Ist das nicht eine wunderbare Geschichte - Helge-Wolfgang Michel - E-Book

Ist das nicht eine wunderbare Geschichte E-Book

Helge-Wolfgang Michel

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Beschreibung

Über Leopold Heinrich Pfeil (1726-1792) hat Helge-Wolfgang Michel eine kleine Romanbiografie "Ist das nicht eine wunderbare Geschichte - Das erfüllte Leben von Leopold Heinrich Pfeil" geschrieben. Dr. Joachim Seng, Leiter der Bibliothek des Goethe-Hauses in Frankfurt am Main, ergänzte diese noch mit einem Vorwort über dessen besondere Bedeutung für die Bildungserziehung von Johann Wolfgang Goethe und seiner Schwester Cornelia. Leopold Heinrich Pfeil, Henri, durchlief einen bemerkenswerten Weg im Hause von Johann Caspar Goethe (Johann Wolfgang Goethes Vater). Er begann als Diener, dann erhielt er die Position des Kammerdieners und später die des Sekretärs. Durch Heirat wurde er mit Goethes verwandt und entwickelte sich als französischer Sprachmeister weiter bis zum erfolgreichen Vorsteher eines Pensionats als Schulanstalt für englische und französische Internatszöglinge. Sein Bestreben richtete sich immer an der Maxime aus, dass Lehren und Lernen sich gegenseitig bedingen. Johann Wolfgang Goethe erwähnte ihn sehr positiv in "Dichtung und Wahrheit - Aus meinem Leben" (1. Teil, 4. Buch) und widmete Henri ein Vaudeville. In der einschlägigen Literatur finden sich Belege über ihn und sein Handeln. Auch pflegte er eine Brieffreundschaft mit Leopold Mozart. So entwirft der Autor unter Berücksichtigung der historischen Daten und Fakten einen denkbar möglichen Lebensverlauf in anspruchsvoller, aber nicht überfordernder oder belehrender Weise. Henri erzählt in der Ich-Form seinen Werdegang von der Geburt bis zu seinem Tod. Neben seinem Freund und Förderer Johann Caspar Goethe, seine und dessen Familienangehörige spielen weiter Lehrende sowie Freunde und auch ein Auftraggeber Rollen. Zielgruppe sind die an Zeit- oder auch Kultur- oder Literaturgeschichte interessierten Leser, die sich mit diesem Stoff, gerne biografisch aufbereitet, auseinandersetzen. Als Literaturgattung wird das Werk der Belletristik und hier, wie eingangs bereits beschrieben, dem Bereich der Romanbiografie zugeordnet. Abschließend beantwortet Helge-Wolfgang Michel gerne noch die Frage: "Wie kommen Sie überhaupt auf Henri?" Er ist ein Vorfahre und durch das Geschenk eines Gemäldes von ihm entstand sein Interesse, sich intensiver auseinanderzusetzen. Nach Recherchen sowie Verifizierung über die in der Familie immer mündlich überlieferten Sachverhalte entschloss er sich zu dem Vorhaben, über ihn zu schreiben.

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Docendo discimus

‚Durch Lehren lernen wir‘ (nach Seneca)

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Wie alles begann …

In Butzbach zur Welt gekommen

Mein weltoffener Onkel und die französische Sprache

Die Reise nach Genf

Meine Lehrzeit in Genève

Start in Frankfurt am Main

Die Ereignisse überschlagen sich – Bürger der Stadt, Heirat, Sohn und mein Bildungsprojekt in Frankfurt am Main

Mein Austausch in Laubach

Das Pfeil’sche Pensionat und die bewegende Zeit in unserem Frankfurt

Von besonders Berichtens werten Ereignissen

Die Blütezeit meiner Bildungseinrichtung

Ausklang

Verwendete Literatur, Quellen etc. (Siglen)

