Intensivpflege und das GKV-IPReG - Ronald Richter - E-Book

Intensivpflege und das GKV-IPReG E-Book

Ronald Richter

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Beschreibung

Die Richtlinie Außerklinische Intensivpflege ist in Kraft getreten. Rechtsanwalt Ronald Richter bringt auf den Punkt, was auf die Leistungserbringer zukommt. Informieren Sie sich als Verantwortliche:r in Ambulanten Pflegediensten oder Stationären Einrichtungen über die neue Gesetzgebung. Aus dem Inhalt: Für die Praxis am wichtigsten - was gilt wann? Was hat sich gegenüber den Entwürfen geändert? Welche Rolle spielen die Wünsche der Betroffenen? Welche Patientengruppen werden unterschieden? Welche Ziele hat die außerklinische Intensivpflege? Wie kommen die Versicherten an die Leistungen?

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Ronald Richter

Intensivpflege und das GKV-IPReG

Impulse für ambulante und stationäre Leistungserbringer

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Sämtliche Angaben und Darstellungen in diesem Buch entsprechen dem aktuellen Stand des Wissens und sind bestmöglich aufbereitet.

Der Verlag und der Autor können jedoch trotzdem keine Haftung für Schäden übernehmen, die im Zusammenhang mit Inhalten dieses Buches entstehen.

© VINCENTZ NETWORK, Hannover 2022

Besuchen Sie uns im Internet: www.haeusliche-pflege.net

Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar.

Dies gilt insbesondere für die Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Warenbezeichnungen und Handelsnamen in diesem Buch berechtigt nicht zu der Annahme, dass solche Namen ohne Weiteres von jedermann benutzt werden dürfen. Vielmehr handelt es sich häufig um geschützte, eingetragene Warenzeichen.

Foto Titelseite: AdobeStock, AllebaziB (composing)

ISBN 978-3-7486-0565-2

Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Leseeinladung

Kapitel I • Was regelt der neue Anspruch auf außerklinische Intensivpflege konkret? – Und ein Blick zurück

1.1 Die neue Regelung des § 37c SGB V

1.2 Die Konkretisierung des gesetzlichen Anspruchs durch die AKI-RL

1.3 Der Blick zurück: Der Kampf gegen das RISG

Kapitel II • Die Umsetzung des neuen Anspruchs – Was gilt ab wann?

2.1 Der Zeitplan für die Umsetzung

2.2 Vorgezogen: Die Leistungen in vollstationären Pflegeeinrichtungen

Der Leistungsumfang am Leistungsort „vollstationäre Pflegeeinrichtung“

Die weitere Leistung bei „Besserung“ des Gesundheitszustandes

Kapitel III • Ziele und Leistungsinhalte der außerklinischen Intensivpflege

3.1 Die Therapieziele der außerklinischen Intensivpflege

3.2 Die Leistungsinhalte der außerklinischen Intensivpflege

Der enge Begriff der außerklinischen Intensivpflege nach § 37c SGB V

Verordnung zusätzlich notwendiger Zeiten der medizinischen Behandlungspflege

Die Grenzen der ärztlichen Delegation

3.3 Die Erreichbarkeit der Therapieziele

3.4 Was wird aus der Phase F?

3.5 Die Überschneidung zur sozialen Pflegeversicherung

Kapitel IV • Der Leistungsort der außerklinischen Intensivpflege

4.1 Die Wünsche des Versicherten

4.2 Die Wünsche von Kindern und Jugendlichen

4.3 Die Beratung der Krankenkassen

4.4 Die Liste der Leistungserbringer

4.5 Die Prüfung der Sicherstellung der Versorgung am gewählten Leistungsort

4.6 Die Nachbesserung und die Zielvereinbarung

Kapitel V • Die Voraussetzungen der Verordnung außerklinischer Intensivpflege

5.1 Voraussetzungen der Verordnung außerklinischer Intensivpflege

Die medizinische Notwendigkeit

Die permanente Interventionsbereitschaft

Die Rolle der Trachealkanüle

Die außerklinische Intensivpflege in der Palliativversorgung

5.2 Die Potenzialerhebung

5.3 Der Verordnungsvordruck außerklinischer Intensivpflege

5.4 Die elektronische Verordnung

5.5 Die Verordnungsdauer

5.6 Die Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen

5.7 Die Genehmigung der außerklinischen Intensivpflege

5.8 Die Änderung der Verordnung

5.9 Der Behandlungsplan

Kapitel VI • Die Qualifikation der am Versorgungsprozess Beteiligten

6.1 Die Qualifikation der potenzialerhebenden Ärztinnen und Ärzte

6.2 Die Qualifikation der verordnendenVertragsärztinnen und -ärzte

Die Qualitätsanforderungen für beatmete odertrachealkanülierte Versicherte

Die Qualitätsanforderungen für nicht beatmete oder trachealkanülierte Versicherte

6.3 Die Qualifikationsanforderungen an das Personal der pflegerischen Leistungserbringer

Inhalt der Rahmenempfehlungen

Personelle Qualifikationsanforderungen

Personelle Qualifikationsanforderungen für die Versorgung von beatmungspflichtigen Versicherten

Personelle Qualifikationsanforderungen zur Versorgung von nicht beatmungspflichtigen Versicherten

Die Versorgungsverträge nach § 132l Abs. 5 SGB V

Sind Personalschlüssel zwingend?

