Erhalten Sie Zugang zu diesem und mehr als 300000 Büchern ab EUR 5,99 monatlich.
Die Organisation ist zurück! Mit ihr auch Luigi Schifferle, Stefano Botatzi und viele andere aus Vinceremo. 3 Tote an unterschiedlichen Orten am Gardasee. 3 Tote die erst einmal so gar nicht zusammenpassen. Wäre da nicht noch ein Zwischenfall an der österreichisch-slowakischen Grenze, der ganz schnell an internationaler Bedeutung gewinnt und bei allen die Erinnerungen an die Organisation wieder erweckt. Es kommt mal wieder zum Showdown am Gardasee. Mittendrin natürlich Luigi Schifferle! Und dann verschwindet auch noch ein Hund und in einer Ferienanlage geht es drunter und drüber.
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 239
Veröffentlichungsjahr: 2022
Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:
Paolo Botti, ist das Pseudonym von Sven Bottling. 1977 in Deutschland geboren und aufgewachsen, lebte er in seiner Jugend auch wenige Wochen im Schweizer Kanton Graubünden. Paolo Botti hat Familie in Deutschland, der Schweiz und in Amerika. Er ist verheiratet und hat eine Tochter. In den vergangenen Jahren hatte er bereits bei mehreren Buchprojekten mitgewirkt. „Io ci credo“ ist nach „Vinceremo“ sein zweiter Roman.
Die Organisation ist zurück!
Mit ihr auch Luigi Schifferle, Stefano Botatzi und viele andere aus Vinceremo.
3 Tote an unterschiedlichen Orten am Gardasee.
3 Tote die erst einmal so gar nicht zusammenpassen.
Gäbe da nicht noch einen Zwischenfall an der österreichisch-slowakischen Grenze, die ganz schnell an internationaler Bedeutung gewinnt und bei allen die Erinnerungen an die Organisation wieder erweckt.
Es kommt mal wieder zum Showdown am Gardasee.
Mittendrin natürlich Luigi Schifferle!
Und dann verschwindet auch noch ein Hund und in einer Ferienanlage geht es drunter und drüber.
per Simone
Die Dinge sind nicht immer so wie sie scheinen.
-Phaedrus, römischer Fabeldichter um 20/15 v. Chr. – 50/60 n. Chr.-
Ein Akt beginnender Spannung
Kapitel 1. Ein kurzer Rückblick
Kapitel 2. Limone sul Garda, Samstagmorgen
Kapitel 3. Residence Villa Rosa in Garda, Samstagmorgen
Kapitel 4. Tignale Gardola, Samstagmittag
Kapitel 5. Limone sul Garda, zur gleichen Zeit
Kapitel 6. Residence Villa Rosa Garda, Samstag früher Nachmittag
Kapitel 7. Tignale, Samstag früher Nachmittag
Kapitel 8. Residence Villa Rosa Garda, Samstagnachmittag
Kapitel 9. Limone sul Garda, etwa zur gleichen Zeit
Kapitel 10. Grenzregion Österreich-Slowakei
Kapitel 11. Residence Villa Rosa Garda, Samstagnachmittag
Kapitel 12. Tignale, Samstagnachmittag / Samstagabend
Kapitel 13. Residence Villa Rosa, Garda, Abends
Kapitel 14. Garda, Sonntagmorgen
Kapitel 15. Bericht der Gerichtsmedizin Verona
Kapitel 16. Grenzregion Österreich-Slowakei
Kapitel 17. Tignale Gardola, Sonntagmorgen
Kapitel 18. Residence Villa Rosa, Garda, Sonntagmittag
Kapitel 19. Am See, auf dem See, Montagvormittag
Kapitel 20. Garda, Montagnachmittag
Kapitel 21. Questura, Mittwoch
Kapitel 22. Zwischen Gargnano und Limone, Montagnachmittag
Kapitel 23. Europol und die Medien
Kapitel 24. Am Westufer des Gardasees, Montagnachmittag
Kapitel 25. Residence Villa Rosa Garda, zur gleichen Zeit
Kapitel 26. Limone sul Garda, Montag Spätnachmittag
Kapitel 27. Residence Villa Rosa, Garda Montag Spätnachmittag
Kapitel 28. Gargnano etwa zur gleichen Zeit
Kapitel 29. Limone sul Garda und Gargnano, zur gleichen Zeit
Kapitel 30. Europol
Kapitel 31. Gargnano, Dienstagmorgen
Kapitel 32. Residence Villa Rosa Garda, Dienstagmorgen
Kapitel 33. Gargnano, etwa zur gleichen Zeit
Kapitel 34. Residence Villa Rosa Garda, Dienstagabend
Kapitel 35. Tignale Mittwochvormittag
Kapitel 36. Questura, zur gleichen Zeit
Kapitel 37. La Rotonda, Tignale ebenfalls zur gleichen Zeit
Kapitel 38. Tignale Mittwochnachmittag
Kapitel 39. Hafen, Gargnano Donnerstagmorgen
Kapitel 40. Questura Donnerstagabend
Kapitel 41. Abreise und natürlich noch ein klein bisschen Schifferle
Langsam bewegte sich die Yacht über den ruhigen See. Fast schon gespenstisch warf sie seinen Schatten ins Wasser. Der See war so ruhig, dass das Wasser mehr einer Glasplatte glich. Keine Welle erhob sich daraus. Der Mond strahlte in seiner vollen Pracht vom Himmel.