Abbildungsdaten

Hinweis

Danksagung

VORWORT

Ein Wort des römischen Philosophen Seneca hat Helge-Wolfgang Michel seinem Buch vorangestellt: „Docendo discimus“ („Durch Lehren lernen wir“). Das passt gut zu einem Buch über Leopold Heinrich Pfeil (1726-1792), der nicht nur ein Urahn des Autors, sondern zugleich auch ein Hauslehrer Johann Wolfgang Goethes war. Er war Lehrender und Lernender in einer Person und damit Goethes Vater, Johann Caspar Goethe (17101782), wesensverwandt, wie auch der junge Goethe in seiner Lebensbeschreibung ‚Dichtung und Wahrheit‘ feststellt und bemerkt, dass sein Lehrer Pfeil die Maxime seines Vaters angenommen zu haben schien, „daß junge Leute nichts mehr aufmuntern und anregen könne, als wenn man selbst schon in gewissen Jahren sich wieder zum Schüler erklärte“.1

Goethe hat seinem Vater und seinen Frankfurter Hauslehrern für eine gründliche Bildung viel zu danken. Mancher seiner Lehrer wird in ‚Dichtung und Wahrheit‘ im Rückblick freundlich geschildert, aber keiner wird so lobend herausgestellt wie Leopold Heinrich Pfeil, der als „ein Mann in seinen besten Jahren, von der wundersamsten Energie und Tätigkeit“ beschrieben wird. Pfeil arbeitete spätestens seit 1746 als selbständiger französischer Sprachmeister in Frankfurt am Main. Er stammte aus Butzbach in der Wetterau, sein Vater war Koch, und sein Aufstieg zum angesehensten Sprachlehrer in Frankfurt war ihm nicht in die Wiege gelegt. Seine Biographie ist in gewisser Weise jener von Johann Caspar Goethe vergleichbar, der sich als Sohn eines tüchtigen Handwerkers zum Kaiserlichen Rat hocharbeitete. Sozialer Aufstieg war für Bürgerliche und Handwerker im Zeitalter der Aufklärung vor allem durch Studium und Bildung zu erreichen. Das alte Ständesystem wurde allmählich durchlässiger.

Von Goethes Vater wissen wir, dass er bei der Ausbildung seiner Kinder nichts dem Zufall überließ und strenge Maßstäbe anlegte. Wenn er für Wolfgang und Cornelia Leopold Heinrich Pfeil als Französischlehrer engagierte, dann ist davon auszugehen, dass Pfeil zu den besten seines Fachs gehörte. Französisch war damals nicht nur die wichtigste europäische Sprache, in der Familie Goethe wurde auch aus familiären Gründen viel Wert auf ein gutes Französisch gelegt. Goethes Großvater, Friedrich Georg Göthé (1657-1730), hatte auf der Walz als Schneidergeselle mehrere Jahre in Lyon und Paris zugebracht und als exklusiver Schneidermeister in Frankfurt am Main die französische Schreibweise des Namens beibehalten. Bei allen seinen Söhnen, auch jenen, die er zum Kaufmann oder Handwerker ausbilden ließ, hatte er dafür gesorgt, dass sie durch Hauslehrer in der französischen Sprache unterrichtet wurden. Nicht ausgeschlossen, dass er mit seiner Familie auch Gottesdienste in der Frankfurter Weißfrauenkirche besuchte, die seit 1593 das Gotteshaus für aus Frankreich zugewanderte Lutheraner und für die Niederländische Gemeinde Augsburger Confession war. Man predigte dort in französischer und deutscher Sprache. Die französische Sprache gehörte also in gewisser Weise zur Familientradition der Goethes, was sich auch auf die Kinder übertrug. Cornelia verfasste ihr Tagebuch für die Freundin Katharina Fabricius (* 1750), ihre ‚Correspondance Secrete‘, auf Französisch.

Aber Pfeil qualifizierte sich als Hauslehrer auch dadurch, dass er der Familie Goethe seit 1746 auch familiär verbunden war. Er hatte die Nichte von Goethes Großmutter Cornelia geheiratet, die Tochter ihres Bruders, des Frankfurter Bierbrauers Hans Georg Walther (1680-1733), Friederike Charlotte Wilhelmine Walther (1718-1783), und dadurch das Frankfurter Bürgerrecht erhalten. Die 1750 geborene Tochter Cornelia wurde sogar nach der Großtante Goethe benannt, die die Patenschaft übernommen hatte.