Die Qualitäts- und Abrechnungsprüfungen

Kapitel VII • Die Besonderheiten bei der Überleitung aus dem Krankenhaus in die außerklinische Intensivpflege

7.1 Die Qualifikation der verordnenden Krankenhausärztin oder des -arztes

7.2 Die Potentialerhebung vor der Verordnung

7.3 Die Information an die Krankenkassen durch das Krankenhaus

7.4 Sonderfall: Außerklinische Intensivpflege vor dem Krankenhausaufenthalt

7.5 Die Information der Vertragsärzte durch das Krankenhaus

Kapitel VIII • Die Zusammenarbeit zur Sicherung der ärztlichen und pflegerischen Versorgungskontinuität und Versorgungskoordination von außerklinischer Intensivpflege

Kapitel IX • Kostenerstattung für eine selbstbeschaffte Pflegefachkraft und persönliches Budget

9.1 Die Kostenerstattung für eine selbstbeschaffte Pflegefachkraft

9.2 Das persönliche Budget

Kapitel X • Zuzahlungen

Kapitel XI • Evaluation der Umsetzung und der AKI-RL

11.1 Autor

Abkürzungsverzeichnis

AKI

Außerklinische Intensivpflege

BSG

Bundessozialgericht

BSGE

Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Bundessozialgerichts

BVerwG

Bundesverwaltungsgericht

BVerwGE

Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts

BT

Bundestag

G-BA

Gemeinsamer Bundesausschuss

GG

Grundgesetz

HKP

Häusliche Krankenpflege

IfSG

Infektionsschutzgesetz

IPReG

Intensivpflege- und Rehabilitationsgesetz

LSG

Landessozialgericht

OPS

Operationen- und Prozedurenschlüssel

PflBG

Pflegeberufegesetz

RISG

Entwurf eines Rehabilitations- und Intensivpflege-Stärkungsgesetz

RL

Richtlinie

SGB I

1. Sozialgesetzbuch – Allgemeiner Teil

SGB V

5. Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Krankenversicherung

SGB IX

9. Sozialgesetzbuch – Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen

SGB XI

11. Sozialgesetzbuch – Soziale Pflegeversicherung

Leseeinladung

Nach langen teilweise sehr kontroversen Auseinandersetzungen über das RISG und den ersten Entwurf des GKV-IPReG ist die gesetzliche Änderung in der außerklinischen Intensivpflege durch die Veröffentlichung der AKI-RL durch den G-BA in der praktischen Umsetzungsphase angekommen. Versicherte und Leistungserbringer können sich nun auf die weiteren Konkretisierungsschritte, insbesondere die Verhandlungen um die notwendigen Rahmenempfehlungen nach § 132l Abs. 1 SGB V konzentrieren, und so auf die Anwendung des § 37c SGB V vorbereiten. Die Arbeitspapiere aus den Diskussionen zur parlamentarischen Beratung der verschiedenen Gesetzesentwürfe können getrost der Zunft der Historikerinnen und Historiker übergeben werden.

Es ist nun der Zeitpunkt gekommen von den Mythen aus den politischen Diskussionen im Rahmen der Gesetzentwürfe zur außerklinischen Intensivversorgung Abschied zu nehmen. Weder werden durch die gesetzliche Definition weitere, andere oder verbesserte Leistungen gewährt noch bestehende Probleme bei der Verordnung und Genehmigung der außerklinischen Intensivpflege gelöst. Vor allem aber gehen nun nicht alle gesetzlichen Ansprüche in der außerklinischen Intensivpflege auf § 37c SGB V über und ebenso ist die außerklinische Intensivpflege nicht gleichzusetzen mit der Beatmungspflege oder der Versorgung eines Tracheostomas. Festzustellen ist hingegen, dass durch die Einführung des neuen gesetzlichen Anspruchs auf § 37c SGB V sich der Leistungsumfang für die außerklinische Intensivpflege insgesamt nicht verändert hat. Der Leistungsumfang der außerklinischen Intensivpflege entspricht dem bisherigen des § 37 SGB V in Verbindung mit der HKP-RL, denn die bisherigen Regelungen zur Erbringung medizinischer Behandlungspflege für Versicherte mit intensivpflegerischem Versorgungsbedarf wurden in einen neuen Leistungsanspruch auf außerklinische Intensivpflege überführt,[1] aber weder beschränkt noch erweitert. Zu bemängeln ist, dass die bisher bestehenden Probleme in der Definition, den Voraussetzungen und der Finanzierung im Zusammenhang mit Leistungen der pflegerischen Intensivversorgung, namentlich der Leistungen der sogenannten Phase F, durch die Einfügung des § 37c SGB V nicht gelöst wurden.

