INGRATUS - Das Unerwünschte in uns - Tabea Thomson - E-Book

INGRATUS - Das Unerwünschte in uns E-Book

Tabea Thomson

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Beschreibung

246 Jahre in der Zukunft. Die Erde, wie wir sie kennen, gibt es nicht mehr. Auf einen 10 Lichtjahre von der Erde entfernten Planeten. Seit Wochen war kein Tropfen Regen niedergegangen. Über den Feldern vom Districts Igness lag eine Gluthitze. Wer konnte, blieb der Feldarbeit fern. Ein verliebtes Paar im Kurzurlaub konnte es. Sie verbrachten die Nachmittage in den kühlenden Bettleinen. Loderndes Keuchen überflutete das Refugium. Dazwischen schmuggelten sich unheimlich summende, metallisch klirrende Geräusche. Gleißendes Licht blendete sie und riss ihre umschlungenen Leiber gewaltsam auseinander. In einer Folterhölle sahen sie sich wieder. Aus der Folterhölle befreite man sie, doch das Vakuum im Kopf gab nur langsam ihr altes Leben zurück. Man brachte sie an Bord eines Raumschiffes. Hier geschehen seltsame Dinge. Wem können sie vertrauen: Der Stimme im Kopf oder ihrer Nase? Für Erwachsene: Eine Emotionsgeladene Begegnung der dritten Art.

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Seitenzahl: 471

Veröffentlichungsjahr: 2016

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Tabea Thomson

INGRATUS - Das Unerwünschte in uns

Adrian und Amadou

 

 

 

Dieses ebook wurde erstellt bei

Inhaltsverzeichnis

Titel

Klappentext

Intro

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Meine Bücher

Neue Abenteuer!

Klappentext

Reihenfolge der Shumerer Serie

In eigener Sache

Autorin

Deutsche digitale Erstveröffentlichung August 2016

Impressum neobooks

Klappentext

246 Jahre in der Zukunft. Die Erde, wie wir sie kennen, gibt es nicht mehr.

Man brachte sie an Bord eines Raumschiffes. Hier geschehen seltsame Dinge. Wem können sie vertrauen: Der Stimme im Kopf oder ihrer Nase?

Für Erwachsene: Eine Emotionsgeladene Begegnung der dritten Art.

~ ~ ~

A Sawon

Die Zeit will nicht vergehen

Ich habe wiedermal ein Gefühl,

als ob das Universum stillsteht,

wodurch es noch länger dauert,

bis ich dir sagen kann,

wie sehr ich dich vermisse.

Die Zeit will nicht vergehen!

Mein Herz ist zum Bersten voll mit Liebe,

doch du schaust mich mit fremden Augen an.

Wenn ich dich mit ihr sehe,

fühlt es sich in meiner Seele,

wie Hiebe eines Vorschlaghammers an.

Die Zeit will nicht vergehen,

und ich kann dir nicht sagen,

wie sehr ich dich vermisse.

Mein Verlangen nach dir, es zerfrisst mich.

Die Tränen der Sehnsucht gönnen mir keine Ruhe!

Ich kralle an deine verblichenen Pheromon Spritzer.

Die Zeit will nicht vergehen,

doch bald kann ich dir sagen,

wie sehr ich dich vermisse. …

Intro

»Fünf … drei … eins – normaler Raum«, verkündete Pilot Fibs vom Bergungs-Shuttle Soter beim Erreichen der Zielkoordinaten.

Während Fibs zählte, beobachtete er das linke Display. Ein Lidschlag genügte und er hatte die Gewissheit: Wir sind nicht sichtbar. Er machte einen erleichterten Atemzug, und gleichlaufend drehte er sich Richtung Copilot. Abrupt hielt er inne. Auf dem rechten Display stimmte was nicht. Für einen flüchtigen Moment stierte er fassungslos auf die gestrichelten Umrisslinien der Hecksektoren. Schlagartig durchlebte Fibs noch einmal den letzten Befreiungseinsatz. Dabei war, so schien es, die Flinke als auch wendige viergliedrige Soter zu langsam. Doch bei dem Hinterhalt wäre es selbst für das lebendige Vorbild, dem gepanzerten Gulco (Sandwurm) vom Planeten Advenu, brenzlig geworden.

Für das Shuttle bedeutete es: Die organische Außenhaut und das Trägermaterial der Bug-Sektoren (Cockpit und Alkoven) übersäten oberflächlich nur leichte Kampfspuren. Die zwei hinteren Sektoren ( Heiler-Bereich sowie deren Cockpit) traf es um so heftiger. Sie erhielten bei dem feindlichen Kampfschiff Inferno irreparable Schäden. Aber selbst so hatten die Segmente noch einen Nutzen.

~

An der Stelle vom Dateneintrag gab Fibs über die Tastatur den Befehl: Phantom Sektor löschen. Sein Blick rutschte dabei zum Copiloten. Der Begleiter saß reglos im Sessel und stierte geradeaus. Zunächst dachte er, der Nebenmann kommuniziert mental mit jemanden, aber die erforderlichen Schwingungen fehlten.

»Sire?«, sein Tonfall klang irritiert. Der Angesprochene reagierte nicht sofort, Fibs tippte ihn daher an die Hand.

Die seichte Berührung ließ dem Copiloten wie bei einem Stromschlag zusammenzucken, und beim nächsten Atemzug versenkte er, im schnellen Fall, die Nase zum Overallärmel. Bevor sie im weichen Stoff aufschlug, keuchte er zwischen gierigen Atemzügen: »Probeflug ... stopp!«

~

Indessen die Technik den Befehl ausführte, überprüfte Fibs alle relevanten Daten. Als er das positive Ergebnis vortrug, brach unter der zwei Personen Besatzung, eine eigenartige Stimmung aus. Der schmalschultrige Shumerer Aiws Pilot Fibs, eine künstliche intelligente Lebensform mit angegrauten strubbeligen vom Kopf abstehenden Haaren und einem ovalen und kantigen Aiws Standard Gesicht, jubelte begeistert.

Sein humanoider Copilot dagegen saß schweißgebadet und wie fest gemauert im Sessel. In seinen verkrampften Fingern hielt er ein schnörkelloses weißes Taschentuch. Dahinein tauchte er alle paar Atemzüge die Nase.

Fibs Sehsensoren erkannten darin eine emotionale Überbelastung. Zuerst dachte er, es ist, weil sie sich im feindlichen UPC Gebiet aufhielten. Allerdings die sensiblen Geruchssensoren filterten aus dem Taschentuch besorgniserregende Duftpartikel. Verwundert darüber zog er die beweglichen Augenbrauen schräg nach oben. »Boss?«

An Stelle einer Antwort versenkte der Angesprochene seine wohlgeformte Nase ins Taschentuch. Gierige Atemgeräusche brachten den unstillbaren Durst zum Ausdruck. Erst als Fibs den Copiloten an der Schulter berührte, hob der Shumerer Ukel Akym Pors die Nase im Zeitlupentempo aus dem Stoff. Für etliche Herzschläge stierte er zum nebenan sitzenden Fibs, dann endlich konnte der hochgewachsene Mensch vom Planeten Advenu den Blick befreien. »Mich hat es eiskalt erwischt«, flüsterte er kümmerlich, und mit jedem gesprochenen Wort rutschte der späte Jugendliche, er hatte erst neunzig Lebensjahre erreicht, in sich zusammen.

Fibs wollte nicht glauben, was er sah. Er kannte den spitzohrigen Boss als stahlharten Anführer der Freiheitskämpfer, Akym strotzte sonst nur so vor Selbstdisziplin und unendlicher Kampfstärke. Von alldem keine Spur. Neben ihm saß jetzt nur ein Häufchen Unglück, mehr nicht. Gerade als Fibs das dachte, tauchte Akyms Nase wieder in das für seinen Verstand so unwiderstehlich duftende Taschentuch.

Am ungesättigten Blick vom Boss erkannte Fibs: jeder weitere unersättliche Schnaufer trägt den Geist sonst wo hin, nur nicht ins Cockpit. Er zog es daher in Betracht, Akym in den Alkoven zu bringen. Just in dem Moment, als er es machen wollte, unterbrach sein Boss die Inhalation. Er atmete mehrere Male kräftig durch, so wie er dann neutrale Luft in der Lunge hatte, siegte der Verstand über die Sucht. Dessen ungeachtet entströmte seiner Kehle ein gequälter Schrei. Unmittelbar danach zeigte er, mit zittrigen Händen, auf das Tuch. »Ich hoffe, dass ich mich hierbei auf deine Verschwiegenheit verlassen kann.«

Als Zeichen des Mitgefühls legte Fibs eine Hand auf die vom Boss. »Ja Sire.«

Gleichwohl er damit rechnete, fuhr sich Akym aufgekratzt übers stoppelkurz geschorene Haar. »Gut, dann können wir uns um das Wohlbefinden der Soter kümmern.« Sein vernebelter Blick schweifte über die angezeigten technischen Werte vom alternativen Antrieb. »Prima! Besser konnte der Probeflug nicht sein.« Indessen er dies bemerkte, klopfte er dem Piloten anerkennend auf die Schulter.

Fibs wiederum wiegte den Kopf hin und her. »Sire ihr Lob speichere ich erst ab, wenn die Außenhaut beim Dimensionssprung keinen Schaden erlitt.« Seine Finger huschten dazu über die Armaturenkonsole, auf dem Button: Bestätigen, hielten sie inne.

Vor ihm auf dem Display flogen im Weltraum unzählige, gleichsam getarnte fliegende Sensoren, sie scannten die Soter Außenhaut. Und noch bevor Akyms Nase wieder den Drang verspürte abzutauchen, lag das Scan Ergebnis vor: ›Keine Schäden vorhanden.‹

Die Mitteilung ließ beide, wie zwei überdrehte unreife Knaben aufspringen, jubeln und hüpfen.