Es war ein Samstag im August, weit nach Mitternacht. Über dem Gardasee war keine Wolke, der den Mond daran hindern könnte, den kompletten See zu erhellen. In weiter Ferne blinkten die Boote der Fischer auf dem Gardasee. Sie waren alle draußen. Aus Garda kamen die meisten Fischer. Bei solch einer Nacht waren die Fische besonders wild und der Fang war deshalb immer außergewöhnlich gut. Das wussten sie und so waren alle draußen.
Die Sicht war perfekt. Hier im nördlichen Teil des wunderschönen Gardasees auf der Höhe Limone sul Garda – Malcesine hatte man einen traumhaften Rundumblick. Zum einen die Sicht bis zu den Orten im Süden, die hohen furchteinflößenden Felsen zu beiden Seiten, die doch so oft an die Fjorde Norwegens erinnerten und der Blick nach Riva del Garda im Norden.
Die Yacht lag im Dunkeln. Keine Lampe im Inneren, nur das schwache Positionslicht am Bug und am Heck. Es trieb langsam weiter, immer näher kam es der Küste des Westufers und somit Limone sul Garda. Nur noch etwa 300 Meter trennte das Boot von der Uferpromenade. Die Yacht machte allerdings keine Anstalten abzudrehen oder zu stoppen. Langsam trieb sie weiter.
Es war still, sehr still, vielleicht zu still.
Bei näherem Hinsehen konnte man erkennen, dass niemand an Deck war und das Boot steuerte. Es machte auch nicht den Anschein, dass jemand an Deck kommen würde. Es war einfach nur unheimlich.
Doch niemand war in der Nähe und sah das die Yacht herrenlos war.
Vielleicht hätte dann jemand reagiert und wäre an das Boot herangefahren! Vielleicht hätte jemand gerufen, um zu schauen, ob jemand an Bord war oder sich das Boot einfach nur gelöst hatte und unkontrolliert über den See trieb!
Vielleicht wäre dann auch jemand an Bord gegangen und hätte festgestellt, dass niemand das Boot hätte steuern können, da die Insassen tot im unteren Deck der Yacht lagen.
Ein Mann und eine Frau lagen regungslos auf dem Boden. Eine große Blutlache hatte sich bereits flächendeckend ausgebreitet. Der Teppich war vollgesaugt und färbte sich schon dunkel. Das ließ darauf schließen, dass die beiden Personen schon eine Weile dort liegen mussten.
Ein Bersten störte die Ruhe des Gardasees und der Vollmondnacht. Die Yacht wurde abrupt durch die Ufermauer gestoppt. Sie knallte erst frontal mit dem Bug auf die vermoste Mauer, bevor sie durch den Druck zur Seite drehte und dann unter lautem Knarzen und Quietschen an ihr entlangschrammte. Ein alter, aus dem Wasser herausragender Holzpfahl brachte die Yacht zum Stehen. Sie verkeilte sich mit dem stark ramponierten Bug zwischen Ufermauer und Holzpfahl.
Plötzlich war es wieder still, zu still.
Ein Jahr ist es her, seit der Gardasee und auch der Raum Stuttgart von einer Mordserie heimgesucht wurde. Was damals vielleicht erst wie eine religiöse Tat und ein Mord im Milieu aussah, entpuppte sich schnell zu einem Fall auf höchster Ebene, der über die Grenzen hinaus ging. Alles hatte sich damals parallel aufgeklärt. Viel ist seitdem passiert.
Deutschland, Italien, Europa, ja die ganze Welt wird seit Monaten von einer Pandemie beherrscht. Ein unsichtbarer Virus hat das Leben auf der ganzen Welt in den letzten Monaten in weiten Teilen und Bereichen zum Erliegen gebracht. Nur langsam, sehr langsam kehrt überall wieder Normalität ein.