Die Leistungen nach § 37 SGB V und § 37c SGB V stehen nebeneinander. Da der Gesetzgeber in § 37c Abs. 1 Satz 2 SGB V einen außerordentlich engen Begriff der außerklinischen Intensivpflege gewählt hat, sind weiterhin Leistungen einer intensiven Behandlungspflege über § 37 SGB V zu verordnen, von den Krankenkassen zu genehmigen und zu finanzieren. Ein besonders hoher Bedarf an medizinischer Behandlungspflege, der den Anspruch auf außerklinische Intensivpflege nach § 37c SGB V auslöst, liegt nur vor, wenn die ständige Anwesenheit einer geeigneten Pflegefachkraft zur individuellen Kontrolle und Einsatzbereitschaft oder ein vergleichbar intensiver Einsatz einer Pflegefachkraft erforderlich ist. Der G-BA fasst diesen Befund in den tragenden Gründen zur Begründung der AKI-RL zusammen[2]: „Der Anspruch auf außerklinische Intensivpflege gemäß § 37c SGB V in Verbindung mit der AKI-RL ersetzt den Anspruch auf spezielle Krankenbeobachtung im Rahmen der häuslichen Krankenpflege nach § 37 SGB V in Verbindung mit der HKP-RL (bis zum 31.10.2023: Nr. 24 Leistungsverzeichnis HKP-RL).“ Der bislang leistungsberechtigte Personenkreis wird durch die Einfügung des § 37c SGB V weder ausgeweitet noch eingeengt.[3]

Die gleichwohl beachtlichen Verbesserungen der gesetzlichen Regelung der außerklinischen Intensivpflege greifen die publizistisch aufbereiteten Missstände auf und betreffen die Maßnahmen zur Beatmungsentwöhnung durch eine fortgesetzte Feststellung der Entwöhnungspotenziale, die Finanzierung von Leistungen in der vollstationären Pflege – und damit die Abkehr von der Regelung in § 43 Abs. 2 Satz 1 SGB XI und den Einstieg in eine Finanzierung der medizinischen Behandlungspflege durch die Krankenkassen in vollstationären Pflegeeinrichtungen, die Festlegung der ärztlichen Qualitätsanforderungen zur Potenzialerhebung und Verordnung sowie die Sicherstellung der ärztlichen und pflegerischen Versorgungskontinuität und Versorgungskoordination. Weiterhin umstritten dürfte in der praktischen Anwendung die Frage des Leistungsortes sein, wobei die „berechtigten“ Wünsche der Versicherten den Ausschlag geben sollen und nicht – wie noch das RISG plante – der vollstationären Pflege aus finanziellen Gründen der Vorrang gebührt. Nach den Vorstellungen des Gesetzgebers hat die gesetzliche Regelung auch den Zweck vor dem Hintergrund des bestehenden Fachkräftemangels in den Pflegeberufen die vorhandenen Fachkräfte möglichst so einzusetzen, dass allen Versicherten eine bestmögliche Versorgung ermöglicht wird. Die stationäre Versorgung, die grundsätzlich einen effizienten Einsatz des vorhandenen Pflegepersonals ermöglicht, soll daher gestärkt werden.[4] Durch diese „Personaleinsatzeffizienz“ prognostiziert der Gesetzgeber durch die gesetzliche Änderung Kosteneinsparungen in einem niedrigen bis mittleren dreistelligen Millionenbetrag durch eine steigende Leistungserbringung in vollstationären Pflegeeinrichtungen oder in speziellen Intensivpflege-Wohneinheiten pro Jahr.[5]

Allen genannten Hinweisen soll im Folgenden ausführlich nachgegangen werden, um die rechtssichere Anwendung der neuen Vorschriften zu ermöglichen, vor allem um die praktische Anwendung vorzubereiten und konzeptionelle Anpassungen oder Änderungen in der jeweiligen ambulanten oder stationären Pflegeeinrichtung zu begleiten. Da es – mit Ausnahme von außerklinischen Intensivpflegen in vollstationären Pflegeeinrichtungen – bisher mit der Neuregelung keine praktische Erfahrung geben kann, werden die Begründungen der Bundesregierung für die verschiedenen Gesetzentwürfe und die Beschlussfassung im Gesundheitsausschuss des Deutschen Bundestages herangezogen, vor allem aber die veröffentlichten tragenden Gründe des G-BA für die Regelungen der AKI-RL. In gewohnt transparenter Art und Weise informiert der G-BA öffentlich leicht zugänglich und ausführlich, wie die Regelungen der Richtlinie zustande gekommen sind und warum. Diese Art der Aufbereitung ist beispielgebend und erleichtert die Anwendung der neuen Regelungen enorm, so dass dem G-BA mein Dank gilt. Die tragenden Gründe sind daher an vielen Stellen mit Hinweis auf die Fundstelle verwendet worden.

