital,

Managt geschickt das Kreuzfahrtgrusical. –

Ich bin gebucht – doch steig jetzt aus!

Enttäuschung

Kreuze starren,

Weiße, zwischen nächtlichen Scheiben,

Fensterkreuze. –

Schemenhafte Silhouetten,

Hausdächer streben sehnend

In den Vollmond,

Der schwindsüchtig, bleich,

Darüber aufgehängt.

Mir wird romantisch. –

Da merke ich,

Nur meine kugelige Zimmerlampe

Spiegelt sich im Fensterglas.

So nett, nicht ganz honett

Mein Lieb, im Supermarkt, sitzt an der Kasse,

Und tippt ihr Finger, packt mich das Entzücken.

Mich zehrt die Sehnsucht, sie ans Herz zu drücken,

Zwei steile Brüste, mich betört die Masse.

Anmut und Antlitz, liebreich, holder Klasse,

Auf Blumenwiesen möchte ich sie pflücken,

Mit meinem Rittersporn im Rausch beglücken,

Ganz eng umschlungen uns die Wollust fasse.

So treibt Gott Amor mich in ihre Nähe,

Mein Seelchen zweifelt: Kann mein Glück zerbrechen?

Voll Liebeskummer schleich ich hin zu kaufen.

Wenn ich vor dem Regal mit Whiskey stehe,

Zwingen die Flaschen mich – Nachtgram zu zechen.

Sie liebt nur Tasten, verdammt mich – zum Saufen.

Am Kölner Dom

In devoten Straßen –

Stockender Lärm.

Mit gespreizten Fingern

Langt die Nacht

Vom Ost über den Rhein.

Jetzt kehren sie heim! –

Die ersten Mauersegler

Umzirkeln den gotischen Zierrat.

Dann kommen sie alle,

Umjohlen die Zinnen,

Verspielen den Tag.

Der rasende Tanz

Zerflattert meine Empfindungen. –

Ein Turmfalke kichert.

Das Johlen schwillt,

Verebbt. –

Ganz fern

Ein letztes Mal,

Und ertrinkt

Im Wasser unter den Rheinbrücken.

Schweigen, –

Filigranes Streben.

Mauersegler Silhouetten

Helios scheidet in Bonbonpapier,