Vinceremo - Paolo Botti - E-Book

Vinceremo E-Book

Paolo Botti

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Beschreibung

Luigi Schifferle hat sein Leben als Polizist gegen das am wunderschönen Gardasee eingetauscht. Sein Ziel, ein eigenes Restaurant. Friedhelm und Gudrun Muckel wollen dort einfach nur Urlaub machen. Und dann ist da noch Oberkommissar Martin Schunk in Stuttgart und Commissario Stefano Botatzi in Riva del Garda die beide das gleiche Problem haben, die Organisation.

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Seitenzahl: 239

Veröffentlichungsjahr: 2021

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Paolo Botti, ist das Pseudonym von Sven Bottling. 1977 in Deutschland geboren und aufgewachsen, lebte er in seiner Jugend auch wenige Wochen im Schweizer Kanton Graubünden. Paolo Botti hat Familie in Deutschland, der Schweiz und in Amerika. Er ist verheiratet und hat eine Tochter. In den vergangenen Jahren hatte er bereits bei mehreren Buchprojekten mitgewirkt. „Vinceremo“ ist sein erster eigenständiger Roman.

Luigi Schifferle hat sein Leben als Polizist gegen das am wunderschönen Gardasee eingetauscht. Sein Ziel, ein eigenes Restaurant. Friedhelm und Gudrun Muckel wollen dort einfach nur Urlaub machen.

Und dann ist da noch Oberkommissar Martin Schunk in Stuttgart und Commissario Stefano Botatzi in Riva del Garda die beide das gleiche Problem haben, die Organisation.

per Bruno

Das Leben ist eine aufregende und spannende Erfahrung –

Der Tod eine Reise ins Ungewisse!

-unbekannt-

Inhaltsverzeichnis

Ein Schuss im Dunkeln

Luigi Schifferle

Commissario Stefano Botatzi

Tatort Dardelen, Tignale

Auftrag erledigt, ein neuer wartet bereits

Senior Caputo und der Wasserschaden

Peinlicher Zwischenfall in der Questura

Die Muckels starten in den Urlaub

Stuttgart

Ein Unfall ist keine Allianz fürs Leben

Urlaub hier, Tod dort

Stuttgart - Bergamo

Luigis Start in ein neues Leben

Ein Fehler mit Folgen

2 Leichenwagen mit tödlichem Zwischenfall

Kopfschmerzen sind das kleinste Übel

Oben war Sonne, unten der Tod

Das beschauliche Tignale

Für jeden der perfekte Wein

Zwischenfall im Katharinen Hospital Stuttgart

Polizeipräsidium Stuttgart

Nicht nur Sonnenschein am Lago di Garda

Tobias Holzgruber

Der ungebetene Gast

Reichsbürger

In der Questura

Aperol Spritz und Gelati, dazu Probleme im Don Vito

Denglisch ist nicht Italienisch

Flucht aus Tignale

Schüsse in Tignale und ein Food-Koma in der Pathologie

Gefährliche Situation in Stuttgart

High Noon in Tignale

Action im Stuttgarter Polizeipräsidium

Salo ist nicht Stuttgart, noch nicht!

Salo – Stuttgart - Tignale

Der letzte Schuss

Goldener Schuss in Salo

Ende gut, alles gut!

1

Ein Schuss im Dunkeln

Er machte nicht den Anschein, als sei er gestresst oder gar in Eile. Ganz im Gegenteil. Der blaue Ford Focus fuhr genau 50, in der 70er Zone. Hinter ihm hatte sich bereits eine lange Schlange gebildet. Einige hatten schon versucht zu überholen, wurden jedoch ständig ausgebremst durch den Gegenverkehr und drängten sich wieder in die Reihe. Andere wiederrum hupten und machten von der Lichthupe gebrauch, um ihrem Ärger über den zu langsamen Teilnehmer noch einmal zu unterstreichen. Dieser ließ sich aber immer noch nicht aus der Ruhe bringen und setzte seinen Weg im gleichen Tempo unbeirrt fort.

Familie Dardelen war erst seit wenigen Tagen am Gardasee. Ahmet und Emine hatten Istanbul verlassen und sich in Tignale am Gardasee ein kleines Häuschen gekauft. Im Erdgeschoss wollten sie in wenigen Wochen einen Imbiss eröffnen, wo sie türkische Spezialitäten und selbstgemachte Marmelade anbieten wollten.

Die Dardelens waren kinderlos. Es war auch unwahrscheinlich, dass hier noch etwas Kleines nachkommen würde. Ahmet war bereits 59 und auch Emine hatte mit ihren 45 keine Lust mehr auf eine Schwangerschaft.

Beide waren glücklich mit dem was sie hatten.