Den entscheidenden Impuls für dieses Buch gab in vielen Gesprächen zu diesem Thema der Chefredakteur der Häuslichen Pflege Lukas Sander. Die Durchsicht des Textes und die Erstellung des Registers für die AKI-RL gewährleistete meine Frau Inka Richter. Neben den vielen Hinweisen und inhaltlichen Diskussionen meiner Kolleginnen und Kollegen, meinen Mandanten, den Inhabern und Geschäftsführungen von ambulanten und stationären Pflegeeinrichtungen, vielen Verbandsvertreterinnen und -vertretern sowie den Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Kongresse Außerklinische Intensivpflege (KAI) bin ich diesen beiden zum besonderen Dank verpflichtet.

Für Wünsche und Anregungen bin ich Ihnen – den Leserinnen und Lesern – dankbar. Sie erreichen mich unter:

RICHTER

RECHTSANWÄLTE

Prof. Ronald Richter

Mönckebergstr. 17

20095 Hamburg

[email protected]

Hamburg, im März 2022Ronald Richter

[1]BT-Drucksache 19/19368, S. 2.[2]G-BA, Tragende Gründe zum Beschluss des G-BA über die Erstfassung der AKI-RL v. 19.11.2021, S. 3 (2.2 zu Abs. 1).[3]G-BA, Tragende Gründe zum Beschluss des G-BA über die Erstfassung der AKI-RL v. 19.11.2021, S. 9 (2.5 zu Abs. 1).[4]BT-Drucksache 19/19368, S. 30.[5]BT-Drucksache 19/19368, S. 4.

Kapitel I • Was regelt der neue Anspruch auf außerklinische Intensivpflege konkret? – Und ein Blick zurück

1.1Die neue Regelung des § 37c SGB V

Der Anspruch auf außerklinische Intensivpflege nach § 37c SGB V wurde durch das GKV-IPReG[6] mit Wirkung ab dem 29.10.2020 eingefügt. Die Vorschrift begründet keinen neuen Leistungsanspruch für Versicherte mit besonders hohem Behandlungsbedarf, sondern definiert erstmalig legal (also im Gesetz) den leistungsrechtlichen Anspruch – wie wir im Folgenden sehen werden, einen engen oder eingeschränkten – auf außerklinische Intensivpflege, regelt also, welche (intensiv-)pflegerischen Verrichtungen als Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung nach § 37c SGB V gewährt werden.

Versicherte mit außerklinischen, intensivpflegerischen Versorgungsbedarfen erhalten künftig die Leistungen der medizinischen Behandlungspflege auf Grundlage des § 37c SGB V. Diese Verrichtungen der häuslichen Krankenpflege werden insoweit aus dem § 37 SGB V ausgegliedert und über den neuen Anspruch nach § 37c SGB V erbracht. Der anspruchsberechtigte Personenkreis nach § 37c SGB V ist im Wesentlichen der Personenkreis, der nach bisherigem Recht aufgrund eines besonders hohen Bedarfs an medizinischer Behandlungspflege auch bei Unterbringung in stationären Pflegeeinrichtungen ausnahmsweise Anspruch auf häusliche Krankenpflege nach § 37 Abs. 2 Satz 3 SGB V hatte. Insoweit wird nach Auffassung des Gesetzgebers auf die bestehende, bewährte Abgrenzung des Anwendungsbereichs zurückgegriffen.[7] Bei der Einführung dieses Anspruchs war betont worden, dass dieser Anspruch für besondere, eng begrenzte Personengruppen mit besonders hohem Versorgungsbedarf (z. B. Wachkomapatienten, Dauerbeatmete) zur Übernahme der Kosten für die Behandlungspflege durch die Krankenkassen, die nach § 132a Abs. 4 SGB V Verträge mit den vollstationären Pflegeeinrichtungen zu schließen haben, bestimmt sei.[8]

Nach der bisherigen Beschreibung in der Richtlinie über die Verordnung von häuslicher Krankenpflege (HKP-RL) des G-BA besteht ein besonders hoher Bedarf an medizinischer Behandlungspflege, wenn die ständige Anwesenheit einer geeigneten Pflegefachkraft zur individuellen Kontrolle und Einsatzbereitschaft oder ein vergleichbar intensiver Einsatz einer Pflegefachkraft erforderlich ist, insbesondere weil

behandlungspflegerische Maßnahmen in ihrer Intensität oder Häufigkeit unvorhersehbar am Tag und in der Nacht erfolgen müssen oder

die Bedienung und Überwachung eines Beatmungsgerätes am Tag und in der Nacht erforderlich ist.

