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In der völlig neuen Romanreihe "Fürstenkrone" kommt wirklich jeder auf seine Kosten, sowohl die Leserin der Adelsgeschichten als auch jene, die eigentlich die herzerwärmenden Mami-Storys bevorzugt. Romane aus dem Hochadel, die die Herzen der Leserinnen höherschlagen lassen. Wer möchte nicht wissen, welche geheimen Wünsche die Adelswelt bewegen? Die Leserschaft ist fasziniert und genießt "diese" Wirklichkeit. "Fürstenkrone" ist vom heutigen Romanmarkt nicht mehr wegzudenken. Das prachtvolle Schloss an der Loire lag im letzten goldenen Schein des Sonnenuntergangs. Es erinnerte Carlotta an ihre erste Jugendzeit. Sie war fünfzehn Jahre alt, schüchtern und naiv, als sie hier einen Sommer lang weilte, um ihre Kenntnisse der französischen Sprache aufzubessern. Damals lebten in dem Schloss Jean Baptiste du Belmont, der Vater Silvies, die als Austauschschülerin in ihre Klasse gekommen war und mit der sie sich rasch angefreundet hatte. Silvie hatte ihren Vater überredet, ihre deutsche Freundin mitbringen zu dürfen. Auf Schloss Belmont hatte sie auch Alain, den jüngeren Bruder Jean Baptistes, und dessen Frau Marlène kennengelernt. Letztere erwartete zu jener Zeit ihr erstes Kind. An Alain konnte sie sich noch lebhaft erinnern. Auf den steinernen Stufen der Schlosstreppe sitzend, spielte er auf seiner Laute und sang dazu mit seinem wohlklingenden Bariton uralte Chansons, wie sie hier zur Blütezeit französischer Könige von berühmten Künstlern im Rahmen rauschender Ballnächte vorgetragen wurden. Sie erinnerte sich auch, wie er ihr mit seinem drolligen französischen Akzent bezaubernde Komplimente machte, die sie vor Freude erröten ließen. Noch nie zuvor hatte ihr ein erwachsener Mann so entzückend den Hof gemacht. Auch wenn sie für ihn nur ein halbwüchsiges Kind war, während seine Frau Marlène als voll erblühte Schönheit glänzte, der die Verehrer zu Füßen lagen. Wie glücklich mussten die beiden hier gewesen sein. Das pompöse Schloss, im spätgotischen Stil errichtet, hob sich vom Grün der Umgebung eindrucksvoll ab. Im Frühling erstrahlte der Schlossgarten in der Farbenpracht unzähliger alter Rosenarten – im Sommer galt der Adelssitz als zentraler Treffpunkt für Kunstausstellungen und viel besuchte kulturelle Veranstaltungen. »An einem Ort wie diesem, so voller Schönheit und urwüchsiger Natur, muss man einfach glücklich sein«, murmelte Carlotta. Sie hatte es mehr zu sich selber gesagt. »Darüber können wir reden, während wir die nächsten Orte besichtigen, um festzustellen, ob sie für unser neues Touristikprogramm geeignet sind«, bemerkte Heribert sachlich.
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Seitenzahl: 118
Veröffentlichungsjahr: 2023
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Das prachtvolle Schloss an der Loire lag im letzten goldenen Schein des Sonnenuntergangs. Es erinnerte Carlotta an ihre erste Jugendzeit. Sie war fünfzehn Jahre alt, schüchtern und naiv, als sie hier einen Sommer lang weilte, um ihre Kenntnisse der französischen Sprache aufzubessern.
Damals lebten in dem Schloss Jean Baptiste du Belmont, der Vater Silvies, die als Austauschschülerin in ihre Klasse gekommen war und mit der sie sich rasch angefreundet hatte. Silvie hatte ihren Vater überredet, ihre deutsche Freundin mitbringen zu dürfen.
Auf Schloss Belmont hatte sie auch Alain, den jüngeren Bruder Jean Baptistes, und dessen Frau Marlène kennengelernt. Letztere erwartete zu jener Zeit ihr erstes Kind.
An Alain konnte sie sich noch lebhaft erinnern. Auf den steinernen Stufen der Schlosstreppe sitzend, spielte er auf seiner Laute und sang dazu mit seinem wohlklingenden Bariton uralte Chansons, wie sie hier zur Blütezeit französischer Könige von berühmten Künstlern im Rahmen rauschender Ballnächte vorgetragen wurden.