Doch langsam. Was wurde aus den Personen, aus den Protagonisten von Vinceremo?
Gudrun und Friedhelm Muckel lebten seitdem in ihrem kleinen Dorf auf dem Hunsrück und hatten eigentlich vor gehabt im Frühjahr, zur Osterzeit trotz der Umstände aus dem vergangenen Jahr, wieder an den Gardasee zurückzukehren. Das Virus machte ihnen jedoch einen Strich durch ihre Planung und so wurde aus Ostern nichts. Stattdessen hatten sie kurzfristig umgeplant und hatten sich eine Unterkunft im August gesucht. Die Abreise stand jetzt kurz bevor. Diesmal sollte es allerdings in den beschaulichen Süden gehen. Ziel war Garda.
Martin Schunk, der Kommissar aus Stuttgart wurde ins Ministerium versetzt. Er hatte jetzt einen ruhigen Bürojob. Maria Zeflekova und er trafen sich seit dem Vorfall im vergangenen Jahr regelmäßig. Es schien sich etwas Festes anzubahnen.
Luigi Schifferle betrieb noch immer sein Restaurant „Zum Schwäbischen Italiener“ mit Erfolg. Er war fast immer ausgebucht gewesen, bis zu dem Tag als die Pandemie die Welt zum Stillstand zwang. Mehrere Monate war das Restaurant geschlossen gewesen. Seit gut fünf Wochen hatte er wieder geöffnet und so langsam füllten sich auch wieder die Bücher mit täglichen Anfragen und Reservierungen. Die letzten Monate waren hart gewesen. Auch für ihn. Er hatte wie alle schließen müssen und nur „take away“ verkaufen dürfen.
Doch nun hatte er Hoffnung auf Besserung. Ihn und auch alle die er kannte hatte das Virus bis jetzt verschont. Strikt hatte er sich an alle Auflagen der Regierung gehalten.
Stefano Botatzi und Tomaso di Gallo verrichteten weiter ihren Dienst in der Questura am Gardasee. Für sie hatte sich in den letzten Monaten nicht viel geändert. Delikte gab es immer. Vielleicht keine Morde und keine Todschläge, aber ein Diebstahl dort, eine Prügelei hier und in den letzten Monaten mehrere Delikte von Häuslicher Gewalt. Das Leben der beiden hatte sich also nicht gravierend verändert. Aber auch sie mussten sich an so manche neue Vorschrift in den letzten Monaten halten und sich in vielen Dingen einschränken.
Deshalb freuten sie sich auch das jetzt endlich wieder etwas Normalität einkehrte und auch Touristen wieder an den Gardasee kamen.
Die Ereignisse des letzten Jahres war für viele in Vergessenheit geraten und es wurde nur noch selten darüber geredet oder berichtet. Die Pandemie hatte alles in den Schatten gestellt und viele Dinge in den Hintergrund gedrängt.
Das es aber noch nicht vorbei war, würde sich schon bald zeigen. Der Tod war zurück am Gardasee.
Die Yacht klemmte noch immer zwischen Ufermauer und Holzpfahl. Es war früh am Morgen. Die Sonne war gerade erst aufgegangen und tauchte den See und Limone sul Garda in ein warmes schönes Licht. Es war noch ruhig. Der Tag erwachte, aber der Ferienort lag noch still und ruhig da. Es sah so aus, als wolle er sich langsam auf die kommenden Touristenmassen vorbereiten, die auch sicherlich am heutigen Samstag wieder durch die engen Gassen des Ortes schlendern würden.
Am Hafen und in den Gassen in denen sich sonst viele Tausend Touristen aus aller Welt Tag für Tag hindurch drückten hatte noch alles geschlossen. Limone sul Garda war eines der beliebtesten Orte am See. Gemessen an der Einwohnerzahl und den vorhandenen Betten und täglichen Touristenströme konnte es sehr gut mit einer Großstadt mithalten.
Die Mitarbeiter der Gemeinde waren bereits in diesen frühen Morgenstunden in den Gassen unterwegs. Sie reinigten die Straßen und leerten die Mülleimer. Das machten sie jeden Morgen, solange Saison war. Es war immer der gleiche Ablauf. Immer in zwei Mann Trupps ging es durch die Gassen des Ortes. Dabei hatte jeder sein festes Revier, welches bis zur Ankunft der ersten Touristen fertig sein musste. Die ersten Ausflugsboote legten immer gegen 09:00 Uhr an. Die ersten Autoschlangen würden spätestens 30 Minuten nach den Booten im Ort ankommen und sich einen der verhältnismäßig wenigen Parkplätze suchen, die der Ort hatte.
