Infinity Falling - Mess Me Up - Sarah Sprinz - E-Book

Infinity Falling - Mess Me Up E-Book

Sarah Sprinz

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Beschreibung

Die neue Reihe der Autorin des Bestsellers DUNBRIDGE ACADEMY

Nur wenn sie in fremde Rollen schlüpft, fühlt sich Schauspielerin Aven Amenta wie sie selbst. Doch seit eine Stalkerin in ihre Privatsphäre vorgedrungen ist, würde sich die Zwanzigjährige am liebsten verstecken. Der Umzug nach Vancouver für die Dreharbeiten des Kinoblockbusters INFINITY FALLING kommt Aven daher gerade recht. Womit sie nicht gerechnet hat: Die männliche Hauptrolle wird kurzfristig mit Hayes Chamberlain besetzt. Statt Schauspielerfahrung bringt der Ex-Boyband-Star nur einen Haufen Fans und Medienrummel mit, den Aven eigentlich meiden wollte. Doch mit jedem Tag fällt es ihr schwerer, sich von ihm fernzuhalten. Bis Hayes begreift, dass er nicht mit Aven zusammen sein kann, ohne sie in Gefahr zu bringen.

Willkommen am Set von INFINITY FALLING!

Auftakt der neuen Serie von SPIEGEL-Bestseller-Autorin Sarah Sprinz

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Seitenzahl: 654

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INHALT

Titel

Zu diesem Buch

Leser:innenhinweis

Widmung

Playlist

New York City

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

Damals

8. Kapitel

9. Kapitel

10. Kapitel

11. Kapitel

Damals

12. Kapitel

13. Kapitel

14. Kapitel

Damals

15. Kapitel

16. Kapitel

17. Kapitel

18. Kapitel

19. Kapitel

Damals

20. Kapitel

21. Kapitel

22. Kapitel

Damals

23. Kapitel

24. Kapitel

25. Kapitel

26. Kapitel

27. Kapitel

28. Kapitel

29. Kapitel

30. Kapitel

31. Kapitel

32. Kapitel

33. Kapitel

34. Kapitel

35. Kapitel

36. Kapitel

37. Kapitel

38. Kapitel

39. Kapitel

40. Kapitel

41. Kapitel

42. Kapitel

43. Kapitel

44. Kapitel

45. Kapitel

46. Kapitel

47. Kapitel

48. Kapitel

49. Kapitel

Danke

Die Autorin

Die Romane von Sarah Sprinz bei LYX

Leseprobe

Impressum

SARAH SPRINZ

MESS ME UP

Infinity Falling

Roman

ZU DIESEM BUCH

Nur wenn sie in fremde Rollen schlüpft, fühlt sich Schauspielerin Aven Amenta wie sie selbst. Doch seit eine Stalkerin in ihr Hotelzimmer eingedrungen ist und die Fans ihr überallhin folgen, bestimmen Panikattacken und die ständige Angst vor der Öffentlichkeit ihren Alltag. Der Umzug von Los Angeles nach Vancouver für die Dreharbeiten des Kinoblockbusters Infinity Falling kommt Aven daher gerade recht. Ihre Chance, den Sprung aus dem Kinderfernsehen auf die große Leinwand zu schaffen und endlich als Schauspielerin ernst genommen zu werden. Womit sie nicht gerechnet hat: Die männliche Hauptrolle wird kurzfristig neu besetzt und an den Mann vergeben, den sie nun am allerwenigsten an ihrer Seite haben möchte. Hayes Chamberlain, ehemaliger Boyband-Star ohne jede Schauspielerfahrung und der Grund, warum die Welt sie einfach nicht in Ruhe lässt. Nie wieder wollte Aven in seinem Schatten stehen, doch jetzt scheint sich alles zu wiederholen: die Presse, die sich ohne Erbarmen auf sie stürzt, die Fans, die ihnen auf Schritt und Tritt folgen, und Avens Herz, das sie erneut an Hayes zu verlieren droht – bis geschieht, wovor Aven sich am meisten gefürchtet hat …

Liebe Leser:innen,

dieses Buch enthält Elemente, die triggern können.

Deshalb findet ihr hier eine Triggerwarnung.

Wir wünschen uns für euch alle das bestmögliche Leseerlebnis.

Eure Sarah und euer LYX-Verlag

Für alle, die wissen, wer sie sind – egal, was sie über sich hören.

PLAYLIST

miss americana and the heartbreak prince – taylor swift

love of my life – harry styles

i burned la down – noah cyrus

delicate – taylor swift

cinema – harry styles

mess it up – gracie abrams

cinnamon girl – lana del rey

when i don’t have you – idarose

message in a bottle – taylor swift

perfect – one direction

maroon – taylor swift

my mind & me – selena gomez

tv – billie eilish

if i really love you – lexi jayde

good years – zayn

matilda – harry styles

holding on to heartache – louis tomlinson

infinity – one direction

falling – harry styles

temporary fix – one direction

new romantics – taylor swift

the great war – taylor swift

the last time – taylor swift, gary lightbody

this love – taylor swift

for the first time – the script

NEW YORK CITY

The Langham,

Fifth Avenue

»Es war ein fantastischer Abend.«

»Du warst großartig, Aven!«

»Schlaf gut und melde dich, wenn du noch etwas brauchst.«

Meine Mundwinkel schmerzten vom vielen Lächeln, mein Gesicht fühlte sich an wie eingefroren. Meine Augen brannten nach einem Tag, der mit einem Interview für Good Morning America begonnen hatte und erst jetzt tief in der Nacht nach der offiziellen Premiere der vierten Staffel von Izzy’s Heartbreak Hotel im Ziegfeld Theatre und einem exklusiven Dinner im Nobu endete. Die Zeit dazwischen war mit Presseterminen mit meinen Co-Stars der Disney-Serie gefüllt gewesen, ich hatte kaum einen Moment für mich gehabt. Premierenwochen kamen direkt aus der Hölle, und trotzdem war ich süchtig nach ihnen. Nichts kam dem Gefühl gleich, nach wochenlangen Dreharbeiten und nie enden wollender Nachsynchronisation endlich das Endergebnis all der harten Arbeit auf der großen Leinwand zu sehen. Während dieser Tage fühlte ich mich stets, als lebte ich in einer Simulation. Unmöglich, dass das hier wirklich dein Leben ist, Aven Amenta.

Es war mein Leben. Während ich in dunklen SUVs mit getönten Scheiben durch pulsierende Metropolen gefahren wurde, fragte ich mich manchmal, wie viel Glück ein einzelner Mensch haben konnte. Das hier glich einem Traum, und ich durfte ihn leben.

Trotz allem war es anstrengend. Den ganzen Tag auf den Beinen zu sein, ständig zu lachen, im Scheinwerferlicht zu stehen, beobachtet von so vielen Menschen, die allesamt Fremde waren. Ich durfte nun nicht darüber nachdenken, ob ich mich während der Treffen mit Fans oder der Presse womöglich peinlich verhalten oder etwas Unpassendes gesagt hatte. Ich musste mich entspannen. Und ich hatte längst im Bett sein wollen, denn der Zeitplan, den meine Managerin Holly mir am Nachmittag gemailt hatte, ließ keinen Zweifel daran, dass die nächsten Tage mindestens so anstrengend würden wie der heutige. Morgen würde ich früh geweckt werden, um pünktlich gegen acht Uhr am Set für ein Shooting mit Tag Heuer zu erscheinen, danach ein Lunch mit Disney im Headquarter am Hudson Square, bevor unser Cast die Gewinnerinnen eines Meet and Greet treffen und anschließend zur Aufzeichnung eines Interviews bei Late Night mit Ava Fantino fahren würde. Ich würde kaum mehr als vier Stunden Schlaf abbekommen, vorausgesetzt, ich schminkte mich nun in Lichtgeschwindigkeit ab und konnte dann sofort einschlafen. Doch das klappte nie nach aufregenden Tagen wie diesem, denn es dauerte, bis das Adrenalin nach solchen Anlässen aus meinem Körper verschwand und ich zur Ruhe kam.

Aber man war nur einmal zwanzig und feierte Premiere in New York City, schätzte ich, also lautete die Devise: Augen zu und durch. Schlafen konnte ich zu Hause in Los Angeles, wo mir ganze fünf Tage Pause bleiben würden, ehe mein nächster Dreh begann. Ich konnte mich nicht erinnern, wann ich zuletzt so lange am Stück frei gehabt hatte.

Die gesamte achtunddreißigste Etage war für uns reserviert, und wie immer fiel die Anspannung erst von mir ab, sobald ich aus dem Fahrstuhl in den Hotelflur trat. Außer Sichtweite der Fans, fern des Blitzlichtgewitters und der Branchenmenschen, deren Blicke den ganzen Abend auf mir gelegen hatten.

