Instrumentelle Lackanalytik - Roger Dietrich - E-Book

Instrumentelle Lackanalytik E-Book

Roger Dietrich

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Beschreibung

Oberflächenbeschichtungen sollen schützen und dekorieren - doch woher kommen dabei Beschichtungsfehler, wie Benetzungs- oder Haftungsstörungen? Das Buch Instrumentelle Lackanalytik zeigt in anschaulicher Weise den Aufklärungsweg von der Feststellung eines Fehlers bis zur Identifikation seiner Ursache und befähigt den Leser, eigene Lösungsstrategien zu entwickeln. Ferner präsentiert der Autor neben zahlreichen Fallbeispielen routinemäßige Anwendungen von Servicelabors und angepasste Verfahrensentwicklungen. Instrumentelle Lackanalytik dient als Lehrbuch für Anwendungstechniker und Studierende, die mehr über Hintergründe der Verfahren und deren Leistungsgrenzen erhalten wollen und bringt auch erfahrenen Laborleitern Anregungen für neue Wege der Analyse! Auch als eBook erhältlich!

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Seitenzahl: 225

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Roger Dietrich

Instrumentelle Lackanalytik

Das Lehrbuch für Ausbildung und Praxis

2., vollständig überarbeitete Auflage

Umschlagsbild: FSEID, Adobe Stock

Bibliographische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.deabrufbar.

 

Roger Dietrich

Instrumentelle Lackanalytik, 2. vollständig überarbeitete Auflage

Hannover: Vincentz Network, 2019

Farbe und Lack Bibliothek

E-Book ISBN 978-3-86630-703-2

© 2019 Vincentz Network GmbH & Co. KG, Hannover

Vincentz Network, Postfach 6247, 30062 Hannover, Germany

Das Werk einschließlich seiner Einzelbeiträge aus Abbildungen ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der engen Grenzen des Urhebergesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar.

Dies gilt insbesondere für die Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Die Wiedergabe von Gebrauchtnamen, Warenzeichen und Handelsnamen in diesem Buch berechtigt nicht zu der Annahme, dass solche Namen ohne weiteres von jedermann benutzt werden dürfen. Vielmehr handelt es sich häufig um geschützte, eingetragene Warenzeichen.

Das Verlagsverzeichnis schickt Ihnen gern:

Vincentz Network, Plathnerstr. 4c, 30175 Hannover, Germany

Tel. +49 511 9910-033, Fax +49 511 9910-029

E-mail: [email protected], www.farbeundlack.de

Satz: Heidrun Herschel, Wunstorf, Germany

E-Book-Herstellung und Auslieferung: readbox publishing, Dortmund, www.readbox.net

FARBEUNDLACK // BIBLIOTHEK

Roger Dietrich

Instrumentelle Lackanalytik

Das Lehrbuch für Ausbildung und Praxis

2., vollständig überarbeitete Auflage

 

Auf ein Wort

Ich freue mich, dass Sie dieses Buch in die Hand genommen und aufgeschlagen haben und jetzt neugierig sind, was Sie hinter diesen Buchdeckeln erwartet. Ja, ich kann Ihnen versichern, Sie dürfen viel erwarten. Dies ist die zweite Auflage, die gegenüber der ersten mit neuen Techniken und Erfahrungen deutlich erweitert und modernisiert ist und damit spannende neue Möglichkeiten zur Untersuchung von Lacken und Beschichtungen bietet.

Sicher kennen Sie die gängigen Mess- und Prüfverfahren, mit denen in jedem Lacklabor Farbe, Glanz und weitere physikalische Eigenschaften von Lack- und Farbfilmen untersucht werden. Damit lässt sich die Frage beantworten: WIE ist eine Beschichtung beschaffen? Gibt es jedoch Abweichungen von festgelegten Sollwerten, dann bleiben diese Messverfahren eine Antwort schuldig, die Frage nach dem WARUM ist das so?

Diese Frage greife ich in diesem Buch auf und präsentiere eine Reihe von Messverfahren, die z. T. bereits seit Jahrzehnten existieren, jedoch erstaunlicherweise noch keinen breiten Einzug in die Lackanalytik gehalten haben. Dabei ist Potential der vorgestellten Verfahren unglaublich hoch und noch lange nicht ausgeschöpft. Die Einsatzmöglichkeiten der hier beschriebenen Verfahren wachsen mit den Anforderungen an die zu untersuchenden Proben. So ergibt sich nahezu jeden Monat eine neue Fragestellung, die mit einer Verfahrensentwicklung auf Basis der in diesem Buch vorgestellten Verfahren beantwortet werden kann.