Dienstags war allerdings alles etwas anders. Da war der wöchentliche Markt an der Promenade und der Ort platzte bereits früher als an den anderen Tagen aus allen Nähten. Heute war jedoch Samstag und es war Markt im gegenüberliegenden Malcesine.
Viele Touristen nutzten daher die Schiffe von Limone aus, um ans gegenüberliegende Ufer zu kommen und den dortigen Markt zu besuchen.
Der Reinigungstrupp, der die Promenade in der Nähe des kleinen alten Hafens reinigte, bemerkte die Yacht zunächst nicht die eingeklemmt zwischen Ufermauer und Holzpfahl steckte.
Viel zu sehr waren sie mit ihrem täglichen Ablauf beschäftigt. Schließlich wollten sie fertig sein, wenn die ersten Boote und Touristen den kleinen Ort stürmten. Eifrig leerten sie die überfüllten Mülleimer und kehrten Blütenblätter und Laub von der Promenade. In einiger Entfernung hörte man bereits die Kehrmaschine die das zusammengekehrtes Laub aufsaugen würde.
Der See war nicht mehr so still und ruhig wie noch wenige Stunden zuvor. Die Winde, die hier im Norden das Herz eines jeden Surfers höherschlagen ließen, taten ihr bestens, um auch an diesem Samstag den ein oder anderen glücklich zu machen. Obwohl noch kein Schiff auf dem See seine Runden zog und das Wetter traumhaft war, schlugen Wellen an die Mauern der Promenade. Sie wurden immer stärker. So stark, dass die Yacht, die immer noch eingeklemmt zwischen Holzpfahl und Ufermauer steckte laut knarzte und erstmals die Aufmerksamkeit des anwesenden Reinigungstrupp auf sich zog.
Sie schauten kurz auf die Yacht, und setzten ihre Arbeit fort. Eine weitere Welle schlug gegen die Mauer und wieder knarzte es. Diesmal war die Welle so stark, dass das Boot an die Mauer schlug und ein berstendes Geräusch hinzukam.
Das schreckte den Trupp auf. Sie unterbrachen ihre Arbeit und schauten erneut zur Yacht. Einer der Arbeiter ging näher ran und bemerkte das sie weder befestigt noch ordnungsgemäß angelegt und vertaut war. Diese Stelle war auch eigentlich nicht vorgesehen für Boote dieser Art.
Er blickte sich nach seinem Kollegen um. Dieser schaute ihn fragend an. Er schüttelte nur mit dem Kopf und entfernte sich wieder vom Ufer. Sein Kollege machte es ihm nach. Kurz darauf war der Trupp wieder damit beschäftigt den Müll und das Laub zu entfernen. Die Yacht aber lag noch immer ohne Sicherung zwischen Holzpfahl und Ufermauer. Noch immer regte sich nichts auf Deck.
Auch zwei Stunden später hatte sich daran nichts geändert. Die Yacht lag noch immer an der gleichen Stelle. Sie war noch immer unvertaut und ohne eine Menschenseele an Deck.
Die Promenade hatte sich allerdings mittlerweile gefüllt. Wo vor wenigen Stunden nur die Reinigungstrupps waren, tummelten sich jetzt wieder jede Menge Touristen durch die schmalen Gassen von Limone.
Eine Welle ließ die Yacht wieder gegen die Hafenmauer krachen. Es knarzte wieder hörbar. Die Touristen, welche in unmittelbarer Nähe standen, erschraken sich. Einige ließen vor Schreck ihr Eis fallen, andere wiederum sprangen zur Seite.
Eine Gruppe älterer Damen schüttelten nur den Kopf und gingen in Richtung der Bar Al Porto.
Durch die letzte Welle löste sich die Yacht und machte mit dem Heck eine 180 Grad Drehung. Dieses versperrte nun die Einfahrt zum kleinen Hafen, sowie zur Anlegestelle für die Touristenboote. Die Speedy Gonzales II war das erste Boot was dadurch nicht wie geplant anlegen konnte und vor dem Hafen wartete. Auch zwei Fischerboote kamen nicht in den kleinen Hafen und warteten ebenfalls vor der Einfahrt.
Das Spektakel um die Yacht zog immer mehr Schaulustige an und wenig später war die kleine Promenade rund um den alten Hafen voll von Menschen. Alle blickten auf das immer größer werdende Chaos. Mittlerweile hatte sich noch ein weiteres Boot hinzugesellt, welches auch wartende Touristen abholen wollte.
