Iris – mein Lebensglück - Gitta Holm - E-Book

Iris – mein Lebensglück E-Book

Gitta Holm

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Beschreibung

In der völlig neuen Romanreihe "Fürstenkrone" kommt wirklich jeder auf seine Kosten, sowohl die Leserin der Adelsgeschichten als auch jene, die eigentlich die herzerwärmenden Mami-Storys bevorzugt. Romane aus dem Hochadel, die die Herzen der Leserinnen höherschlagen lassen. Wer möchte nicht wissen, welche geheimen Wünsche die Adelswelt bewegen? Die Leserschaft ist fasziniert und genießt "diese" Wirklichkeit. "Fürstenkrone" ist vom heutigen Romanmarkt nicht mehr wegzudenken. »Hast du schon die neue Braut von unserem jungen Grafen gesehen?« tuschelte das Stubenmädchen Annie. »Nee«, brummelte die dicke Köchin Amanda. Und im breiten Holsteiner Platt fügte sie hinzu: »Interessiert mich auch nicht. Ich hab hier schon so viele kommen und gehen gesehen, daß ich mich kaum noch an ihre Gesichter erinnere. Die jungen Dinger sehen sich heute so ähnlich. Dieselben Schaufensterpuppen, dieselben Figuren. Und plappern tun sie nur von Schönheitsmasken und der neuesten Schlankheitsdiät. Albernes Grüngemüse.« »Aber die Neue ist 'ne echte Dame!« trumpfte das Stubenmädchen auf. »Sie war früher mal ein großer Filmstar. Hat sogar in Hollywood gedreht. Ich hab mir ihre ganzen Filme angesehen. Sonja Winter heißt sie und hat noch heute eine Menge Fans.« »Sonja Winter?« Die Köchin hob witternd die dicke Nase von dem Braten, den sie gerade würzen wollte. »Und du sagst, sie ist die neue Braut von unserem Schloßherrn? Aber die ist doch mindestens so alt wie ich.

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Seitenzahl: 138

Veröffentlichungsjahr: 2019

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Fürstenkrone – 160 –Iris – mein Lebensglück

Warum Graf Hubertus um sie kämpfen musste …

Gitta Holm

»Hast du schon die neue Braut von unserem jungen Grafen gesehen?« tuschelte das Stubenmädchen Annie.

»Nee«, brummelte die dicke Köchin Amanda. Und im breiten Holsteiner Platt fügte sie hinzu: »Interessiert mich auch nicht. Ich hab hier schon so viele kommen und gehen gesehen, daß ich mich kaum noch an ihre Gesichter erinnere. Die jungen Dinger sehen sich heute so ähnlich. Dieselben Schaufensterpuppen, dieselben Figuren. Und plappern tun sie nur von Schönheitsmasken und der neuesten Schlankheitsdiät. Albernes Grüngemüse.«

»Aber die Neue ist ’ne echte Dame!« trumpfte das Stubenmädchen auf. »Sie war früher mal ein großer Filmstar. Hat sogar in Hollywood gedreht. Ich hab mir ihre ganzen Filme angesehen. Sonja Winter heißt sie und hat noch heute eine Menge Fans.«

»Sonja Winter?« Die Köchin hob witternd die dicke Nase von dem Braten, den sie gerade würzen wollte. »Und du sagst, sie ist die neue Braut von unserem Schloßherrn? Aber die ist doch mindestens so alt wie ich. Und ich werd nächstens vierzig.«

»Na, und? Es gibt heut viele berühmte Frauen, die mit jüngeren Männern verheiratet sind. Ich könnte dir gleich ein halbes Dutzend davon aufzählen.«

»Nee, laß man. Ich glaub’s dir auch so, aber –« Die Küchenfee runzelte die Stirn, was ihr den Ausdruck einer besorgten Krankenschwester verlieh. Dann murmelte sie gedankenschwer: »Wenn das man gutgeht…«