»Dann nichts wie weg von hier!«, befahl Akym mit aufgedrehter Stimme, »Kurs zum Eridani Alpha System aufnehmen«, ergänzte er mit erzwungener stimmlicher Disziplin. »Tarnung beibehalten. Alternatives Antriebssystem. Sol fünf.«

»Aye Sire.«

Sekunden später war um der Soter eine stabile Bend Blase aufgebaut, sie verzerrte vor dem Shuttle die Raumzeit. Hinter der Blase streckt sie sich wieder.

~

(Die Verzerrung erzeugt neben einer Weg verkürzenden Krümmung auch einen Zeittunnel. Dadurch beträgt die Reisezeit vom Startpunkt bis zum Zielpunkt fünf Erden Stunden. Ohne die Raumkrümmung dauert die Reise neunhundertzwanzig Jahre.

Im Soter selbst läuft die normale Zeit weiter.)

~

Noch bevor die Bend Blase aufgebaut war, überkam Akym ein weiterer Anfall. Zitternd stand er auf, und mit Handzeichen gab er zu verstehen, dass er gedenkt, dem starkem Verlangen nachzugeben.–

* *

Vier Stunden später. Der Flug verlief störungsfrei, daher gönnte sich Fibs ein Vergnügen, der besonderen Art. Er hatte sich dazu entspannt im Pilotensessel zurückgelehnt, die Füße ruhten auf der Ablage über der Armatur, und mit weit aufgerissenen Augen genoss er die grandiose Aussicht der vorbeihuschenden Sternenstreifen. Erst der Citraa (Computer) Hinweis: ›Vor uns liegt das verstrahlte Ugari System‹, lenkte die Aufmerksamkeit von der Cockpit Frontscheibe wieder auf das vor ihm angezeigte. Allen Warnungen zum Trotz wählte er auf dem virtuellen Display den Button S T P Raum-Zeit-Weg. Damit erhielt er Zugriff auf den Bend Faktor ...

~

(Der Bend Faktor ist die Einheit, mit welchem die vierdimensionale Raumzeit um das Shuttle gekrümmt wird. Durch jene Krümmung bewegte sich die zu überwindende Entfernung zwischen Bend Blase und Zielpunkt aufeinander zu. Was im entferntesten, mit einem Weg verkürzenden Tunnel durch einen Berg, statt darüber oder drum herum, vergleichbar ist.

Der Bend Faktor wird in Sol, Überlichtgeschwindigkeit angegeben. Das Bergungs-Shuttle Soter, es gehört zur 'Sprint Klasse', kann mit normalen Shumerer Standard Antrieb maximal mit Sol vierzig den Raum krümmen. Das alternative Antriebssystem schafft maximal Sol neun.)

~

Nachdem Fibs den S T P-Button aktivierte, öffnete sich ein Dialogfenster. Dort erhöhte er auf der stufenlosen Sol Skala die Raumkrümmung von drei auf vier Sol. Den rasanten Anstieg gab die uralte Shumerer Antriebstechnik ungedämpft ans Cockpit weiter. Fibs sind jene kraftvollen Vibrationen seit Ewigkeiten vertraut. Die Geräuschharmonien, aller Antriebskomponenten, ließen sein makelloses Gesicht, welches jetzt nach einem dreißigjährigen Shumerer Menschen aussah, freudig strahlen. Er – der Maschineningenieur hatte wie immer gute Arbeit geleistet. Obwohl Fibs wusste, dass er seinen Akustiksensoren vertrauen konnte, überprüfte er in der Trennwand auf den antiken Flachmonitoren alle relevanten Werte. Bevor er zurückging, überflog er noch die vom alternativen Antriebssystem. Sein Nicken bestätigte, alles läuft optimal. Dessen ungeachtet ertönte unvermutet ein schrilles Warnsignal dazu leuchtete auf dem Hud ein Button rot.

~

(Im Hud – Head-up-display sind alle wichtigen Informationen direkt im Sichtfeld des Piloten dargestellt.

Das virtuelle Bild wird in einer Projektionseinheit erzeugt.)

~

Als Fibs erkannte, um welchen Button es sich handelt, aktivierte er ein weiteres Hud. Ein Lidschlag genügte ihm, um das darauf angezeigte Echtzeit Szenarium zu erfassen. Sein Interesse galt den am Horizont angezeigten dutzenden scharfen Weltraumminen. Sie sahen wie kleine Asteroidensplittern aus.

An der vordersten Minenlinie stand die Zeit bis zum Kontakt. Von der Distanzanzeige schwenkte seine gelangweilte Mimik über die Armatur, bei der Borduhr stoppte der Blick. An seinen zuckenden Augenbewegungen konnte man sehen, dass er etwas berechnet. Es kümmerte ihm nicht, dass die tödliche Gefahr immer näher rückte. Selbst als auf dem Hud weitere rote Warnbuttons blinkten, blieb er gelassen, und mit Ruhe in den Fingern aktivierte er das normale Wecksignal vom Alkoven. Als es lauter wurde, schlug Fibs den Kragen vom Overall lässig nach oben. Ebenso führte er dort seine linke Hand zum Hemdknopf großen Interface Sensor. Kurz vom Sensorkontakt nahmen die Finger eine Lauerstellung ein. Erst als sein Boss das Wecksignal abstellte, berichtete Fibs mit neutraler Stimme: »Sire, wir erreichen in Kürze das Minenfeld.«

Das Wecksignal schleuderte Akyms vernebelten Geist schlagartig ins reale Leben. »Minenfeld«, murmelte er rammdösig. So nach und nach realisierte er, was das Wort bedeutet. Letztendlich überfiel ihm von einem Moment zum anderen Unbehagen. Was nicht dem Wort entsprang, sondern sie sind nicht mehr weit vom Rettungsraumschiff Concordia α (alpha) U P, dem Zielpunkt ihrer Reise.

An Bord gab es gleich zwei Gründe, die ihm die Unruhe in den Geist trieben. Zum einem lag es an seinem Sohn, der kommt nach über drei Jahren wieder ins reale Leben zurück. Und zum anderen wartete dort ein delikater Nasenkitzel mit bittersüßen Beigeschmack. Jener wurde durch einen ahl pii erzeugt. Der ahl pii ist ein Pheromon, das aus allen Hautporen, Speichel und Haaren entsteigt. In dem vorliegenden Fall entsprang es dem blutjungen sowie bildhübschen Aditt Shumerer Mischling Adrian Sawon. Seitdem das Energiebündel reift, steckte sein körpereigener Duft Akyms zweites ich in Brand. Was daran lag, weil er gleichfalls ein Aditt ist und sein ahl pii bis ins Detail mit dem von Adrian harmoniert.

Ein Löschen des leidenschaftlichen Flächenbrandes ist durchaus machbar, allerdings im Moment war es unerwünscht. Somit blieb Akym dem verführerischen Jüngling kampflos ausgeliefert.

Nur allzu gern möchte er das Gewissen von der Last befreien. Bloß zum jetzigen Zeitpunkt versteht es weder Adrian noch seine Familie. Ihm blieb nichts anderes übrig als zu schweigen. Damit er weiterhin das gut gehütete Geheimnis wahren konnte, nahm er einen Enzym Blocker. Was ihm allerdings Sorgen machte, war: ›was passiert, wenn ich es einmal vergesse zu injizieren, und wenn ich vielleicht noch mit ihrem Speichel in Berührung komme.‹

Auf das Vergnügen wollte Akym gern verzichten! Er akzeptiert den Schutzbefohlenen bedingungslos mit all den Launen und Eigenarten. Dennoch will er niemals mit Adrian eine feste Partnerschaft eingehen. Folglich hat er nicht das Bedürfnis sich auf ihn – dem Auserwählten – zu prägen.

Akyms tiefe Gefühle gelten alleinig seinem Capac Shumerer Ehegatten Narel. Bei ihm – einem Aditt – jedoch lag das Problem, denn seine Gattung kann die ahl pii nicht Verschmelzen.

~

Bisher verabreichte sich Akym den Blocker stets pünktlich. Aber unter Zeitdruck oder war es nur Aufregung, vergaß er es. Das Vorkommnis geschah am Vorabend vor Adrians Reise zum Rettungsraumschiff Concordia α U P, auf dem Planeten Advenu in der Stadt Sinu i, im Hause Camden.

Die außen Temperatur an dem frühen Nachmittag hatten mit den zweiundvierzig Grad einen Wohlfühlfaktor. Milo Sawon mit Sohn Adrian, Akym Pors sowie der Gastgeber Edan Camden und ein Aiws Pilot wählten für die Zusammenkunft die Südterrasse. Sie ist von dichten mannshohen Hecken ummantelt.

Entgegen sonstigen dienstlichen Gepflogenheiten hatte ihr Umgang heute was sehr Familiäres. Wodurch Milo, ein stattlicher Gatte mit extra breiten Schultern und wachsamen Augen, endlich mal sein strenges Organisationstalent ruhen ließ, aber stattdessen wirkte er nunmehr sehr besorgt. Und sein Sohn Adrian wiederum, ein ansonsten sehr resolut auftretender, zeigte heute neben seiner eigentlichen anmutigen Shumerer Erscheinung auch seine schüchterne und scheue Seite. Selbst Akym, ein scharf kalkulierender Kämpfer mit strengen Regeln, zeigte sich von einer lockeren Seite. Der Aiws Pilot ignorierte sogar das Protokoll. Dessen Stelle übernahm, sein redegewandtes und durchaus humorvolles Wesen.