Es staute sich zusehends immer mehr an der Promenade, ebenfalls zu Wasser und auch auf den schmalen Gassen entlang des Ufers.
Das rief die Polizia Locale auf den Plan, die durch die ansässigen Ladenbetreiber und Restaurantbesitzer gerufen wurde. Der Beamte drängte sich durch die Massen an der Promenade zum kleinen alten Hafen. Noch bevor er diesen erreichte, sah er das Ausmaß. Am Anleger warteten Menschen, die sich schon bis zum Gewölbedurchgang stauten.
Dazu kamen die Schaulustigen, die sich über den ganzen schmalen Weg entlang der Promenade tummelten. Die Yacht stand mittlerweile quer zur Einfahrt des Hafens und schlug immer wieder an die Ufermauer. Ein Anlegen der Touristenboote war deshalb momentan nicht möglich. Zu gefährlich war eine mögliche Kollision.
Der Beamte drängte sich durch die ganzen Massen nach vorne.
„Buon giono Signora e Signore. Prego! Verlassen sie bitte den Hafen. Es gibt hier nichts zu sehen.“
Niemand machte jedoch Anstalten den Ort zu verlassen. Ganz im Gegenteil. Es kamen immer mehr hinzu und drängten sich an die Promenade.
Der Beamte nahm sein Handy aus der Brusttasche und wählte eine Nummer. Kurz darauf steckte er es wieder ein und wartete.
Nur wenige Minuten später hörte man entfernt die Sirenen der Carabinieri. Ganz in der Nähe verstummten sie. Kurz darauf waren mehrere Beamte vor Ort.
Innerhalb weniger Minuten war die Menschenansammlung mit Hilfe der Carabinieri aufgelöst. Nur noch die wartenden Fahrgäste der Touristenboote standen an der Promenade.
Die Beamten näherten sich der Yacht.
„Buon giono! Per favore, vieni sul ponte!”
Nichts regte sich. Die Beamten wiederholten die Aufforderung. Auch diese blieb unbeachtet.
Einer der Beamten nahm Anlauf und sprang auf die Yacht. Es wackelte sehr stark und er hatte Mühe das Gleichgewicht zu halten. Dann verschwand er im Inneren des Bootes. Kurz darauf kam er wieder an Deck. Er war kreidebleich. Auf die kurze Reling gestützt nahm er tief Luft, bevor er seinen Kollegen durch ein Zeichen zu verstehen gab das sie dringend einen Krankenwagen, sowie die Kollegen der Polizia benötigten.
Danach warf er das Tau an Land und die Kollegen befestigten die Yacht.
Die wartenden Touristen mussten die Promenade verlassen und die wartenden Boote wurden zur neuen Promenade umgeleitet. Zudem musste die Bar Al Porto schließen. Das Gebiet um den alten Hafen wurde so gut es ging abgesperrt. Da es die einzige Möglichkeit war vom offiziellen Schiffsanleger in den Ort zu kommen, war eine komplette Absperrung zur Hauptzeit nicht möglich. Zu groß wäre das Chaos geworden die Menschenmaßen umzuleiten oder die ganzen Schiffe in den neuen Hafen umzuleiten.
Kurz darauf trafen Polizia und Ambulanza ein. Da sie nicht bis zum alten Hafen vorfahren konnten, machten sie am Brunnen vor dem Ristorante Gemma halt und legten die restlichen Meter schnellen Schrittes zu Fuß zurück.
Die Sanitäter um Carlo Poli und Franca Meranzi stiegen direkt, ohne zu warten ins Innere der Yacht.
Dort fanden Sie eine Frau sowie einen Mann blutüberströmt auf dem Boden vor. Nach wenigen Sekunden stand fest das beide tot waren und keine ärztliche Hilfe mehr benötigten. Trotzdem musste ein Arzt den Tod offiziell feststellen und beglaubigen.
Danach würden die Leichen auf direktem Wege in die Pathologie nach Verona überführt werden müssen. Am Gardasee hatte fast jeder Ort ein Ospedale, jedoch keines hier verfügte über eine Pathologie. Hier musste man dann leider auf die großen Städte ausweichen. Es war auch unüblich hier, dass solche Vorfälle an der Tagesordnung standen. Die beiden kamen wieder an Deck und gaben den Beamten zu verstehen, dass hier nur noch ein Bestatter nötig war.
Die Promenade wurde jetzt großräumig abgesperrt.