»Wieso? Was meinst du?« spitzte das Stubenmädchen die Ohren. »Nun rück schon heraus mit der Sprache, Amanda. Oder willst du, daß ich vor Neugier nicht in Schlaf komme?«

»Ach, was soll man darüber reden«, meinte die andere achselzuckend. »Eine Hochzeit wird’s hier im Schloß wohl niemals geben. Bisher sind alle Verlobungen geplatzt. Die Gräfin…« Unwillkürlich senkte sie die Stimme. »… die Gräfin war schon immer etwas eigen, wenn es um ihren Sohn geht. Bisher konnte keine Braut ihren Ansprüchen genügen. Und sie hat sehr hohe Ansprüche, mußt du wissen.«

»Willst du sagen, sie hätte sie aus dem Schloß geekelt?« wisperte das Stubenmädchen und bekam vor Aufregung einen roten Kopf. »Oder hast du ihnen Arsen in den Kaffee getan?«

»Kusch! Wirst du wohl dein loses Mundwerk halten? Selbst wenn es hier und da gewisse Gerüchte gegeben hat, so sind sie alle erfunden, sag ich dir. Dir Gräfin schwebt viel zu hoch über den Dingen, als daß sie zu etwas Niederem fähig wär. Aber sie hat einen starken Einfluß auf ihren Sohn. Und wenn sie ihm geraten hat, dieser oder jenen den Laufpaß zu geben, so hat sie es nur zu seinem Besten getan. Sie liebt ihren Hubertus abgöttisch. Und nachdem der alte Graf verschieden ist, dreht sich ihr ganzes Dasein nur noch um ihren Herzensjungen.«

»Das hab ich auch schon gemerkt«, versetzte Annie. »Außerdem ist sie unheimlich stolz auf ihn, weil er so wunderschön Geige spielen kann.«

»So ist es«, bestätigte die Köchin. »Sie hofft, daß er mal ein großer Virtuose wird. Aber ich weiß nicht, ob er auch das echte Zeug dazu hat. Unser junger Graf ist zwar lieb und nett, aber auch ein bißchen weich und sehr sensibel.«

»Sie dagegen ist ein hartes Aas«, entfuhr es Annie. »Entschuldige. Das ist mir so herausgerutscht. Aber in der Fabrik wird sie nur der große Boß genannt. Das weiß ich von meiner jüngsten Schwester. Die arbeitet im Akkord auf dem Bekleidungssektor für Junge. So etwas von einer ausgekochten Geschäftsfrau wie unsere Gnädige hast du noch nie erlebt, hat sie des öfteren zu mir gesagt. Die nimmt’s an Tüchtigkeit mit jedem gestandenen Mannsbild auf.«

»Ja, tüchtig ist sie. Tüchtig und ehrgeizig dazu. Sie stammt nämlich aus kleinsten Verhältnissen, aber das merkt ihr heute keiner mehr an. Als der alte Graf sie heiratete, war sie Verkäuferin in einem Schuhgeschäft. Das weiß ich von meiner Mutter, die früher ihre Kundin war. Damals lebten wir noch in Hamburg.«

»Du das ist ja irre aufregend!« Annie starrte die Köchin an. »Dann war es wohl eine ganz romantische Beziehung zwischen den beiden.«

»Der alte Graf hat sie unheimlich geliebt. Das konnte jeder mit bloßem Auge erkennen. Sie dagegen wirkte immer etwas unterkühlt. Man wußte nie genau, was in ihrem hübschen Köpfchen vor sich geht. Aber sie hatte etwas angeboren Vornehmes an sich. So, als sei es ihr schon an der Wiege gesungen worden, daß sie einst eine Adelskrone tragen wird. Nu aber an die Arbeit, Deern! Oder gibt’s da oben nix zu tun?«

Annie zog eine Flunsch. »Zu tun gibt’s immer was. Die Gräfin versteht es, ihre Leute auf Trab zu halten. Also dann bis später, Amanda.«

*

Während die Köchin mit dem Stubenmädchen im Souterrain über ihre Herrschaft tratschte, servierte Butler James im Damensalon mit undurchdringlicher Miene den Tee.