Samantha öffnete mir die Tür zu meiner Suite, bevor sie sich erkundigte, ob sie noch etwas für mich tun konnte. Ich lehnte ab. Das Kleid, mit dem ich für diesen Abend von Tommy Hilfiger ausgestattet worden war, besaß einen dankbaren Reißverschluss an der Seite, den ich auch ohne die Hilfe meiner Assistentin öffnen konnte. Früher hatte ich die Schauspielerinnen belächelt, die sich so wichtig gefunden hatten, dass sie sich bei diesen Kleinigkeiten assistieren ließen, doch mir war rasch klar geworden, dass es selbst mit Management irgendwann unmöglich war, den Überblick über alle die To-dos zu behalten, die über den Tag hinweg anfielen. Samantha war eine unbezahlbare Hilfe, auch wenn ich mir bis heute seltsam dabei vorkam, Dinge wie spontane Besorgungen, das Packen meiner Koffer und Beantworten meiner Mails an sie zu delegieren. Wir waren ein eingespieltes Team, meistens bemerkte ich gar nicht, dass sie überhaupt da war, aber wenn doch, dann fühlte ich mich in ihrer Anwesenheit mindestens so wohl wie in der Hollys, die sich bereits in ihr Hotelzimmer zurückgezogen hatte – vermutlich um heimlich Mails abzuarbeiten, die über den Tag hinweg angefallen waren. Solange sie nicht auf die Idee kam, mir welche zu schicken, sollte mir das recht sein. Gerade wollte ich nichts lieber als Ruhe, geschlossene Türen und die Möglichkeit, ganz für mich zu sein.

Ich unterdrückte ein erleichtertes Seufzen und schloss für einen Moment die Augen, als die Tür hinter Samantha zugefallen war. Dann streifte ich meine Schuhe ab. Meine pochenden Füße versanken im Teppichboden des Hotelzimmers, mein Nacken knackte beunruhigend laut, als ich den Kopf etwas zur Seite neigte. Und dann hörte ich sie.

»Da bist du ja, Aven.«

Eiskalte Gänsehaut überfiel mich, noch bevor ich die Augen wieder geöffnet hatte. Mein Blick glitt hektisch durch die Suite, über die dunklen Holzmöbel und die Couch. Die Person saß im Schneidersitz auf dem Kingsizebett am anderen Ende des Raumes. Ihr Gesicht leuchtete auf, als ich sie ansah.

Wer. Bist. Du?

Binnen Sekunden lief in meinem Kopf die Liste an Menschen ab, die ich potenziell in meinem Hotelzimmer erwarten würde. Sie war nicht sehr lang: Holly, Samantha, das war’s. Doch sie waren es nicht.

Das Mädchen auf meinem Bett war eine Unbekannte. Und sie war hier. In meinem Zimmer.

Automatisch wich ich zurück, als sie sich aufrichtete und auf allen vieren über das zerwühlte Bett krabbelte. Ich wollte rennen, aber meine Knie fühlten sich plötzlich weich an. Es war wie einer dieser Träume, in denen Fans und Leute von der Presse über die Straße auf mich zugerannt kamen und ich mich einfach nicht mehr bewegen konnte. Doch das hier war kein Traum. Es war echt.

»Wie …?« Meine Stimme wollte mir nicht länger gehorchen.

»Wie ich hier reingekommen bin?« In ihren Augen glitzerte etwas, das mich zutiefst beunruhigte. Sie konnte kaum älter als achtzehn sein. »Ich war auch überrascht, wie leicht das war. Ich denke, Rob und Tina waren heute früh, als ihr aufgebrochen seid, so beschäftigt damit, die Fans unten im Foyer in Schach zu halten, dass sie nicht auf die Fahrstühle geachtet haben. Ich konnte einfach hier hinauffahren. Als der Zimmerservice kam, bin ich reingekommen und habe mich versteckt, sie haben mich nicht bemerkt. Ich habe den ganzen Tag auf dich gewartet, Aven. Endlich bist du zu Hause. Hattest du eine schöne Premiere?«

Wer war diese Person? Und wieso wusste sie, welches Zimmer meins war, woher kannte sie die Namen meines Sicherheitspersonals, und wieso Herrgott noch mal sprach sie von ihnen, als wären sie befreundet? Das alles wollte ich fragen, aber ich konnte nicht. Dunkle Punkte tanzten vor meinen Augen, während das Mädchen näher kam. Sie trug ein T-Shirt von mir, eins, in dem ich immer schlief. In meinen Ohren knackte es.

»Du bist so real.« Das Zittern in ihrer Stimme war unüberhörbar. Mir war das vertraut. Fans, die mich auf der Straße erkannten, zu Meet and Greets kamen, in Tränen ausbrachen und beinahe in Ohnmacht fielen, wenn ich sie anlächelte und mich erkundigte, ob es ihnen gut ging.

Und das musste ich nun auch. Lächeln. Ruhig bleiben. Alles andere war gefährlich. Ich war eine Schauspielerin, ich konnte das schaffen.

Wo war mein Handy?

Ich wich erneut nach hinten, als das Mädchen noch einen Schritt auf mich zumachte. Aber ich kam nicht weit. In meinem Rücken spürte ich die Wand. Doch ich durfte jetzt nicht die Nerven verlieren. Das war riskant. Diese Person war von der Security und dem Hotelpersonal unbemerkt bis in mein Zimmer gelangt, um was auch immer zu tun. Ich wusste nicht, wozu sie in der Lage war, und ich wollte es nicht herausfinden.

»Darf ich dich umarmen?«

Wenn ich in den Interviews gefragt wurde, wie ich das Verhältnis zu meinen Fans beschreiben würde, betonte ich stets, wie respektvoll und höflich sie waren. In aller Regel berührten sie mich nicht ohne meine Zustimmung. Sie baten um Erlaubnis.

Ich nickte fiebrig, ohne es wirklich zu wollen. Zeit, ich musste Zeit schinden, um mir zu überlegen, was ich tun konnte. Natürlich könnte ich sie von mir stoßen und nach draußen auf den Flur stürzen, um zu beten, dass ich jemandem aus unserem Sicherheitsteam begegnen würde. Aber ich bezweifelte, dass ich dort nun noch jemanden finden würde. Die Security hatte mich in mein Zimmer gebracht, der Job war für heute Nacht erledigt. Niemand hatte eine Ahnung, dass er gerade erst begann.

Nur mit all meiner Selbstbeherrschung gelang es mir, das erstickte Wimmern zu unterdrücken, das in mir aufstieg, als das Mädchen die Arme um mich schlang. Für einen Moment hatte ich das Gefühl, meine Beine würden unter mir nachgeben. Die Wärme ihres Körpers, der Duft von Deo und süßem Parfüm, gemischt mit Schweiß. Nah. Gott, verdammt, sie war viel zu nah. Und keiner war hier, um sie zu entfernen.

Sie ließ nicht los.

Schwindel tanzte hinter meiner Stirn, meine Brust war zu eng zum Atmen. Ich war eine Gefangene in meinem eigenen Körper, der nicht länger das tat, was ich von ihm verlangte. Ich war erstarrt, ich wartete auf Hilfe, aber es würde keine kommen.

»Du riechst wie damals in Los Angeles.« Dieser Satz genügte, und in meinem Kopf setzten sich die Puzzleteile in rasender Geschwindigkeit zusammen.

Los Angeles, Kalifornien. Meet and Greet in den Universal Studios, das musste etwa vor einem halben Jahr gewesen sein. Ich war nie gut darin gewesen, mich an die Gesichter der Fans zu erinnern, doch manchmal gelang es mir, sie den Social-Media-Accounts zuzuordnen, die mich nach Treffen und Events auf Selfies markierten. Sie war eine davon gewesen, und ich hatte sie auf ihren Account angesprochen.

»Du warst damals dort.« Noch während ich die Worte aussprach, erkannte ich meinen Fehler. Ich tat es wieder. Ich wurde zu persönlich, weil ich ihr ein gutes Gefühl geben wollte. Selbst jetzt noch, nachdem sie all meine Grenzen übertreten hatte. Ich fühlte mich trotzdem, als bliebe mir keine andere Wahl.

Mir wurde übel, als ihr Gesicht hoffnungsvoll aufleuchtete. Sie ließ mich los. »Du erinnerst dich an mich?« Gott, nein. Nein, nein, nein. Sie griff nach meinem Arm. »Aven, ich wusste, dass wir eine besondere Verbindung haben. Ich wusste es eigentlich schon, als du mir damals auf Instagram geantwortet hast. Ich denke, du hast meine Nachrichten anschließend nicht mehr gelesen, aber du kennst mich noch, richtig?«

Mein Herz schlug hart gegen meine Rippen, während sie mich erwartungsvoll ansah. Denk nach, denk nach, denk nach.

»Sophie?«, sagte ich zögerlich. Es klang mehr wie eine Frage, aber anscheinend hatte ich richtig geraten.

»Oh mein Gott, ja!« Sie kam näher, noch näher, wie sollte ich atmen, wie? »Ich wusste, dass du dich erinnern würdest! Es war Schicksal, weißt du?«

Ich nickte, weil mir nichts anderes übrig blieb.

»Und, wie war die Premiere? Ich bin so stolz auf alles, was du geschafft hast, Aven.«

»Ja, ich …« Vor meinen Augen flimmerte es. Mein Blick fiel auf die geöffnete Flügeltür zum Badezimmer. »Sophie, ich … Ich mache mich eben frisch, in Ordnung? Danach kann ich dir alles erzählen.«

»Natürlich.« Sofort wich sie etwas zurück. »Ich warte hier auf dich.«

Daran hegte ich nicht den geringsten Zweifel. Ich musste mich an der Wand abstützen, während ich zum Bad lief und die Tür hinter mir abschloss. Ich spürte ihre Berührungen an meinem Körper, sie brannten auf meiner Haut. Meine Atmung war zu schnell, meine Gedanken drehten sich im Kreis. Die Lichter der Skyline von Manhattan verschwammen vor meinen Augen, während das Fiepen in meinen Ohren anschwoll. Ich konnte nun nicht in Panik geraten. Noch nicht.

Meine Finger bebten, während ich mein Handy aus der Handtasche nahm. Ich benötigte drei Anläufe, bis ich es entsperrt und auf meine Kurzwahl zugegriffen hatte.