Trotz der unzähligen Menschenmassen in dem kleinen Ort, der mal wieder an diesem Tage aus allen Nähten zu platzen drohte, war es unerlässlich diesen Schritt zu unternehmen. Die Promenade wurde beginnend ab der Banco di Brescia bis zum Schiffsanleger der Navigarda gesperrt. Die Schiffe wurden zum neuen Hafen umgeleitet und die Touristen durften auf direkten Weg das Gebiet in Richtung neuer Promenade verlassen. An beiden Absperrpunkten standen nun Beamte der Polizia Locale und setzten die Absperrung vehement durch.
Aus Süden kommend von Salo näherten sich Commissario Botatzi und Sergente di Gallo. Beide waren eigentlich auf dem Weg nach Desenzano del Garda, hatten aber kurz vor Toscolano die Anweisung bekommen nach Limone zu fahren.
In der Ferienanlage Residence Villa Rosa in Garda war Paolo bereits seit Stunden damit beschäftigt, alles für den bevorstehenden Tag vorzubereiten. In weniger als zwei Stunden würden seine Gäste wieder am Pool liegen und die Sonne genießen, während er und seine Familie damit beschäftigt sein würden, jeden Wunsch zu erfüllen.
Paolo Bertamè war Anfang fünfzig. Seine graumelierten lockigen Haare waren meist unter einer Schirmmütze versteckt. Schlechte Laune existierte in seinem Universum nicht. Er hatte immer gute Laune. Wenn doch mal schlechte Laune aufkam, ließ er es sich nicht anmerken. Gegenüber seinen Gästen war er immer fröhlich und in jeder Hinsicht zuvorkommend. Er war der „Ah che bello“ Mann.
Paolo war verheiratet. Valeria, seine Frau, war der ruhige Pol im Hause. Während Paolo immer präsent war, war sie mehr die stille Kraft im Hintergrund.
Yvonne, die Tochter von Paolo und Valeria, führte das Kyosk One, das Bistro am Pool. Bei ihr kamen nur frische Zutaten auf den Teller. Generell wurde viel Regionales angeboten. Selbst die Getränke kamen aus der Region. Und täglich gab es eine wechselnde Pasta del giorno und selbstgemachte Dolce.
Unterstützt wurde das Trio durch Barbara und natürlich Rosa und Gino, genannt „The Boss“.
Barbara war Paolos Schwester. Rosa und Gino seine Eltern.
Achille Bertamè lag faul und schnarchend im Schatten auf der Terrasse. Er war der Rezeptionshund der Anlage, der heimliche Star.
Die Residence Villa Rosa war seit etwa einer Woche fast ausgebucht. Seit nunmehr 1966 wurden hier Gäste verwöhnt. Angefangen hatte alles mit Gino.
Er gründete die Residence, die mittlerweile von Paolo fortgeführt wurde und zu einer großen Anlage herangewachsen war. Es gab 38 Wohnungen in unterschiedlichen Größen, verteilt auf 3 Gebäude. Zudem einen großen Pool, sowie einen Sportplatz, Boccia und jede Menge anderer sportlicher Möglichkeiten. 100 Olivenbäume zierten die Anlage, die etwas oberhalb von Garda lag. Herzstück der Anlage aber war seit kurzem das Kyosk One, ein Bistro. Hier wurde alles frisch zubereitet und nicht wie in einem Kiosk üblich durch Mikrowellen und Fritteusen.
In wenigen Minuten war man zudem im Zentrum von Garda, wo es noch jede Menge anderer Möglichkeiten gab die schönste Zeit des Jahres zu gestalten und zu verbringen.
Bis auf 5 Wohnungen waren alle belegt. Fast alle Gäste kamen aus Deutschland und waren Stammgäste. Nur selten verirrten sich Italiener in die Anlage. Auch Gäste aus den Niederlanden, Polen und Tschechien waren meist selten hier.
Seine Gäste liebten das familiäre miteinander und das herzliche untereinander. Alles war wie in einer großen Familie und jeder Gast war für die Zeit des Aufenthaltes ein Teil davon. Man fühlte sich ab der ersten Sekunde einfach wohl und war meist traurig, wenn es nach ein, zwei oder gar drei Wochen wieder nach Hause ging.
Samstag war bekanntlich Ab- und Anreisetag in der Residence. An diesem Wochenende reiste aber nur eine Familie ab. Dafür sollten noch zwei Familien anreisen. Es war also recht entspannt an diesem Samstag. Das würde in einer Woche sicherlich anders aussehen. Dann würden fast alle jetzt in der Anlage befindlichen Gäste abreisen.
Ein Gast war bereits gestern angereist. Normalerweise war das während der Hauptsaison nicht möglich, aber Paolo hatte eine Ausnahme gemacht, gerade auch weil noch Wohnungen frei waren. Ansonsten galt in der Hauptsaison generell, Samstag ist An- und Abreise.