In wenigen Tagen würde ihr Seefrachtcontainer in Venedig ankommen. Sie hatte lange überlegt, ob sie ihr Hab und Gut mit einem LKW oder über den Seeweg nach Italien schicken lassen sollten. Sie entschieden sich für die kostengünstigere, aber zeitaufwendigere Variante. Auch war der Transport sicherer als mit dem LKW. Immer wieder hörte man von Überfällen auf dieser Strecke.

Nun saßen Sie mit ihren zwei Koffern in ihrer kleinen Wohnung und starrten auf die karge weiße Wand.

Ahmet hatte mehr als 30 Jahre bei Ford in Istanbul gearbeitet. Seine Eltern waren Kurden.

Tagtäglich schleppte er sich in das Werk und kontrollierte tagein, tagaus all die unterbezahlten Kollegen, die es nicht so gut hatten wie er selbst. Ahmet war einer der wenigen die weit über der unterbezahlten Lohnmindestgrenze im Istanbuler Ford Werk nahe des Bosperus arbeitete. Er war eine Art Vorarbeiter und überwachte die Endmontage der Abgasanlagen.

Seine Frau Emine war, seit sie denken konnte einfache Hausfrau. Sie war wie so viele türkische Frauen bereits nach ihrer Geburt versprochen worden. Am Anfang war Ahmet nur ein Fremder älterer Mann. Ihre Eltern hatten Sie bereits vor ihrer Geburt für umgerechnet 1000 Euro an den Freund eines Cousins verkauft.

In der Hochzeitsnacht bekam sie zu spüren was es hieß gehörig zu sein. Unter Schmerzen wurde sie entjungfert. Zu diesem Zeitpunkt war sie gerade einmal 12 Jahre alt. Aber sie ertrug die Schmerzen und mit der Zeit lernte sie Ahmet näher kennen und auch lieben.

Die Zwangsheirat war jetzt 33 Jahre her. In all den Jahren hatten sie sich mit der Situation weitestgehend arrangiert.

Emine hatte bis vor 5 Jahren immer wieder den Wunsch gehegt Kinder zu bekommen. Auch Ahmet hatte ihn. Immer und immer wieder hatten sie es versucht, doch es wollte nie klappen. Bei einem Routinecheck vor 5 Jahren hatte Ahmet dann jedoch erfahren, dass er zeugungsunfähig war.

Der Ford Focus war mittlerweile alleine auf der schmalen Straße unterwegs. Alle Autos waren an ihm vorbeigezogen, nachdem er rechts rangefahren war, um sich die Beine zu vertreten.

Es war bereits dämmrig. In weniger als 20 Minuten würde es stockdunkel sein. Bis dahin wollte er am Ziel sein. Sein altes TomTom zeigte noch 13 Minuten an. Auf dem Beifahrersitz lag bereits das Heckler und Koch Sturmgewehr 7,62mm mit Zielvorrichtung und Nachtsichtvorrichtung. Im Kofferraum unter dem Reserverad waren noch weitere Waffen deponiert. Dort befand sich neben Unmengen an Munition noch eine SIG 9mm, sowie mehrere Splitterhandgranaten.

Für ihn war es ein Auftrag, wie bereits viele zuvor. Er kannte weder seine Auftraggeber noch die Opfer. In seiner Branche war er einer der Besten, vielleicht sogar der Beste. Seine Quote lag bei annähernd 99% und noch nie hatte er wissentlich sein Ziel und seinen Auftrag verfehlt. Er arbeitete stets alleine. Familie und Freunde hatte er keine. Er war ein einsamer Wolf in einer weiten Prärie.

Nach 20 Minuten hatte er sein Ziel erreicht. Es war mittlerweile stockdunkel und keine Menschenseele war auf der Straße zu sehen. Einzig die kargen Straßenleuchten, sowie vereinzelte beleuchtete Fenster erhellten die Straße.

Er holte eine Schachtel aus dem Seitenfach seiner Türe und stellte sie neben das Sturmgewehr. Die Schulterstütze war noch abgeklappt, konnte aber spielend leicht in Position gebracht werden. Er öffnete die Schachtel. Das karge Licht spiegelte sich augenblicklich auf dem messingfarbenen Gegenstand, der zum Vorschein kam. Die Stahlmantelgeschosse sahen bei näherer Betrachtung monströs aus. Viele seiner Zunft nahmen mittlerweile weitaus kleinere, um ihr Ziel zu eliminieren. Er nicht! Seit er diesen Job ausübte nutzte er diese Art von Munition. Sie hatten eine präzise Reichweite von 400 Metern. Er hatte aber auch schon des Öfteren Aufträge aus 2 Kilometern Entfernung mit diesen Geschossen erledigt.