Das Buch richtet sich an eine breite Gruppe von Anwendern aus dem Lackbereich. Es soll dem Anwendungstechniker vor Ort eine Hilfestellung beim Einstieg in Problemlösungen sein, und auch dem Laborleiter Anregungen für neue Wege zur Bewältigung seiner Aufgaben geben. Ich wünsche mir, dass Sie dieses Buch als tägliches Nachschlagewerk und Flandwerkszeug möglichst oft in der Fland halten und ausgiebig nutzen, um zum Beispiel nachzulesen wie Sie am schnellsten

–die Ursachen von Lackierungsfehlern aufdecken,

–Lackrohstoffe auf unerwünschte Beimengungen oder Ihre

–Lackprodukte oder lackierten Produkte auf ihre Eigenschaften hin.

untersuchen. Wenn dieses Flandbuch also nach kurzer Zeit mit Randnotizen auf dem Schreibtisch oder Labortisch liegt, freue ich mich auf Ihre Rückmeldung. Im praktischen Teil habe ich mich daher bemüht, die Themen so zu gliedern und aufzuarbeiten, dass sie daraus unmittelbare Flandlungsvorschläge entnehmen können, wenn z.B. bei der Lackierung von Produkten Lackkrater auftreten oder Sie wissen wollen, ob und wie sich zwei Lackchargen unterscheiden. Natürlich wird das mit theoretischen Grundlagen in dem gesonderten Kapitel III unterfüttert. Die im praktischen Teil II beschriebenen Problemlösungen sollten es Ihnen idealerweise wie eine Art „Kochrezept“ ermöglichen, mit dem Buch in der Hand unmittelbar zur Tat zu schreiten um Ihre täglichen Herausforderungen anzugehen.

Ich verstehe dieses Buch nicht nur als Handbuch, das den derzeitigen Stand der Technik dokumentiert, sondern möchte damit zu Dialogen anregen, aus denen Verbesserungen gängiger Vorgehensweisen und vielleicht sogar neue Entwicklungen erwachsen können. Für Anregungen und Kommentare bin ich daher jederzeit offen und hoffe auf zahlreiche Rückmeldungen, die ich gerne aufgreifen und so schnell wie möglich beantworten werde.

Dr. Roger Dietrich

[email protected]

Osnabrück, August 2018

Inhalt

Teil I Allgemeines zur Lackanalytik

1 Oberfläche – eine Begriffsdefinition

2 Bedeutung moderner Analyseverfahren für die Lackanalytik

Teil II Lackanalytik in der Anwendung: Der Weg der Erkenntnis

1 Untersuchung von Lackierungsfehlern

1.1 Vom Problem zur Lösung

1.2 Untersuchung von Haftungsstörungen

1.2.1 Enthaftung durch Substratverunreinigungen

1.2.2 Enthaftung durch Migrationsvorgänge

1.2.3 Enthaftung durch Delamination

1.2.4 Enthaftung durch Mischungs-, Vernetzungs- und Trocknungsfehler

1.2.5 Enthaftung durch Applikationsfehler

1.2.6 Enthaftung durch falsche Vorbehandlung

1.3 Untersuchung von Kraterbildung und Benetzungsstörungen

1.3.1 Krater durch Kontaminationen im Lacksystem

1.3.2 Krater und Nadelstiche durch Substratverunreinigungen

1.3.3 Krater durch Anreicherung von Lackkomponenten

1.3.4 Krater durch Luftverunreinigungen

1.4 Untersuchung von Blasenbildung

1.5 Verfärbungen, Flecken, Ablagerungen und Schleierbildung auf lackierten Oberflächen

1.6 Stippenbildung

1.7 Bewertung von Messdaten

1.7.1 Auf einem Auge blind

1.7.2 Hammer oder Rohrzange

1.8 Umsetzung in den Prozess

 

2 Rohstoffkontrolle

2.1 Bindemittel

2.1.1 Identitätskontrolle

2.1.2 Nachweis von Spurenverunreinigungen

2.2 Lösemittel

2.3 Pigmente und Füllstoffe

 

3 Produktionskontrolle

3.1 Prozessbegleitende Kontrolle bei der Lackherstellung

3.1.1 Untersuchung von Siebrückständen

3.1.2 Fogging-Untersuchungen

3.1.3 Untersuchung von Fertig- und Halbfertigprodukten

3.2 Prozessanalyse in Lackierprozessen

3.2.1 Aerosolanalysen

3.2.2 Betriebsversuche

3.2.3 Beprobung der Lackierluft

3.2.4 Untersuchung von Vorbehandlungsschritten

3.2.5 Untersuchung des Vernetzungsgrad von 2K-Lacken

3.2.6 Untersuchung der Verteilung von Lackadditiven in Mehrschichtsystemen

 