Bei der Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen kann demnach nicht allein auf das Vorhandensein oder Nichtvorhandensein eines Tracheostomas abgestellt werden.[9] Diese Beschreibung übernimmt § 37c Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB V:

§37c Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB V: Versicherte mit einem besonders hohen Bedarf an medizinischer Behandlungspflege haben Anspruch auf außerklinische Intensivpflege. Ein besonders hoher Bedarf an medizinischer Behandlungspflege liegt vor, wenn die ständige Anwesenheit einer geeigneten Pflegefachkraft zur individuellen Kontrolle und Einsatzbereitschaft oder ein vergleichbar intensiver Einsatz einer Pflegefachkraft erforderlich ist.

Achtung

Der Anspruch aus § 37c SGB V übernimmt aus dem Anspruch auf häusliche Krankenpflege des § 37 SGB V nur die Verrichtungen der außerklinischen Intensivpflege, die bisher ausnahmsweise zu einem Anspruch auf medizinischer Behandlungspflege zulasten der gesetzlichen Krankenkassen in vollstationären Pflegeeinrichtungen führten.

Die Anspruchsvoraussetzungen der außerklinischen Intensivpflege sind in § 37c Abs. 1 Satz 1 bis 4 SGB V normiert und werden in § 1 Abs. 1 bis 5 AKI-RL konkretisiert.

§ 1 Abs. 1 Sätze 1 – 6 AKI-RL: Versicherte mit einem besonders hohen Bedarf an medizinischer Behandlungspflege haben Anspruch auf außerklinische Intensivpflege, sofern sie die Voraussetzungen gemäß § 4 Abs. 1 AKI-RL erfüllen. Ein besonders hoher Bedarf an medizinischer Behandlungspflege liegt vor, wenn die ständige Anwesenheit einer geeigneten Pflegefachkraft zur individuellen Kontrolle und Einsatzbereitschaft oder ein vergleichbar intensiver Einsatz einer Pflegefachkraft im gesamten Versorgungszeitraum erforderlich ist. Medizinische Behandlungspflege sind Maßnahmen der ärztlichen Behandlung, die dazu dienen, Krankheiten zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern und die im Rahmen der außerklinischen Intensivpflege an geeignete Pflegefachkräfte delegiert werden können. Geeignet sind Pflegefachkräfte, die für die Versorgung von Personen mit einem Bedarf von außerklinischer Intensivpflege besonders qualifiziert sind. Das Nähere regeln die Rahmenempfehlungen nach § 132l SGB V

Der Anspruch auf außerklinische Intensivpflege gemäß § 37c SGB V in Verbindung mit der AKI-RL ersetzt den Anspruch auf spezielle Krankenbeobachtung im Rahmen der häuslichen Krankenpflege nach § 37 SGB V in Verbindung mit der HKP-RL Nr. 24 Leistungsverzeichnisses HKP-RL. Aus den durchnummerierten Verrichtungen des Leistungsverzeichnisses der HKP-RL, die bisher der außerklinischen Intensivpflege zugeordnet wurden, wird lediglich die spezielle Krankenbeobachtung in der HKP-RL [➔ 2.1] gestrichen und in § 37c SGB V überführt.

In zeitlicher Hinsicht bezieht sich die ständige Anwesenheit einer geeigneten Pflegefachkraft auf den täglich erforderlichen Leistungsumfang und somit auf den gesamten Versorgungszeitraum der außerklinischen Intensivpflege. Dieser kann eine Versorgung rund um die Uhr beinhalten oder auf bestimmte Zeiträume beschränkt sein.[10]

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts[11] gehören zur Behandlungspflege alle Pflegemaßnahmen, die durch bestimmte Erkrankungen erforderlich werden, speziell auf den Krankheitszustand des Versicherten ausgerichtet sind und dazu beitragen, die Krankheit zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu verhindern oder zu lindern, wobei diese Maßnahmen typischerweise nicht von einer Ärztin oder einem Arzt, sondern von Vertretern medizinischer Hilfsberufe oder auch von Laien erbracht werden. Die Begriffe „medizinische Behandlungspflege“ und „Behandlungspflege“ werden synonym verwendet.[12]

Im Rahmen der außerklinischen Intensivpflege kann medizinische Behandlungspflege nur durch geeignete Pflegefachkräfte erbracht werden (§ 37c Abs. 1 Satz 2 SGB V). § 1 Abs. 1 Satz 4 AKI-RL greift die gesetzliche Formulierung auf und konkretisiert, dass eine Eignung für die Versorgung mit außerklinischer Intensivpflege eine besondere Qualifikation erfordert. Diese Festlegung ist notwendig, da in der Versorgung bisher teilweise nicht ausreichend qualifiziertes Personal eingesetzt werde.[13] Die Anforderungen an die Eignung des eingesetzten Personals sind in den Rahmenempfehlungen gemäß § 132l SGB V zu regeln [➔  6.3]. Darauf nimmt § 1 Abs. 1 Satz 5 AKI-RL Bezug.