Sonja Winter saß auf dem zierlichen Empiresofa und ließ die Atmosphäre des Raumes auf sich wirken. In dem stuckverzierten Kamin brannte trotz der sommerlichen Wärme ein kleines Feuer, dessen Harzgeruch sich mit dem würzigen Duft des russischen Tees aus einem goldenen Samowar mischte.

Es erging ihr ähnlich wie beim Betreten des Schlosses, dessen erster Eindruck ihr ein entzücktes »Ah!!!« entlockte.

Es lag jenseits unendlich breiter Rasenflächen, die wie grüne Samtpolster wirkten, in denen Blumenrondelle schwammen. Die Vorderseite des Gebäudes war dicht mit rot und weiß blühenden Rosen bedeckt, so dicht, daß ihr Blättergeranke zum größten Teil sogar die Fensterscheiben verdeckte. Das gab dem Schloß etwas Verzaubertes, so daß man auf den Gedanken kommen konnte, in ihm warte irgendein Dornröschen auf seinen prinzlichen Befreier.

Nun konnte man den jungen Grafen Hubertus wohl schwerlich mit der Dornröschenprinzessin vergleichen. Dazu wirkte er zu frisch und natürlich. Dennoch umgab ihn die Aura eines über die Maßen behüteten und nicht minder verwöhnten Knaben, der trotz seiner achtundzwanzig Jahre noch nicht ganz zum Mann herangereift war. Letzteres lag fraglos an dem Einfluß seiner alle und alles beherrschenden Mutter.

Franziska Gräfin von Altenloh war eine imponierende Persönlichkeit. Das spürte Sonja Winter von der ersten Sekunde, als sie sie oben auf der Freitreppe stehen sah. Ganz in Schwarz gekleidet, nur mit einer langen weißen Perlenkette geschmückt – das faltenlose Gesicht mit den großen, dunklen Augen fragend auf den einzigen weiblichen Gast gerichtet.

Noch glaubte Sonja, die Hand zu spüren, die ihr in königlicher Haltung entgegengestreckt wurde. Es war eine schwere, schlaffe, eiskalte Hand. Sie fühlte sich an wie ein lebloses Ding. Es war eine Hand, die Feindseligkeit ausstrahlte. Ein Eindruck, der sich später noch vertiefte.

Sonja, die als sensible Schauspielerin ein Gefühl für unterschwellige Strömungen besaß, spürte mit leichtem Erschrecken, daß die Gräfin sie haßte. Warum? fragte sie sich bestürzt, und es kostete sie Mühe, das höfliche Lächeln der anderen zu erwidern.

Die Gräfin trug das tiefschwarze Haar in der Mitte gescheitelt; eine Madonnenfrisur, die zu den fast ausdruckslosen Augen im seltsamen Widerspruch stand. Kalt, dunkel und unbeweglich lagen diese Augen unter schmalen, gebogenen Brauen. Es war ein Antlitz voller Gegensätze. Die schmale, scharfe Nase wollte nicht zu den vollen sinnlichen Lippen passen, deren leuchtendes Rot von den blassen Wangen abstach. Ihre Rechte spielte zerstreut mit der langen Perlenkette, während ihre Augen unverwandt auf der Schauspielerin ruhten.

Graf Hubertus, für gewöhnlich eher schüchtern und ziemlich wortkarg, bestritt die Unterhaltung am Teetisch fast allein. Wenn man genauer hinhörte, klang es wie ein Rechenschaftsbericht, der an die Adresse seiner Mutter gerichtet war.

»Frau Winter hatte eine Panne mit ihrem Wagen, als sie auf dem Wege nach Lübeck war, wo sie nächstens in der Rolle der Lady Milford gastieren wird«, schilderte er sein Kennenlernen mit der berühmten Schauspielerin, die sich nach ihrer Filmkarriere wieder ganz dem Theater widmen wollte, da man ihr beim deutschen Film keine passenden Rollen bot.