Nach einem kühlen Begrüßungstrunk setzten sie sich, dicht gedrängt, an einen kleinen runden Tisch und besprachen Adrians bevorstehende Reise mit der Fracht-Bark. Diese wird ihm vom Tor der Stadt Dahl brie abholen und Nonstop zur Concordia bringen. Doch zunächst besprachen sie organisatorisches. Über allem stand Adrians Wohlergehen. Es war wegen seiner schweren Erkrankung besonders schwierig umzusetzen. Daher nahmen an der Besprechung zusätzlich noch einige Concordia Heiler via holografischer Interface Konferenz teil. Zu den Teilnehmern zählte: Marte – eine überaus fürsorgliche mit einer großen Portion Warmherzigkeit sowie Doc Eric – der allzeit bereite Helfer, mit dem Drang nach skurrilen sowie Ralph – einem charakterstarkem viel Könner, dem so schnell nichts in den emotionalen Schwitzkasten brachte.

Letztgenannter wird während der Reise Adrians Biodaten überwachen.

Doc Eric versicherte: »... sollten Sie Probleme bekommen weiß die Kalab ihres Gatten, was zu tun ist. Notfalls bekommt er von uns die exakte Anweisung. Machen Sie sich keine Sorgen, genießen Sie einfach seine Nähe.«

~

Allein der Gedanke, den Gemahl gegenüberzustehen, brachte Adrians ahl pii zum Überquellen. Sein bis eben noch verschlossenes und scheues Wesen blühte auf. Selbst sein ansteckendes Lachen, kam überschäumend zurück.

Die aufgetaute Stimmung wurde dann bei einer Besprechungspause zu Akyms Albtraum. Er scherzte und plauderte mehr als sonst mit Adrian. Sein Schützling ließ nichts unbeantwortet. Das eine oder andere Mal geschah das mit vollem Mund. Dadurch sprudelten nicht nur erheiterte Wörter aus ihm. Etliche Speicheltröpfchen landeten so auf den Speisen. Und kaum das Akym einen verhängnisvollen Bissen zwischen seinen Zähnen hatte, schnappte die Enzym Falle zu. Die Vorboten zeigten sich bereits am späten Nachmittag. Anfangs hatte er keine auffälligen Symptome. Das änderte sich erst als im Pors Anwesen, im privaten Fitnessraum, ein lange hinausgeschobener väterlicher Wettkampf zwischen Milo – Adrians Vater – und Akym stattfand. Es war insofern ungewöhnlich, weil Akym zuvor noch nie derlei sportliches Duell verloren hatte. Hinzu kam noch, er witterte seltsame Gerüche und er war überreizt. Akym begründete die Wahrnehmungen damit, dass er und sein Gemahl Narel demnächst die monatlichen fruchtbaren Phasen – das Lyvaa – durchlaufen.

Obgleich die Erklärungen logisch erschienen, schmälerten sie Milos Vorahnungen nicht. Die Bestätigung erhielt er von den beauftragten Med Sensoren, sie zeigten: Akyms Libido ist ausgeprägter wie das von Narels.

~

Am anderen Morgen erwachte Akym trotz der ausgiebigen Liebesnacht weit vor dem glückselig schlummernden Ehegatten. Die Frische des Tages wollte er für den Fitnesslauf nutzen und auf dem Rückweg kann er die Bestellungen in der zentralen Nahrungsmittelverteilung abholen.

Bevor er aufbrach, überprüfte er nochmals die Einkaufsliste. Hingegen seiner Annahme berechnete der Citraa, das er nur einen Rucksack braucht. Die stehen stets einsatzbereit unten in der gemeinschaftlichen Küche. ...

~

(Die öffentlichen Wohnräume sind im Erdgeschoss. Zu den zählen unter anderen die Gemeinschaftsküche und der daran anschließende gemeinschaftlichen Wohnraum..

Auf dem Peshk – Gwen parkähnlichen Anwesen steht rechts und links je ein viereckiger Wohnturm mit Glasfassade zum Garten. Dazwischen sind die zuvor genannten Räume. Vom Peshk Wohnturm gelangt man zuerst in den zum Feiern einladenden Wohnraum und dann in die viel benutzte Küche. Und vom Gwen Wohnturm aus gesehen ist es gerade andersherum.)

~

… Allerdings wird er weder die Rucksäcke noch die Abholliste vorfinden, denn Adrian und der Butler Mexus sind bereits damit unterwegs. Davon ahnte Akym nichts, bis er die Tür öffnete und Adrians zurückgelassene verheißungsvolle Botschaft in seine Nase schoss. Einem hungrigen Raubtier gleich verschlang ihm die ahl pii Sucht. Sein Ego wehrte sich gegen das urwüchsige Verlangen. Der reife Körper jedoch unterwarf sich bereitwillig. Er entzündete mit hitzigen Schweißausbrüchen und zittern am ganzen Körper geradezu ein Freudenfeuer in seinem anschwellenden Phallus. Sein ohnehin schon triebhaftes Verlangen nach dem Jüngling wuchs ins unermessliche, aber Adrian und er sind mit einem unzerbrechlichen Eid an einen anderen Partner gebunden. Sein Schwur verhinderte nun, dass er dem steinharten Verlangen nachgab, und gleichzeitig löste er einen geistigen Konflikt aus, qualvoll stöhnend sackte er zusammen. ...

Die IPS Sensoren hatten Milo bereits bei den ersten Anzeichen benachrichtigt. Und nachdem er dem Freund auf den Rücken neurale Blockaden gesetzt hatte, flüsterte Akym mit erschöpfter Stimme: »Das Lysanders Vermächtnis so fordernd sein wird, damit rechnete ich nicht.« Verbissen lächelnd blickte er Milo an. »Schöner Schlamassel! – Und nun?«

»Yep! ...« Milo kannte bereits seit Jahrzehnten Akyms Geheimnis, er klopfte daher seinem Freund mitfühlend auf die Schulter. »... Im Moment dürfen wir deine ahl pii Übereinstimmung nicht ändern. Und zur Sucht Behandlung müssen wir auf ungewöhnliche Therapien ausweichen.«

Akym nickte zustimmend, dabei tupfte er den erneut einsetzenden heißen Schweiß von der Stirn. »Ich akzeptiere alles. Nur gib es sofort, bevor es wieder unerträglich wird.«

Entgegen seiner Erwartung injizierte Milo nichts Linderndes. Er schlug stattdessen vor: »Sobald die beiden geweckt sind, werde ich dich von dem lästigen Befinden befreien. Bis dahin, und damit wir einen weiteren Zusammenbruch verhindern und gleichfalls die Sucht im Zaum behalten, brauchst du ständig Adrians ahl pii. Den beschaffst du dir am unauffälligsten bei seiner Abreise ...«

Akym setzte die verordnete Therapie konsequent um. Dafür trug er zu Adrians Abreise den von Milo präparierten Overall. Bei der Verabschiedung drückte er, so unauffällig wie möglich, Adrian fest an sich heran. Dabei gelangten genügend seiner Duft Moleküle an den Overall. Allerdings Adrians fesselnder Wohlgeruch brachte Akym fast um den Verstand, und das, obwohl der ahl pii wegen der Medikamente fast vollständig neutralisiert wurde.

Sobald Adrian nach Dahl brie portiert war, rannte Akym ins Labor. Mit zittrigen Fingern entkleidete er sich und dann gab er den bis eben getragenen Overall und zwei neue Stofftaschentücher in einen spezial Behälter. In dem hatte Milo eine Tinktur aufgebracht, die es ermöglicht das, während eines Portiervorganges, Duftmoleküle in Geweben dauerhaft konserviert werden. Sowie das Präparierte mit Sauerstoff in Berührung kam, erblühte sein zarter Duft zu einem kräftigen Bouquet.

An den köstlichen Lockstoff klebte jetzt Akyms vor Durst dahinschmelzender Verstand. Je mehr er von dem Duft trank um so stärker schwoll das Verlangen an. Es bereitete ihm unermessliche Qualen davon abzulassen und den bereitliegenden Amphispray an die pulsierende Halsader zudrücken. Bei jedem Sprühstoß schrie er den Groll heraus.

Auf Linderung wartend, fiel er auf die Knie. … Als er dann in einen ungetragenen schwarzen Overall schlüpfte, sah er erschöpft aus.

Der Overall entsprach überhaupt nicht seiner hageren Körperfülle. Ihm störte es nicht das er damit, wie eine halbe Portion aussah. Solange daraus nicht Adrians ahl pii entströmte, war es ihm egal.

* *

Beim verlassen des Alkovens überkam Akym ein anderes Verlangen. Den Appetit nach einem belebenden Advenu Kaffee wollte er sofort nachgeben. Mit flotten Schritten legte er die schier endlosen Meter, über denn schmalen Gang zum Cockpit zurück. Dort führte sein Weg schnurstracks zum Nahrungsreplikator.

Indessen er dann den Kaffee auswählte, wechselte das Standard Dämmerlicht in ein beständiges grelles Rotlicht.

Unbeirrt davon bestellte er: »Kaffee Nummer drei.«

Während das Gewünschte aufbereitet wurde, blickte Akym ins glühend Rot erleuchtete Cockpit. Der Anblick weckte bittere Erinnerungen an einen über drei Jahre zurückliegenden Befreiungseinsatz. In Gedanken sah er hier: Adrian und seinen Sohn schwerverletzt auf der Portierplattform liegen. Unwillkürlich rieselte ihm ein eisiger Schauer übern Rücken. Nur gut, dass der würzige Duft des Kaffees in die Nase stieg und ihm so, aus den Gedanken riss. Gleich Vorort schlürfte er genüsslich die ersten Schlucke.

Indessen Akym trank, hafteten Fibs Augensensoren für Nanosekunden im kurzwelligen Auf und Ab vom roten Alarm. Die eifrigen Pupillen Bewegungen signalisierten, dass er Daten aus seinem alten Leben vom pironischen Datenspeicher einlas. Die dazu hinterlegten Erinnerungen, beförderten ihm ein verschlagenes Grienen ins Gesicht.