Sie erinnerte sich auch, wie er ihr mit seinem drolligen französischen Akzent bezaubernde Komplimente machte, die sie vor Freude erröten ließen. Noch nie zuvor hatte ihr ein erwachsener Mann so entzückend den Hof gemacht. Auch wenn sie für ihn nur ein halbwüchsiges Kind war, während seine Frau Marlène als voll erblühte Schönheit glänzte, der die Verehrer zu Füßen lagen.
Wie glücklich mussten die beiden hier gewesen sein. Das pompöse Schloss, im spätgotischen Stil errichtet, hob sich vom Grün der Umgebung eindrucksvoll ab. Im Frühling erstrahlte der Schlossgarten in der Farbenpracht unzähliger alter Rosenarten – im Sommer galt der Adelssitz als zentraler Treffpunkt für Kunstausstellungen und viel besuchte kulturelle Veranstaltungen.
»An einem Ort wie diesem, so voller Schönheit und urwüchsiger Natur, muss man einfach glücklich sein«, murmelte Carlotta. Sie hatte es mehr zu sich selber gesagt.
»Darüber können wir reden, während wir die nächsten Orte besichtigen, um festzustellen, ob sie für unser neues Touristikprogramm geeignet sind«, bemerkte Heribert sachlich. Dann drängte er ungeduldig: »Nun komm schon, Carlotta! Oder willst du hier Wurzeln schlagen?«
Bevor sie ihm zu seinem Wagen folgte, verweilte sie noch einige Sekunden vor dem hohen Schlosstor mit dem schmiedeeisernen Wappenornament seiner aristokratischen Erbauer.
»Wünschen Sie etwas, Madame?«, fragte jemand hinter ihr.
»Entschuldigen Sie, ich kam hier nur zufällig vorbei und …«, erwiderte sie in ihrem besten Französisch.
»Unmöglich! Bist du es wirklich?«, rief Alain du Belmont auf deutsch und reichte der verdutzten jungen Frau die Hand. »Carlotta! Die kleine Carlotta mit den goldblonden Haaren. Wenn sie und dein Akzent nicht gewesen wären, hätte ich dich kaum wiedererkannt. Aus dir ist eine Frau geworden, und eine bemerkenswert schöne dazu. Doch das habe ich von Anfang an gewusst: Aus dir wird einmal eine echte Beauté. Und ich habe recht behalten.« Er nahm auch ihre andere Hand in die seine, und Carlotta spürte eine warme Woge der Herzlichkeit.
»Du dagegen hast dich kein bisschen verändert, Alain.«
Aber das stimmte nicht. Seine hochgewachsene Figur war so schlank und straff wie einst, doch um seine tiefbraunen Augen hatte sich ein Netz kleiner Falten gebildet, die von Leid und Enttäuschung zeugten. Aber auch diese Zeichen der Zeit hatten es nicht vermocht, das Charisma seiner faszinierenden Persönlichkeit zu zerstören.
»Carlotta, was machst du hier? Oh, guten Tag!«, grüßte er Heribert, der sich den beiden näherte.
»Heribert Schodde, mein –« Teilhaber, hatte sie sagen wollen, doch Heribert kam ihr zuvor und stellte sich als ihr Verlobter vor.
»Es ist eine wundervolle Überraschung, Carlotta nach so vielen Jahren wiederzusehen.« Der Mund Alains lächelte, doch seine ernsten Augen blickten Heribert Schodde abschätzend an. »Sie war noch ein kleines Püppchen, doch sie hatte märchenhaft goldenes Haar. Und das besitzt sie immer noch.« Er nahm eine Locke zwischen die Finger und betrachtete sie wie eine seltene Kostbarkeit.
»Gehen wir ins Schloss und trinken ein Glas auf unser Wiedersehen!«, schlug er vor.
Carlotta nahm den Vorschlag dankend an, doch Heribert fürchtete, keine Hotelzimmer mehr zu bekommen, wenn sie sich verspäteten.
»Mit dem Hotel kann man telefonieren«, wandte Alain du Belmont ein. »Wo wollen Sie absteigen?«
»Im ›Vignoble‹.«
»Ah, das kenne ich. Ein ruhiges Plätzchen mit einer ausgezeichneten Küche. Dort sind Sie bestens aufgehoben.«
»Das hört man gern.«
»Wie geht es den anderen … und vor allem Marlène?«, erkundigte sich Carlotta angeregt.
