It started with Christmas - Sophia Chase - E-Book

It started with Christmas E-Book

Sophia Chase

0,0
2,99 €

oder
-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Sitzen gelassen von ihrem Freund, bricht Thea allein in den Weihnachtsurlaub in das luxuriöse Hotel auf. Was sie sich erhofft? Ruhe und Zeit, um zu entscheiden, wie es in ihrem Leben nun weitergehen soll. Was sie bekommt? Einen arroganten Anzugträger, der aus seinem Interesse an ihr kein Geheimnis macht. Was tun? Soll sie ein Abenteuer mit einem fremden Mann wagen oder sich lieber auf die Rettung ihrer Beziehung konzentrieren?

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhaltsverzeichnis

Impressum

Sophia Chase

It started with Christmas

Deutschsprachige Erstausgabe Oktober 2019

Copyright © 2019 Sophia Chase

Alle Rechte vorbehalten

Impressum: J. Schumann

Bergstr. 4

A-4282 Pierbach

Nachdruck, auch auszugsweise, nicht gestattet.

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Covergestaltung: Catrin Sommer www.rausch-gold.com

Autorenfoto: Melanie Eichenauer, www.studio-eichenauer.at

Lektorat: Dr. Antonia Barboric

Wer sucht, findet nicht. Aber wer nicht sucht, wird gefunden. (F. Kafka)

KAPITEL 1

Thea

„Tut mir leid, Ihre Buchung wurde offensichtlich storniert.“

So eine Meldung war wohl die Letzte, die man nach einer dreistündigen Fahrt bei starkem Schneefall hören wollte. Doch exakt mit diesen Worten begrüßte mich die gestresst wirkende Rezeptionistin des Luxusresorts.

Ich hatte ein ohnehin schwaches Nervenkostüm. Mein Puls hämmerte gegen meine Schläfe. Noch wusste ich nicht, ob ich durchdrehen oder heulen sollte.

„Das ist nicht möglich!“, rief ich entgeistert und schluckte laut. „Wer hat meine Reservierung gelöscht?“

Am liebsten wäre ich über den Empfangstresen aus dunklem Mahagoni gesprungen und hätte die unterkühlte Schachtel vom PC weggestoßen, um herauszufinden, wer dieses Dilemma verursacht hatte. Doch in Wahrheit war mir die Antwort längst klar.

„Ein Mr Oliver Bernard. Ihr geplanter Begleiter, wie ich der Onlinereservierung entnehmen kann.“

Ich atmete tief durch und konnte die Frau aufgrund der Tränen, die plötzlich meine Augen füllten, kaum noch sehen. Oliver wollte mich gänzlich vernichten, wie ich soeben festgestellt hatte. Und gewissermaßen war ihm das auch gelungen.

„Dabei muss es sich um einen Irrtum handeln“, versuchte ich zu erklären. „Ich habe die Buchung unter meinem Namen vorgenommen. Es stand Mr Bernard also genauso wenig zu wie Ihnen, diese ohne Rücksprache mit mir zu stornieren. Das ist Ihnen hoffentlich klar.“

Eine ihrer schwarzen Augenbrauen wanderte bei meiner Erklärung nach oben. Ich war zwar kampfbereit, wollte während der Weihnachtsfeiertage aber keinen Rechtsstreit in Gang setzen.

„Wenn Sie so freundlich wären und einen Augenblick dort drüben Platz nähmen, werde ich diese Angelegenheit mit meinem Vorgesetzten klären.“

Ich nickte, schnappte mir meine Handtasche und ließ mich auf eines der beiden dunkelroten Sofas nieder. Ich legte meinen Kopf in den Nacken und starrte zur mit einer spektakulären Malerei ausgestatteten Decke hoch. Vermutlich hätte ich auf mein Bauchgefühl hören und in Lowell bleiben sollen. Doch die Vorstellung, die nächsten beiden Wochen allein in meiner Wohnung zu sitzen, war unerträglich gewesen. Der Schmerz aufgrund der Trennung von Oliver blockierte mein gesamtes Denken und Fühlen seit drei Tagen.