Der Gesetzgeber begründet die Notwendigkeit für die Neuregelung einerseits mit dem Bedeutungszuwachs der außerklinischen Intensivpflege und andererseits mit den zutage getretenen Qualitätsmängeln. Die Bedeutung der außerklinischen Intensivpflege hat in der jüngeren Vergangenheit stark zugenommen. Bedingt durch den medizinischen Fortschritt und das hohe Versorgungsniveau in Deutschland wird eine zunehmende Anzahl von Versicherten aus der Krankenhausbehandlung entlassen, die weiterhin einen intensivpflegerischen Versorgungsbedarf haben. Für das Jahr 2018 verzeichnen die GKV-Statistiken ca. 19.100 Leistungsfälle in der ambulanten und ca. 3.400 Leistungsfälle in der stationären Intensivpflege und Leistungsausgaben in Höhe von rd. 1,9 Mrd. Euro. Allerdings liegen Hinweise auf eine bestehende Fehlversorgung im Bereich der außerklinischen Intensivpflege vor. Dies betrifft insbesondere die ambulante Versorgung von Beatmungspatientinnen und Beatmungspatienten sowie Patientinnen und Patienten mit Tracheostoma und die fehlende Ausschöpfung von Potenzialen zur Beatmungsentwöhnung sowie zur Dekanülierung. Die Deutsche Interdisziplinäre Gesellschaft für Außerklinische Beatmung (DIGAB e. V.) geht in einem Positionspapier zusammen mit weiteren medizinischen Fachgesellschaften davon aus, dass die Verordnung einer 24-stündigen ambulanten Intensivpflege wegen eines Tracheostomas mit oder ohne Beatmung in vielen Fällen nicht notwendig ist, da keine Indikation für ein Tracheostoma bzw. eine invasive außerklinische Beatmung besteht.[14] Hingegen zeigen auch die Qualitätsprüfungen des Medizinischen Dienstes in ambulanten Pflegediensten, die Versicherte mit Intensivpflegebedarf in ihrer eigenen Häuslichkeit oder in organisierten Wohneinheiten versorgen, Optimierungsbedarf in der Versorgungsqualität auf. So hat beispielsweise eine Überprüfung von insgesamt 905 ambulanten Pflegediensten, die mindestens einen Versicherten Rund-um-die-Uhr, d. h. mit spezieller Krankenbeobachtung versorgen, u. a. ergeben, dass bei 20 Prozent der Personen, bei denen durch einen ambulanten Pflegedienst die spezielle Krankenbeobachtung durchgeführt wurde, die Versorgung nicht sachgerecht war (z. B. waren Schwellenwerte von Vitalparametern nicht dokumentiert, bei denen behandlungspflegerische Interventionen erfolgen müssen, Alarmgrenzen für die transcutane Sauerstoffsättigungsmessung waren nicht korrekt eingestellt, Verlaufskontrollen hinsichtlich Bewusstseinszustand, Beobachtung auf Ödeme, Schlafqualität, Atemgasbefeuchtung, Körpergewicht, Muskulatur, Bilanzierung wurden nicht durchgeführt). Auch aus der Presseberichterstattung liegen verschiedene Hinweise darauf vor, dass gerade in der ambulanten Intensivpflege in der eigenen Häuslichkeit in manchen Fällen nicht ausreichend qualifiziertes Personal eingesetzt wird.[15] Die bestehenden Qualitäts- und Versorgungsmängel in der außerklinischen Intensivpflege gefährden nicht nur die bedarfsgerechte Versorgung der Versicherten, sondern schaden auch der Solidargemeinschaft aller Krankenversicherten. An die bedarfsgerechte Versorgung von Versicherten in der außerklinischen Intensivpflege sind daher besondere Anforderungen zu stellen. Deshalb wird mit § 37c SGB V der Anspruch auf außerklinische Intensivpflege neu geregelt. Ziel dieser Neuregelung ist es,

die besonderen Bedarfe intensivpflegebedürftiger Versicherter angemessen zu berücksichtigen und diesen durch eine sachgerechte Allokation vorhandener Ressourcen Rechnung zu tragen,

eine qualitätsgesicherte und wirtschaftliche Versorgung nach aktuellem medizinischem und pflegerischem Standard zu gewährleisten und

Fehlanreize und Missbrauchsmöglichkeiten zu beseitigen.