»Aven?« Holly hörte sich auch nachts um halb zwei nach einem anstrengenden Tag so geschäftsmäßig wie immer an. Mit Sicherheit saß sie noch an ihrem Laptop. »Was gibt es, Liebes?«

»Es … da ist … jemand ist hier.«

»Was?« Holly klang sofort alarmiert. Tränen traten mir in die Augen. Tränen der Erleichterung, dass Holly den Ernst der Lage begriff, obwohl meine Stimme mir kaum hatte gehorchen wollen.

»So ein Mädchen …« Ich schloss die Augen. »Sie macht mir Angst.«

»Wo bist du, Aven?«

»Hotelzimmer.«

»Wir kommen.« Im Hintergrund knallte eine Tür. »Ich lege jetzt auf, damit ich Rob informieren kann, Aven.«

»Danke«, flüsterte ich heiser, bevor die Verbindung abbrach und die Realität wieder auf mich einstürzte.

Die Tür vom Bad zu meinem Zimmer war verschlossen. Sie trennte mich von Sophie, doch das Wissen um die Distanz hatte dem unkontrollierbaren Zittern, das mich überfiel, nichts entgegenzusetzen. Ich stand in die hinterste Ecke dieses überdimensionierten Marmorbadezimmers gepresst und wagte es nicht, mich zu bewegen, so als wäre jeder meiner abgehackten Atemzüge durch die Tür hindurch zu hören.

Holly kommt. Sie informiert Rob, sie sind gleich hier. Es kann nicht mehr lange dauern.

»Aven?«

Ein Schluchzen stieg in mir auf, als ich Sophie durch die Tür hörte. »Ich glaube, jemand hat angeklopft.«

»Ja?« Meine Stimme klang unnatürlich hoch. »Mach einfach auf, okay?«

»Sicher? Vielleicht solltest du lieber selbst …«

»Nein, schon gut, wirklich. Ich bin jeden Moment da.« Weiter kam ich nicht. Ich sah sie nicht, doch ich hörte die Stimmen. Tina, Head of Security der Sicherheitsagentur, die uns aktuell betreute, dann Rob, der als mein persönlicher Leibwächter mit mir zu Events wie diesen reiste und tagsüber nicht von meiner Seite wich. Es war laut, ich hörte Sophie schreien, selbst durch die geschlossene Tür.

»Wo ist sie? Aven?«

Ich musste zur Badezimmertür gehen, sie öffnen. Aber ich konnte mich nicht bewegen, auch nicht als das Holz splitternd unter Robs Gewicht nachgab. Ich hörte Sophies Rufe, meinen Namen, die ganze Zeit meinen verfluchten Namen.

»Sie weiß, wer ich bin, Aven kennt mich doch!«

Sie waren schnell, sie hatten sie bereits überwältigt, als Holly hinter Rob ins Bad stürzte.

»Geht es dir gut, Aven?«

»Aven, bist du in Ordnung?«

»Ist sie verletzt?«

AvenAvenAven.

Ich ertrug ihn kaum, meinen Namen, den sie alle sagten. Ich hörte nur Sophie.

Da bist du ja, Aven. Ich habe auf dich gewartet.

Endlich bist du zu Hause.

Ihr Blick fand mich durch die geöffnete Tür, als zwei Sicherheitskräfte sie abführten. Mein Herz raste.

»Aven.« Sie lächelte. »Bis bald!«

Mein Blut gefror.

1. KAPITEL

Aven

»Du hast es kontrolliert, richtig?« Ich bemühte mich, beiläufig zu klingen, bevor ich die Schultern straffte und meine Sonnenbrille abnahm. Vor uns schlossen sich die Aufzugtüren des Fairmont Pacific Rim.

»Deine Suite wurde selbstverständlich überprüft.« Hollys Blick klebte auf ihrem iPhone, auf dem garantiert Dutzende Mails und Nachrichten darauf warteten, von ihr beantwortet zu werden. Ich wollte sie nicht von der Arbeit abhalten, mir war bewusst, wie herausfordernd es war, mich und die restliche Klientel ihrer Agentur zu betreuen. Aber ich musste das wissen.

»Wer?«, hakte ich nach. Nun hob Holly den Kopf. »Wer hat es kontrolliert?«

»Chester und die Hotelsecurity«, sagte sie langsam. Mein neuer Personenschützer, der im Fahrstuhl neben uns stand, nickte bestätigend, bevor er wieder die geschlossenen Türen fixierte. »Und ich war auch noch drin, als uns die Concierge vorhin alles gezeigt hat.«

Okay. Okay, das war gut. Dann konnte ich mich entspannen. Holly Triano hatte sich dieser Sache persönlich angenommen. Ich würde ihr, ohne zu zögern, mein Leben anvertrauen, also konnte ich jetzt verflucht noch mal damit aufhören, schon wieder durchzudrehen.

»Dein Gepäck ist bereits im Apartment. Möchtest du, dass ich dir das Abendessen auf eine bestimmte Uhrzeit bestelle?« Holly linste auf ihr iPhone, was mich schlussfolgern ließ, dass sie heute keine Kapazitäten hatte, mit mir zu Abend zu essen. Was in Ordnung war. Völlig in Ordnung. Sie war meine Managerin, nicht meine Mutter.

»Nein, schon gut, vielleicht lasse ich mir später etwas bringen.«

Ich lächelte, aber ich hätte es besser wissen müssen.

Hollys Stimme klang weicher, als sie antwortete. »Wenn du möchtest, bleibe ich noch ein Weilchen, und wir essen zusammen?«

Was ich an Holly Triano bewunderte, war nicht nur ihre Gabe, knallhart zu verhandeln und stets den Überblick über das Chaos zu behalten, das mein Leben war, sondern vor allem, jede meiner Emotionen wahrzunehmen. Und sosehr ein wirklich großer Teil von mir gern nicken würde, wollte ihr ein anderer nicht zusätzlich zur Last fallen.

Es war schon genug verlangt, dass Holly mich nahezu überallhin begleitete und nie an ihre Kolleginnen abgab. So intensiv betreute sie keine andere Schauspielerin in der Agentur. Ich war bereits ein Fulltime-Job für sie, irgendwo musste Schluss sein.

»Nicht nötig, danke«, sagte ich rasch. »Ich bin ehrlich gesagt auch ziemlich müde. Schätze, ich werde einfach früh ins Bett gehen.«

Sie glaubte mir kein Wort. Der kritische Zug um ihren Mund verriet sie, während sie nickte. »Du hast anstrengende Tage hinter dir.«

»Du auch.«

Und die nächsten Wochen würden nicht besser werden. Holly wusste das mindestens so gut wie ich selbst.

Nicht, dass das etwas Neues war, aber manchmal wünschte ich, ich könnte uns beiden eine ausgedehnte Auszeit auf einer abgelegenen Insel ermöglichen. Ohne Internet, ohne die Gefahr, von Fans oder der Presse belagert zu werden, und ohne die Gewissheit, in Kürze in dieses Chaos zurückkehren zu müssen, das sich mein Leben nannte.

»Willst du nicht rangehen?«, fragte ich Holly, als ihr Handy zu klingeln begann.

»Das muss warten«, erklärte sie knapp. Es waren Worte wie diese, die mir wieder und wieder vor Augen führten, was für ein Glück ich hatte, von ihr betreut zu werden. Zu wissen, dass Holly Triano zu jeder Tages- und Nachtzeit alles für mich stehen und liegen lassen würde, gab mir die Kraft, die ich benötigte, um mich meiner Panik nicht einfach hinzugeben. Gleichzeitig nagte das schlechte Gewissen an mir, wenn ich daran dachte, dass sie die übrigen zwei Dutzend Schauspielerinnen und Schauspieler, die sie in ihrer Agentur unter Vertrag hatte, andauernd an ihre Mitarbeiterinnen delegierte, anstatt sich ihrer selbst anzunehmen.

»Sicher?« Ich schluckte.

»Ganz sicher.« Holly hob die Hand an meinen Rücken und schob mich leicht an, als die Türen des Fahrstuhls auseinanderglitten und den Blick auf einen langen Flur freigaben.

Dunkler Teppich, mit edlem Holz verkleidete Wände, gedämpftes Licht.

Keine anderen Menschen.

Dieser Teil in den obersten Stockwerken des Fairmonts war für die übrige Hotelkundschaft nicht zugänglich. Die beiden exklusiven Suiten tauchten nicht einmal auf der Website auf, solch großer Wert wurde hier auf die Privatsphäre der High Profiler gelegt, die in Vancouver unerkannt absteigen wollten. Ein Konzept, das mir durchdacht vorkam und doch nichts daran ändern konnte, dass mir kalter Schweiß ausbrach, je näher wir der mächtigen Flügeltür am Ende des Flurs kamen.

Chester öffnete sie mit einer Schlüsselkarte. Ich kämpfte gegen den Drang an, ihn zu bitten, voranzugehen, als er sich daraufhin draußen neben der Tür positionierte.

Er hat bereits nachgesehen. Holly hat es eben versprochen. Du verhältst dich irrational.

»Das Penthouse war leider nicht mehr frei«, erklärte Holly, als sie vor mir eintrat. Sie ließ mir nicht den Vortritt, das tat sie nie. Nicht mehr seit dieser Nacht im Langham in New York. Sie betrat Räume für mich, um sie auf potenzielle Gefahren abzuscannen und um zu analysieren, wem wir begegnen würden. In diesem Fall hoffentlich niemandem. Die Wahrscheinlichkeit, dass wir nun auf einen ungebetenen Gast stoßen würden, ging gegen null. Ich wusste das. Doch das hatte ich damals auch gedacht, bevor dieses Mädchen mir das Gegenteil bewiesen hatte. »Aber diese Suite wirkte eigentlich auch ganz nett.«

Nett war wie erwartet völlig untertrieben und das hier der Beweis, dass Holly die Königin des Understatements war.