Es war ja nicht einmal so sehr der Zeitpunkt, den er gewählt hatte, um mir mitzuteilen, dass er keine Gefühle mehr für mich empfand, denn Weihnachten hatte mir noch nie viel bedeutet. Das mochte daran liegen, dass während der angeblich besinnlichsten Zeit des Jahres bei mir zu Hause die heftigsten Streits des Jahres eskalierten. Meine Tante und mein Onkel, bei denen ich nach dem Tod meiner Eltern aufgewachsen war, hatten sich dauernd gewaltig gezankt. Das war so weit gegangen, dass nicht mehr nur verbale Wurfgeschoße durchs Wohnzimmer geflogen waren, sondern sogar Vasen oder Topfpflanzen. Daher schien es für mich nicht überraschend – im Nachhinein betrachtet –, dass mich Oliver ausgerechnet jetzt verlassen hatte.

Je länger ich in der absoluten Stille des Eingangsbereichs saß, desto aggressiver wurde ich.

Was zum Teufel tat ich hier eigentlich?!

Ich gab mich meinem Selbstmitleid hin – schließlich war das das Einzige, was ich an diesem kalten Wintertag noch hatte. Tränen kullerten über meine Wangen. Ich war eigentlich keine Heulsuse. Aber irgendwann fiel wohl jeder einmal in ein so tiefes Loch, dass das ganze Gerüst, das einen normalerweise stark machte, zusammenbrechen musste. Genau dort unten war ich an diesem Nachmittag angekommen.

„Ms Russell?“, riss mich die Stimme der Rezeptionistin aus meinen Überlegungen, ob ich Oliver anrufen und zur Rede stellen sollte.

Ich setzte mich auf und versuchte ganz stark zu wirken. Was schwierig war, während ich unablässig weinte. „Ja?“, meldete ich mich mit erstickter Stimme.

„Gute Nachrichten: Wir konnten das Problem mit der Stornierung lösen.“

Ich musste ... durfte also hierbleiben.

Bestimmt würde ich mich irgendwann darüber freuen. Spätestens wenn ich ordentlich einen sitzen hatte.

Die Dame runzelte fragend die Stirn, als ich, anstatt in Freude auszubrechen, wie sie es wohl angenommen hätte, nur noch mehr heulte. „Geht es Ihnen gut?“

Ich lachte. „Alles bestens.“

„Ich habe mit meinem Manager besprochen, Sie als Entschädigung für diese Misere in unsere Suite einzubuchen“, erklärte sie und kam um den Empfangstresen herum. „Und da Sie aussehen, als hätten Sie eine schwierige Zeit hinter sich, spendieren wir Ihnen obendrauf eine Massage.“

„Das ist sehr nett, aber vermutlich werde ich mich in den nächsten zwei Wochen einfach nur rigoros betrinken.“

Sie lächelte, blickte sich einmal kurz um und setzte sich neben mich. „Ist Mr Bernard, der nun nicht dabei ist, Ihr Freund?“

„Er war mein Freund. Bis vor wenigen Tagen.“

Shelly, wie ich ihrem Namensschild entnehmen konnte, seufzte tief. „Haben Sie es beendet?“

„Nein, er.“ Warum erzählte ich dieser Frau einfach so all diese persönlichen Dinge über mich?

Auf mich wartete verdammt noch mal eine Suite. Ich sollte daher keine Zeit verschwenden. Doch Shelly, die mir am Anfang recht schnippisch und blasiert vorgekommen war, wirkte auf einmal richtig freundlich. Vielleicht hatte sie aber auch nur Mitleid mit mir armseliger Kreatur.

„Autsch. Und da fahren Sie über die Feiertage wirklich ganz allein auf Urlaub? Warum tun Sie sich das an?“

„Ich wollte weg von daheim und alle Trümmer hinter mir lassen.“

Sie lächelte. „Ja, das kann ich verstehen. Falls es Sie irgendwie aufmuntern sollte: Es haben zwei oder drei Männer ohne Begleitung eingecheckt.“

„Danke für den Hinweis. Im Augenblick habe ich von Männern aber genug.“

„Oh, das sollten Sie niemals zu früh sagen“, mahnte sie spielerisch. „Gerade wenn man am wenigsten danach sucht, findet man oftmals die größten Schätze.“

Mit dieser volkstümlichen Weisheit entlockte sie mir sogar ein kleines Lächeln. „Kann sein. Ich werde mich aber vorerst auf die Bar und den Pool beschränken.“

Da ein Pärchen hereinkam und schnurstracks zur Rezeption schritt, legte Shelly das Anreiseformular zum Ausfüllen sowie die Zimmerkarte und den Massagegutschein auf den Glastisch vor mir. „Über die Feiertage habe ich praktisch Dauerdienst – ohne mich scheint dieser Spaß hier nicht zu funktionieren. Na ja, jedenfalls würde ich Ihnen gerne mal Gesellschaft an der Bar leisten. Rick mixt die besten Cocktails des Universums.“

Ich würde Ricks gesamtes Angebot an Getränken durchprobieren – mit oder ohne Shelly. Allerdings würde es mir sicher nicht schaden, zwischendurch etwas Gesellschaft zu haben, bevor ich dem Wahnsinn verfiel. Eine Frau wie Shelly war dafür wohl die bessere Wahl als einer der Singlemänner, die sich angeblich hier irgendwo herumtrieben.