»Zum Glück kam ich gerade mit meinem Porsche vorbei und konnte ihr meine Hilfe anbieten. Später schickte ich ihr Blumen ins Hotel, und wir haben uns einige Male getroffen. Dabei bot ich ihr an, ihr unseren Besitz zu zeigen, und zu meiner Freude nahm Frau Winter meine Einladung an.«

»Sie dürfen kommen, wann immer es Ihnen beliebt. Man hat von hier aus einen weiten Blick über die Flensburger Förde, auf der oft internationale Segelregatten stattfinden«, warf die Gräfin an dieser Stelle ein und zeigte erstmals einen etwas spröden Charme.

»Ja, bitte, kommen Sie«, nahm ihr Sohn die Anregung begeistert auf. »Ich zeige Ihnen unsere Segelyacht ›Nordstern‹ und lade Sie zu einem Törn auf der Ostsee ein.«

»Wenn ich keine Proben habe, steht dem nichts im Wege«, meinte Sonja Winter und zeigte ihr berühmtes Lächeln, das ihr ungewöhnlich ausdrucksstarkes Gesicht förmlich leuchten ließ. Sie war eine blendende Erscheinung, nicht mehr ganz jung, aber ungemein faszinierend.

Sie ist die erste, die mir wirklich gefährlich werden könnte, dachte Gräfin Franziska mit ihrem geschärften Mutterinstinkt. Alle kleinen Freundinnen ihres Sohnes, die oft nicht mehr als ein harmloser Flirt waren, verblaßten neben Sonja Winter, einer Frau von großem Format, einer starken, unverwechselbaren Persönlichkeit. Sie würde sich einiges einfallen lassen müssen, um sich diese gefährliche Rivalin vom Hals zu schaffen.

*

Die Tatsache, daß Sonja Winter sich wieder ganz dem deutschen Theater widmen wollte, glaubte man darauf zurückzuführen, daß die Filmbranche hierzulande in einer Krise steckte. Die Künstlerin hatte dies auch mehrfach bekundet. Es gab aber noch einen zweiten, sehr privaten Grund, warum sie sich nicht scheute, sogar an Provinzbühnen aufzutreten.

Ihre langjährige glückliche Ehe mit dem Regisseur Dietrich Boysen war wegen einer Affäre ihres Mannes mit einem jungen Starlet gescheitert. In aller Stille hatte man sich getrennt, aber diese Trennung lastete schwer auf dem Gemüt des ehemals gefeierten Weltstars. Sie lehnte einige lukrative Angebote ab und begab sich in die Hände eines angesehenen Psychiaters. Der erfahrene Seelenkenner riet ihr, erneut in ihren Beruf zurückzukehren.

Sie befolgte den Rat des Arztes und fand in ihrer Arbeit Trost und Heilung von der bösen Wunde, die das Schicksal ihr schlug. Trost fand sie auch in der Bekanntschaft mit dem jungen Grafen Hubertus von Altenloh.

Ihr gefielen sein offenes, jungenhaftes Gesicht, seine strahlend blauen Augen, sein weicher Mund und sein schönes dunkles Organ. Der junge Graf verehrte sie auf eine Weise, wie man eine Heilige verehrt: ergeben, dankbar, anbetend. Nach ihrer großen Enttäuschung mit Dietrich Boysen bedeutete er Balsam für ihre verwundete Seele.

Sie vermied es sorgfältig, über ihre gescheiterte Ehe zu sprechen. Sie nahm an, ihr persönliches Fiasko sei ihm aus der Boulevardpresse bekannt. Hierin irrte sie. Der junge Graf interessierte sich nicht für Gesellschaftsklatsch.

Er war ein begabter Zeichner und malte gern in der freien Natur. Aber seine große Liebe galt der Musik. Er war ein sehr begabter Geiger und auf Schloßkonzerten, die seine Mutter für ihn arrangierte, brillierte er als Solist.