Es bestanden also engere Bindungen zwischen Pfeil und Johann Caspar Goethe. Daran erinnert sich auch der Sohn: „Mein Vater hatte einen jungen Menschen erzogen, der bei ihm Bedienter, Kammerdiener, Sekretär, genug, nach und nach alles in allem gewesen war. Dieser, namens Pfeil, sprach gut französisch und verstand es gründlich. Nachdem er sich verheiratet hatte, und seine Gönner für ihn auf einen Zustand denken mußten, so fielen sie auf den Gedanken, ihn eine Pension errichten zu lassen, die sich nach und nach zu einer kleinen Schulanstalt erweiterte, in der man alles Notwendige, ja zuletzt sogar Lateinisch und Griechisch lehrte. Die weitverbreiteten Konnexionen von Frankfurt gaben Gelegenheit, daß junge Franzosen und Engländer, um Deutsch zu lernen und sonst sich auszubilden, dieser Anstalt anvertraut wurden.“

Da nicht nur Goethes Vater Pfeil förderte, sondern auch der angesehene Frankfurter Advokat und Brandenburgisch-Bayreuthische Hofrat und Resident Friedrich de Neufville (1710-1778), gelang es dem französischen Schulmeister später jene besagte „Schulanstalt“, die Pfeilsche Pension, zu eröffnen. Sie befand sich ebenfalls im Großen Hirschgraben, wahrscheinlich im Weißen Hirschen, einem weiträumigen Anwesen in der Nähe des Frankfurter Goethe-Hauses.2 Wie gesagt, in die Pfeilsche Pension kamen auch Zöglinge aus England und Frankreich, um Deutsch zu lernen. Einer von ihnen, der junge Engländer Harry Lupton, war von Pfeil in Goethes Elternhaus eingeführt worden.

Die junge Cornelia verliebte sich in ihn.

In einem Brief aus Leipzig an seine Schwester nennt Goethe ihn „a good fellow“.3 Lupton und Cornelia verband die Liebe zur Musik. Sie spielte Klavier, er Geige.

Wie wir aus ‚Dichtung und Wahrheit‘ wissen, warf sich auch Pfeil „weil er nie genug beschäftigt sein konnte […] selbst in die Musik, und betrieb das Klavierspielen mit solchem Eifer, daß er, der niemals vorher eine Taste angerührt hatte, sehr bald recht fertig und brav spielte. […] Durch diese Neigung zum Klavierspielen ward Pfeil auf die Instrumente selbst geführt, und indem er sich die besten zu verschaffen hoffte, kam er in Verhältnisse mit Friederici in Gera, dessen Instrumente weit und breit berühmt waren. Er nahm eine Anzahl davon in Kommission, und hatte nun die Freude, nicht nur etwa einen Flügel, sondern mehrere in seiner Wohnung aufgestellt zu sehen, sich darauf zu üben und hören zu lassen.“ Es erinnert in Goethes Elternhaus also mehr an den Sprachmeister Pfeil als man denkt, denn „die Lebendigkeit dieses Mannes“ förderte auch die Hausmusik. Im Musikzimmer, im ersten Stock, hat Pfeil seine Spuren hinterlassen, denn auf seine Vermittlung hin, wurde „ein großer Friedericischer Flügel angeschafft, den ich, bei meinem Klavier verweilend, wenig berührte, der aber meiner Schwester zu desto größerer Qual gedieh, weil sie, um das neue Instrument gehörig zu ehren, täglich noch einige Zeit mehr auf ihre Übungen zu wenden hatte; wobei mein Vater als Aufseher, Pfeil aber als Musterbild und antreibender Hausfreund, abwechselnd zur Seite standen.“