Ich füllte das Formular aus, legte es auf den Empfangstresen und winkte Shelly zu, bevor ich in Richtung der beiden Aufzüge verschwand. Im siebten Stockwerk angekommen, stellte ich fest, dass es auf der Etage nur drei Zimmer gab; eine Glastür führte auf eine Terrasse. Von hier aus hatte man einen schönen Blick auf den verschneiten Garten, mit dem das Hotel – neben seinem Restaurant und den noblen Zimmern im Boutique-Stil – warb. Ich hatte noch überhaupt keinen Kopf gehabt, den Komfort dieses Hotels wahrzunehmen. Erst jetzt, da ich auf dem Weg zu meiner Suite an einem riesigen Ölgemälde vorbeiging, wurde mir bewusst, wie schön es hier war. Während ich viel Zeit für mich allein haben würde, würde ich mich auch mit bestem Essen vollstopfen. Außerdem würde ich am Pool liegen, lesen und schlafen, so viel ich wollte.

Mein Herz war zwar gebrochen, doch fing es bei dieser Vorstellung wieder regelmäßiger und schneller zu schlagen an.

Als ich meinen Koffer über den Teppichboden zog, stolperte ich plötzlich über etwas und fiel dabei fast auf die Nase. Ich bückte mich und hob eine schwarze Ledergeldbörse auf. Sie lag direkt vor der Zimmertür mit der Nummer 701.

Auch das noch!

Da ich keine Lust hatte, erneut nach unten zur Rezeption zu fahren, klopfte ich einfach direkt an die Tür. Während ich wartete, dass jemand öffnete, warf ich einen Blick ins Innere der Geldtasche auf der Suche nach einem Führerschein, damit ich den Besitzer auch einwandfrei identifizieren konnte. Dieser Typ – ein gewisser David Graham – sah selbst auf seinem Führerscheinfoto unglaublich gut aus – das musste man erst einmal schaffen. Sein Blick war starr und direkt, eine Augenbraue hochgezogen. Es schien, als fragte er: „Was wollt ihr von mir?“

Himmel, er war richtig heiß. Jetzt wollte ich ihn erst recht in natura sehen.

Ich klopfte ein zweites Mal, da dieser David Graham, wenn er denn dieses Zimmer bewohnte, noch nicht reagiert hatte.

Mein zweites Klopfen war wirkungsvoller. Nur eine Sekunde später wurde die Tür aufgezogen, und das Objekt der Porträtaufnahme stand vor mir. Am Ohr hielt er ein Handy, das er nach einer gemurmelten Entschuldigung an seine Brust drückte.

„Was ist los?“, schnauzte er mich dann doch tatsächlich brüsk an.

Äh ... hallo?! Ich hatte seine gottverdammte Brieftasche gefunden.

„Sie haben Ihr Portemonnaie hier draußen verloren“, erklärte ich und hielt besagtes Stück zwischen uns hoch.

Er riss es an sich, als wäre ich eine Diebin. „Hätten Sie es nicht einfach unten an der Rezeption abgeben können? Ich bin mitten in einem wichtigen Telefongespräch.“

„Sie können mich mal, Sie ... Arschloch“, spuckte ich ihm beinhart entgegen und hatte zur Abwechslung prompt meine guten Manieren vergessen.

Meine Beleidigung entlockte ihm jedoch nur ein müdes Schnauben, und schon warf er mir die Tür vor der Nase zu.

Schon klar: Dieser dämliche Graham war einer dieser superwichtigen Typen, die dachten, sie müssten sich nicht die Mühe machen, zu anderen freundlich zu sein. Sicherlich wusste er, wie gut er aussah. Dieses makellose Männergesicht konnte ihm bestimmt jede Tür auf der Welt öffnen. Und so war es leicht, ein Arschloch zu sein – weil er schlicht nicht höflich sein musste, um zu bekommen, was er wollte.