Der Ehrgeiz eines Berufsmusikers lag ihm fern. Ihm genügte die Anerkennung im privaten Kreis. Wenn seine Mutter ihm einzureden versuchte, er könnte ein weltberühmter Virtuose, ja, ein zweiter Paganini werden, zuckte er nur mit den Schultern. Ihm gefiel das unbeschwerte Dasein eines reichen verwöhnten Junggesellen, der weder echte Aufgaben noch Verantwortung kennt.

»Die Verantwortung trägt ganz allein meine Mutter«, erzählte er seiner neuen Angebeteten Sonja Winter. Und nicht ohne Stolz berichtete er, wie die Gräfin nach dem Tod seines Vaters die Leitung der Textilfabrik übernommen hatte, die zum gräflichen Geschäftsimperium zählte.

»Wie war dein Vater?« fragte Sonja, während sie langsam den Schloßteich umschritten, auf dem drei weiße Schwäne einen anmutigen Blick boten. Der Himmel schimmerte blau und durchsichtig wie Glas. Der Gesang einer Amsel hing in der Luft.

»Ich war zwölf Jahre, als er starb«, erwiderte der junge Graf. »Er war ein überaus gütiger Mann, konnte sich aber wegen seiner geschäftlichen und gesellschaftlichen Verpflichtungen nur wenig um mich kümmern. Deshalb ist die Erinnerung an meinen Vater ein wenig verblaßt.« Er blickte seine Begleiterin bewundernd an.

Die Schauspielerin sah an diesem heißen Sommertag so frisch und strahlend wie ein junges Mädchen aus. Sie genoß es, von einem jungen Mann hofiert zu werden, der sie ihre neununddreißig Jahre vergessen ließ. Doppelt intensiv, wenn man seinen Ehemann an eine Jüngere verloren hat. Dennoch traf sie der Heiratsantrag des jungen Grafen wie ein Blitz aus heiterem Himmel.

»Wann heiraten wir?« hatte er sie leise gefragt und sie dabei verliebten Auges angesehen. Sie zuckte zusammen, als hätte er sie mit einer glühenden Nadel berührt.

»Heiraten? Wir zwei?« fragte sie gedehnt. »Das ist doch nicht dein Ernst… lieber Freund.«

»Mein heiliger Ernst!« versicherte er treuherzig. Dabei ergriff er ihre Hände und preßte sie so heftig, daß sie beinahe aufgeschrien hätte. »Ich habe dich sehr lieb, Sonja«, murmelte er scheu.

Die Schauspielerin war von diesem Geständnis zutiefst gerührt. Es mußte den schüchternen jungen Grafen eine Menge Überwindung gekostet haben, sich zu diesen Worten durchzuringen, denn er zählte nicht zu jenen, die ihr Herz ständig auf der Zunge trugen. Trotzdem spürte sie ein schlechtes Gewissen.

Ich hätte es nicht so weit kommen lassen dürfen, dachte sie bedrückt. Vielleicht fühlte er sich von mir ermuntert, weil ich ihm das Du gestattete. Aber ich würde ihn niemals heiraten. Erstens bin ich zu alt für ihn, und zweitens liebe ich ihn nicht. Ich habe ihn aufrichtig gern, aber das ist auch alles.

Es tat ihr weh, ihn enttäuschen zu müssen. Sie wollte es ihm so zart und schonend wie möglich beibringen, doch dazu bedurfte es einer gewissen Zeit.

»Ich muß ins Theater zurück«, sagte sie, seinen Blick meidend. »In drei Tagen ist Premiere, und ich brauche vor den letzten Proben noch ausgiebig Schlaf.«

»Schade, daß du fort mußt«, murmelte er enttäuscht. »Wann… wann wirst du meine Frage beantworten?« fügte er stockend hinzu.