Pfeils Porträt, das den Ausgangspunkt zur in diesem Buch erzählten „wunderbaren Geschichte“ bildet, hängt aber heute nicht im Musikzimmer, sondern in der Bibliothek des Frankfurter Goethe-Hauses. Für einen Hauslehrer der Goethe-Kinder hätte sich kein besserer Ort finden lassen. Wir wissen nicht, welchen Einfluss Pfeil auf die Bücherkäufe seines Vetters hatte, es darf aber angenommen werden, dass sein Unterricht und die behandelte Lektüre auch Johann Caspar beeinflussten und schließlich auch den Dichter selbst. Die Dokumente bezeugen jedenfalls, dass Goethes frühes Studium der französischen Literatur auch von seinem Hauslehrer mitbestimmt wurde. Gleiches gilt für die englischen Sprache und Literatur, für die die Familie Goethe schon früh großes Interesse zeigte. Die Bibliothek Johann Caspars enthielt für die damalige Zeit ungewöhnlich viele englische Zeitschriften und Bücher. Die Dokumente erzählen auch, dass Goethes Vater die fremdsprachigen Briefe, die der Sohn aus Leipzig an die Schwester und die Familie schickte, von Pfeil überprüfen und korrigieren ließ. Einer dieser Briefe, jener vom 14. März 1766, hat sich erhalten, und er enthält sowohl Korrekturen des Vaters, als auch des Französischlehrers Pfeil. Dieser hat sogar eine eigene Korrekturliste mit insgesamt 35 Verbesserungen beigefügt und angemerkt: „Si ces observations font plaisir à – L’auteur, on pourra dans la suite les accompagner de quelques raisonnemens plus étendus, et mème y faire entrer toute la rigueur grammairienne qui autorise les Maitres de Langue“ [„Wenn diese Bemerkungen dem Autor Spaß machen, könnte man sie in der Folge mit einigen weitläufigeren Bemerkungen begleiten und sogar dabei die ganze grammatische Strenge der Sprachmeister anwenden“].4 Zwar bat der penibel korrigierte Student seine Schwester, sie möge Herrn Pfeil ein beigefügtes Briefchen „mit meinen Grüßen und meinem Dank“5 für die Korrekturen überreichen, doch ob der junge Goethe wirklich so erfreut darüber war, darf bezweifelt werden. Elisabeth Menzel hat in ihrem Buch über die Hauslehrer der Goethe-Kinder zu Recht angemerkt, dass der junge Leipziger Student gegenüber seiner Schwester selbst ein wenig altklug die Rolle des weisen Lehrers und Mentors eingenommen hatte.6 Er konnte also nicht glücklich darüber sein, dass jetzt ausgerechnet in einem seiner Briefe an Cornelia ein schulmeisterliches Exempel statuiert worden war. Das untergrub seine Autorität, schadete aber nicht seinem Selbstbewußtsein.

Im Gegenteil: Der 17jährige Goethe antwortete – ganz junger Dichter – mit einem Vaudeville, einem französischen Spottgedicht oder Gassenhauer, in dem er unter der vollendeten Form eine erkennbare Dosis Ironie versteckte. Sein ‚Vaudeville a Mr Pfeil‘ geht souverän mit den Korrekturen um und wendet das Fehlerhafte mit genialischer Leichtigkeit in poetische Kreativität.7 Er bittet Pfeil, den „Oberpriester“ der „Göttin Grammatik“ nicht nur um Beistand, sondern er nennt auch zwei Bücher mit denen er offenbar die französische Grammatik im Elternhaus gepaukt hatte, die Bücher von François Louis Poëtevin und Jean Robert des Pepliers. Über das Gedicht bemerkt er im begleitenden Brief: „Indem ich diese kleine Torheit in Versen wieder lese, sehe ich, dass meine Bitte etwas dunkel ausgedrückt ist und dass man nicht sogleich raten kann, dass ich von ihm wissen will, wie ich mich bald in der französischen Sprache vervollkommnen kann. Mein lieber Vater wird mit dem Versmaß nicht zufrieden sein, aber er muss bedenken, dass es sich um die Melodie zu einem Vaudeville handelt.“ Es folgt ein weiteres Gedicht auf den Tod seiner Großtante Anna Maria von Hoffmann geb. Textor (1701-1766), das offenbar sein Vater in Auftrag gegeben hatte, und Goethe fährt fort: „Ich warte mit Ungeduld darauf, vom Erfolg dieses kleinen Gedichtes zu hören und von dem Grund, warum mein lieber Vater mir befahl, es zu dichten. Herr Pfeil wüsste wohl gern, welchen Dichter ich in diesen kleinen Werken nachahme; aber ich könnte es nicht sagen; denn obgleich ich glaube, dass es im Französischen solche gibt, erinnere ich mich nicht, sie gelesen zu haben.“8 Die Zeilen belegen, dass sich der angehende Dichter sicher war, dass sein Lehrer Pfeil Sinn für derlei sprachliche und musikalische Scherze hatte.