Bei einem Aufprall, beispielsweise einem Kopf oder Oberkörper traten sie mit recht kleinem Eintrittskrater ein, verformten sich aber durch den Drall und den Aufprall dermaßen, dass sie an der Austrittsstelle ein Vielfaches an Größe gewannen. War mal ein Hindernis im Weg, bevor das Geschoss sein Ziel erreichte, brauchte man sich über den Austritt keine Gedanken mehr machen.

Er nahm einige Patronen aus der Schachtel und fing an das Magazin seines Sturmgewehres zu befüllen. Dabei schaute er sich immer wieder um und beobachtete das Haus auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Im ersten Stock brannte Licht. Er legte das Magazin zum Gewehr und blickte wieder hinaus in die Dunkelheit.

Ahmet hatte aus zwei Holzkisten und einem Brett einen provisorischen Tisch gebaut. Zwei Wäschesäcke dienten als Hocker. Bereits bei der Ankunft hatte er im nahen Supermarkt zwei Luftmatratzen erstanden, die in der Ecke lagen und als vorläufiges Schlafgemach diente.

Emine stand in der Küche und war gerade dabei, das Abendessen zuzubereiten. Die Küche war neben dem Bad die einzige vorhandene Möblierung in ihrer Wohnung. Sie versuchte aus Lamm, Kohl und Reis etwas zu zaubern, war sich aber nicht sicher, ob ihr das Gelingen würde.

Sie war keine typische türkische Ehefrau. Sicher, sie trug, seit sie denken konnte ein Kopftuch und auch zumeist die traditionelle Tracht. Ahmet hatte sie zu Beginn dazu erzogen. Er achtete sehr auf die Tradition seines Landes. Jetzt in Italien noch mehr als zuvor. Auch er hatte immer einen typischen Fes an, einen Hut mit einer Bommel.

Emine hatte lange dunkle Haare. Sie waren glatt und gingen ihr bis über das Schulterblatt. Meistens waren sie zu einem Zopf zusammengefasst und waren nur schemenhaft unter dem Kopftuch auszumachen. Sie war schlank und selten konnte man unter ihrer Kleidung ihre weiblichen Rundungen erkennen. Ihr Gesicht war freundlich und ihre dunklen großen Augen strahlten immer Wärme und Freundlichkeit aus.

Ahmet war ebenfalls schlank, hatte aber bereits graue Haare. Sein Gesicht zierte ein dicker Schnauzer, sowie einen Drei-Tage-Bart. Er hatte dunkle, in den Augenhöhlen zurückgesetzte Augen, die trotz seines Alters noch immer jung und wachsam dreinblickten. Er hatte einen drahtigen Körper und große behaarte Hände. Beide waren etwa 165 Zentimeter groß.

Emine kam aus der Küche und ging an den provisorischen Tisch. Sie hatte Besteck sowie Geschirr in den Händen. Emine deckte ihn mit wenigen Handgriffen und verschwand wieder in der Küche. Ahmet stand währenddessen am Fenster und blickte hinaus. Noch nie hatte er ihr bei solchen Arbeiten geholfen. Das war die Aufgabe der Frau und nicht des Mannes.

Noch immer saß er in seinem Ford Focus und schaute hinaus in die Dunkelheit. Er achtete in einer solchen Situation, kurz vor Erledigung eines Auftrages, auf jede Kleinigkeit, die um ihn rum geschah. Noch nie war ihm eine Unachtsamkeit vorgekommen. Er war durch und durch Profi. Er schaute zur gegenüberliegenden Seite und blickte auf die beleuchteten Fenster. Ohne den Blick abzuwenden, nahm er sein Gewehr und das Magazin. Er steckte es in den dafür vorgesehenen Schacht und lud es durch. Die oberste Patrone glitt in den Schlitten. Aus der Türablage nahm er einen Schalldämpfer und schraubte ihn auf den Lauf des Gewehres. Sein Blick war immer noch auf das gegenüberliegende Haus gerichtet.

Emine trat hinter Ahmet und blickte ebenfalls hinaus in die Dunkelheit. Sie berührte ihn an der Schulter. Er blieb regungslos stehen. Beide redeten seit Jahren nicht mehr viel miteinander. Ihr Tagesablauf war eh immer der gleiche und Ahmet hatte das Sagen und die Entscheidungsgewalt.

Das Fenster des Ford Focus fuhr lautlos nach unten. Der Lauf des Gewehres schob sich hindurch und zielte auf das beleuchtete Fenster im ersten Stock.

Der Schuss löste sich fast lautlos. Der Focus fing einen Großteil des Geschoßlärmes ab. Die Hülse landete auf der Rücksitzbank des Autos.