[16]

Um insbesondere bestehende Weaning- bzw. Dekanülierungspotenziale bei beatmeten bzw, trachealkanülierten Versicherten noch besser auszuschöpfen, Fehlanreize in der außerklinischen Intensivpflege zu beseitigen und bestehende Qualitäts- und Versorgungsmängel zu beheben, wurde die außerklinische Intensivpflege in eine eigenständige Leistung nach § 37c SGB V überführt. Damit Versicherte, die auf eine außerklinische Intensivpflege angewiesen sind, künftig besser versorgt werden, hat der G-BA die entsprechenden Rahmenbedingungen definiert [➔ 1.2]. Die Regelungen zum neu ausgestalteten Leistungsanspruch auf außerklinische Intensivpflege umfassen, ausgerichtet an dem Bedarf und dem individuellen Therapieziel der oder des Versicherten, insbesondere folgende Inhalte[17]:

Ziele und Inhalte der außerklinischen Intensivpflege,

Anforderungen an die Verordnung und die Qualifikation der verordnenden sowie potenzialerhebenden Ärztinnen oder Ärzte,

Regelungen zur engen Vernetzung und Absprache aller an der Versorgung beteiligten Ärztinnen und Ärzte, Pflegenden, Gesundheitsfachberufe, wie zum Beispiel Ergo- und Physiotherapeutinnen und Ergo- und Physiotherapeuten, Logopädinnen und Logopäden oder Hilfsmittelversorger und

Regelungen zur Überleitung aus der stationären Versorgung in die außerklinische Intensivpflege im Rahmen des Entlassmanagements sowie die Berücksichtigung unterschiedlicher Krankheitsbilder und Patientengruppen.

1.2Die Konkretisierung des gesetzlichen Anspruchs durch die AKI-RL

Die Konkretisierung des gesetzlichen Leistungsanspruchs und damit den ersten Umsetzungsschritt übernimmt der Gemeinsame Bundesausschuss, wobei der Gesetzgeber in § 37c Abs. 1 Satz 8 SGB V den Regelungsbereich und damit die Kompetenz des G-BA für den Erlass der AKI-RL sehr genau vorgegeben hat.

§ 37c Abs. 1 Satz 8 SGB V: Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimmt in den Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V bis zum 31. Oktober 2021 jeweils für Kinder und Jugendliche bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres, für junge Volljährige, bei denen ein Krankheitsbild des Kinder- und Jugendalters weiterbesteht oder ein typisches Krankheitsbild des Kinder- und Jugendalters neu auftritt oder ein dem Kindesalter entsprechender psychomotorischer Entwicklungsstand vorliegt, und für volljährige Versicherte getrennt das Nähere zu Inhalt und Umfang der Leistungen sowie die Anforderungen

an den besonders hohen Bedarf an medizinischer Behandlungspflege nach § 37c Abs. 1 Satz 2 SGB V,

an die Zusammenarbeit der an der medizinischen und pflegerischen Versorgung beteiligten ärztlichen und nichtärztlichen Leistungserbringer, insbesondere zur Sicherstellung der ärztlichen und pflegerischen Versorgungskontinuität und Versorgungskoordination,

an die Verordnung der Leistungen einschließlich des Verfahrens zur Feststellung des Therapieziels nach § 37c Abs. 1 Satz 5 SGB V sowie des Verfahrens zur Erhebung und Dokumentation des Entwöhnungspotenzials bei Versicherten, die beatmet werden oder tracheotomiert sind und

an die besondere Qualifikation der Vertragsärztinnen oder Vertragsärzte, die die Leistung verordnen dürfen.

Am 19.11.2021 hat der Gemeinsame Bundesausschuss die erste Fassung der Außerklinischen Intensivpflege Richtlinie (AKI RL) beschlossen und somit den gesetzlichen Auftrag aus § 37c Abs. 1 Satz 8 SGB V umgesetzt. Die AKI-RL wurde am 19.02.2022 durch das Bundesministerium für Gesundheit genehmigt. Sie ist in Kraft getreten und ist für alle Krankenkassen, Versicherten und die Leistungserbringer nach Veröffentlichung am 17.3.2022 im Bundesanzeiger[18] am 18.3.2022 unmittelbar verbindlich (§ 1 Abs. 6 AKI RL).

§ 1 Abs. 6 AKI-RL: Diese Richtlinie ist gemäß § 91 Abs. 6 SGB V für die Träger des Gemeinsamen Bundesausschusses, deren Mitglieder und Mitgliedskassen sowie für die Versicherten und die Leistungserbringer verbindlich.