Goethe, der bei den Recherchen zu seiner Autobiographie, mit denen er im Jahr 1809 begann, auf fremde Hilfe angewiesen war – man denke nur an Bettine Brentano, die ihm von ihren Gesprächen mit seiner Mutter berichtete – konnte sich, wie die ausführliche Würdigung Pfeils in ‚Dichtung und Wahrheit‘ zeigt, offenbar sehr gut an das „Musterbild“ eines Lehrers erinnern, der eben kein schulmeisterlicher Kauz, sondern im wahrsten Sinne des Wortes ein ihn „antreibender Hausfreund“ war.

Helge-Wolfgang Michel hat jenem Mann mit „der wundersamsten Energie und Tätigkeit“, der einst in Goethes Frankfurter Elternhaus wirkte, gleich zweifach wiederbelebt: Indem er sich in erzählerischer Weise seinem Leben näherte und indem er es den vielen Besuchern aus Deutschland und der Welt ermöglicht hat, sich nun im historischen Ambiente des Frankfurter Goethe-Hauses ein Porträt des Lehrers Pfeil anzuschauen, dem unser berühmter Dichter viel verdankt.

Joachim Seng

1 Johann Wolfgang Goethe: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Hrsg. von Klaus-Detlef Müller. Frankfurt am Main 1986. In: Ders.: Sämtliche Werke. Briefe, Tagebücher und Gespräche. I. Abt. Bd. 14., S. 132-134 (Sigle: FA). Die folgenden Zitate aus Goethes Autobiographie beziehen sich auf diese Passage und werden nicht einzeln nachgewiesen.

2 Elisabeth Mentzel: Aus Goethes Jugend. Ein Beitrag zu Goethes Entwicklungsgeschichte. 2. Aufl. Leipzig, o. J., S. 315.

3 Johann Wolfgang von Goethe: Briefe. Historisch-kritische Ausgabe. Im Auftrag der Klassik Stiftung Weimar, Goethe- und Schiller-Archiv hrsg. von Georg Kurscheidt, Norbert Oellers und Elke Richter. Band 1: Mai 1764 – 30. Dezember 1772. 2 Bde. Hrsg. von Elke Richter und Georg Kurscheidt. Berlin 2008, Bd. 1 I, S. 45 (Sigle: GB).

4 GB 1 II, S. 67ff. und S. 131f.

5 Ebd. S. 84.

6 Mentzel, a.a.O., S. 326ff.

7 Vgl. das Gedicht in französischer und deutscher Sprache auf S. 89 ff.

8 GB 1 II, S. 122ff.

Wie alles begann …

In dieser kleinen Einführung will ich Ihnen, lieber Leser, kurz schildern, wie es dazu kam, dass ich als bisher passiver, also eher konsumierender, Literaturfreund, diese kleine Romanbiografie geschrieben habe. Freitag, 4. März 2016: ein Anruf meiner Mutter, das Gemälde von unserem Urahn könnte beim verstorbenen Onkel Horst von mir übernommen werden. Sie und ihre Zwillingsschwester wollen es mir schenken.

Dieser Urahn, Leopold Heinrich Pfeil, mein Urururgroßvater, genannt Henri, sollte im Hause Goethe eine besondere Rolle gespielt haben.

Also sagte ich meiner Mutter gerne zu. Meine Lebensgefährtin Ute und ich fuhren am nächsten Tag nach Frankfurt am Main, um das Bild in Empfang zu nehmen. Die neuen Besitzer von Onkel Horsts Haus zeigten sich plötzlich sehr interessiert am Bild, was sich in Fragen, was das denn wert sei, erkennen ließ.

Geschickt zog ich mich mit, dass es nur einen immateriellen Wert für mich als Nachkomme hätte, aus der Affäre und wir konnten das Gemälde, ohne weitere Begierden zu wecken, nach Hause bringen.