Akym beobachtete den treuen Fibs. An der lebhaften Mimik ahnte er, in was für verstaubte Dateien der Aiws herumstöbert. »Sehnsucht danach?«

»Nein Sire«, rutschte es grinsend über Fibs wohlgeformten Lippen. Synchron dazu blickte er zum Steuerpult. Auf dem Eingabefeld vom virtuellen Display wählte er den Button zum Deaktivieren der Weltraumminen. Ein Signal bestätigte den Befehl. Gleichzeitig streckte Fibs einen Mittelfinger lässig nach oben.

Die Kampfansage belustigte Akym.

Obwohl Fibs wusste: Diese Gemütsverfassung ist gut für den Boss, unterband er den Spaß mit Handzeichen.

Akym kannte dieses Gebaren. Um herauszufinden, was diesmal dahintersteckt, löste er die mentale Lärmunterdrückung. Und nachdem der Druck auf den Ohren nachließ, analysierte er vom alternativen Antrieb das Vibrieren sowie Stampfen. Der lief, weil Fibs ihm eine intensive Pflege zukommen ließ, wie ein geöltes Uhrwerk. So verwunderte es nicht, dass sie bereits nach wenigen Sekunden zufrieden mit den Augenbrauen zuckten.

Aus der akustischen Verzückungen riss sie die fordernde Citraa (Computer) Stimme: ›Warnung! Das unsichtbare energieabsorbierende Gitter ist in Sensoren Reichweite ...‹

»Zeigen!«, befahl Akym mit stahlharten Tonfall.

Bereits bei den ersten sichtbaren Bildern blickte Fibs ehrfürchtig auf das dargestellte Gitter, das zeigte nur ein winziges Bruchstück von dem, was das gesamte Eridani Alpha System umspannt. Dieses Teilstück jedoch genügte Fibs, um auf seiner Steuerkonsole die Buttons für Bend Kraftfeld Generator und alle Maschinen stopp zu aktivieren. Innerhalb von Sekunden fiel der Soter in dem Normalen dreidimensionalen Raum, dann trieb er antriebslos im All.

Akym trat an den Platz, rechts neben Fibs heran. Der hastig getrunkene heiße Kaffee bescherte ihm Hitzewallungen. Bevor er sich hinsetzte, öffnete er den Overall bis auf Brusthöhe, und dann setzte er sich hin. Die wedelnden Hände sorgten zusätzlich für Kühle. Nachdem es erträglicher wurde, signalisierte Akym mit einem bedächtigen Kopfnicken, das er zur Eingabe der erforderlichen Sicherheitschiffre bereit ist.

Ohne sichtbares Handeln nahm Fibs Kontakt zur Gitter Leitstelle auf. Wenige Datenzeilen später kam im Cockpit ein grüner Energiestrahl zum Datenabgleich an. Der scannte nur den Menschen.

Die biometrischen Daten stimmten mit den vorgegebenen Werten überein. Vor Akym materialisierte eine virtuelle Tastatur. An der Ruhe, die seine sehnigen Finger beim Eingeben der Zahlenfolgen ausstrahlten, sah man, er macht es andauernd.

Am Ende der Zeichenfolge angekommen, hob er die Finger von der Tastatur. Sofort verschwand die Eingabehilfe. Synchron dazu verließ ein unsichtbarer Leitstrahl das Gitter. Beim Einsetzen der kraftvollen andockenden Schwingungen sah Fibs den Boss an: »Sire, wir haben dreißig Sekunden.«

»Na dann – los!«

»Aye Sire.« Zwei Fingerzeiger auf dem virtuellen Display genügten, dass der Soter auf dem Leitstrahl mit ein Sul, Unterlichtgeschwindigkeit durch das Gitter glitt.

~

(Unmittelbar vorm Gitter ist es nicht möglich, eine stabile Bend Blase aufzubauen. Erst hinter dem Gitter ist es gefahrlos machbar.)

~

… Auf der anderen Seite angekommen, setzte der Soter die Reise in einer neuen Bend Blase mit Sol acht fort. Die Route führte sie am äußeren Ausläufer unserer Galaxie – der Milchstraße entlang. Daran grenzt das Eridani Alpha System. Dort etwa im vorderen Drittel beginnt das geschützte und dicht besiedelte Ugari Gebiet. Das streiften sie nur, ihr Ziel lag auf einem benachbarten, lebensfeindlichen Planeten.

* *

Der weitere Flug verlief ruhig. Akym gönnte sich nach dem anstrengenden Suchtanfall ein wenig Zeit zum Kraftschöpfen. Er hatte es sich dazu im Sessel bequem gemacht. Wie er nun so im Halbschlaf lag, strandeten seine Gedanken bei einer Begebenheit, die einundzwanzig Jahre zurücklag.

Von dem damaligen Besuch hat er gleichfalls Video Aufzeichnungen. In Gedanken versetzte er sich dahin zurück. ›... Es war ein unruhiger August Tag. Über der schottischen Stadt Perth lag schwüle Luft. Am Horizont zog eine rasch herankommende Gewitterfront auf. Deren tiefschwarzen Vorboten erstreckten sich bereits zum Ufer jenseits des Flusses Tay, wodurch es diesseits am frühen Nachmittag bereits an die hereinbrechende Dunkelheit im Winter erinnerte. Kräftige, fein geäderte Blitze tauchten alles in ein gespenstisches Licht. Der tobende Sturm peitschte die Bäume in der Gannochy Road mächtig durch.

Das Unwetter kümmerte die vierköpfige Familie Sawon in ihrem Anwesen nicht. Sie wussten, der Schutzschild trotzte den entfesselten Naturgewalten.

Vater Milo und die neunjährige Tochter standen am Fenster und hielten Ausschau nach dem Besuch. Auf dem Sofa lag Mutter Ella. Der üppigen Figur hingen noch einige Schwangerschaftspfunde an. In den Armen hielt sie das jüngste Familienmitglied. Im Schutz der Mutter nahm selbst das winzige, kaum drei Wochen alte Geschöpf keine Notiz von dem Donnern und Grollen. Er saugte genüsslich an der Brust. … Für einen Moment unterbrach er die Mahlzeit. Sogleich, ohne die Milchquelle loszulassen, huschte ein stilles Lächeln übers zarte Gesicht.

Mutter Ella erwiderte das Lächeln und streichelte dem knuffigen Sohn liebevoll die pausbäckigen Wangen. »Ob der Süße wohl spürt, wer draußen unterwegs ist.«

Vater Milo wandte sich lächelnd um. Indessen er zu seinen beiden lief, antwortete er: »Ich denke ja ...«, mitten in seinem Satz preschte die aufgeweckte rot haarige Tochter: »Sie kommen zu Fuß! … Sie sind gleich am Hauseingang«, ihre Stimme überschlug sich fast.

Minuten später erschallte das Türsignal. Zeitgleich erzitterte heftiger Gewitterdonner die Erde.

›Nur gut das der Hauseingang Schutz bietet‹, dachte Milo, als er zum Eingang eilte. Bevor er die Eisentür öffnete, sie führt in den privaten Wohnbereich, holte er noch mal kräftig Luft.

Nach einer herzlichen Begrüßung stellte ich Milo – meine Begleitung vor. Zu meiner Rechten stand mein überaus bezauberndes, junges, blondes Erden Eheweib Linda Baston. An der Hand hielt sich unser Sohn fest. Er war im neunten Lebensjahr. Sein Geist wirkte abwesend und der Blick nervös. Ich fühlte gleichsam, was in meinem Sohn emotional vorging. Sanftes streicheln über sein lockiges, nachtblaues Haar drückte mein Mitgefühl aus. Im Geist sprach ich zu ihm: ›Nur Geduld, gleich bist du wieder bei ihm.‹ Jede meiner Silben wurde mit einem inneren aufgewühlten Beben meines Sohnes begleitet.

Noch bevor es mir gelang, ihm mental zu beruhigen, stürmte er ins Haus.

Milo schmunzelte zufrieden. ›Sie sind oben im Wohnzimmer‹, rief er den Knaben freundlich nach.

Ich holte schwer Luft. ›Das es bereits jetzt so stark bei ihm ausgeprägt sein könnte, damit hatten wir nicht gerechnet.‹

Milo nickte verständlich und dazu tätschelte er mich mitfühlend ...‹

Jene Berührung fühlte sich zunehmend wie ein fester Schultergriff an.

»Sire es ist gleich soweit.«

»Was ist soweit?«, Akyms lahme Flüsterstimme klang verwirrt.

Fibs lächelte und zeigte auf das Hud. »Na die Passierprozedur an der Weltentor-Passage.«

Akym fiel es sichtbar schwer, den Grips ins Cockpit zu bringen. »Davor brauche ich noch einen großen Kaffee«, murmelte er schlaftrunken.«

* *

Gerade als Akym den letzten Schluck Kaffee trank, war die "Weltentor-Passage" in greifbarer Nähe. Sie sah für ungebetene Besucher, die es eventuell bis hierher geschafft hatten, wie eine schier unendliche hochexplosive Gaswolke aus. Und das war sie auch! Erst wenn es einen Code übermittelt bekam, wurde die mit einer nebelartigen Substanz gefüllte Passage sichtbar. Auf der anderen Seite des Weltentores beginnt das sagenumwobene und nirgends kartografierte Shumerer System. Kein ungebetener Besucher bekam es jemals zusehen.

Das Ziel des Bergungs-Shuttle Soter ist diesmal nicht der Heimatplanet Advenu, sondern das Rettungsraumschiff Concordia α U P. Es liegt nur wenige Flug Kilometer von der Passage vor Anker.