Die Aussicht aus den bodentiefen und mit Sicherheit verspiegelten Fenstern des rundum verglasten Apartments war nichts anderes als atemberaubend. Der Fakt, dass ich trotz der exponierten Lage mitten in Downtown fast ausschließlich auf Wasser, Berge und Wald blickte, ebenfalls. Auf der bewegten Oberfläche des Burrard Inlet glitzerte die tief stehende Nachmittagssonne, die Bergketten hinter dem Hafen waren nun, Ende Januar, mit Schnee bedeckt, ebenso wie die Baumkronen von Stanley Park vor der dunkelgrünen Lionsgate Bridge, der Verkehrsader, die Downtown mit Vancouvers Norden verband.

Ein Blick genügte, und mich überkam eine nahezu unheimliche Ruhe, wie sonst nur in meinem Wohnzimmer in Malibu mit Blick auf den Pazifik.

»Meinst du, es ist in Ordnung für dich?« Hollys Stimme holte mich zurück in den Moment. Sie war zur Essgruppe gegangen und wischte etwas imaginären Staub vom dunklen Rosenholztisch. Obwohl ich Unterkünfte dieses Kalibers gewohnt war, kam es mir noch immer jedes Mal riskant vor, etwas von der exklusiven Einrichtung zu berühren. Ich wollte nicht wissen, wie viele Kleinwagen allein die offene Küche aus cremefarbenem Naturstein wert sein musste. Alles hier drin rief stiller Luxus, angefangen bei der frei stehenden Couchlandschaft, dem State-of-the-Art-Heimkino und der zurückhaltenden Dekoration, bestehend aus frischen Blumen und teuer aussehenden Vasen, um der Wohnung Leben einzuhauchen. Es sah perfekt aus, nicht dass mich das wunderte. Der Wohnbereich bot sogar Zugang zu einem privaten Balkon, von dem aus ich die seltenen Vancouver Sonnenstrahlen genießen konnte. Wobei nein, das war völlig undenkbar. Die kleine Terrasse war von den umgebenden Gebäuden einsehbar. Ich würde sie besser meiden. Das mochte paranoid klingen, aber übereifrige Leute von der Presse kamen manchmal auf die absurdesten Ideen, um an ihre Schnappschüsse zu gelangen, das hatte ich auf die harte Tour gelernt.

»Ich bin begeistert«, sagte ich wahrheitsgemäß. »Du hast dich mal wieder selbst übertroffen.«

Holly lächelte ihr elegantes Lächeln, das leicht mit Arroganz zu verwechseln war, wenn man sie nicht kannte. »Nur das Beste für dich. Hier geht es zu den Schlafzimmern.«

Plural. Natürlich. Was hatte ich auch erwartet? Es handelte sich hierbei um den Ort, an dem ich die nächsten Wochen verbringen würde, Holly hatte selbstverständlich dafür gesorgt, dass er großzügig genug war, um mich während der Dreharbeiten meines neuen Projekts auszubreiten.

Der Ankleideraum war bereits mit meinen persönlichen Gegenständen versehen, ebenso das En-suite-Bad mit frei stehender Wanne, Regendusche und einem fantastischen Blick auf die Bucht, der nur im Schlafzimmer noch besser wurde. Arbeitszimmer, zusätzlicher Schlafraum und ein weiteres, kleineres Bad, es war großartig. Und ich konnte nirgends einen Eindringling entdecken, also war es nun an der Zeit, mich zu beruhigen.

Niemand versteckte sich in dieser Wohnung. Ich war hier sicher.

Lügen, die ich mir erzählte, ohne sie wirklich zu glauben. Man tat, was man konnte.

Außerdem hatte ich weder die Schränke kontrolliert noch hinter den Vorhängen nachgesehen. Einzig Hollys Anwesenheit hielt mich davon ab, einen Blick unter das Bett zu werfen.

»Es ist fantastisch, wirklich«, sagte ich stattdessen. »Danke, Holly.«

»Natürlich. Dein Gepäck müsste vollständig sein, Samantha hat ausgepackt, sag mir bitte Bescheid, wenn etwas fehlt«, fuhr Holly fort und ignorierte abermals ihr Handy, das in dieser Sekunde erneut zu klingeln begann. »Der Pool ist in der dritten Etage, ich kann dir jederzeit einen Slot reservieren lassen, dann gehört er ganz dir. Der Fitnessbereich hier oben ist privat, du musst keine Begegnungen befürchten, die Nummern von Koch und Concierge findest du im Briefing, das ich dir gestern …«

»Ich finde mich schon zurecht, Holly«, unterbrach ich sie. Schließlich war das nicht das erste Mal, dass ich in einer unbekannten Stadt vorübergehend in ein fremdes Apartment einzog. Das Gefühl, nirgendwo je so recht anzukommen, war mir nicht neu. Ich würde schon klarkommen, auch wenn ich eine Weile benötigen würde, um mich davon zu überzeugen, dass dieser Ort sicher war. »Du musst arbeiten gehen.«

»Unsinn, ich …«

»Holly, es ist wirklich in Ordnung. Danke, dass du mich hergebracht hast.«

Sie seufzte schuldbewusst. »Ich sollte das dementieren, aber leider explodiert mein Postfach jeden Moment.«

»Zum Geburtstag schenke ich dir einen Pause-Knopf, auf den du drücken kannst, damit alles kurz aufhört.«

Sie lachte. »Das wäre wundervoll, Aven. Besorg uns gleich zwei.«

»Pro Person«, fügte ich hinzu.

»Du meinst, falls einer mal kaputtgehen sollte?«

»Ja, man kann nie wissen.«

Holly lachte leise, dann wurde sie wieder ernster.

»Du weißt, dass du mich immer anrufen kannst, wenn etwas ist«, sagte sie, während wir zurück in den Wohnbereich gingen. »Mein Zimmer ist in der achten Etage, ich bin dann sofort hier. Chester ist ebenfalls nur einen Anruf entfernt.«

Ich nickte.

Vor dem Zwischenfall in New York war ich regelmäßig allein zu Castings und Dreharbeiten gereist und hatte mich nur bei Schwierigkeiten an mein Management gewandt. Es war mehr, als ich von ihr verlangen konnte, doch ich war Holly unendlich dankbar, dass sie seitdem nicht von meiner Seite wich. Vielleicht lag das auch daran, dass ich als Allererste bei ihr unterschrieben hatte, nachdem sie sich als Artist-Managerin selbstständig gemacht hatte und ich gerade aus dem Vertrag mit meinem alten Management gekommen war.

»Wollen wir morgen gemeinsam frühstücken?«, fragte sie zurück im Wohnbereich. »Der Wagen ist auf neun Uhr bestellt, ich könnte vorher vorbeikommen.«

Neun Uhr. Ich war lange genug Schauspielerin, um zu wissen, dass das vorerst das letzte Mal sein würde, dass ich das Haus zu einer so angenehmen Uhrzeit verlassen würde. Wochenenden waren ein Konzept, das in der Unterhaltungsbranche nicht existierte. Ebenso die Annahme, man wäre etwas wert, ohne pausenlos Leistung zu erbringen. Man musste es lieben. Und das tat ich, seit ich mit elf Jahren zum ersten Mal Set-Luft geschnuppert hatte und Mom und Dad endlich nicht mehr pausenlos hatte nötigen müssen, mich mit ihren alten Videorecordern zu filmen, während ich in meinen äußerst professionellen Verkleidungen meine Hannah-Montana-Performances zum Besten gab. Die Serien meiner Kindheit nur zu konsumieren hatte mir nicht gereicht. Ich musste selbst in Rollen schlüpfen, mich genau wie meine Idole verwandeln. Die drängende Neugier dahinter war der Hauptgrund, warum ich diesen Job liebte. Daran hatte sich nichts geändert. Auch nicht nach allem, was seither geschehen war.

»Dann um acht?«, schlug ich vor.

»Gern.« Holly umarmte mich. »Ich freue mich, Aven. Das wird alles richtig toll.«

Mein Magen kribbelte vorfreudig, und zum ersten Mal heute fühlte sich mein Lächeln echt an. Holly Triano hatte immer recht, aber damit ganz besonders. Es würde toll werden. Es war meine erste große Produktion fürs Kino, die Hauptrolle in InfinityFalling, und seit Wochen überkam mich pure Euphorie bei der Vorstellung, dass es nun tatsächlich ernst wurde.

Ich zwang mich, mich ganz auf dieses Gefühl zu konzentrieren, als Holly weg war. Auch dann noch, als die Stille lauter wurde und die Vorsicht mir zuflüsterte, vielleicht besser selbst noch einmal in allen Ecken der Suite nachzusehen, mich zu vergewissern, dass ich wirklich allein war.

Ich war allein. Das sagte ich mir wieder und wieder. Nur ich, sonst niemand.

Ich atmete ein, hielt die Luft für einige Sekunden an, und dann drehte ich mich um, während ich sie langsam wieder entweichen ließ.

Manchmal vermutete ich, dass wir uns die telepathischen Fähigkeiten nicht nur einbildeten, denn noch bevor ich auf die Idee kommen konnte, mich einsam zu fühlen, summte mein Handy.

Angekommen? Ich will dein Apartment sehen!!

Ich musste lächeln und startete, ohne zu zögern, den Videocall.