Ahmet und Emine blickten noch immer nach draußen in die Dunkelheit. Ihre Augen waren Star und ohne Leben. Blut lief aus dem Mundwinkel von Ahmet. Emine sackte bereits in sich zusammen und kippte nach hinten weg. Ahmet tat es ihr gleich und sackte ebenfalls zusammen. Beide lagen mit weit geöffneten Augen auf dem Boden. Jedweiliges Leben war aus ihren Körpern gewichen.

Von der Straße hörte man den Motor eines Autos starten. Wenige Sekunden später war es still in Tignale.

2

Luigi Schifferle

Luigi Schifferle wachte aus seinem unruhigen Schlaf auf. Er war schweißgebadet und brauchte einige Sekunden, bis er merkte, dass er nicht mehr im Hunsrück war, sondern im fernen Italien. Er blickte sich um. Es war dunkel und mucksmäuschenstill. Ihm war als hätte er einen Schuss gehört. Er drehte sich zur Seite und schlief kurz darauf wieder ein.

Der Ford Focus befand sich bereits wieder auf der Autostrada 4 in Richtung Venedig. Das Gewehr war wieder im Kofferraum unter dem Ersatzreifen verschwunden und auch die Hülse war bereits entsorgt. Diese befand sich bereits auf den Tiefen des Gardasees. Er hatte sie gleich nach dem Auftrag als erstes entsorgt, ohne dass jemand etwas davon mitbekommen hatte.

Er empfand nichts nach dem Auftrag. Er kannte weder die Opfer noch den Auftraggeber. Daher verspürte er auch keine Gefühle. Noch nie. Es war eines der ersten Dinge, die er lernte, als er zu dem wurde was er nun mal war, ein Killer.

Sein Ziel war Cessenatico, ein kleiner Ort an der Adriaküste, der sowohl Touristik als auch das ursprüngliche italienische Leben beherbergte.

Ohne weitere Zwischenfälle setzte er seinen Weg dorthin fort.

Die Sonne ging bereits wieder auf und ließ die umliegende Landschaft in wunderschönen Farben erstrahlen.

Luigi wachte bereits mit den ersten Sonnenstahlen auf. Seitdem er in der Nacht aus dem Schlaf gerissen wurde, hatte er sich immer wieder hin und her gewälzt und keinen festen Schlaf mehr gefunden.

Dementsprechend saß er nun an seinem Küchentisch und blickte hinaus in die aufgehende Sonne. Vor ihm dampfte sein schwarzer Kaffee, den er wie jeden Morgen, frisch auf dem Herd zubereitete. Luigi war wieder Single. Bis vor zwei Jahren war er noch verheiratet und lebte in Simmern im Hunsrück. Seine Ex hatte dort einen Friseursalon gehabt und alles lief bestens, bis zu jenem Tag als er sie von der Arbeit abholen wollte und sie inflagranti mit Uschi erwischte. Beide waren im Aufenthaltsraum und Uschi verwöhnte seine Beate gerade oral auf dem Tisch. Er stand damals wie angewurzelt da und wusste nicht was er sagen sollte. Stattdessen verließ er den Salon ohne das die beiden Frauen etwas merkten, ging nach Hause, packte seine sieben Sachen und zog in eine Pension in der kleinen Kreisstadt. Zwei Tage später machte er Schluss mit Beate und reichte die Scheidung ein. Vor drei Wochen endlich hatte das Gericht die Ehe rechtskräftig geschieden. Da sie kinderlos war und Beate einen gutgehenden Salon besaß musste Luigi keine Alimente an sie zahlen.

Dennoch hatte sie in den vergangenen Monaten mehrmals versucht, auch dank ihres schmierigen Anwaltes, Luigi wie eine Zitrone auszupressen. Der Richter jedoch war einsichtig und hatte dem letzten Endes einen Riegel vorgeschoben und die Ehe geschieden.

Luigi war 44 Jahre alt. Er hatte eine italienische Mutter und einen deutschen Vater. Seine Eltern lernten sich nach dem Kriege kennen, als tausende von Gastarbeitern in das Land strömten und dazu beitrugen, dass die Wirtschaft Deutschlands wieder erblühte. Seine Mutter war ursprünglich aus Neapel und war Anfang der sechziger mit der ganzen Familie über Österreich ins Land gekommen. Sein Vater kam ursprünglich aus dem Schwabenländle aus der Nähe von Stuttgart. Beide lernten sich rein zufällig kennen und lieben.