Bevor die Soter dort festmachen konnte, mussten sie noch dir Weltentor Anmeldeprozedur durchlaufen. Nach der Kennziffern Eingabe erfolgte ein vom Weltentor ausgehender Shuttle Scan. Bei dem wurde vom Shumerer Menschen das Spaa Gen und beim Aiws die Biomatrix abgefragt.

Eine gelbe Anzeige auf dem Cockpit Hud zeigte an, dass sie einfahren durften. Synchron zur Bestätigung öffnete das Weltentor. Wobei der Spalt nicht viel größer wurde, als das Bergungs-Shuttle Soter. Fibs bugsierte es gekonnt hindurch. Auf der anderen Seite, fuhr ihre Tarnung zurück.

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Der Soter, was der Retter bedeutet, wurde bereits seit Jahrtausenden als solcher eingesetzt. Technisch gesehen ist er auf dem neusten Shumerer Stand. Aber! Bei besonderen Einsätzen oder Schäden kann die Besatzung auf altbewährte Technik als auch auf einen analogen zuverlässigen alternativen Antrieb zugreifen. Damit erkundeten bereits die Ur-Shumerer die Galaxien.

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Wenn der Soter komplett war, hatte er aufgrund seines viergliedrigen und verdrillten Aussehens den Spitznamen Sandwurm. Jener Gulco sah auf den zweiten Blick genauso altertümlich wie der Soter aus. Der Eindruck vertiefte sich noch durch die Shuttle Außenhaut. Sie sieht nach stark verwittertem Stoff aus. Dem war mitnichten so. Die Außenhautbespannung bestand aus der lebendigen organischen Materie der Nochos. Deren eigentlicher Lebensraum liegt in der Vierten und in höheren Dimensionen. Ebensolche Wesen umspannten die vier, rund um den Shuttle Rumpf verteilten, doppelten Tragflächen. In denen sind – beziehungsweise waren – die autark arbeitenden Sol Antriebsgondeln untergebracht.

Im kompletten Zustand bestand das Shuttle aus vier Segmenten. Der Bug war erheblich kleiner als das Heck. Jede Seite besaß ein Cockpit. Ebenso gab es vorn wie hinten zwei Maschinenräume und Heiler-Sektoren sowie die Überlebensalkoven. Frontseitig gab es einen winzigen Alkoven für maximal drei Personen und am Heck standen zehn große Doppeldecker Alkoven – für je fünfundzwanzig Mann zur Verfügung. Im Bedarfsfall war es möglich, die komplette Soter, in zwei Segmente zuteilen. Abgekoppelt konnten sie unabhängig voneinander geflogen werden. Waren sie jedoch miteinander verbunden, führte mittig ein schmaler Gang, vom Bug und Heck Cockpit, zu den beidseitig gelegenen Maschinenräumen. Linksseitig waren die Alternative und rechts die normale Antriebstechnik untergebracht. Ungefähr auf halben Weg befanden sich auf der linken Seite die Alkoven. Jene waren nur mit dem Nötigsten zum Überleben ausgestattet. Die Sparsamkeit trifft ebenso für die Stellflächen der Maschinenräume zu. An der Qualität der Technik wurde nicht gespart. Die freigesetzten Flächen verfügten über holografische Technik, sie stand den Heiler-Sektoren zur Verfügung. Es konnten dann im Bug maximal drei und im Heck fünfzig Staze-Biobetten bereitgestellt werden.

In den vergangenen fünf Monaten wurden so über zweitausend aus Gefangenschaft befreite versorgt. Wobei es sich dabei vorwiegend um Sklaven, entführte Rebellen und Aufständische aus dem unterdrückten UPC Terrain handelte.

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Die Sartor ist schon seit etlichen von Zehntausenden Dekaden im Einsatz, wenn man den Antriebsgeräuschen lauscht, kommt es einen so vor, dass man die Siegesgesänge der längst vergangenen Besatzungen hört.

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Auf der anderen Weltentor Seitedrosselte der Soter ihre Geschwindigkeit bis zum Stillstand. Der Grund hierfür war ganz simpel: Im gesamten Eridani Alpha System herrscht stets dichter Flugverkehr. Daher mussten sie, weil sie sich nicht im Rettungseinsatz befanden, auf einen der nächsten freien Flugkorridore warten. Währenddessen kreuzte das Rettungsraumschiff Julian ihre Flugbahn. Sie wird in den nächsten Tagen dort festmachen, wo die Concordia jetzt liegt.

Die Julian ähnelt in Form und Farbe einem irdischen Rochen.

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Als die Julian vorbeifuhr, kam ein Funkgruß für Fibs an. Der Absender war der erste Maschineningenieur. Wie Fibs nun dessen nette Worte las, gingen seine Erinnerungen noch mal zum letzten Befreiungseinsatz der Soter: »... unsere Crew vom "Sandwurm" – Bergungs-Shuttle war wegen der gebotenen Eile wohl zu unachtsam gewesen. Als Folge dessen gerieten wir in den Hinterhalt eines UPC Kampfkreuzers. Wodurch unsere zwei hinteren Sektoren heimtückisch von Partikelstrahlen, wie ein Sieb durchlöchert wurde. Einige Treffer landeten im Steuerraum vom Maschinenraum. Wodurch der Hardron-Sol-Antrieb und die Hardron-Sol-Kerne kollabierten. Der hinterhältige Verfolger roch in unserem holprigen Flug schon den kapitulierenden Atem. Mit der nächsten Salve wollten sie ihm uns ganz nehmen. Doch kurz bevor die feindlichen Partikelstrahlen uns erreichten, bretterten wir aus der Bend Blase. – Die feindlichen Waffen trafen ins Leere.

Dem Feind waren wir entkommen, aber das; was uns danach erwartet hat, war auch nicht besser. Ungebremst und hart schlug der Soter im normalen Raum auf. Es katapultierte uns unkontrolliert durch den Weltraum. Es dauerte Sekunden, eher der Pilot alles zur Stabilisierung erforderliche ausbalancieren konnte. Der Copilot wollte parallel laufend den alternativen Antrieb hochfahren. Doch dessen Zündmagneten und die Nesto C-Spulen sprangen nicht an. – Das gab es noch nie! – Das roch nach Sabotage! – Wer steckt dahinter? … Nur zu gern hätten wir die vorliegenden Daten ausgewertet. Bloß wir rechneten damit, unser Feind verfolgt uns noch. Und sobald die hinterhältige Höllenbrut unseren Sandwurm auf ihren Monitoren sieht, wird unsere Situation so gut wie aussichtslos sein.

Das mussten wir verhindern! Wir drei Ingenieure gaben alles, damit die Technik wieder lief. Auf die Schnelle gelang es nur, einen Bose-Konvektor in Gang zu setzen. Bloß der nützte uns wenig, solange die Hardron-Sol-Antriebe nicht ansprangen.

Mitten in dem Dilemma meldeten die Langstrecken Sensoren: ›Feind im Anflug. Verbleibende Zeit bis in Schussreichweite, fünf Minuten.‹

Das reichte gerade noch für eine Abschiedsbotschaft an unseren Flottenverband zu senden oder kampflos zu kapitulieren.

Wir taten beides! Allerdings bereiteten wir damit unser würdevolles Abtreten vor. Das es uns gelang, lag einzig an unserem Boss Akym Pors. Er gehört zur Gattung Wissensanwender. Verschlagen grinsend kramte er aus seinen Shumerer Kalab Gehirnzellen eine Idee hervor, wie wir mit dem Bose-Konvektor unseren Abgang vergolden können.

Akym lieferte den Plan und ich die dafür erforderliche Sequenz. Den Triadensender sowie den einsatzfähigen Konvektor brachte ich in die irreparablen Shuttle Sektoren.

Am Zielpunkt modifizierte ich den Konvektor synchron zu Akym Anweisungen. – Es brachte uns eine gute Zeitvorlage, sodass ich auf dem Rückweg noch einige Störsender anbringen konnte. Sie werden eine Hardron-Sol-Kern Explosion simulieren. Und als ich in "Sicherheit" war, vermeldete der Citraa: ›Feind in Schussreichweite‹, und unsere Sensoren blickten in die geladenen feindlichen Waffenrohre. So wie unsere Blutsfeinde von Vulkan die ersten Salven abfeuerten, detonierten unsere irreparablen hinteren Sektoren. Der davon ausgehende Schub sprengte uns ausreichend weg, sodass uns der Sog der Gravitationswellen verschonte. Das!, was dann in den Augen des Feindes, wie harmlose Gravitationswellen Ausläufer aussah, verbarg im Inneren unsere Rückfahrkarte.

Kurz danach, die feindlichen Partikelstrahlen brachen gerade zu unseren wehrlosen Heiler-Shuttle-Sektoren auf, erreichten die Ausläufer der "harmlosen Welle" den Kampfkreuzer. So wie diese, mit deren Schutzschild zusammenkrachten, verschmolzen beide zu einem unruhigen Energiestrudel. Deren Schwingungen öffneten unmittelbar vorm feindlichen Bug einen Subraum – Colche Dimensionsspalt. Schlagartig flutete es Millionen energiehungrige Kokons in unsere Dimension. Sie umspannten mit ihren Triaden – Fangarme – die wie Spinnennetzfäden aussahen, den feindlichen Kampfkreuzer. So wie sie ihn berührten, zogen sie von allem die Energie ab. Der von dem geöffneten Spalt ausgehende Sog saugte alles in der Nähe befindliche in die Colche. Als wir Sekunden später gleichsam dort ankamen, hatte alles an Bord des vormals angriffslustigen, feindlichenUPC Kampfkreuzer kein einziges Körnchen Energie. Unsere Kokons hatten wie immer ganze Arbeit geleistet.