Waldemar Meier war erst am späten Abend in der Residence Villa Rosa angekommen. Nach der Übernahme seiner Wohnung wurde er auch nicht mehr gesehen. Er hatte lediglich noch seine Tasche aus dem Auto geholt.
Paolo hatte bereits am Morgen gemeinsam mit seinem Sohn die Liegen am Pool desinfiziert und ausgerichtet. Dabei war ihm aufgefallen das sein neuer Gast ihn beobachtete. Als er ihn ansprechen wollte, war er wieder verschwunden. Kurz darauf tauchte er hinter dem Kyosk One wieder auf und schaute durch einen Spalt im Zaun hinaus auf die Straße. Als er Paolo sah ging er wortlos und schnellen Schrittes an ihm vorbei und verschwand kurz darauf wieder in seiner Wohnung.
Paolo schüttelte nur mit dem Kopf und ging Richtung Büro. Dort warteten bereits die ersten Gäste, die zur Abreise bereit waren und sich verabschieden wollten.
Der Samstag war immer besonders stressig. Am Vormittag reisten alle ab. Jeder wollte sich persönlich bei Paolo und seiner Familie verabschieden. Ab der Mittagszeit reisten die ersten neue Gäste bereits wieder an und, wie sollte es anders sein, wollten sie natürlich von Paolo in Empfang genommen werden.
Waldemar Meier stand plötzlich wieder etwas abseits auf dem Parkplatz und beobachtete Paolo und die abreisenden Familien.
„…so schön war es wieder bei euch hier! Wir werden wiederkommen, versprochen Paolo!“
„Das freut mich Amici. Sehr gerne. Freuen uns, wenn ihr kommt wieder.“
„Wir werden euch alle sehr vermissen. Und das leckere Essen von Yvonne. Und Rosa und Gino und natürlich auch Achille. Ach Paolo wir wollen gar nicht nach Hause…“
Paolo schaute verlegen und erblickte dabei wieder Waldemar Meier der immer noch auf dem Parkplatz stand und zu ihnen schaute. Als er jedoch merkte, dass Paolo ihn jetzt ebenfalls beobachtete, verließ er schnellen Schrittes den Parkplatz und verschwand im Gebäude.
Paolo schüttelte unbemerkt den Kopf und wandte sich wieder seinen Gästen zu.
„Amici, Amici… Ihr macht mich gioia. Ihr… Ah che bello!“
Die Familie machte sich auf zu ihrem Auto. Dieses stand auf dem letzten Parkplatz in der Reihe. Auf dem Weg dorthin entdeckten sie ein kleines Päckchen, welches zwischen zwei Autos lag. An dieser Stelle stand vor wenigen Minuten noch Waldemar Meier.
„Paolo… Paolo da liegt ein Päckchen auf dem Boden!“
Paolo kam herbeigeeilt und blickte nun ebenfalls auf das kleine Päckchen am Boden. Er schaute sich um und suchte Waldemar Meier, den Gast, der wie ein Geist ständig über das Areal huschte. Aber er war verschwunden. Paolo schaute auf das Päckchen. Mit einem zögern bückte er sich und nahm es an sich.
„Ich nehme es mit und lege es an Kyosk One. Vielleicht hat jemand verloren oder vergessen!“
Waldemar Meier stand im Schatten des Flures seines Gebäudes und beobachtete den Fund des Päckchens. Er könnte sich Ohrfeigen, dass er das Päckchen verloren hatte. Er machte eine Faust und schlug sie mit voller Wucht an die Wand. Schmerzverzerrt rieb er sie sich und steckte sie in seine Hosentasche. Sie pochte.
Waldemar Meier blieb noch einen Augenblick stehen, verschwand dann aber im Dunkel des Gebäudes und ging unbemerkt in seine Wohnung.
Im beschaulichen Tignale weit oben über dem Gardasee tickten die Uhren langsamer als in den hektischen Touristenhochburgen unten am See. Hier war es wesentlich ruhiger, die Touristen liebten diesen beschaulichen Ort. Von hier hatte man einen herrlichen Blick nach Norden, auf das Monte Baldo Massiv gegenüber, sowie nach Süden. Die Temperaturen waren in den Sommermonaten sehr angenehm, in den Wintermonaten dagegen gab es auch schon mal Frost und selten auch mal etwas Schnee.