Das war aber wie gesagt schon eine halbe Ewigkeit her. Mittlerweile ging er stark auf die 50 zu. Er hatte noch drei weitere Geschwister. Einen älteren Bruder, 52 Jahre alt, der leider genau das Gegenteil der Karriereleiter ins Auge fasste und als Krimineller Jahrelang erfolgreich war. Nun saß er schon seit knapp 10 Jahren im Gefängnis. Schwerer Raub mit Todesfolge. Wenn alles gut laufen würde, würde er da auch nicht so schnell wieder rauskommen.

Der Richter hatte ihm damals lebenslänglich aufgebrummt mit der Aussicht, dass lebenslänglich wortwörtlich zu nehmen sei. Seine beiden anderen Schwestern waren jünger als er. Die eine war verheiratet und hatte bereits 6! Kinder. Sie lebte im Ruhrpott. Nächstes Jahr würde sie ihren 40. Geburtstag feiern. Er hatte sich jetzt bereits vorgenommen, sich dann etwas anderes vorzunehmen. Die andere war das Küken der Familie. Sie war erst 29 und arbeitete als Pilotin bei einer Airline. Sie war nicht verheiratet, hatte aber ständig einen neuen Freund. Sex war für sie neben Fliegen ihre zweite Leidenschaft. Sie sagte selbst von sich sie hätte das Kamasutra bereits dreimal komplett durchgemacht. Natürlich immer mit wechselnden Partnern.

Gedankenverloren saß Luigi noch immer an seinem Küchentisch. Der Kaffee dampfte mittlerweile nicht mehr. Er dachte noch immer an seine Familie, ans Kamasutra seiner kleinen Schwester, als es an der Tür klingelte. Er stand auf und ging zur Tür.

3

Commissario Stefano Botatzi

Luigi saß wieder in seiner Küche. Mit ihm zwei Polizisten in Uniform, sowie ein Commissario in einem dunkelgrauen Anzug. Alle starrten sich stumm an. Soeben hatte Luigi erfahren, dass in seiner Nachbarschaft vor wenigen Stunden zwei Menschen gestorben waren, getötet durch Schüsse großen Kalibers. Der Commissario nippte an seinem Kaffee den Luigi ihm eingegossen hatte. Die beiden mitgekommenen uniformierten Polizisten standen in der Ecke und warteten auf weitere Instruktionen. Beide verzichteten auf einen angebotenen Kaffee und starrten teilnahmslos in den Raum.

Commissario Stefano Botatzi war ein hagerer Mann Mitte vierzig. Er hatte graumeliertes Haar, welches seit geraumer Zeit dabei war, lichter und weniger zu werden. Stefano ging leidenschaftlich gerne Angeln, wenn es die Zeit zuließ oder fuhr mit seinem kleinen Segelboot über den Gardasee. Trotz seiner hageren Statur war er durchtrainiert.

Zweimal die Woche besuchte er ein Fitnessstudio in unmittelbarer Nähe seiner Dienststelle. Er war verheiratet und hatte zwei Kinder, welche jedoch bereits langsam flügge wurden. Seine Frau Anna war Ende dreißig und Professorin an der Universität in Verona. Sie hatte lange braune Haare, die durch Ihre dunklen Augen noch mehr zur Geltung kamen. Meistens trug sie enge Kostüme mit weitem Ausschnitt, was ihre Körbchengröße B, deutlich größer erschienen ließ. Ihr Po war prall und ihre samtweiche Haut hatte eine schöne Bräune. Dazu war sie stets sehr schlicht geschminkt. Beide sahen sich recht selten und so war es ein offenes Geheimnis, dass beide sich ab und an anderweitig vergnügten.

Während seine Frau regelmäßig Sex mit einem Kommilitonen hatte und auch mal von einem Callboy nicht abgeneigt war, hatte Stefano ein Verhältnis mit der fünf Jahre älteren Francesca aus seiner Straße. Sie war seit 3 Jahren Witwe und er seit zwei Jahren ihre Affäre.

Anna konnte immer und überall. Egal ob auf der Unitoilette oder im Lehrsaal. War beides nicht möglich, schleppte sie ihre Beute kurzerhand ins nächste Hotel. Stefano war da anders. Beide trafen sich meist bei ihr. Sie wartete dann nur in Reizwäsche auf ihn. Francesca stand auf Rollenspiele und mochte es wenn Stefano sie hart von hinten auf dem Küchentisch nahm. Sie sah trotz ihrer fast 50 Jahre, deutlich jünger aus. Francesca hatte kleinere feste Brüste und einen runden Po. Ihre Haut war, wie die seiner Frau samtig weich und fast faltenfrei. Wann immer es ging trafen sie sich.