»Gib mir ein wenig Zeit«, bat sie leise. »Im Moment muß ich mich ganz auf meine Rolle konzentrieren. Das erfordert sehr viel Kraft, verstehst du?«

»Ja, natürlich. Das verstehe ich vollkommen.« Er lächelte sie an und wirkte wie befreit. Dann küßte er ihr dankbar die Hände.

Er brachte sie in seinem flotten Silberporsche bis vor ihr Hotel. Die Schauspielerin verabschiedete sich etwas überhastet, verschwand in der Drehtür des Vestibüls, während der junge Graf ihr mit einem langen sehnsüchtigen Blick nachsah.

Bei seiner Rückkehr aufs Schloß war ihm das Herz so voll, daß er sein herrliches Geheimnis nicht länger für sich behalten konnte. Er mußte sich jemandem anvertrauen. Und wer war besser dafür geeignet als seine eigene Mutter, die er zärtlich liebte?

Gräfin Franziska befand sich im Wintergarten, um eine frisch eingetroffene, äußerst seltene Art exotischer Gewächse in Augenschein zu nehmen. Auf zwei Vogelschaukeln saßen buntgefiederte Papageien, die hin und wieder gellend kreischten.

»Ich habe Sonja gebeten, meine Frau zu werden, Mama, und wollte, daß du es als erste erfährst«, überraschte er seine Mutter bei ihrer Beschäftigung.

Kein Muskel zuckte in dem glatten Gesicht, als sie diese Botschaft vernahm. Eine Meisterin in der Kunst der Selbstbeherrschung, ließ sie durch kein verräterisches Mienenspiel erkennen, daß sie mitten ins Herz getroffen war. Sie brachte sogar ein Lächeln zustande, als sie wie beiläufig fragte: »Und wie nahm sie deinen Antrag auf?«

»Sie hat mich um etwas Bedenkzeit gebeten«, erwiderte der junge Graf offenherzig. »Im Augenblick wird sie ganz von ihrer Rolle als Lady Milford in Anspruch genommen. Das kann ich gut verstehen. Wenn man mit Leib und Seele Schauspielerin ist, rückt das Privatleben wie von selbst an die zweite Stelle. Aber sobald die Premiere vorüber ist…« Der Rest des Satzes blieb unverständlich, da die Papageien ein nervtötendes Gekreisch anstimmten, in dem alle anderen Geräusche untergingen.

Hubertus hielt sich lachend beide Ohren zu und flüchtete hinaus ins Freie.

*

Die Gräfin durchschritt die riesige Halle, die mit ihren stuckverzierten Säulen, ihren Rundbögen, den hohen, buntverglasten Fenstern so feierlich wie eine Kirche wirkte. Nach kurzem Zögern betrat sie die Bibliothek.

Jeder Büchernarr wäre beim Anblick der bis unter die Decke reichenden, bis zum letzten Platz besetzten Wandregale in helles Entzücken geraten. Es war ein Raum, der zum Nachdenken einlud. Ein breiter Ohrensessel in der Nähe des Kamins war dafür der geeignete Platz. Wenn schwierige Entscheidungen zu treffen waren oder ungelöste Probleme sie quälten, pflegte die Schloßherrin sich hierher zurückzuziehen.

Auch heute galt es, über ein wichtiges Problem nachzudenken. Ihr einziger Sohn stand im Begriff, die größte Dummheit seines Lebens zu begehen. Eine Schauspielerin, eine Frau an der Schwelle der Vierzig, sollte ihre Schwiegertochter werden. Unmöglich! Ganz und gar unmöglich!

Hätte es sich um eine leidenschaftliche Liebesbeziehung gehandelt, hätte man es hinnehmen können. Sie hatte sich bei den Herzensaffären ihres Sohnes niemals kleinlich gezeigt und ihm jede Freiheit gelassen. Wurde die Sache jedoch ernster und war von Verlobungsringen die Rede, griff sie ein. Rasch und schonungslos. Genauso würde es jetzt geschehen.