4 Literatur

Teil III Theoretische Aspekte der Lackanalytik

1 Allgemeine Prinzipien für Analyseverfahren

2 Apparative Grundlagen

3 Headspace-GC-MS

3.1 Headspace

3.2 GC-Trennung

3.3 Detektion über Massenspektrometer

 

4 Lichtmikroskopie

5 Fluoreszenzmikroskopie

6 Infrarot-Spektroskopie

6.1 Physikalische Grundlage

6.2 Charakteristische Absorptionen

6.3 Apparativer Aufbau

6.4 Proben präparation

6.5 Spektrendarstellung

6.6 Quantifizierung

 

7 Oberflächen-Infrarot-Spektroskopie

7.1 ATR-Spektroskopie

7.1.1 Physikalische Grundlage

7.1.2 Eindringtiefe

7.1.3 Informationstiefe der Probe

7.1.4 Effektive Schichtdicke

7.1.5 Quantitative Bestimmungen

7.1.6 Nachweisgrenze

7.1.7 Apparatives

7.1.8 Auswertung und Informationsgewinnung

7.1.9 Anwendung von Datenbanken

 

8 Infrarot-Mikroskopie

8.1 Apparatives

8.2 Infrarot-Mikroskopie in Transmission

8.3 Infrarot-Mikroskopie in Reflexion

8.4 ATR-Mikroskopie

8.5 Linescan- und Mapping-Analyse

8.6 Stippenbildung als Analysenbeispiel

 

9 Sekundärionen-Flugzeitmassen-Spektrometrie (TOF-SIMS)

9.1 Physikalische Grundlagen

9.2 Apparativer Aufbau

9.3 Probenbeschaffenheit und Probenpräparation

9.4 Spektrenauswertung

9.5 Imaging Mode

9.6 Halbquantitative Auswertung

9.7 Anwendungen des TOF-SIMS-Verfahrens

9.7.1 Untersuchung von Bindemitteln und Lackharzen

9.7.2 Kontrolle der Reinheit von Rohstoffen

9.7.3 Strukturuntersuchungen

9.7.4 Nachweis von Nebenreaktionen bei der Bindemittelherstellung

9.7.5 Technische Daten der TOF-SIMS-Analyse

 

10 Rasterelektronen-Mikroskopie

10.1 Physikalisches Prinzip

10.1.1 Sekundärelektronen

10.1.2 Rückstreuelektronen

10.1.3 Charakteristische Röntgenstrahlung

10.1.4 Auflösungsvermögen

10.2 Apparativer Aufbau einer Rasterelektronen-Mikroskopie

10.3 Probenbeschaffenheit und Probenpräparation

10.4 Informationstiefe der Probe

 

11 Elektronenstrahl-Mikroanalyse (ESMA)

11.1 Physikalische Grundlage

11.2 Quantifizierung

11.3 Nachweisgrenzen

11.4 Zweidimensionale EDX-Analyse (Mapping)

11.5 Anwendungen Röntgen-Mikroanalyse

 

12 Röntgenphotoelektronen-Spektroskopie

12.1 Physikalisches Prinzip

12.2 Informationsgewinnung

12.3 Apparativer Aufbau

12.4 Laterale Auflösung

12.5 Anwendungen

12.6 Technische Daten

 

13 Leistungsdaten ausgewählter Verfahren

 

14 Literatur

Autor

Index

Teil I  Allgemeines zur Lackanalytik

1 Oberfläche – eine Begriffsdefinition

Der Begriff der Oberfläche ist bei Licht betrachtet sehr unpräzise. Ein Maler und Lackierer meint in der Regel etwas anderes als ein Lackchemiker oder ein Oberflächenanalytiker, wenn er von der Oberfläche spricht. Während Oberfläche für den Lackierer das ist, was er anfassen und sehen kann meint der Analytiker oftmals nur die obersten Moleküllagen eines Werkstoffes die man mit dem unbewaffneten Auge nicht mehr erkennen kann (s. Abbildung I.1). In der Tat sind es aber häufig diese sehr dünnen Bereiche, die z. B. für die Lackhaftung eine wesentliche Rolle spielen.