Ein undeutbarer Ausdruck zeichnete sich auf dem Gesicht des Grafen ab, doch er verschwand genauso schnell, wie er gekommen war. Auf den Sportwagen außerhalb des Schlossgeländes deutend, sagte er: »Ein Porsche, nicht wahr?«
Heribert Schodde errötete vor Stolz.
»Ja. Ich besitze ihn seit zwei Monaten. Eine Sonderanfertigung. Er wurde genau nach meinen Angaben hergestellt.« Man merkte ihm an, wie sehr er an seinem Fahrzeug hing. Mit ihm war ein Traum seines Lebens in Erfüllung gegangen.
Inzwischen war man im Schloss angelangt. Alain du Belmont geleitete die Besucher in den Empfangssalon.
»Was bevorzugen Sie? Whisky?«
»Für mich in Ordnung. Danke!«, akzeptierte Heribert.
»Und du, Carlotta? Ich nehme an, du hast dich inzwischen von Zitronenlimonade verabschiedet.« Es war der gleiche scherzhafte Ton, an den sie sich erinnerte, der spöttisch verzogenen Mund, das lustige Zwinkern seiner Augen.
Sie lächelte und fühlte sich plötzlich von einer unbekannten Euphorie erfasst.
»Damals hat sie für dieses süße Zeug geschwärmt«, erklärte der Graf dem stolzen Porschebesitzer. »Und die Schokoladenkekse, die man dir und Silvie zum Tee servierte, waren im Nu vom Teller verschwunden.«
»Ja, das stimmt genau«, erwiderte Carlotta und kicherte plötzlich wie der Teenager, der sie damals gewesen war. Vielleicht kam es auch von dem Martini, den der Schlossherr ihr inzwischen eingeschenkt und den sie etwas allzu hastig getrunken hatte.
»Du warst hier glücklich.« Die Stimme Alains war voller Wärme. »Du hast dich hier perfekt eingelebt und dieses Schloss von Anfang an geliebt.« Er sah sie voller Zärtlichkeit an.
»Vielleicht ist es besser, jetzt mit dem Hotel zu telefonieren. Es ist gleich sechs, und ich möchte nicht, dass man unsere reservierten Zimmer fortgibt«, machte Heribert sich bemerkbar.
Carlotta empfand ein leises Gefühl der Schuld. Heribert war ausgeschlossen von dem Fluss nostalgischer Erinnerungen, der sie mit Schloss Belmont verband. Der Sommer, den sie in diesem historischen Adelssitz verbrachte, bildete einen wichtigen Wendepunkt in ihrem Leben. Zum ersten Mal hatte sie das Haus ihrer Kindheit verlassen, zum ersten Mal war sie ins Ausland gereist. Und zum ersten Mal hatte ein erwachsener Mann sie spüren lassen, dass sie eine Frau war. Sie wandte den Blick von Alain. Jeden Moment konnte Marlène oder eines seiner Kinder, die er inzwischen vermutlich hatte, hier erscheinen. Sie durfte sich nicht länger von den Bildern der Vergangenheit überwältigen lassen.
»Sprechen wir von deinen Verwandten, die ich hier seinerzeit kennenlernte. Was ist aus ihnen geworden? Und vor allem: Wie geht es Marlène? Ich erinnere noch, wie ihr damals euer erstes Kind erwartet habt. Wurde es ein Junge oder ein Mädchen?«
»Wir bekamen einen Sohn, und er blieb unser einziges Kind«, erwiderte Alain du Belmont mit zusammengezogenen Brauen. Seine Stimme klang auf einmal seltsam brüchig. Wieder bemerkte Carlotta den undeutbaren Ausdruck auf seinem Gesicht, das in Sekundenschnelle gealtert zu sein schien.
»Und wie geht es deinem älteren Bruder Jean Baptiste? Und Silvie, meiner einstigen Mitschülerin und Freundin? Ich habe nach unserem gemeinsamen Sommerurlaub nichts mehr von ihr gehört. Wahrscheinlich ist sie inzwischen verheiratet und hat ihre eigene Familie«, versuchte Carlotta die Unterhaltung fortzusetzen.