„Commissario…?“

„Commissario Botatzi…?“

Gedankenverloren und mit leerem Blick starrte Stefano in seine Tasse. Einer der uniformierten Polizisten stand dicht vor ihm und hatte ihn an der Schulter berührt. Beide starrten sich an.

„Was gibt es Sergente…?“

„Die Spurensicherung hat gemeint wir sollten mal nach unten kommen. Sie haben wohl etwas gefunden.“, fuhr der Sergente fort.

Der Commissario erhob sich, stellte die Tasse auf die Anrichte und machte Anstalten die Wohnung zu verlassen. Seine beiden Polizisten waren bereits aus der Tür und auf den Weg zur Spurensicherung. Stefano drehte sich noch einmal um.

„Sie halten sich bitte zu unserer Verfügung, Signore…!“

„…Schifferle, Luigi Schifferle!“, antwortete Luigi.

„Ja, stimmt Signore Schifferle. Bitte entschuldigen Sie. Mein Namensgedächtnis.“

Er tippte sich an die Schläfe und verließ ohne ein weiteres Wort ebenfalls die Wohnung. Luigi blieb wortlos und kopfschüttelnd zurück. So hatte er sich seine Auswanderung nicht vorgestellt. Tote in der Nachbarschaft und dann auch noch auf nicht natürliche Weise.

4

Tatort Dardelen, Tignale

Botatzi stand vor einer unscheinbaren kleinen Nummer mit der Aufschrift 9. Sie stand mitten auf der Straße. Verkehr gab es momentan nicht. Die Policia hatte die komplette Straße in beide Richtungen abgesperrt. Das würde auch bis zum Ende der kriminaltechnischen Arbeiten so bleiben. Wie lange es noch andauern würde, konnte nur der liebe Gott oder Professore Dr. Andrea Scalia sagen. Sie war die leitende Pathologin und unterstützte die hiesige Polizei, bei solchen Aufgaben, die hier weiß Gott nicht allzu oft vorkam. Eigentlich war es das erste Mal.

Deshalb wollte Scalia es auch persönlich in die Hand nehmen. Für das normale Geschäft hatte sie ja ihr Personal.

Botatzi stand noch immer auf der Straße vor dem kleinen weißen Schild und blickte gedankenverloren umher. Das machte er öfters, wenn er über etwas nachdachte. Sehr zum Verdruss seiner Mitmenschen, die meist darunter litten.

„Botatzi…? Botatzi…? Commissario…?“

Der Sergente stieß Botatzi in die Rippen. Dieser fuhr erschrocken zusammen und blickte den Sergente mit einem strafenden Blick an. Er wollte noch was sagen, sah aber das Kopfnicken und blickte ein wenig nach links. Dort stand die Pathologin und verdrehte bereits die Augen.

„Seniorina Scalia…!“

„Seniorina Professore Dottoressa Scalia bitte. “

Der Commissario blickte irritiert und der Sergente schmunzelte. Das Verhältnis der beiden Beamten war nicht das Beste. In den wenigen dienstlichen Belangen, die sie verband, waren sie meist schnell aneinander geraten. Das mochte sicherlich an der Art wie die Pathologin arbeitete liegen. Sie war überaus genau in allen Belangen und trieb es meist mit den Erläuterungen auf die Spitze. Zumal es in der Vergangenheit keine Mordfälle waren, sondern meist Haushaltsunfälle oder tödliche Badeunfälle von Touristen. Ganz egal, die Scalia machte generell aus einer Mücke einen Elefanten.

„Meinetwegen auch das!“, erwiderte er jetzt leicht süffisant.

Alle drei standen nun um die kleine Nummer am Boden und schauten sich nacheinander fragend an.

„Was gibt es denn so wichtiges, dass wir um diese kleine Nummer herumstehen?“, wollte Botatzi wissen. „Wir haben dieses Kunststoffteil hier gefunden und gehen davon aus, dass sie zur Tatwaffe gehört, welche das türkische Ehepaar hingerichtet hatte!“, sagte sie und zeigte auf ein kleines schwarzes Kunststoffteil was für einen Außenstehenden nicht zuordbar war.

Das kleine Etwas könnte Teil einer Waffe sein. Genaueres würde aber sicherlich die Untersuchungen ergeben.

Der Commissario bückte sich und beäugte das Kunststoffteil.

„Wo ist denn das türkische Ehepaar? Haben Sie es bereits wegbringen lassen?“

Botatzi schaute Scalia fragend an.

„Nein, sie liegen beide noch drin in der Wohnung! Warum fragen Sie? Waren Sie noch nicht in der Wohnung?“

Botatzi schaute sie verwundert an. Er verstand die Frage nicht recht, wollte aber nichts weiter dazu sagen. Stattdessen drehte er sich zu seinem Sergente.