Der zunächst vorgesehene Regelungsauftrag an den G-BA zur Qualifikation der Leistungserbringer wurde vom Gesundheitsausschuss (14. Ausschuss) des Deutschen Bundestages gestrichen, da ein Regelungsauftrag zur besonderen Qualifikation der verordnenden Vertragsärztinnen und Vertragsärzte in der gesetzlichen Regelung enthalten ist und die Qualifikationsanforderungen in der pflegerischen Versorgung in den Rahmenempfehlungen nach § 132l Abs. 1 und 2 SGB V zu regeln sind.[19]

Achtung

Die wichtigste Frage in den nun anstehenden Verhandlungen zwischen den in § 132l Abs. 1 Satz 1 SGB V genannten Organisationen und Verbänden in den Rahmenempfehlungen nach § 132l Abs. 1 und 2 SGB V sind neben den Grundsätzen zur Vergütung in den verschiedenen Leistungsbereichen die Qualifikationsanforderungen in der pflegerischen Versorgung [➔ 6.3]. Die Antworten auf diese Fragen regeln den Marktzugang der Leistungserbringer in der außerklinischen Intensivpflege.

Die Grundsätze aus den Rahmenempfehlungen nach § 132l Abs. 1 und 2 SGB V werden den konkreten Versorgungsverträgen der Leistungserbringer mit den örtlichen Krankenkasse nach § 132l Abs. 5 SGB V zugrunde gelegt, wie § 132l Abs. 1 Satz 4 SGB V ausdrücklich anordnet.

Der G-BA hat die in § 37c Abs. 1 Satz 8 Nr. 1 bis 4 SGB V genannten Regelungsgegenstände getrennt für

Kinder und Jugendliche bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres,

junge Volljährige, bei denen ein 

Krankheitsbild des Kinder- und Jugendalters

 weiter besteht oder ein solches neu auftritt oder ein dem Kindesalter entsprechender psychomotorischer Entwicklungsrückstand gegeben ist und

volljährige Versicherte

zu regeln. Die vorgenommene Differenzierung soll den unterschiedlichen Bedarfen in verschiedenen Lebensphasen Rechnung tragen.[20]

1.3Der Blick zurück: Der Kampf gegen das RISG

Im August 2019 hatte das Bundesministerium für Gesundheit einen Referentenentwurf eines Reha- und Intensivpflege-Stärkungsgesetzes (RISG) vorgelegt. Nach einer kontroversen Anhörung der Fachverbände[21] hat das Bundesministerium für Gesundheit im Dezember 2019 den Referentenentwurf zurückgezogen und einen vollständig überarbeiteten Gesetzentwurf in die Ressortabstimmung gegeben und dabei auch den Namen des Gesetzes geändert.

„Atemlos – ab ins Heim“, Demonstration am 15.10.2019 vor dem Bundesministerium für Gesundheit, Foto: Asim Loncaric

Beweggründe für die gesetzgeberische Initiative in der außerklinischen Intensivpflege waren nach der Auskunft der Bundesregierung[22] bestehende Qualitäts- und Versorgungsmängel, die nicht nur die bedarfsgerechte Versorgung der Versicherten gefährden sollten, sondern auch der Solidargemeinschaft aller Krankenversicherten schaden würden. Auch die hohe Zahl von aus dem Krankenhaus als Beatmungspatientinnen und Beatmungspatienten entlassenen Patientinnen und Patienten wurde kritisch bewertet. Als Gründe wurden insbesondere Fehlanreize und Versorgungslücken im Übergang von stationärer zur ambulanten Behandlung ausgemacht. Soweit keine qualifizierte Entwöhnung erfolge oder diese während der ursprünglichen Indikation für stationäre Behandlung erfolglos bleibe, bestehe das Risiko, dass die Patientinnen und Patienten dauerhaft Beatmungspatientinnen und Beatmungspatienten bleiben würden, was vor allem erhebliche Einbußen der Lebensqualität der Betroffenen bedeute, daneben aber auch hohe Kosten für die Versichertengemeinschaft verursache. Daher verfolge der Gesetzgeber in Hinblick auf die genannten Entwicklungen im Wesentlichen folgende Ziele:

Es sollen klare Anreize gesetzt werden, Patientinnen und Patienten von der Beatmung zu entwöhnen. Dies dient nicht nur der Gesundheit des Einzelnen. Ohne Beatmungsgerät wird auch die Teilhabe an der Gemeinschaft entscheidend verbessert oder gar erst ermöglicht.

Betroffene, die gegenwärtig allein wegen hoher Eigenanteile von einer spezialisierten stationären Pflege Abstand nehmen, sollen entscheidend entlastet werden.

Die Qualität der ambulanten intensivmedizinischen Versorgung soll durch stärkere Regulierung deutlich verbessert und vorhandener Missbrauch bekämpft werden.

Gleichzeitig sollen die persönlichen, familiären und örtlichen Umstände einschließlich der gewünschten Wohnform angemessen berücksichtigt werden, um damit den betroffenen Patientinnen und Patienten auch weiterhin Selbstbestimmung und Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen.[23]

Die verfassungsrechtlich problematische und eindeutig rechtswidrige Grundidee