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Unsere Schadensbilanz sah danach wie folgt aus: Glücklicherweise blieb unsere Crew bei dem Hinterhalt unverletzt. Alles Übrige – unsere zwei verlorenen Hecksektoren sowie die sabotierte Antriebstechnik konnte, in einem Trockendock auf unseren Heimatplaneten Advenu repariert werden. Die Julian kam uns zu Hilfe und sie schleppte uns dorthin.

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Während der Reise arbeitete der überaus bezaubernde erste Maschineningenieur mit mir zusammen.« –

Als Fibs an ihn dachte, lenkte er den Blick wieder auf die netten Zeilen von eben. Still in sich hinein schmunzelnd beantwortete er seinen Funkspruch. Just in dem Moment, wie er ihn absetzte, erhielt der Soter die Weiterflug Genehmigung. Mit der vorgeschriebenen Unterlichtgeschwindigkeit – Sul fünf, flog nun der Soter zum nahegelegenen kleinen lebensfeindlichen Planeten. Dieser sowie zwei weitere zogen in unmittelbarer Nachbarschaft zum Gas Planeten Pir die Bahnen. Der Größte, der drei Planeten, trägt den Namen Gatta. Auf diesem wurde die Concordia α U P im Trockendock stationiert. Der Soter wird daran andocken.

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An Bord der Concordia wurde Akym bereits erwartet. Doch zunächst musste noch der Anflug über dem mit hohen Gebirgen übersäten zudem stark zerklüfteten, heißen und trockenen Planeten erfolgen. Das Landemanöver überbrückte Akym, indem er ein angeregtes Gespräch mit Adrian Sawon führte. Somit verging die Zeit, bis zum Andocken, wortwörtlich – wie im Flug.

* * *

Kapitel 1

Rückblick

Was in den Tagen vor Akyms Ankunft geschah

Das Rettungsraumschiff Concordia α U P lag "fest verankert" im Trockendock Vallum.

Es ist das Älteste seiner Art, mit diesem Bollwerk entstand vor Million von Jahren, ein wichtiger strategischer Punkt. Ein Steinwurf entfernt steht ein gigantisches Dimensionsportal.

Die imposante äußere Erscheinung, die Wände wurden einst aus dem extrem harten, dunklen Felsen einer Bergkette erschaffen. Es ist dadurch eine uneinnehmbare Raumbasis.

Seit Anbeginn sind daran private Kampfschiffe, Bergungs-Shuttle sowie die Rettungsraumschiffe stationiert. Die Concordia α U P gehört dazu, allerdings wurde sie erst vor einigen Jahren im Vallum festgemacht.

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Alle im Vallum stationierten unterliegen befehlsmäßig, den Führenden Shumerer Clans. Zu den gemeinsamen Aufgaben des Flugverbandes zählen unter anderem: Ankommende humanoide, aus den vom UPC besetzten Gebieten mit allem zur Verfügung stehenden Heiler-Wissen, zu versorgen. Die Flugobjekte der Ankommenden, falls möglich, wieder in einen einsatzfähigen Zustand zu versetzen.

Die meisten wurden bei der Flucht in schwere Kämpfe verwickelt. Den Flugobjekten fehlen mitunter Außendeck Segmente oder sie sind merkwürdig zusammengefaltet. Es grenzt stets an ein Wunder, dass sie es aus eigener Kraft hierher schafften.

* * *

Kapitel 2

An Bord des im Trockendock stationierten Rettungsraumschiffes Concordia gab es zweierlei Realitäten. Zum einen handelte es sich um die beruhigte Zone und zum anderen um die realen Decks.

Zuerst widmen wir unsere Aufmerksamkeit dem letztgenannten Bereich. In den je dreißig, stark frequentierten Notfallstationen versorgten die Heiler und Ärzteteams sämtliche aus der UPC Gefangenschaft befreite unentgeltlich. Das Gleiche traf auf diejenigen zu, denen es gelang, mit selbst gebastelten oder Schrottreifen Flugobjekten aus den Fängen der Unterdrücker zu entkommen.

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Ebenso vielfältig wie die Flugobjekte sind die zu behandelnden humanoiden. Für deren unterschiedlichste Physiologie kommt anpassungsfähige Heiler-Technik zum Einsatz. Sie arbeitet schnell und effektiv, das ist beim Rekonstruieren der Körperteile dringend erforderlich. Denn das von uns Freiheitskämpfern aus UPC Gefangenschaft geborgene, entspricht oftmals nicht mehr als einem lebendigen Klumpen Fleisch mit Knochen. Handelt es sich jedoch bei diesen Geborgenen um angehörige der eigenen Shumerer Gattung, sind diese Opfer meistens noch mit dem Skylup Virus kontaminiert. Das Dreckszeug haben sie bei grausamen Folterungen bekommen.

So auch Melina Sawon und Amadou Baston. Sie ahnten nicht im Geringsten, was für Fähigkeiten in ihnen ruhen. Zum eigenen Schutz wurden sie, wie alle infizierten, in der sogenannten beruhigten Zone der Concordia untergebracht.

Somit sind wir im geschlossenen Bereich angelangt!

Jene Zonen vereinnahmten ein Achtel vom kompletten Rettungsraumschiff, welches vierzig Decks hat. Sie standen unter absoluter Isolation. Was nicht daran lag, dass die Patienten mit dem Virus kontaminiert waren, sondern: weil sie die Wirklichkeit nicht verstanden. Sie lebten zu ihrem und anderer Leute Schutz völlig abgeschirmt in einer für sie künstlich geschaffenen Welt. In der gab es unter anderem eine Krankenstation ebenso eine Kommandobrücke.

In den isolierten Bereichen konnten die Patienten wie gewohnt oder erträumt ihren Berufen nachgehen. Mit anderen Worten: Es dient allen Virus infizierten Patienten lediglich dazu, die Wartezeit bis zur Gegenmittelgabe sinnvoll auszufüllen. Jedoch bis es so weit war, wurden die Patienten von hervorragend ausgebildetem Personal betreut. Zu denen zählten Aiws und Menschen sowie die persönlichen Beschützer der Patienten. Letztgenannte lehrten den Patienten wie sie wieder Gefühle ausdrücken können. Dahingegen waren die exakt nach Shumerer aussehenden Aiws ausschließlich für deren Überwachung zuständig. Ferner führten sie Protokoll über Fortschritte und Fehler der isolierten Insassen. Fehler machten sie viele, deshalb funktionierte in der beruhigten Krankenstation die Technik nur sporadisch. Was alleinig am Erinnerungsvermögen der Heiler Patienten lag, und das wiederum wurde durch das Skylup Virus restlos blockiert.

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Weitere Symptome der heimtückischen Viruserkrankung sind: massive Gedächtnisblockaden, komplette emotionale Blockaden, Verlust des Zeitgefühls. Einige zeigen, sich selbst gegenüber, ein aggressives Verhalten. Ferner fehlt ihnen die Fähigkeit, logische Verknüpfungen vorzunehmen. Zudem sind sie nicht imstande das Durchlebte geistig aufzuarbeiten, daher gliedert es ihr Gehirn in einen geschützten Bereich aus. Außerdem sind sie alle physisch instabil.

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Für den weiteren Verlauf der Geschichte spielt nur der beruhigte Bereich eine tragende Rolle. Dort gab es neben den Quartieren und den Kontrollzentren auch ein Deck mit Krankenstationen. Es wurde in je eine Abteilung für Gatten (Männer) sowie für Weiber (Frauen) unterteilt.

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Marc Albion, einer der echten kommandierenden Captains, lebt gleichfalls dort. Er erfreut sich zwar bester Gesundheit, jedoch er absolvierte eine auf gehorsam drillende UPC Raumfahrt Akademie.

Auf der Concordia lernte er, wie man in Freiheit kommandiert und gestellte Aufgaben mit Raffinesse sowie mit List umsetzt. Dazu wurde Albion bei unzähligen simulierten Übungseinsätzen hartnäckig animiert um die Ecke zudenken. In den vergangenen einundzwanzig Monaten mauserte er sich zu einem brauchbaren Improvisationstalent. Der zuständige Sicherheitsoffizier – Captain Lens Beeke – versicherte dem Boss der Concordia: ›Albion ist Reif für realistische Einsätze.‹

Für die Patienten im beruhigten Bereich jedoch galt einzig und allein das Gebot der echten Heiler und Ärzte: ›Erst nach ihrer vollständigen Wiederherstellung werden die Fachkräfte in die Stammbesatzungen integriert.‹

So wird es auch mit den zwei noch verbleibenden Patienten Amadou Baston und Melina Sawon sein. Ob sie soweit sind, um mit der Wahrheit konfrontiert zu werden, entscheidet sich in einer der nächsten täglichen Auswertungen.

An der heutigen Sitzung nahmen neben den behandelnden Heilern, auch Sire Akym teil. Er will miterleben, wie sein Sohn Amadou wieder zurück ins wahre Leben findet.

Ralph McSalmer der vorübergehende Leiter (der realen Gatten Heilercrew) unterrichtete mit präzisen Worten dem Boss Akym Pors von Amadou's und Melinas geistigen Erinnerungs-Status. Zum Schluss versichert er: ›Unsere letzten zwei Patienten sind soweit den realen Teil kennenzulernen.‹

* * *

Kapitel 3

Fünf Tage vor Akyms Ankunft

In allen echten Notfallstationen an Bord der Concordia herrschte wie immer Hochbetrieb.

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Heiler Ralph McSalmer, er beging vor zwei Wochen seinen hundertzwanzigsten Geburtstag, stand kurz vorm Dienstschluss auf einem Korridor von Deck fünf. Der späte Teenager, seine Spezies wird über tausend Jahre, schaute durch eine ab Hüfthöhe durchsichtige Wand ins Innere einer Gatten Notfallabteilung. Sein erschöpfter Blick verfolgte sehr emotional berührt das routinierte Treiben der Heiler sowie Ärzte.