„Wer hat die beiden in der Wohnung gefunden. Doch nicht etwa dieser… dieser… Schifferle?“

„Nein, die Nachbarin, eine ältere Dame, die im Nebenhaus wohnte. Sie wunderte sich, weil die Scheibe kaputt war und klingelte. Als ihr niemand aufmachte rief sie ihren Mann herbei, der mit einer Leiter versuchte durch das kaputte Fenster zu blicken. Dabei hatte er die beiden entdeckt und die Polizei verständigt.“

Botatzi und der Sergente entfernten sich von dem Schild und dem Kunststoffteil und gingen Richtung Haus. Die Pathologin ließen sie dabei einfach stehen. Dr. Scalia lief rot an, stampfte auf den Boden und lief aufgebracht zu ihrem Assistenten, der unweit des Geschehens alles lächelnd mitverfolgt hatte.

Am Eingang wurden sie beiden bereits von zwei weiteren Polizisten erwartet. Ohne ein Wort geleiteten sie den Commissario und seinen Sergente in die Wohnung zum Tatort. Der Notarzt war gerade dabei seinen Koffer wieder zu schließen. In einer Ecke des Raumes standen bereits die Bestatter mit dem kalten metallischen Behälter. Sie warteten bereits eine ganze Weile auf ihren Einsatz. Ein Mann trat neben die beiden und fing sogleich an leise zu reden.

„Sie wurden regelrecht hingerichtet. Mit nur einem Schuss! Nach momentaner Kenntnis standen die beiden wohl hintereinander am Fenster als es geschah. Ein glatter Durchschuss durch beide Personen. Wobei es den Mann noch ziemlich harmlos getroffen hat. Glatter Schuss durch das Herz. Er war direkt tot. Seine Frau kam nicht ganz so gut weg. Das Brustbein wurde durch den Drall der Patrone regelrecht zerfetzt. Lunge und Herz dadurch herausgerissen durch das Austrittsloch am Rücken herausgeschleudert!“

Er deutete mit dem Kopf auf zwei Tücher am Boden. Ein großes und ein kleines.

„Die Frau war aber klein, Dottoressa!“, sagte Botatzi nach einem kurzen Blick auf den Boden.

„Die Frau lag samt Mann unter dem großen Tuch. Das kleine ist Ihre Lunge, das Herz und was sonst noch so von ihr herausgeschleudert wurde. Durch das Loch an ihrem Rücken, können sie einen Fußball hindurchstecken.“

Der Sergente blickte nun ebenfalls zum Boden. Erst auf das eine, dann auf das andere Tuch. Er wurde kreidebleich und musste würgen.

„Gehen sie nach draußen an die frische Luft, Sergente. Ich mache den Rest hier.“

Ohne eines weiteren Blickes stürmte der Sergente nach draußen. Die Bestatter in der Ecke grinsten sich an und warteten weiter auf ein Zeichen.

„Möchten sie mal einen Blick unter die Tücher werfen?“

„Ich denke ich kann warten bis sie in der Pathologie liegen!“, erwiderte Botatzi.

Er schaute sich um und suchte nach den beiden Polizisten. Botatzi winkte sie zu sich.

„Haben Sie alles aufgenommen und dokumentiert, Sergente Alicio? Oder brauchen Sie noch?“

„Nein Commissario, wir sind fertig.“

Botatzi nickte und winkte die Bestatter heran. Dann drehte auch er sich um und ging nach draußen.

Sergente Di Gallo stand noch immer kreidebleich vor dem Haus. Botatzi gesellte sich zu ihm.

„Geht es wieder Sergente?“

„Ja Commissario. Bitte entschuldigen Sie, aber…!“

„Ist schon gut Di Gallo. Sowas sieht man hier bei uns ja nicht alle Tage.“

Er legte dem Sergente die Hand auf die Schulter und nickte ihm zu. Dieser versuchte ein lächeln, was ihm jedoch gründlich misslang.

Di Gallo war etwa 10 Jahre älter als Botatzi und schon ein alter Hase. Er war seit mehr als 20 Jahren am Gardasee und hatte schon so einiges erlebt. Sowas wie dies hier jedoch noch nicht. Di Gallo war bereits seit mehr als 25 Jahren verheiratet. Er und seine Frau hatten 3 erwachsene Kinder und vor 2 Jahren nochmals Nachwuchs bekommen. Di Gallos Frau war Anfang vierzig als sie unerwartet schwanger wurde.

Dies katapultierte beide nochmal 25 Jahre zurück an ihre Anfänge. Der Nachzügler war zwar nicht gewollt, wurde aber mit der gleichen Liebe aufgezogen, wie bereits die 3 großen Kinder der Di Gallos.