»Hallöchen!« Megan strahlte, und sie sah umwerfend aus.

»Drehst du noch?«, fragte ich, als mir ihr Make-up und die perfekt sitzenden schwarzen Haare auffielen. So sah meine beste Freundin in aller Regel nur aus, nachdem sie Stunden in der Maske eines Filmsets verbracht hatte.

»Bin auf dem Weg ins Hotel«, erklärte Megan und schwenkte das Handy leicht, damit ich das Innere des Wagens sehen konnte, auf dessen Rückbank sie saß.

»So früh schon?« Ich ließ mich auf die Couch fallen, die wie erwartet den optimalen Weichheitsgrad besaß.

»Die anderen sind noch beschäftigt, ich bin durch mit meinen Takes. Aber erzähl mir, wie ist alles?«

»Gut, schön. Vancouver ist toll.«

Megan rollte mit den Augen. »Aven Amenta, du bist gerade first class nach Vancouver geflogen, um die Hauptrolle in Infinity Falling zu spielen, und alles, was du zu sagen hast, ist gut, schön? Ein bisschen mehr Begeisterung, wenn ich bitten darf.«

Die war durchaus vorhanden, aber manchmal fand ich es schwierig, sie vor Megan zum Ausdruck zu bringen. Ich wollte nicht überheblich wirken, denn auch wenn ich wusste, dass Megan sich mit mir freute, fürchtete ich, dass es ihr dennoch ein schlechtes Gefühl geben könnte. Ich wusste, wie es war, wenn man sich permanent mit anderen verglich und ständig schlechter abschnitt.

»Okay, es ist unglaublich«, gestand ich, weil ich auch wusste, wie anstrengend es war, mit Menschen zu tun zu haben, die sich ihrer Privilegien absolut nicht bewusst waren und ständig beschwerten. »Heute Morgen hatte ich kurz Angst, dass alles nur ein Traum ist und ich jeden Moment aufwache.«

»Es ist kein Traum, es ist dein Leben.«

»Ich freu mich so«, flüsterte ich.

Megan lächelte. »Das darfst du auch.«

»Die Wohnung hat ein Gästezimmer. Ich hoffe, du kommst mich bald besuchen?«

»Du meinst, in ungefähr zwei Jahren?« Megan lachte gequält. »Ich bin nur mäßig optimistisch, dass es früher klappt.«

»Willst du mir damit sagen, dass du die Rolle für HBO hast?«

Megan nickte, aber ihre Augen konnten nicht verbergen, dass dieses Engagement, für das sie vor einer Weile vorgesprochen hatte, nur ihre zweite Wahl gewesen war. »Ich schätze, ich drehe ab März wieder in Los Angeles.«

»Wow, herzlichen Glückwunsch, Megs! Das ist großartig.«

Sie schluckte. »Danke.«

»Freust du dich nicht?« Ich wollte die Frage zurücknehmen, noch in der Sekunde, in der ich sie stellte. Natürlich freute sie sich, eine Rolle war schließlich eine Rolle, aber ich wusste, dass meine beste Freundin sich noch mehr gefreut hätte, wenn unsere Träume von den gemeinsamen Dreharbeiten in Vancouver in Erfüllung gegangen wären. Wir hatten uns bereits ausgemalt, wie fantastisch es wäre, zusammen hier zu arbeiten, als unsere Agentin Gianna uns vor einigen Monaten die Infinity-Falling-Drehbücher vorgestellt hatte. Während es für mich tatsächlich die Hauptrolle des Blockbusters geworden war, hatte Megan nach zahlreichen Vorsprechen und Screenproben eine Absage für eine der großen Nebenrollen erhalten. Es war ein Schlag in die Magengrube gewesen, und auch wenn ich wusste, dass sie mir den Erfolg gönnte, spürte ich mein nagendes schlechtes Gewissen, wann immer ich daran dachte.

»Doch, total. Holly und Gianna meinten, es ist ein super Angebot. Wenn die Pilotstaffel gut anläuft, unterschreibe ich vielleicht für zwei Folgestaffeln.«

»Und für eine Rolle in der Infinity-Fortsetzung«, fügte ich hinzu.

Megans Lächeln wirkte verkrampft. »Aven, hör auf …«

»Sie haben das gesagt«, erinnerte ich Megan an die Worte des Casting Directors.

»Ja, sagen sie garantiert zu jedem.«

»Das tun sie definitiv nicht.«

»Ich mache mir keine großen Hoffnungen mehr.«

»Ich mir aber. Du weißt, wie sehr sie dein Demotape mochten.«

»Was nützt es mir, wenn ich in Präsenz nicht überzeugen konnte?«

»Du warst nervös, so wie alle anderen auch. Außerdem bist du unbeschreiblich talentiert und obendrein bezaubernd, das werde ich jedem hier erzählen.«

»Wehe.« Megan lachte, aber sie konnte nicht verbergen, wie sehr sie insgeheim noch immer darauf hoffte, dass ihr Traum von der Aroda-Rolle in den geplanten Fortsetzungen wahr wurde. Ich hoffte es ebenfalls. Wenn ein gigantisches Franchise wie das Aroda Cinematic Universe mit einer beliebten New-York-Times-Bestsellerautorin wie Hope MacKenzie arbeitete, die das Konzept für Infinity Falling entwickelt hatte, war der Erfolg quasi vorprogrammiert. Ich hatte einige ihrer Bücher gelesen und mein Glück kaum fassen können, als man mich exklusiv für die Hauptrolle angefragt hatte. Eine ACU-Rolle war alles, wovon junge Nachwuchstalente träumten. Seit ich denken konnte, wurden Aroda-Produktionen nur mit den hochkarätigsten Schauspielerinnen und Schauspielern besetzt. Allein dafür in Betracht gezogen zu werden war eine Ehre. Für Megan erst recht, denn sie war noch nicht so lange im Geschäft wie ich. Ich würde das Casting, bei dem ich sie vor etwa zwei Jahren heulend auf der Toilette vorgefunden hatte, nie vergessen. Seitdem waren wir unzertrennlich.

»Wow, du kannst auf Stanley Park schauen?«, fragte Megan, als ich die Kamera wechselte, um ihr mein Apartment zu zeigen. »Holly hat sich mal wieder nicht lumpen lassen. Weißt du, wo die anderen untergekommen sind?«

»Gute Frage, ich habe noch niemanden getroffen«, meinte ich, während ich Megan durch den Rest der Wohnung führte und mich dann auf mein Bett fallen ließ. »Das Preproduction-Event hat schon vor drei Wochen in den ACUStudios in Hollywood stattgefunden.«

»Das muss so cool gewesen sein«, murmelte Megan. Sie hatte in New York gedreht, während ich bei der Party gewesen war, zu der Crew-Mitglieder und das Schauspielensemble von der Produktion eingeladen wurden, um sich schon vor Drehbeginn kennenzulernen. »Du drehst mit Sorell Vikings und Miles Welsh.«

»Erinner mich bloß nicht daran«, murmelte ich beim Gedanken an die preisgekrönten Co-Stars vorheriger Aroda-Produktionen, die auch in InfinityFalling wieder auftauchen würden. Alle Filme und Serien des ACU spielten im selben Universum und waren miteinander verwoben, was Gastauftritte beliebter Darstellender voriger Formate zuließ. Eine Aroda-Rolle bedeutete daher im besten Fall ein langfristiges Engagement.

»Bist du sehr nervös?«, fragte Megan.

»Nein, ich sterbe«, gab ich zu.

»Lies heute nicht mehr im Skript, okay? Das macht einen nur völlig kirre.«

»Ja, mal sehen«, murmelte ich. In Panik verfallen würde ich heute Abend sowieso. Diese Rolle war mein absoluter Traum, aber sie war auch ein großer Schritt zurück in die Öffentlichkeit. Das Kontrastprogramm der letzten Monate, während denen ich für meine Verhältnisse ziemlich untergetaucht war, nach dem, was im Sommer in New York vorgefallen war. Ich hatte meine Zweifel, dass mir das weiter gelingen würde, während ich für einen der am heißesten erwarteten Filme des Jahres drehte.

Ich verabschiedete mich von Megan, als sie ihr Hotel erreichte, und entschied mich, etwas zu essen zu bestellen, auch wenn ich kaum Appetit hatte. Natürlich war ich nervös wegen morgen, auch nach all den Jahren in der Branche, aber ich würde es nicht ändern wollen. Nervosität war gut – zumindest solange sie mich nicht lähmte. Ich wollte an meinem ersten Drehtag nicht nur gut sein, sondern hervorragend. Und ich wusste, dass mir das gelingen würde. Ich war vorbereitet. Ich kannte die Takes, ich beherrschte meinen Text. Diese Rolle war meine Chance auf den großen Durchbruch, und sie war mir wie auf den Leib geschneidert. Ich würde nicht länger Disney-Aven sein, es war Zeit, der Welt zu zeigen, dass ich in der Lage war, den Sprung vom Kinderfernsehen in die Welt der Erwachsenenunterhaltung zu schaffen. Ich hatte auf diesen Moment hingearbeitet. Jahre voller harter Lektionen und erniedrigender Rückschläge lagen hinter mir. Ich war noch längst nicht am Ziel, aber tief in mir drin konnte ich spüren, dass ich mich auf einem guten Weg befand. Und daran würde nichts und niemand etwas ändern können.