»Hier haben sich viele Dinge verändert«, erklärte Alain du Belmont mehrdeutig. »Es ist jetzt nicht mehr so, wie es früher einmal war.«
Alains Traurigkeit traf Carlotta wie ein Stich ins Herz. Um sich der melancholischen Stimmung zu entziehen, sagte sie mit betonter Lebhaftigkeit: »Ich muss die Telefonnummer des Hotels irgendwo in meiner Tragetasche haben.« Sie kramte in ihrem Umhängebeutel herum. »Ah, da ist sie ja. Steht das Telefon noch immer neben der Eingangstür?«
»Ja, doch inzwischen gibt es einen moderneren Apparat. Er befindet sich in meinem Arbeitszimmer. Ich zeige ihn dir. Sie entschuldigen uns und machen es sich inzwischen bequem, nicht wahr?« Er lächelte Heribert verbindlich zu. Letzterer saß leicht verkrampft mit seinem Glas in der Hand auf der Kante eines antiken Lehnstuhls. Offenbar fühlte er sich in der hochnoblen Atmosphäre dieses historischen Schlosses etwas unsicher. Im Arbeitszimmer angekommen, schloss Alain die Doppeltür hinter sich.
»Ich habe mir immer gewünscht, dich wiederzusehen«, murmelte er. »Du hast nie geschrieben.«
»Ich habe mich nicht getraut«, gestand Carlotta leicht verlegen. »Schließlich war ich nur als zufälliger Sommergast auf eurem Schloss.«
»Du hattest auch keinen Kontakt mehr zu Silvie. Was mich allerdings nicht gewundert hat. Dafür wart ihr charakterlich zu verschieden. In dieser Hinsicht hat sich nichts geändert. Silvie ist ein seltsames Wesen. Immer irgendwelche fixen Ideen im Kopf. Vegetarismus, Buddhismus, Okkultismus, aber nichts aus aufrichtiger innerer Überzeugung, sondern nur, weil es gerade in Mode ist.«
Carlotta fragte sich, warum er diesen bitteren Ton anschlug, wenn er von seiner Nichte sprach.
»Du hingegen bist ganz anders.« Sein Gesicht nahm einen sanften Ausdruck an. »Es war ein Feuer in dir … schon damals. Obgleich du so jung warst. Wie alt warst du?«
»Fünfzehn.« Carlotta lächelte verwirrt. Er stand mit dem Rücken gegen die Tür gelehnt und betrachtete sie aus leicht zusammengekniffenen Augen.
»Ich muss mit dem Hotel telefonieren«, erinnerte sie ihn.
»Hast du tatsächlich die Absicht, diesen – wie heißt er doch gleich? – diesen Heribert Schodde zu heiraten?«
Es wäre ein Leichtes gewesen, ihm zu erklären, dass sie und Heribert eine renommierte Reiseagentur von einem Onkel geerbt hatten. In seinem Testament hatte der Verstorbene ihnen zur Heirat geraten, um sein Lebenswerk erfolgreich fortsetzen zu können. Heribert, ein Cousin zweiten Grades, hatte dieser Idee sofort begeistert zugestimmt. Sie selbst hatte noch keine endgültige Entscheidung getroffen. Der leicht ironische Ton Alains forderte jedoch ihren Stolz heraus. Deshalb erwiderte sie forsch: »Ja, gewiss. Warum?« Dann nahm sie den Telefonhörer ab und wählte die Nummer des Hotels.
»Ich habe den Eindruck, er ist nicht der passende Typ für dich.«
»Alain, du hast dich immer über mich lustig gemacht. Vor dreizehn Jahren war ich ein kleines Mädchen, das du mühelos beherrschen konntest. Heute sieht die Sache anders aus. Wie kannst du dir erlauben, mir zu sagen, was ich zu tun oder zu lassen habe? Wen ich heirate, ist meine ureigenste Privatangelegenheit.«
Ich hätte nicht herkommen dürfen, flog es ihr durch den Kopf. Auch wenn ich nicht wissen konnte, dass ich ihm hier erneut begegnen würde.
*
Sie sorgte für die feste Reservierung ihrer Zimmer, auch wenn sich ihre Ankunft verzögerte. Dann legte sie auf.
»Danke für das Telefongespräch. Es hat mich gefreut, dich wiederzusehen, aber jetzt müssen wir wirklich gehen.«
Er bewegte sich nicht von der Tür.
»Jetzt, da du zurückgekommen bist, lasse ich dich so leicht nicht wieder fort.«
Seine Worte entwaffneten sie. Dennoch erwiderte sie brüsk: »Schluss mit den Scherzen, Alain. Heribert wird sich fragen, wo wir so lange bleiben.«
»Könntest du nicht einen Vorwand erfinden und ihn fortschicken?«
Im Halbdunkel erkannte sie das Glitzern in seinen Augen, die Kurve seines leicht geöffneten Mundes …
»Vielleicht vergisst du, dass ich im Begriff bin, ihn zu heiraten.«
Sie wagte es nicht, sich ihm zu nähern, ihm die Hand zum Abschied zu reichen, aus Sorge, erneut seiner Faszination zu erliegen.