Luigi Schifferle war einer der wenigen Bewohner von Tignale. Er hatte vor etwas mehr als einem Jahr Deutschland den Rücken gekehrt und war hierher ausgewandert. Der ehemalige Polizeibeamte aus dem Schwabenländle mit italienischen Wurzeln hatte hier seinen Lebenstraum eröffnet, das Restaurant „Zum schwäbischen Italiener“.
Er war es auch der damals wochenlang in den hiesigen Zeitungen stand. Nicht nur wegen seiner Eröffnung, die natürlich ein voller Erfolg war, sondern auch wegen mehrerer tödlichen Zwischenfälle in Deutschland und hier am Gardasee, die wie sich später herausstellte, alle etwas miteinander zu tun hatten.
Seit den Zwischenfällen waren mehrere Monate vergangen. Es kehrte schnell wieder Ruhe ein und wenig später sprach niemand mehr über die Vorfälle. Jeder lebte wieder sein beschauliches ruhiges Leben.
Das Restaurant hatte in den Wintermonaten nur an den Wochenenden geöffnet. Da es so gut wie keine Touristen gab, machte es keinen Sinn das Restaurant sieben Tage zu öffnen. Und dann war da ja auch noch die Pandemie gewesen. Am Wochenende hatte Luigi gut zu tun gehabt, wenn auch nur „Take away“. Viele Einheimische genossen die Speisen schwäbischer Küche mit italienischer Note. So gab es hier zum Beipiel keine schwäbischen Schupfnudeln, sondern mediterrane Schupfgnocchis. Und Maultaschen waren eine Mischung aus den bekannten Maultaschen und italienischen Ravioli. Pizza gab es auch. Aber es waren mehr Fladen, die herzhaft belegt waren mit mediterranen Kräutern und Käse von der schwäbischen Alb. Alles wurde frisch zubereitet. Luigi verzichtete so gut es ging auf Tiefkühlprodukte. Bei den Getränken war er eigen. Es gab nur regionale Getränke von der Gardasee Region. Kein deutsches Bier!
Luigi Schifferle wohnte noch immer in seiner kleinen Wohnung. Diese lag ein paar Minuten von seinem Restaurant entfernt. Meist ging er den Weg zu Fuß. Nur wenn der Einkauf anstand, fuhr er die wenigen Meter mit dem Auto um alle Waren ohne große Mühe in seinem Restaurant zu verstauen.
Ansonsten verzichtete er weitestgehend darauf. Was möglich war erledigte er zu Fuß oder mit dem Fahrrad. Oftmals aber nutzte er auch den Bus, der mehrmals täglich die einzelnen Orte miteinander verband und auch bis Limone verkehrte.
Heute war sein freier Tag. In der Hauptsaison war es eigentlich nicht vorgesehen, dass man auch mal am Wochenende einen freien Tag hatte, aber er hatte es sich und seinen Angestellten eingeräumt. Das Restaurant hatte noch geschlossen. Er saß an seinem Tisch in der Küche und schaute aus dem Fenster. Vor ihm dampfte eine herrliche Tasse Kaffee. Die Sonne brannte vom Himmel.
„Gleich geht es erst einmal nach Limone. Ich brauche dringend eine neue Geldbörse für das Restaurant. Bei dieser Gelegenheit kann ich auch gleich noch ein wenig Gemüse und getrocknete Früchte bei Ottofrutta besorgen.“
Luigi schaute wieder aus dem Fenster. Auf der Straße war es ruhig. Kein Auto, keine Menschenseele war zu sehen. Er nahm einen Schluck Kaffee aus seiner Snoopy Tasse. Diese Tasse hatte er bereits seit mehr als 25 Jahren. Seine damalige Frau hatte sie ihm einmal geschenkt. Eines von den wenigen Dingen, die er behalten hatte, nachdem ihre Beziehung auseinander gegangen war.
Luigi stand auf und ging zur Kaffeemaschine. Er drückte den Knopf für eine weitere Tasse Café Creme. Dabei schaltete er auch gleich das Radio an, was über der Kaffeemaschine am Schrank befestigt war. Es war eines der unterbaufähigen Radios, die es schon in den Siebzigern gab. Nur war dieses hier technisch auf dem neuesten Stand.
„Piu bella cosa….!“, ertönte es aus dem Radio.
Luigi verdrehte die Augen. Wenn er eines hasste, dann war es Eros Ramazzotti. Zu viel Herzschmerz, zu viel übermäßige Gefühlsduselei mit diesem Typen. Er war ihm einfach zu wider. Das Lied wurde unterbrochen.
„Na Gott sei Dank. Mamma Mia. Noch eine Minute länger und das Radio wäre aus der Befestigung gebrochen!“
Luigi grinste. Dann wurde er schlagartig ernst.