Das Bild wurde 1789 von Friedrich Ludwig Hauck, einem damals bekannten Porträtmaler aus der Künstlerfamilie Hauck, angefertigt. Bei meiner Übernahme befand es sich in einem guten Zustand, musste aber trotzdem fachmännisch - besser gesagt fachfraulich - konserviert und restauriert werden. Es soll in der Bibliothek von Johann Caspar Goethe im Goethe-Haus Frankfurt am Main ausgestellt werden. Aber zurück zu Henri: in unserer Familie wurde immer weitergegeben, dass er Französischlehrer von Johann Wolfgang Goethe - später von Goethe - gewesen sei.

F. L. Hauck und Sohn (1789): Leopold Heinrich Pfeil – vor den Konservierungs- und Restaurationsarbeiten –

Da in unserer Familie, weniger in der mütterlichen Linie als in der väterlichen, Übertreibungen öfter zu beobachten waren, musste ich erst einmal recherchieren. Wer war mein Urururgroßvater? Was war an den immer mündlich von Generation zu Generation Übertragenem wirklich dran?

Aber zunächst setzten Ute und ich uns erst einmal einen Tag nach dem Abholen des Gemäldes dem beeindruckenden Zauber des Goethe-Hauses in Frankfurt am Main aus.

In den folgenden Wochen wurden Primärquellen aus dem Frankfurter Stadtarchiv - Institut für Stadtgeschichte in Form von verschiedenen Ratssupplikationen etc. studiert. Dies war erst nach Fotografie und Vergrößern des uns nicht mehr geläufigen Schriftbildes möglich. Auch hier war meine Lebenspartnerin Ute wieder eine mehr als wertvolle Unterstützung, die auch viele der Fotografien, die zum Teil im Buch abgebildet sind, aufnahm.

Weiter wurde das „Vaudeville a. Mr Pfeil“, welches J. W. (v.) Goethe auf Bitten seines Vaters, Johann Caspar - Kaiserlicher Rat - Goethe, als Danksagung aber ironisierend an Henri Pfeil schrieb, sowie seine im 4. Buch von „Dichtung und Wahrheit“ über unseren Urahn verfassten Zeilen in Augenschein genommen.

Dann kam diverse Sekundärliteratur dran, wie das von Eugen Wolff 1900 veröffentlichte Werk „Der junge Goethe“, das von Elisabeth Mentzel 1909 publizierte „Wolfgang und Cornelia Goethes Lehrer“ etc.

Danach stand fest und es war klar, mein Urururgroßvater Leopold Heinrich Pfeil spielte eine Rolle bei den Goethes. Er war als Hausangestellter in die Dienste des Rats Goethe, dem Vater von Johann Wolfgang von Goethe, getreten.

Aufgrund seiner - wie wir heute sagen würden - Kompetenzen insbesondere seiner ausgezeichneten Kenntnisse der französischen Sprache erlebte er einen schnellen Aufstieg vom Diener über Sekretär bis zum pädagogischen Berater des Vaters in Bezug auf die Ausbildung von Wolfgang und Goethes Schwester Cornelia. Der Vater, Rat Goethe, organisierte diese selbst mit ausgewähltem Lehrpersonal, da er den Fähigkeiten und Pflichtauffassungen damaliger Lehrer tief misstraute.

Leopold Heinrich Pfeil war damals schon französischer Sprachmeister und konnte auf Grund von Unterstützungen ihm sehr wohlgesonnener Sponsoren ein Pensionat für ausländische Zöglinge eröffnen. Auch junge Engländer wie der 1748 geborene Arthur „Harry“ Lupton, die sich zur Vervollständigung ihrer Allgemeinbildung in der Pfeil'schen Bildungsanstalt / Internat aufhielten, hatten Kontakt zu Cornelia und Wolfgang.

Aber die Verbindung von Henri in das Haus Goethe gingen über das Austauschen mit Rat Goethe und das Korrigieren von Briefen in französischer Sprache des Jurastudenten Johann Wolfgang an seine Schwester hinaus. Denn, wenn ich hier nochmals einhaken darf, wurde jeder der Briefe von Wolfgang an Cornelia, bevor sie diese erhielt, vom Vater zur Korrektur erst an Leopold Heinrich Pfeil gegeben.

Henri heiratete am 3. Mai 1746 Friederike Charlotte Wilhelmine Walther, eine Cousine des Rats Goethe. Zuvor war er im März desselben Jahres Bürger der Stadt Frankfurt am Main geworden.