„Lassen Sie uns noch das Ehepaar befragen, welches die beiden gefunden hat. Und lassen Sie die weitere Nachbarschaft befragen. Vielleicht hat ja irgendjemand etwas Verdächtiges in der letzten Nacht bemerkt.“

Der Sergente atmete tief durch und ging zu einer Gruppe Polizisten. Kurz darauf strömten diese aus. Di Gallo eilte zu Botatzi, der bereits am Nachbarhaus stand und klingelte. Als der Sergente an der Tür ankam hatte eine ältere Dame schon die Türe geöffnet. Beide traten ein und wurden in die Wohnstube geleitet. Dort saß ein älterer Herr mit grauen Haaren und Halbglatze, sowie einem Bart. Die Frau setzte sich ebenfalls. Sie war auch älteren Semesters und hatte am Haaransatz graue Haare, die sich langsam breit machten. Jedoch schien sie diese regelmäßig zu färben. Beide waren einfach gekleidet. Die Wohnung war mit älteren Möbeln aus den 80er eingerichtet. Die Wände hatten schon lange keinen neuen Anstrich oder eine neue Tapete gesehen. Trotzdem sah sie nicht verlebt oder heruntergekommen aus.

Botatzi und Di Gallo standen noch immer. Es war still, sehr still. Die Frau blickte auf und sah beide an. In ihren Augen lag Fassungslosigkeit. Sie hatte rote Augen und musste geweint haben. Ihr Mann saß einfach nur da. Er hatte ein Glas Rotwein vor sich stehen. Seine linke Hand zitterte als er versuchte das Glas aufzunehmen und er musste die rechte Hand zur Hilfe nehmen.

„Seniorina…? “

„Colina, Francesca Colina. Das ist mein Mann Luca. “

„Seniorina Colina. Wir hätten noch ein paar Fragen, wegen des Vorfalls heute Morgen.“

Luca Colina blickte auf und schaute den Commissario an. Auch er hatte einen entsetzten und fassungslosen Blick. Im Gegensatz zu seiner Frau jedoch hatte er nicht geweint. Botatzi sah, dass seine Hand immer noch leicht zitterte. Colina bemerkte es.

„Ich habe ein Nervenleiden. Es wird seit Jahren immer schlimmer. Normalerweise nehme ich Tabletten dagegen. Doch heute Morgen…!“

Er stockte und musste schlucken. Er nahm sein Weinglas und kippte es mit einem Schluck hinunter.

Der Sergente hatte zwischenzeitlich seinen Notizblock herausgeholt und war bereits eifrig am Schreiben. Colina fuhr fort.

„Wir hatten gerade gefrühstückt heute Morgen. Sie müssen wissen, dass die Wohnung wo das türkische Ehepaar lebte uns gehört. Sie waren erst vor wenigen Wochen eingezogen. Er wollte im Erdgeschoss einen Laden eröffnen. Beide konnten Sie nicht gut italienisch. Eigentlich so gut wie gar nicht. Man verständigte sich halt mit Gesten.“

Der Commissario hörte aufmerksam zu. Dabei blickte er abwechselnd das Ehepaar an. Seniorina Colina saß am Tisch und hielt ihre Tasse fest. Sie hatte noch kein Wort gesprochen. Nun blickte sie auf und sah ihn an.

„Sie waren nette Leute. Auch wenn kaum einer sie verstand. Sie waren dankbar das sie hier sein durften, dass sie die Chance bekamen ein neues Leben zu beginnen!“, sagte sie mit leiser brüchiger Stimme.

„Sie waren in der Nachbarschaft willkommen und alle halfen ihnen. Niemand hier war ihnen schlecht gesonnen.“, fuhr ihr Mann fort.

Der Sergente notierte alles ohne von seinem Notizblock aufzublicken.

„Haben Sie etwas bemerkt? Gestern Abend, heute Nacht, heute Morgen?“, fragte Botatzi.

Beide schüttelten den Kopf.

„Nein. Das hier ist eine ruhige Gegend. Kaum Verkehr am Abend und in der Nacht. Wir gehen immer früh zu Bett. Auch gestern. Leider haben wir nichts Außergewöhnliches bemerkt, Commissario!“, sagte Colina.

„Danke schön. Ich denke das war es dann auch erst einmal. Wir werden sicher nochmals wiederkommen. Aber fürs erste war es das.“, sagte Botatzi.

„Wir werden helfen, wo wir können.“

Botatzi und Di Gallo verließen die Wohnung, ohne dass einer der beiden sie zur Tür begleitete. Als er sich umblickte, sah er Seniorina Colina am Fenster stehen. Sie starrte hinaus, ohne ihn direkt anzuschauen.