Einer von denen fühlte es, woraufhin er für einen flüchtigen Moment zum beobachtenden Heiler schaute und lächelnd winkte.

Müde nickend erwiderte Ralph den Gruß. Gleich darauf setzte er den Weg, auf dem in Dämmerlicht getauchten Korridor fort. Sein Gang spiegelte das wieder, wie er sich nach über elf Tagen Dienst fühlt, fix und fertig. Selbst die zartgrüne Jacke lungerte ausgelaugt über seiner Schulter. Zum Glück hatte Ralph jetzt zehn Tage Dienst in der beruhigten Zone. Doch sofort das erlebte Vergessen ging wie immer nicht so ohne Weiteres. Dazu beschäftigten dem Schlürfer noch zu sehr die geschundenen Personen, die heute durch das Dimensionstor an Bord gelangten. Mit dem Gedanken im Hinterkopf ist er an einer Korridor Gabelung nach links abgebogen. Seine Füße, angetrieben vom nahenden Dienstschluss, trotteten fast von alleine in den Umkleideraum und von dort zu einem Waschbecken. Vorm Spiegel stehend betrachtete sich Ralph. Er erschrak über den ausgebrannten Anblick, sein hochgewachsener nicht ganz schlanker Körper, der stets gepflegt daher kam, wirkte mehr als verbraucht. Nicht mal seine peppig gestylten schwarzen Haare und die leicht braune Haut, die ihn sonst stets frisch und ausgeruht aussehen lassen, lenkten von der Müdigkeit ab.

Ohne den Blick vom Spiegelbild zu nehmen, drehte Ralph den Wasserhahn auf. Minutenlang floss abwechselnd eisiges Wasser über die Unterarme. Es blieb wirkungslos. Weil er noch keinen offiziellen Dienstschluss hatte, griff er nach härteren Munter-Mach-Mitteln. Ruckzuck riss er sich die Kleider vom Leib, und bevor er es sich anderes überlegte, flitzte er in die Ultraschalldusche. Unter den eisigen Strahlen grölte er die Müdigkeit heraus. … Fröstelnd griff er den wärmenden Pulli, dieser und ebenso die lässige Hose war privat, jedoch die weißen Stiefel gehörten zur Dienstkleidung. Sie symbolisierten so etwas wie eine Verbindung zwischen beiden Realitäten.

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»Zeige die aktuellen Biodaten vom Geschwisterpaar Sawon«, befahl er der Citraa.

Seitlich von ihm erschienen zwei frei schwebende virtuelle Displays mit Biowerten. Laut diesen ging es Melina prächtig. Adrians Befindlichkeit konnte im Moment als Beschwerde frei durchgehen. Für Ralph allerdings bedeuteten die Biodaten, dass es heute nur ein kurzer Abstecher in die beruhigte Zone wird. Zum einen war er darüber froh, und zum anderen ging er nach solcherlei langem Heiler-Diensten gern in jenen beruhigten Teil. Dort in der Stille konnte er sich »Akklimatisieren«, wie er es nannte. Und das brauchte er um all das Leid, was ihm in seiner Dienstzeit unterkam, gedanklich auszublenden. Doch bevor er diesmal auf die andere Seite wechselte, studierte er den virtuellen Dienstplan der beruhigten Zone. Laut diesem hatte er da Dienstschluss.

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Beim verlassen des Umkleideraumes sah man Ralph die Vorfreude auf einen frühen Feierabend an.

Kurz vor der nächsten Korridorkreuzung aktivierte er den Impulsgeber am Handgelenk. Augenblicklich wurde in der Wand, zu seiner Linken, ein internes Portal sichtbar. Ein aufleuchtendes grünes Symbol am Impulsgeber sagte ihm: Der Umkleideraum auf der anderen Seite ist leer.

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In der beruhigten Weiber Krankenstation, empfing Ralph nächtliche Ruhe. Das Einzige was den Schritten begegnete, war lahmes, gedämpftes Schuhsohlen quietschen. Bloß gut, dass er die dienstlichen Leisetreter anbehielt.–

Ohne Eile lief er übern Korridor. An der nächsten Kreuzung bog er zu den Bereitschaftsräumen ab. Wie erhofft brannte im fünften Raum noch Licht. Der ist der Kollegin Melina Sawon vorbehalten. Bevor Ralph zu ihr ging, blieb er abseits noch einen Moment stehen. Sein Augenmerk widmete er alleinig dem wohlgeformten Gesicht seines Schützlings. Soviel, wie er vom Hören sagen kannte, sollte Adrians Antlitz, das seiner bildschönen Schwester Melina, noch um einiges übertrumpfen. Leider sah Ralph bisher, wie fast jeder an Bord, Adrians alles andere als Augen schmeichelndes Gesicht, das durch den Einsatz von "holographischer Technik"nach einem Menschen Gatten der Erde aussieht. Nicht einmal die Stimme konnte als lieblich eingestuft werden, die Tonlage quäkte ab und an wegen der Unreife. Insgeheim wünschte Ralph, dass er Adrians echte Shumerer Erscheinung alsbald zu Gesicht bekommt. Mit diesem Wunschgedanken trat er vor Melinas schmalen, lang gestreckten Bereitschaftsraum. Die vordere durchsichtige Wand gewährte ihn einen Einblick in das standardisierte Arbeitszimmer. Somit weiß selbst ein vertretender Heiler sofort, wo was zu finden ist.

Ralphs flüchtige Rundschau begann im Eingangsbereich. Unweit der Tür sind an der Wand zwei Reihen, mit je acht interaktiven Displays angebracht. Darunter stehen Kühlschränke für Medikamente.

Gegenüber der Wand mit den Displays ist ein klappbarer Wandtisch angebracht. Daneben hängen drei Klappstühle. Vor der Stirnwand stand eine Zweisitzer Ledercouch und davor steht eine kleine rollbare holografische Projektionseinheit.

Zurück zum Eingangsbereich.

Direkt vor der durchsichtigen Wand thront ein geräumiger Schreibtisch, davor stehen zwei braune, überaus bequeme lederne Bürosessel. Im linken saß Melina in entspannter Lesehaltung. Die Finger der einen Hand spielten mit einer schulterlangen kupferrot leuchtenden Locke. Mit der anderen Hand hielt sie ein dickes Lederbuch. Der Titel "Das Skylup Virus", sagte alles.

Melinas Blick steckte ganz vertieft in der abgegriffenen Lektüre. Das sie beobachtet wurde, bemerkte sie nicht. Ralph nickte anerkennend. Der schwer verdauliche Lesestoff, er schleuste ihn persönlich ein, hatte den gewünschten Effekt gebracht.

Als sein Schützling eine Seite umblätterte, machte sich Ralph durch Klopfen an jener Wand bemerkbar.

Melina schaute kurz auf. Mit einer freundlichen Geste forderte sie den davor stehenden auf, zu ihr hereinzukommen. Ralph winkte dankend ab. Jedoch mit Handzeichen wünschte er der Kollegin eine gute Nacht.

* *

Nachdem Ralph aus Melinas Blickwinkel verschwand, legte sie das Buch beiseite und dabei stand sie ruckartig auf. Langsamen Schrittes lief sie zur interaktiven Displaywand – den Indy's. Zwei waren aktiv. Ihre Zeigefinger strebten dort auf je einen daumengroßen weißen Punkt zu. Sie symbolisieren deren Positionen. Ein Fingerzeig auf diese genügte und in den ausgewählten Belegzellen wurden die I P S – fliegenden Augen aktiv.

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(Die I P S sind lose im Raum schwebende bildgebende Sensoren. Sie übertragen das in "Echtzeit" geschehene aus den Belegzellen.)

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Auf dem Echtzeit Szenarium sah sie, das es den drei Patientinnen bestens ging. Es gab wiedermal nichts für sie zu tun. Betrübt aufstöhnend ging sie mit gelangweilter Mimik zum Schreibtisch zurück und in entspannter Lesehaltung verschlang sie noch weitere Seiten des Fachschmökers. Erst gegen dreiundzwanzig Uhr beendete sie die Lesung, und ohne Eile begab sie sich zu den Indy's.

Wie davor schenkte sie den Biowerten keine Aufmerksamkeit. Diese zeigten sowieso alles Mögliche an, nur nicht das, was wirklich ist. Mit der anderen Heiler-Technik verhielt es sich ähnlich. Folglich vertraut sie lieber ihren Augen, Ohren sowie abtastenden Händen. Und neuerdings kann sie sogar noch auf eine neue Gabe zugreifen. Sie erwachte quasi über Nacht, genauer gesagt geschah es am zwölften Tag, des elften Monats. Damit konnte Melina, von einem zum anderen Moment, fühlen wie es dem gegenüber geht. Inzwischen setzt sie diese Gabe ein, wann immer sie es benötigt. Es klappte prima, nur das Ausblenden von schmerzlichen Empfindungen, bereitete ihr noch ein wenig Probleme. Um das in den Griff zu bekommen, hatte sie hier ja mehr als genug Zeit.

So auch jetzt. Melina lauschte in sich hinein. Beruhigt stellte sie fest: »Meinen Patienten geht es gut.« Das Gefühlte verglich sie umgehend mit dem Echtzeit Szenarium. Es zeigte exakt das mental Vorhergesagte: der Vater und sein Neugeborenes schlafen. Nur der dritte Patient, ihr Bruder Adrian, verspürte noch keine Müdigkeit. Seine Nervosität übertrug sich auf seine bloßen Füße, sie wippten oder schaukelten abwechselnd. Adrians Kleidung, er trug auf seinem muskulösen samtig glänzenden Leib keinen weißen Patientenoverall, sondern er hatte sich lediglich mit einem anschmiegsamen hauchzarten, knapp übers Gesäß reichenden Schurz umhüllt. Das bisschen Stoff raubt seinem unschuldigen Wesen noch mehr Ruhe.