»Also bist du nicht meinetwegen zurückgekehrt?«
Sie versuchte zu lachen, doch es klang nicht ganz echt. »Hast du dir das im Ernst eingebildet? Bert und ich sind gekommen, um für deutsche Touristen eine Busreise durch die Täler der Loire zu organisieren. Als wir das Schloss passierten, konnte ich der Versuchung nicht widerstehen auszusteigen, um es aus der Nähe zu betrachten. Ich ahnte nicht, dass ich dir begegnen würde. Eher hätte ich an ein Wiedersehen mit deinem älteren Bruder gedacht. Schließlich ist er hier der Schlossbesitzer.«
»Er war es. Ich habe seine Nachfolge angetreten. Jean Baptiste verunglückte tödlich bei einem Jagdunfall.«
»Oh, das tut mir schrecklich leid«, versicherte Carlotta tief betroffen. »Und Silvie, die mit ihrem verwitweten Vater zusammengelebt hat? Wo befindet sie sich zurzeit?«
»In Paris. Nachdem mein Bruder gestorben war, wollte sie nicht länger im Schloss leben. Soweit mir bekannt ist, hat sie sich einer internationalen Sekte angeschlossen. Ich hoffe, sie findet zu sich selbst zurück, bevor ihr väterliches Vermögen völlig aufgebraucht ist.«
»Und Marlène?«
Er blickte gedankenverloren durch die geöffneten Fenster in die Abenddämmerung hinaus. Nach einer längeren Pause sagte er schließlich: »Über sie reden wir ein anderes Mal.«
»Carlotta, hast du dein Telefonat erledigt?«, rief Heribert mit erhöhtem Stimmaufwand aus dem Empfangssalon.
»Ja, wir kommen schon«, rief sie ebenso lautstark zurück.
Doch Alain bewegte sich nicht von der Tür und lächelte nur ironisch. Ihn amüsierte ihre Nervosität.
»Carlotta!«, rief Heribert abermals voller Ungeduld.
»Ich komme!« Sie ging auf den Ausgang zu, kam aber nicht weit.
Alain riss sie in seine Arme und drückte sie fest an sich.
»Lass mich los! Was würde deine Frau dazu sagen?« Sie kämpfte gegen den aufflammenden Wunsch, an seine Brust gepresst zu bleiben.
»Du wirst wiederkommen!«, sagte Alain mit fester Stimme, bevor er sie freigab. Dann stieß er die Doppeltüren auf und rief fröhlich wie ein kleiner Lausbub: »Alles bestens geregelt, Monsieur Schodde. Die Hotelzimmer bleiben bis zu Ihrer Ankunft reserviert.«
»Diese Franzosen!«, stieß Heribert ärgerlich heraus, nachdem er glücklich wieder in seinem geliebten Auto saß und auf das nächste Dorf zusteuerte. »Sie können keine Frau in der Nähe haben, ohne mit ihr zu flirten. Verzeih, aber alles klappte wie am Schnürchen, bis du diesem Herrn Grafen wieder begegnet bist.«
»Ich weiß nicht, wovon du sprichst, mein Lieber«, versetzte sie spröde. »Oder hat dir der Zwischenaufenthalt auf Schloss Belmont etwa nicht gefallen? Ich fand, es war eine interessante Bereicherung unseres Touristikprogramms.«
»Nun spiel nicht die Ahnungslose«, erwiderte er gereizt. »Unser Testamentsvollstrecker hatte recht, uns zu einer schnellen Heirat zu raten, um dem letzten Willen unseres verstorbenen Onkels gerecht zu werden. Es wäre auch im Interesse der Reise-Agentur, die man uns zu gleichen Teilen übertragen hat. Überdies wäre es tragisch, wenn einer von uns jemanden heiratete, der an der Agentur kein Interesse hat. Noch schlimmer: wenn er entgegengesetzte Interessen hat und uns damit geschäftlich schaden könnte.«
»Der Testamentsvollstrecker hat uns im Sinne des Verstorbenen sicher gut beraten. Mir scheint es jedoch keine gute Basis für eine glückliche Ehe zu sein«, erwiderte Carlotta. Sie war zu müde, um sich nach einem langen, ereignisreichen Tag einer ihrer gewohnten Diskussionen auszusetzen. Deshalb schloss sie die Augen und lehnte den Kopf gegen die Nackenstütze.
*