2. KAPITEL

Hayes

»Ich fasse es nicht, dass du zugestimmt hast.«

Ich weigerte mich, die Augen zu öffnen. Ebenso, wie ich mich weigerte, zu akzeptieren, dass das gerade die Realität war und kein wirrer Fiebertraum, in dem ich Hals über Kopf meine Sachen gepackt und London verlassen hatte. Neun Stunden Transatlantikflug und eine mehr oder weniger schlaflose Nacht später waren wir in Vancouver gelandet. Allmählich begann ich zu realisieren, dass das hier tatsächlich passierte.

»Ich fasse es auch nicht«, grummelte ich mit geschlossenen Augen und legte eine Hand an meine Nasenwurzel. Scheiße, ich war müde, und ich fragte mich wirklich, wie ich nun arbeiten sollte.

»Es ist eine einmalige Chance, Haz«, sagte Ruben zum wiederholten Mal. Ich liebte meinen Manager, doch gerade würde ich ihn am liebsten auf den Mond schießen. Nicht, weil er versucht hätte, mich zu überreden, die männliche Hauptrolle in Infinity Falling anzunehmen, die völlig überraschend kurz vor Drehbeginn doch wieder frei geworden war. Sondern, weil er mich nicht davon abgehalten hatte, es zu tun. Welcher Teil meines Verstandes gestern Morgen in London ausgesetzt hatte, als ich der wohl spontansten Anfrage meiner gesamten Karriere zugestimmt hatte, war mir rätselhaft.

Eine Aroda-Rolle. Für mich …

Ich war kein Schauspieler. Ich war ehemaliger Boyband-Sänger, eine Enttäuschung, mehr oder minder verloren und absolut unvorbereitet. Das Vorsprechen für die Rolle, zu dem ich vor einigen Wochen eingeladen worden war, nachdem mein Demotape offenbar gefallen hatte, änderte nichts daran, dass ich absolut keine Ahnung hatte, was ich tat. Bereits bevor ich die Band verlassen hatte, hatte mich die Schauspielerei mindestens so sehr interessiert wie die Musik. Damit geliebäugelt, für Rollen vorzusprechen, hatte ich seit längerer Zeit. Damals unter HighScore, unserem Knebel-Management, das uns groß gemacht hatte, völlig undenkbar, schließlich hatten wir als rekordebrechende Boyband, die die Arenen dieser Welt mit kreischenden Fans füllte, zu funktionieren und nicht mit anderen Künsten herumzuexperimentieren. Tja, vielleicht hätte es geholfen, uns ein klein wenig mehr Möglichkeit zur Selbstverwirklichung zu lassen, denn jetzt gab es überhaupt keine Band mehr. Temporary Fix war Geschichte. Und das war allein meine Schuld.

»Hör auf zu grübeln, Chamberlain.«

Ich blinzelte und warf Ruben einen scharfen Blick zu. Es gefiel mir nicht, wie mühelos er mich las. Aber gleichzeitig war es tröstlich, von jemandem verstanden zu werden. Und das tat Ruben Belton. Ich vertraute ihm, er wollte das Beste für mich, aus irgendeinem Grund glaubte ich daran mit einer Unerschütterlichkeit, die womöglich Naivität gleichkam. Aber wenn man bereits mit sechzehn Jahren in diese berechnende Branche geworfen wurde, hatte man zwei Möglichkeiten: Man ging unter, oder man lernte, Menschen einzuschätzen. Das war zwingend notwendig, um zu überleben. Ich hatte auf die harte Tour gelernt, dass nichts törichter war, als meinem Bauchgefühl zu misstrauen. Und das hatte mich weder letztes Jahr zögern lassen, als ich die Möglichkeit gehabt hatte, bei Ruben zu unterschreiben, noch gestern, als er mich wegen der Rolle angerufen hatte. Die Zweifel hatten mich erst auf der Reise nach Vancouver heimgesucht.

»Sie werden das so was von bereuen.« Ich bemühte mich, gleichgültig zu klingen, aber das unterdrückte Beben in meiner Stimme verriet mich.

»Sie wollten dich unbedingt für diese Rolle, Hayes.«

Ruben nervte, wenn er meinen vollen Namen benutzte. Das tat in der Regel nämlich niemand in meinem Privatleben. Hayes Chamberlain war eine Kunstfigur, mit der ich mich längst nicht mehr identifizierte, auch wenn sie meinen bürgerlichen Namen trug. Seit ich mein Öffentlichkeits-Ich auf diese Art betrachtete, fühlte ich mich wieder, als hätte ich zumindest ein Stück weit Kontrolle über meine Identität zurückerlangt – und musste es dementsprechend nicht mehr auf andere Art versuchen. Na ja, zumindest in der Theorie.

»Wohl nicht unbedingt genug«, sagte ich beim Gedanken daran, dass mir in der ursprünglichen Castingrunde Ende letzten Jahres für die Rolle abgesagt worden war.

»Wir wissen beide, dass es an den Rahmenbedingungen lag, dass du damals ausgeschieden bist.«

Rahmenbedingungen. Ich lächelte müde. Eine hübsche Bezeichnung für Aven Amenta, die ihre Managerin auf das Produktionsteam losgelassen hatte, als sie davon Wind bekommen hatte, dass ich ihr Co-Star in Infinity Falling werden sollte. Aven Amabel Amenta, Triple A. Die einzige Frau, für die ich je etwas Echtes empfunden hatte – auch dann noch, nachdem wir einander mit beeindruckender Effizienz das Herz gebrochen hatten. Nun verabscheute sie mich.

Das konnte ich ihr nicht mal verübeln, wirklich nicht, aber ein naiver Teil von mir hatte geglaubt, dass wir die Sache nach all den Jahren hinter uns gelassen hatten und in der Lage waren, vernünftig miteinander zu arbeiten. Offensichtlich hatte ich mich getäuscht.

»Ihr Management weiß aber von der Umbesetzung?«

»Darüber musst du dir keine Gedanken machen«, erklärte Ruben wie aus der Pistole geschossen.

Also wussten sie es nicht. Ich war so was von erledigt. Himmel, was tat ich hier?

»Ich denke, es wird zu knapp, noch in der Unterkunft einzuchecken«, bemerkte Ruben nach einem Blick durch die Windschutzscheibe des Wagens. »Ist es für dich in Ordnung, wenn wir direkt ans Set fahren?«

Ich zuckte leicht mit den Schultern und lehnte den Kopf an die Rückenlehne. »Hab ich eine Wahl?«

»Du hast immer eine Wahl, Haz.« Rubens Worte schickten einen Schauer meine Wirbelsäule hinab. »Das weißt du.«

Tat ich das? Prinzipiell ja, doch nach sechs Jahren HighScore unter Nathalie Ashcrofts eiserner Führung hatte ich es zeitweise vergessen. Die Fans nannten unsere ehemalige Managerin Asshole und erläuterten in ihren TikToks und Tweets hingebungsvoll, warum diese Frau Tommy, Zach, Marcus und mich während unserer Zeit in der Band gebrochen hatte. Ich gab ihnen prinzipiell recht, aber was sie nicht bedachten, war der simple Fakt, dass es ohne sie kein Temporary Fix gegeben hätte. Es war zermürbend, wenn man der Person, die einen durch die Hölle hatte gehen lassen, auch noch dankbar sein musste. Willkommen in der Unterhaltungsindustrie. Ich schloss die Augen.

Doch Nathalie traf nicht länger die Entscheidungen für mich. Ich tat es selbst, gemeinsam mit Ruben, der nicht mein Boss war, sondern mein Partner. Wir waren ein Team, wir begegneten uns auf Augenhöhe. Und mir war bewusst, dass er sämtliche Pläne auf der Stelle umwerfen würde, wenn ich ihn nun darum bitten würde. Er nahm mich ernst. Erschreckend genug, dass mich das manchmal noch immer erstaunte.

Ich seufzte leise, die Müdigkeit zerrte an meinen Nerven.

»Nein, schon gut.« Warum sagst du nie, was du eigentlich sagen willst? »Bringen wir’s hinter uns.«

*

Das mit mir hatte noch nicht die Runde gemacht. Ich war mir sicher, als sich sämtliche Köpfe in unsere Richtung drehten, sobald wir die Produktionsstätte betraten. Das Set von Infinity Falling befand sich auf dem Gelände der ACU Studios vor den Toren von Vancouver, geschützt durch einen hohen Sicherheitszaun, hinter dem ich in meiner Vorstellung bereits die Fans campen sah, wenn sie erst erfuhren, dass ich hier für die nächsten Monate drehte. Ruben hatte Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt, um meine Bewerbung für die Rolle geheim zu halten, doch selbst die wasserdichtesten NDAs konnten erfahrungsgemäß nicht verhindern, dass Gerüchte nach draußen sickerten. So auch die, dass ich den Schritt in die Welt der Schauspielerei wagte. Es wunderte mich nicht, dass online bereits wild diskutiert wurde, was dran war an diesen Vermutungen. Ich wollte nicht wissen, was los sein würde, wenn die offizielle Pressemeldung von Aroda veröffentlicht wurde. Die Schlagzeilen dazu konnte ich mir bereits bildlich vorstellen.

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Es war immer das Gleiche, und wenn ich Glück hatte, würden sie sich diesmal auf den Fakt stürzen, dass Aven und ich wieder etwas miteinander zu tun hatten, anstatt mich auf mein Äußeres zu reduzieren. Ob das besser war, bezweifelte ich allerdings.

Eine Produktionsassistentin, die sich als Leslie vorgestellt hatte, führte uns durch verwinkelte Gänge, ich blickte in die Oh-mein-Gott-das-ist-Hayes-Chamberlain-Gesichter und lächelte mein Medienlächeln, ohne etwas zu fühlen.