Für die nachfolgenden Ausführungen soll daher eine verbindliche Definition festgelegt, die es ermöglicht die beschriebenen Phänomene einzuordnen. Die Oberfläche sei eine Rand- oder Grenzschicht, die ein Werkstück von dem umgebenden Medium (Luft, Gas, Flüssigkeit) sowie vom restlichen Festkörper abgrenzt. Der typische Dickenbereich reicht von 1 nm bis 1 µm.

Demgegenüber ist als „dünne Schicht“ eine Beschichtung oder ein modifizierter oberflächennaher Bereich mit Schichtdicken bis 10 µm zu verstehen.

Abbildung I.1: AFM (Atomic Force Microscope) Abbildung einer Lackoberfläche in einem Ausschnitt von 60 x 60 µm

 

Dietrich: Instrumentelle Lackanalytik, 2. Auflage ©Copyright 2019 by Vincentz Network, Hannover, Germany

Dieser Oberfläche bzw. deren chemischer und physikalischer Beschaffenheit kommt eine wichtige Rolle zu. Betrachten wir in Gedanken einen Lohnbeschichtungsbetrieb der als Rohware Stahlbleche und Profile geliefert bekommt. Optisch erscheint das Material sauber. Es hat jedoch bis zur Anlieferung im Lackierbetrieb eine ereignisreiche Lebensgeschichte hinter sich. Von der Herstellung über Verpackung, Lagerung und Transport haben sich chemische Substanzen auf der Oberfläche niedergeschlagen die u. U. nur in wenigen Moleküllagen vorliegen. Sichtbar ist diese Verunreinigung nicht. Entscheidend für die Weiterverarbeitung ist jedoch die chemische Zusammensetzung der obersten Moleküllage des Stahls. Es gibt nämlich Trennmittel, von denen reicht eine einzige Moleküllage geschlossen auf der Oberfläche verteilt, um jegliche Haftung zu verhindern. Da diese Schichten in der Regel optisch nicht erkennbar sind, ist der Verarbeiter im wahrsten Sinne des Wortes „blind“ was die Qualität der zu beschichtenden Oberfläche betrifft. Nun kann man präventiv und pauschal der Beschichtung eine Reinigung vorschalten, um sicher zu gehen, dass derartige Verunreinigungen von den zu beschichtenden Werkstoffen verschwinden. Dafür aber muss man sie kennen. Nicht jedes Reinigungsverfahren entfernt jede Verunreinigung gleich gut. Zudem können aus unsachgemäß ausgeführten Reinigungsschritten wiederum Verunreinigungen, wie z. B. Tenside, zurückbleiben, die die Beschichtung ebenso unmöglich machen. Für die andere Seite der Beschichtung (Lack) gilt ähnliches. Nicht jeder Lack haftet auf jedem Substrat. Nicht jeder Lack ist mit sich selbst beliebig reparaturfähig. Es ergeben sich damit für den Beschichter folgende Fragen:

–Wie ist die chemische Beschaffenheit der Oberfläche meines zu beschichtenden Werkstückes?

–Was kann ich tun um diese zu beeinflussen und welche Wirkung hat das?

–Wie ist die Zusammensetzung des Lackes den ich verwende, und wie wirkt der auf die Oberfläche des zu beschichtenden Werkstückes?

Diese Fragen können mit einfachen Tests oder klassischen Analysenverfahren gar nicht oder nur unbefriedigend beantwortet werden. Ausschließlich die Verfahren der Oberflächenanalytik bieten die Gewähr, dass diese Fragen umfassend beantwortet werden können.

Abbildung I.2: REM-SE Aufnahme einer Phosphatierung auf Stahl (10 000-fache Vergrößerung)

Die andere Seite der Medaille ist die Lackherstellung. Moderne Lacke, insbesondere im Automobilbereich, müssen immer mehr Anforderungen erfüllen, die zum Teil gegenläufig sind. Hier stellt sich nicht nur die Aufgabe, die einzelnen Rohstoffe und Halbfertigprodukte analytisch zu charakterisieren. Auch der Untersuchung von Wechselwirkungen einzelner Lackbestandteile mit der Oberfläche des zu beschichtenden Substrates kommt eine große Bedeutung zu. Als Beispiel sei hier die Lackierung von Polymerbauteilen genannt. Der Rohstoffhersteller eines Polymers konfektioniert sein Material mit diversen Additiven, Füllstoffen und Blends in Bezug auf Anforderungen wie Entformbarkeit, Schlagzähigkeit, Lichtbeständigkeit, Temperaturfestigkeit. Auf die Lackierbarkeit wird dabei in der Regel keine Rücksicht genommen, denn das ist aus Sicht des Polymerherstellers ein „ferner“ Prozess irgendwo sehr viel später in der Verarbeitungskette und gehört normalerweise nicht in sein „Lastenheft“. Gleichwohl können Additive, die aus dem Polymer an die Oberfläche eines Polymerbauteils wandern, dort mit Lackbestandteilen wechselwirken und zu unerwünschten Nebenwirkungen, wie Benetzungsstörungen oder Enthaftungen, führen. Ein Lackhersteller muss daher das Substrat, für welches er einen Lack entwickelt, genau kennen, um die Lackeigenschaften darauf einstellen zu können. Auch die daraus entstehenden Fragestellungen können nur mit Methoden der Oberflächenanalytik gezielt beantwortet werden.