»Na sieh mal an der Süße wird mutig«, flüsterte sich Melina zu. Sie kannte ihren Bruder bisher als ziemlich verklemmt, was solche anwerbende Umhüllungen in der Öffentlichkeit betraf. Belustigt schlussfolgerte sie: »Seit seiner Ankunft ist Adrian wie überdreht. Und wer es nicht besser weiß, könnte annehmen: Das Verhalten entspricht einem frisch verliebten Teenager, der auf einem gewaltigen Pheromon Trip ist. Dummerweise hat er keine Pheromon-Spenderin, und sein Körper setzt ihm zudem immerfort mit sporadisch auftretenden Koliken auf kalten Entzug. Wäre er gesund, suchte er sicher den Kontakt zu Weibern. Eine Prise seines zarten Duftes genügt und ihm klebt mindestens ein Dutzend, schmachtende Verehrerinnen an den muskulösen Armen. Nur so miserabel, wie es ihm zurzeit geht, verspürt er mit Sicherheit keinen Drang, eine kennenzulernen«, an der zweifelnden Mimik sah man, das Melina die letzte Feststellung sofort wieder strich. In dem Moment, wie sie das gedanklich machte, betrat eine Sartor (Pflegerin) die Belegzelle. Sie schien vom sehr ungewöhnlichen Verhalten, ihres zu betreuenden Patienten, nicht sonderlich angetan. Im Gegenteil die erfahrene Sartor tätschelte Adrians Hände geradezu aufmunternd.

Mit jeder weiteren verstrichenen Sekunde spürte Melina, wie Adrians innere Anspannung stieg. Damit sie nur ja nicht die Lösung verpasst, stierte sie auf das Indy. Doch was sie stattdessen erblickte, verschlug ihr schier den Atem. Im nunmehr weichem Zellenlicht kommt Adrians makelloses, charismatisches Profil als auch der geschmeidige und schlanke Corpus, erst so richtig zur Geltung. Alleinig sein fransiger, kupferrot leuchtender lockiger Bob gab dem ganzen was Solides. Jedoch Dutzende verzwirbelte Haarsträhnen, die wie feurige Hörner aussahen, behaupteten das Gegenteil. Und sein wiegender Gang, in seinen Hüften schwang pure animalische Lust, beschwören das übrige Herauf.

»Lediglich seine kratzige Stimme beweist, dass dieser schnuckelige, volljährige Teenager noch nicht gereift ist. Ansonsten ist das ein Prachtkerl, wäre er nicht mein Bruder, würde ich ihn nicht verschmähen«, raunte Melina voll Bewunderung. Je länger sie ihren Bruder beobachtet, um so mehr fand sie an ihrer zuvor gestrichenen Erkenntnis gefallen: »Sein verhalten entspricht doch einem erwartungsvollen bis hinter beide Ohren verliebten. … Wer ist das, und warum habe ich darüber keine Kenntnis.« Gleichlaufend zu ihrer Fragen wiegte Adrian sein anmutiges Wesen durchs Echtzeit Szenario. Sein Hüftschwung ähnelte dem geschmeidigen Gang eines Panthers. Der Anblick entriss Melina einen anerkennenden Pfiff.

Gleichlaufend mit ihrem Pfiff setzte sich Adrian wieder neben die Sartor. Sie hatte, während seiner letzten Runde, ihr PAD hervorgeholt. Bevor sie zu schreiben begann, lenkte sie ihren nachdenklichen Blick auf den Patienten. Im nächsten Moment bewegten sich ihre stummen Lippen. Melina wiederum fixierte ihre Münder. Ihr Mitgefühl machte es manchmal erforderlich, das sie von allzu geschwächten Patienten, Worte von den Lippen ablesen musste. Sie hatte daraus eine Passion gemacht. Nur die nutzte ihr jetzt nichts, denn sie hielten mittlerweile ihre Häupter zu dicht beieinander. Grummelig und ohne den Blick vom Indy zunehmen, führte sie eine Hand übern Touchscreen. Ohne hinzusehen, war es nicht so leicht einen Button der Lautstärkeregelung zutreffen. Mit jedem Vertipper wurde sie ungeduldiger. Dann endlich wagte sie einen flüchtigen Blick. Begleitend schnippte sie mürrisch auf den erforderlichen Button. Zu ihrem Ärgernis erfolgte die Lautstärkesteigerung etwas versetzt. Dadurch hörte sie von den Worten der Sartor nichts mehr. Melina lauschte trotzdem weiter. Nach etlichen Sekunden kam sie murrend zu dem Entschluss: »Es geht nur um belangloses Zeug.« Das wiederum missfiel ihr. Melina kannte ihren Bruder in derlei Hinsicht, und es wäre nicht das erste Mal, dass Adrian seine Schwester auf eine falsche Fährte lockt. Um vielleicht doch was zu erfahren, lauschte sie weiter.

Nichts ...! Enttäuscht wollte sie die I P S (bildgebenden Sensoren) Verbindung kappen. Kurz bevor eine Fingerspitze den Button berührte, bemerkte sie, Adrian kommuniziert mental mit irgendjemand. Das Gespräch erregte ihm so emotional, dass jetzt sogar seine eben noch farblosen Wangen gut durchblutet glühten. Die Sartor wollte ihm beruhigend über die Schulter streichen, jedoch Adrian entschlüpfte ihr. Ohne sich umzudrehen, lief er erneut zum Spiegel. Für Melina bestand nunmehr kein Zweifel, er erwartet ein Weib. Nur wer ist sie?

Von Adrians Unruhe angesteckt überlegte Melina, wem er alles an Bord kannte. Wie sie es auch betrachtete außer ihrem Ehegatten Erimo, einigen Studenten, ihre Sartor, Doc Eric und ihre Wenigkeit fiel ihr niemand ein. Kopfschüttelnd sortierte sie weiter aus. Zu guter Letzt blieb nur noch eine Studentin übrig. »Marte Blom. Nur die kann es sein!«, Melinas stimmliche Freude hielt sich in Grenzen. Gleichwohl die Studentin die Beste war, die sie jemals im praktischen Teil ausbildete. Aber! Das zuvorkommende und sehr gewissenhafte Weib hatte bereits jetzt, im ersten praktischen Teil, ein so umfangreiches Wissen intus, das Melina nicht Drumherum kam; sie als gleichgestellte Heilerin zu behandeln. Merkwürdigerweise wird Marte deswegen von Studenten nicht als Streberin verschrien. Im Gegenteil sie sahen in ihr eine Ausbilderin. Das machte Melina misstrauisch. Ja schlimmer noch, sie sah in Marte eine nicht zu unterschätzende Rivalin. Melina beschloss, das Weib besonders im Auge zu behalten. Ihre Observierung umfasste auch Marte's außerdienstliche Aktivitäten. Nur leider gibt’s dazu nicht viel zu sagen. »Obwohl Melina ganz brauchbar aussieht, bändelt niemand mit ihr an. Nun ja zuweilen ist sie recht unterkühlt und spröde.« So wie Melina das zu sich sprach, korrigierte sie den letzten Teil: »Das stimmt nicht ganz. Zu Adrian ist sie stets nett. Außerdem wuselt sie ziemlich oft bei ihm herum, und sie ist in einem fesselnden Duft gehüllt. Ein ahl pii kann es nicht sein, denn Marte ist ein Erden Weib. Außerdem ist meine taube Nase nicht imstande, einen Shumerer ahl pii zu riechen. Jedoch von gehaltvollen Menschen Deos und sonst dergleichen kann sie gerade noch die Duftrichtungen bestimmen. In ihrem Fall riecht es nach getrocknetem Gras und Sommer schweren Lavendel.« Melina musste sich eingestehen: »Das Riechwasser gefällt Adrian und mir. Es umschmeichelt auf angenehmerweise unsere Geruchszellen.«

Neugierig, ob es sich bei dem Besuch tatsächlich um Marte handelt, recherchierte sie im Dienstplan der Studenten. Laut diesem sollte Marte, ab null Uhr, im ruhenden Bereitschaftsstatus sein. Auf ihr baldiges Erscheinen hoffend stierte sie, in Lauerhaltung, auf das Echtzeit Szenario. Nach einigen Sekunden spöttelte sie in Gedanken: »Na wo bleibt sie denn? – Sie muss sich wohl noch extra hübsch machen ...« Ihr lästern beförderte einen lang ersehnten Wunsch herauf: »Ich müsste in Adrians Geist lesen können.«

Der Wunsch war noch nicht ganz zu Ende gedacht, da hörte sie ein Wispern. Es geschah so unverhofft, dass sie nicht mal imstande war Adrians Wörter zu verstehen. Er wiederum sperrte den ungebetenen Eindringling sofort aus. Im gleichen Gedankenzug schaute er auf die I P S. Die Empörung lag in seiner Mimik. Davon unbeirrt versuchte es Melina nochmals. Doch es blieb still. Zerknirscht blickend wandte sie sich vom Indy ab. Dabei sah sie, aus dem Augenwinkel heraus, wie die Belegzellen Tür auffuhr. Selbst im faden Korridor Gegenlicht erkannte sie auf Anhieb die eintretende Silhouette.

Melina klatschte Beifall und dazu gluckste sie: »Haha! Volltreffer!«

Die gefühlvollen Umarmungen zur Begrüßung bestätigten es.

»Na sieh mal an!«, gluckste Melina, »Die spröde Schwedin will ja doch einer haben ...«Ein Audiosignal vom Bereitschaftsraum Interface beendete ihren Anflug von Begeisterung. Wie bei jeden Nachtdienst wurde sie von einem nervenden Heiler Koordinator belästigt: »... nicht vergessen in fünf Minuten sollen die Heiler Aiws ihren Dienst übernehmen …«