Hinterlass einen anständigen ersten Eindruck. Diese Menschen können nichts für deine Laune. Sei nicht diese Art von Promi. Komm schon, es ist wirklich nicht so schwer.

Es war verdammt schwer. Nach einem Nachtflug und meinen verzweifelten Versuchen, mir die Texte der Szenen der ersten Drehtage einzuprägen, ganz besonders.

»Wir freuen uns riesig, dass es so kurzfristig geklappt hat«, sagte Leslie zum vierten Mal. Ich glaubte ihr das. Aber ich war mir auch sicher, dass nicht jeder hier ihre Meinung teilte. Ich konnte die Stimmen nicht zählen, die mich nicht einmal als Musiker ernst nahmen, weil ich kommerzielle Popmusik machte anstelle von Kunst. Kein Mensch würde mich als Schauspieler in einem Aroda-Film akzeptieren. Eine Rolle, die ich nur wegen meines Namens bekommen hatte, machten wir uns nichts vor. Aber darüber konnte ich nun nicht nachdenken. Dafür war es zu spät.

Glücklicherweise übernahm Ruben größtenteils die Konversation, sodass ich mich ganz darauf konzentrieren konnte, freundlich auszusehen und gegen meine Müdigkeit anzukämpfen. Es gelang mir, meine Fassade aufrechtzuerhalten, bis wir uns einem Raum näherten, aus dem Stimmen drangen. Laute amerikanische Stimmen.

Leslie beschleunigte ihre Schritte, vermutlich um die Tür zu schließen, doch ich hatte bereits genug gehört. Obwohl ich in meiner Karriere mit unzähligen Branchenmenschen zu tun gehabt hatte, deren Namen meist ebenso rasch wieder verblassten wie ihre Gesichter, blieben mir ihre Stimmen stets in Erinnerung. Nur dass die von Aven Amentas neuer Managerin Holly Triano, einer der beliebtesten Anlaufstellen Hollywoods und Rubens selbst auserkorener Erzfeindin, ungewohnt hoch klang. Wie ausgesprochen wundervoll, der Grund dafür zu sein.

Ruben hatte seine Managermiene aufgesetzt, die dazu gemacht war, andere Menschen zum Weinen zu bringen. Besser ich betete für Holly Triano und wer sonst noch anwesend war.

»Nein, Mr Navarro, ich diskutiere das nicht mit Ihnen«, hörte ich sie sagen. »Wir hatten eine klare Absprache, und unter diesen Umständen kann ich nicht dafür garantieren, dass dieser Deal nicht schneller platzt, als Ihnen allen lieb ist. Von unserer Seite war unmissverständlich kommuniziert, dass Aven diese Rolle nur annehmen kann unter der Bedingung, dass …«

»Gibt es ein Problem, Ms Triano?« Rubens Stimme war pures Eis. Holly Triano fuhr zu ihm herum, und ihre Augen sprühten Funken. Dann erblickte sie mich und schien sich daran zu erinnern, wer sie war.

»Keines, das ich mit Ihnen ausdiskutieren müsste, Mr Belton«, entgegnete sie kühl.

»Dann würde ich höflichst raten, Ihr Stimmchen zu senken.«

»Stimmchen?« Sie machte einen drohenden Schritt auf ihn zu, aber Ruben sah über sie hinweg und begrüßte den Produzenten.

Ich nickte Holly Triano knapp zu, um es wiedergutzumachen. Und weil ich Respekt davor hatte, was diese Frau in den letzten Jahren erreicht hatte. Dann kam Matt Navarro, der ausführende Produzent von Infinity Falling, auf mich zu. Dieser Mann war ein Urgestein der Filmbranche. Wer mit ihm arbeiten durfte, hatte es geschafft. Wer mit ihm diskutierte, musste Todessehnsüchte hegen.

»Schön, Sie wiederzusehen, Mr Belton.« Er reichte Ruben die Hand, dann mir. »Hayes, es ist mir eine Ehre. Wie war die Reise?«

»Angenehm, vielen Dank. Ich freue mich, hier zu sein.«

»Wir uns auch, wirklich. Besonders, dass es so kurzfristig geklappt hat. Danke für dein Vertrauen.«

»Wohl eher danke für eures.« Ich lachte nervös und fing mir einen Seitenblick von Ruben ein. Das würde später einen Vortrag darüber geben, dass ich mich vor wichtigen Personen aus der Branche nicht kleinmachen sollte.

»Hayes, ich sag dir, wie es ist, du warst von Anfang an einer meiner Topkandidaten für diese Rolle. Wirklich schade natürlich, dass Nathan ausfällt, wir hatten bis zuletzt gehofft, aber da war nichts zu machen. Du rettest mir gerade wirklich diese Produktion.«

Ich zuckte mit den Schultern. »Wie man’s nimmt.«

»Ist Aven schon eingetroffen? Ich kann es kaum erwarten, euch zusammen vor der Kamera zu sehen.«

Holly Triano zog ihr Telefon hervor. »Sie müsste jeden Augenblick …«

»Ich bin hier.«

Die Gespräche verstummten, Holly und Ruben drehten sich gleichzeitig zur Tür. Ich folgte ihnen mit einiger Verzögerung.

Ich war Aven Amenta in den Jahren nach unserer »Beziehung« noch gelegentlich begegnet. Ab einem gewissen Standing als Person des öffentlichen Lebens war es unvermeidbar, dass sich die Wege mehrmals pro Jahr kreuzten. AMAs, Teen Choice Awards, Werbe-Events oder private Poolpartys gemeinsamer Bekannter. Die Liste an möglichen Zusammentreffen war endlos. Und trotzdem hatten wir es im letzten Jahr geschafft, uns voneinander fernzuhalten, was wohl daran lag, dass ich nach meinem Ausscheiden aus Temporary Fix jegliche Einladungen abgelehnt hatte. Ruben hatte mich darin bestärkt, denn er hatte verstanden, dass ich diese Vollbremsung gebraucht hatte, um zu überleben. Klang dramatisch, nicht? War es auch.

Wir hatten uns langsam an öffentliche Auftritte herantasten wollen. Das Interview bei Late Night mit Ava Fantino vor einer Weile in New York war mein erster offizieller Auftritt nach meiner Auszeit gewesen, seitdem konnte ich die Events und Veranstaltungen, die ich besucht hatte, an einer Hand abzählen. Eine Aroda-Rolle war alles andere als ein behutsamer Start. Im Gegenteil, denn als ich Aven Amentas fassungsloses Gesicht sah, wurde mir schlagartig bewusst, dass mir eine verfluchte Achterbahnfahrt bevorstand.

3. KAPITEL

Aven

Holly hatte für das gemeinsame Frühstück kurzfristig absagen müssen. Die Nachricht von ihr, die ich noch im Halbschlaf in diesem absurd bequemen Bett gelesen hatte, beunruhigte mich, denn sie entschuldigte sich ungefähr ein Dutzend Mal dafür, dass sie bereits auf dem Weg ans Set war. Aus rein logistischen Gründen, wie sie betonte, doch ich kannte sie gut genug, um mir sicher zu sein, dass das nicht der wahre Grund sein konnte.

Das war, kurz bevor mich Nates Nachricht erreichte.

Eine dreiminütige Sprachmemo, in der er mir erzählte, dass er im Krankenhaus war und nicht, so wie ich erwartet hatte, ebenfalls hier in Vancouver. Mein Co-Star machte kein Geheimnis aus seiner Lupus-Diagnose. Dank der Aufklärungsarbeit, die er auch öffentlich betrieb, war mir bewusst gewesen, dass trotz Dauermedikation die Gefahr bestand, von einem schweren Schub der chronischen Erkrankung beeinträchtigt zu werden. Nun war dieser Fall eingetreten und hatte ihm keine andere Wahl gelassen, als die Reise nach Kanada kurzfristig abzusagen. Wie es weitergehen würde, konnte er mir nicht sagen. Was sein Ausfall für die Produktion bedeutete, ebenfalls nicht.

Ich klammerte mich an den Gedanken, dass wir mit meinen Solo-Drehs starten und unsere gemeinsamen Takes nachholen würden, sobald es Nate besser ging und er anreisen konnte. Das war, bevor ich mit Samantha, die mir an Hollys Stelle beim Frühstück Gesellschaft leistete, und Chester in den Wagen gestiegen war, der uns von Downtown zum Produktionsgelände brachte.

Die ACUStudios lagen eine gute halbe Stunde Fahrt außerhalb von Vancouver. Sobald wir die Tore des Geländes passiert hatten, konnte ich keinen wesentlichen Unterschied mehr zu den anderen Sets erkennen, an denen ich bereits gedreht hatte. Produktionshallen, Busse, um Equipment zu transportieren, Trailer für Kostüm und Maske, Zelte für Catering und als Aufenthaltsort für all diejenigen, die keinen eigenen Trailer als Rückzugsort zur Verfügung gestellt bekamen. Die ACUStudios erschienen mir wie eine eigene kleine Stadt. Einzig die dunkelblauen Aroda-Logos, die überall angebracht waren, erinnerten mich daran, dass das hier die Produktionsstätte war, von der ich so lange geträumt hatte.

Zu meiner Überraschung wurden wir nicht von Holly in Empfang genommen, als der Wagen vor einer der Hallen hielt, was bedeuten musste, dass sie noch dabei war, sich für mich herumzustreiten. Ansonsten hatte sie meinen Standort stets so präzise auf dem Schirm, dass ich manchmal vermutete, sie könnte mir zu Beginn unserer Zusammenarbeit einen Chip zur Ortung eingepflanzt haben.