2 Bedeutung moderner Analyseverfahren für die Lackanalytik

Die Werkstoffprüfung lässt sich in zwei Gruppen einteilen: Da sind zum einen die „klassischen“ Verfahren, mit denen sog. Sekundäreigenschaften untersucht werden. Dabei handelt es sich um makroskopische Zustandsgrößen wie:

–Härte

–Benetzbarkeit

–Reibungsverhalten

–Glanz

–Festigkeit

–…

Diese Größen werden durch die sog. Primäreigenschaften bestimmt. Das sind mikroskopische Zustandsgrößen wie:

–Oberflächenchemie

–Topographie

–Kristallstruktur

Hierfür braucht es die Verfahren der Oberflächen- und Materialanalytik, die in diesem Buch beschrieben werden.

In der Lackanalytik sind eine Vielzahl von „klassischen“ Untersuchungsverfahren eingeführt und in der Routineanwendung Stand der Technik. Das können z. B. nasschemische Verfahren oder physikalisch technische Prüfungen sein. Diese Techniken geben Auskunft über Produkteigenschaften wie Viskosität, Glanz, Haze, Härte, Säurezahl etc. Kurz gesagt, sie geben Auskunft darüber, wie das Produkt beschaffen ist und ob es die Anforderungen erfüllt, die angestrebt werden. Diese eingeführten Techniken versagen aber dann, wenn ein Produkt eben nicht die geforderten Eigenschaften hat und es zu klären gilt, warum diese Eigenschaften nicht erzielt werden. So kann bereits eine Moleküllage eines Trennmittels, wie Polydimethylsiloxan auf einer Oberfläche eine nachfolgende Beschichtung grundlegend verhindern. Absolut handelt es sich dabei aber um eine so geringe Substanzmenge, dass diese mit gängigen Labormethoden nicht erfassbar und charakterisierbar ist.

Oder ungenügende Reinigung einer Lackieranlage kann Stippen in einer Lackschicht verursachen, die nur wenige µm dick sind. Die fehlerverursachende Substanz in einer solchen Stippe zu analysieren, ist mit Standardverfahren nicht möglich. Um jedoch eine Problemlösung herbeizuführen, ist eine exakte Bestimmung dieser Fremdsubstanz in vielen Fällen unabdingbar.

In all diesen Fällen, wo das Lacklabor mit den sog. klassischen Verfahren nicht weiter kommt, setzen die Techniken an, die in diesem Buch zur Sprache kommen sollen. Sie helfen also bei der Beantwortung der Frage:

Warum treten Fehlfunktionen oder unerwünschte Eigenschaften meines Produktes auf?

–Typische Untersuchungsgegenstände sind dabei z. B.

–Woraus bestehen Fremdstoffe (Kontaminationen) auf Lackoberflächen oder in Nassmustern?

–Wie ist eine Beschichtung in einer bestimmter Tiefe zusammengesetzt?

–Wie sind bestimmte chemische Substanzen miteinander verknüpft?

–Warum enthaftet eine Beschichtung und an welcher Stelle enthaftet sie?

Dabei ist zu berücksichtigen, dass es für eine Fragestellung z. B.

„Woraus bestehen Pickel in meiner Klarlackoberfläche?“, nicht eine Technik gibt, die in jedem Fall zum Erfolg führt. Vielmehr sind eine Vielzahl von Faktoren zu berücksichtigen, um das oder die für den gegebenen Untersuchungsgegenstand beste(n) Verfahren auszuwählen. Dies sind u. a.:

–Randparameter, die zur Fehlerbildung führten

–Erscheinung des Fehlerbildes selbst

–chemische und physikalische Eigenschaften der zu untersuchenden Beschichtung

–erforderliche Nachweisempfindlichkeit

Auf diese und ähnliche Fragestellungen wird in diesem Buch ausführlich eingegangen.