Ich folgte einer Produktionsmanagerin durch die Hallen und spürte das freudige Kribbeln im Bauch, als ich die Sets und Kameras betrachtete, die bereits aufgebaut worden waren. Egal, wo auf der Welt ich mich befand, um zu drehen, diese Umgebung würde sich für immer nach Zuhause anfühlen. Und nach einer Möglichkeit, mein überfordertes Ich für einige Zeit zu vergessen und in die Haut der Protagonistinnen zu schlüpfen, die in aller Regel etwas unerschrockener waren als ich. Auf Matilda Gainor aus Infinity Falling traf das allemal zu. Ich war bereit, an der Seite meines Co-Stars Nathan alles zu geben, um für ihren und Olivers Platz in diesem dystopischen Vancouver zu kämpfen, in dem der Film spielte. Es würde fantastisch werden. Ganz einfach. Es war meine Zeit, zu glänzen.

Dann hörte ich ihn. Matt Navarro, einer der großartigsten Produzenten unserer Zeit. Ich war hocherfreut gewesen, als Holly berichtet hatte, dass er sich Infinity Falling angenommen hatte. Doch jetzt freute ich mich nicht. Im Gegenteil. Ich horchte auf, als ich Matts Stimme bemerkte, die aus dem Raum drang, zu dem mich die Produktionsmanagerin führte.

»Hayes, ich sag dir, wie es ist, du warst von Anfang an einer meiner Topkandidaten für diese Rolle. Wirklich schade natürlich, dass Nathan ausfällt, wir hatten bis zuletzt gehofft, aber da war nichts zu machen. Du rettest mir gerade wirklich diese Produktion.«

Hayes … Hatte er gerade wirklich Hayes gesagt?

Ich blieb stehen.

Nein …

Ich musste mich verhört haben.

Aber es gab nicht so viele Menschen mit diesem Namen in der Unterhaltungsbranche. Genau genommen kannte ich sogar nur einen einzigen.

»Wie man’s nimmt.«

Er war es. Es war nicht zu leugnen. Ich wusste das, als ich seine Stimme hörte, die noch immer samtig und honigklar klang. Von einer zeitlosen Eleganz, die nur jemand besitzen konnte, der so offensichtlich britisch war, dass es wehtat. Leider auf die gute Art. Hayes Chamberlain war der eine in einer Million. Das war mir schon klar gewesen, als wir vor Jahren von unseren toxischen Managements zu PR-Zwecken in eine Stuntbeziehung getrieben worden waren, um unsere Karrieren zu befeuern. Hatte vorzüglich geklappt, insbesondere bei ihm, denn seit ein paar Jahren tauchte Hayes Chamberlain auf jeder 30-Under-30-Liste auf. Ich wünschte wirklich, ich könnte das neidlos anerkennen. Es war nicht so, als gönnte ich ihm den Erfolg nicht, doch es gab angenehmere Dinge, als seit Jahren nur in seinem Schatten zu stehen und bei jedem gottverdammten Interview gefragt zu werden, ob ich noch in ihn verliebt sei.

»Ist Aven schon eingetroffen?« Matt Navarro stand mit dem Rücken zu mir und bemerkte mich nicht, als ich in der Tür erschien. »Ich kann es kaum erwarten, euch zusammen vor der Kamera zu sehen.«

Holly, die sich neben ihm befand, zog ihr Telefon hervor. »Sie müsste jeden Augenblick …«

»Ich bin hier«, sagte ich. Binnen Sekunden wendeten sich mir vier Köpfe zu. Holly, Matt Navarro, Ruben Belton und dann: grüne Augen, atemberaubender Mund, perfekte Zähne, Grübchen. Hayes. Er stand vor mir, hier an meinem Set, was nur eines bedeuten konnte. Schwindel überfiel mich.

Bereits als die Gespräche zu Infinity Falling vor einiger Zeit konkreter geworden waren, war er im Rennen für die männliche Hauptrolle gewesen. Es hatte mich unendlich viel Kraft gekostet, für mich und meine Bedürfnisse einzustehen, als ich davon erfahren hatte. Ich wollte keine komplizierte Schauspielerin sein, aber ich konnte diese Rolle nicht an der Seite von Hayes Chamberlain spielen. Genauso wenig wie ich ihm verzeihen konnte, was er vor drei Jahren getan hatte. Ich musste mich schützen, weil so etwas nie wieder geschehen durfte. Die wilden Spekulationen und verworrenen Theorien über Hayes’ und meine »Beziehung«. Sie nannten uns Haven, kein Scherz. Manchmal wusste ich nicht, ob ich es faszinierend oder Furcht einflößend finden sollte, worauf die Menschen im Internet kamen. In alles, was Hayes und ich selbst unabhängig voneinander taten oder nicht taten, wurde eine tiefere Bedeutung hineininterpretiert. #havenisreal trendete jedes Mal in den sozialen Medien, wenn einer von uns beiden postete oder in Interviews zufällig etwas von sich gab, das auch nur im Entferntesten mit unserem Stunt in Verbindung gebracht werden konnte. Ich konnte es ihnen nicht verübeln. HighScore, bei denen Hayes während seiner Zeit in der Band unter Vertrag gestanden hatte, und meine Eltern, die mich damals noch gemanagt hatten, hatten unsere Fake-Beziehung ohne Rücksicht auf Verluste ausgeschlachtet. Es hatte vorzüglich funktioniert, wir hatten wahrhaftige Sprünge auf der Karriereleiter hingelegt, ich durfte mich also nicht beschweren. Aber wenn ich geahnt hätte, dass seitdem alles, was ich tat, sofort den Heartbroken-by-Hayes-Stempel verpasst bekommen würde, hätte ich lieber darauf verzichtet.

Und jetzt war er hier und sah aus wie ein Geschenk des Himmels. Wenig überraschend. Er war ein Medienprofi, er wusste, wie er wirkte und alle Menschen in seiner näheren Umgebung binnen Sekunden um den kleinen Finger wickeln konnte. Ein charmantes Lächeln hier, ein unschuldiger Augenaufschlag da, und schon hatte er einen für sich eingenommen. Und er war so höflich (der Brite), aber konnte je nach Stimmung auch manchmal etwas Furcht einflößend und arrogant wirken (das mussten die fünfzig Prozent Frankreich sein, sein Vater stammte aus Paris). Man nehme also das Beste von Europa und werfe es in einen Topf, gemeinsam mit einer himmlischen Stimme, markanten Gesichtszügen und dunklen Locken, die immer so glänzend und fluffig waren. Ich hasste Hayes Chamberlain. Nebenbei bemerkt hatte er den schönsten Mund, den ich bei einem Mann je gesehen hatte. Und weil mein Hirn ein verfluchter Verräter war, erinnerte es mich daran, wie er sich auf meinem angefühlt hatte. Gut nämlich. Ganz hervorragend sogar. Viel zu gut für einen unechten PR-Kuss an Neujahr auf dem fucking Times Square, weil unsere Managements alles gewesen waren, aber nicht low-key. Die Fans hatten es geliebt. Mein kribbelnder Magen leider auch.

Und jetzt stand er da und sah schuldbewusst aus. Zumindest für einen Moment, dann kroch die Arroganz in seine Züge. Fehlte nur, dass er die aristokratische Nase rümpfte, aber er sah davon ab. Der überwältigende Drang, zu lachen, überkam mich trotzdem.

Man musste es mir ansehen, denn Holly eilte bereits auf mich zu, als fürchtete sie ein verheerendes Unglück. Die Sorge erschien mir durchaus berechtigt. »Aven, lass uns einen Moment rausgehen und sprechen«, schlug sie vor, aber ich ging nicht auf ihren Vorschlag ein.

»Was tut er hier?« Meine Stimme klang ruhig, doch ich hatte laut gesprochen. Hayes hatte mich ganz sicher gehört. Ich sah, wie sein Kehlkopf hüpfte, als er schluckte. Er blickte mich immer noch an dabei, aber nicht mehr so herausfordernd. Das letzte bisschen Professionalität in mir hinderte mich daran, jetzt eine Szene zu machen. Matt Navarro war im Raum. Dieser Mann besaß zu viel Macht darüber, wie es mit meiner Karriere als Schauspielerin weiterging, also musste ich ruhig bleiben.

»Ich erkläre es dir«, sagte Holly gedämpft und nahm mich zur Seite. »Nathan ist leider …«

»Ich weiß«, unterbrach ich sie. »Er hat mich vorhin informiert, dass er nicht wie geplant anreisen kann.«

Ein ungutes Gefühl beschlich mich, als ich Hollys ernstes Gesicht sah. »Wir drehen vermutlich erst meine Soloszenen, oder? Er wusste nicht, wie lange es dauert, bis die Medikamente anschlagen und er wieder arbeiten kann.«

Und was hat Hayes dann hier verloren?

Ich ignorierte diesen Gedanken mit aller Kraft, auch wenn ich die Antwort längst ahnte.

»Holly«, flehte ich, als sie noch immer nichts erwiderte.

»Ich habe wirklich alles versucht, Aven«, sagte sie.

Ich schloss die Augen. »Bitte tu mir das nicht an.«

»Ich weiß, es tut mir leid.«

»Sie können Nate doch nicht einfach ersetzen! Mit ihm!« Holly schob mich etwas beiseite und beschwor mich mit ihren Blicken. »Weiß er, dass sie ihm die Rolle einfach weggenommen haben?! Das ist unfair, das können sie doch nicht machen! Wir haben so viel gemeinsam geprobt, das ist …«

»Ich weiß, Aven. Es ist wirklich suboptimal.«