Ich hingegen war ein Mensch, der für Leute wie diesen Graham wohl unsichtbar war. Ich war jemand, den man kommentarlos vor seiner Tür stehen lassen konnte – wo ich nun schließlich immer noch stand und blöd dreinschaute.

Doch ich wollte mich nicht schon wieder vom nächsten unnützen Mann fertigmachen lassen. Deshalb straffte ich die Schultern und zog meinen Koffer bis zu meiner Zimmertür, die dummerweise direkt neben der von Mr. Arschloch lag. Vielleicht würde ich heute Nacht den Föhn laufen lassen oder laut Musik hören.

Gott, ja. Ich wollte ihm so richtig auf die Nerven gehen, damit er kein Auge zutun konnte.

Vermutlich verhielt ich mich gerade furchtbar unreif, aber ich sah nicht ein, mich grundlos von jemandem schlecht behandeln zu lassen.

Zugleich ärgerte ich mich, überhaupt noch einen Gedanken an diesen Blödmann zu verschwenden. Er war es einfach nicht wert.

KAPITEL 2

Thea

Sobald ich die Suite betrat, hatte ich vergessen, wie ungehobelt mein Nachbar gewesen war. Mir klappte der Mund auf, als ich den weißen Kamin neben dem riesigen Himmelbett sah. Ich hatte hier sogar ein Wohnzimmer und ein kleines Esszimmer. Im Bad stand ein Schminktisch, und die Toilette nebenan war riesig. Rote Taftvorhänge umrahmten die beiden bodentiefen Fenster. In jedem Zimmer hing ein funkelnder Lüster.

Diese Räume hatten die Bezeichnung Suite absolut verdient.

Ich zog mir meine schwarzen Lederstiefel aus und warf mich rücklings aufs weiche Bett. Die Matratze fühlte sich himmlisch an. Ich schwebte fast auf Wolke sieben. Dennoch kam ich nicht umhin, Oliver an dieser Stelle ein kleines bisschen zu vermissen. Doch es gab zwischen uns nichts mehr, für das es sich zu kämpfen gelohnt hätte. So schmerzhaft diese Erkenntnis auch sein mochte – ich musste einen Schlussstrich unter drei Jahre Beziehung ziehen.

Dies würde mir hoffentlich in diesem Urlaub gelingen.

Nachdem ich geduscht hatte, bestellte ich mir das Abendessen aufs Zimmer – so viel Luxus musste an diesem Tag sein. Ehrlich gesagt war diese Entscheidung aber meiner Bequemlichkeit geschuldet. So dinierte ich an dem ovalen Akazientisch und war, nachdem ich auch noch eine köstliche Nachspeise verdrückt hatte, pappsatt. Mir blieb nun noch die Entscheidung, mich ins Bett zu legen und dort wahrscheinlich innerhalb kürzester Zeit einzuschlafen oder dem Pool im Erdgeschoß einen Besuch abzustatten.

Ich entschied zugunsten des Pools und hatte wieder mal Glück. Denn da sich die meisten anderen Gäste wohl gerade im Restaurant aufhielten, war ich im Hallenbad ganz allein. Ich wählte eine Liege aus, schälte mich aus dem Bademantel und stieg in das herrlich warme Wasser. Die Decke über dem Pool war mit unzähligen kleinen Lichtern ausgestattet, sodass es schien, als würde man unter einem Sternenhimmel schwimmen. Sanfte musikalische Klänge und das leise Gurgeln des Wassers lullten mich ein. Nach ein paar Runden setzte ich mich auf eine geflieste Bank vor einer der Massagedüsen und schloss die Augen. Es tat gut, völlig allein zu sein und mit niemandem reden zu müssen.

Ich war schon einige Zeit im Wasser gewesen, als ich ein Platschen hörte und daher die Augen öffnete. Ich blickte mich um, sah aber zuerst niemanden im Badebereich. Dann tauchte jemand am anderen Ende des Beckens auf und schwamm mit hoher Geschwindigkeit eine Länge.

Das war’s dann wohl mit der Ruhe.

Ich beobachtete den Kerl eine ganze Weile. Bei dessen Durchhaltevermögen nahm ich an, dass er ein geübter Schwimmer war. Bahn um Bahn legte er zurück. Schließlich stemmte er sich auf dem Beckenrand hoch, verließ das Wasser und griff nach dem Badetuch, das auf einer der anderen Lehnstühle lag. Er wischte sich über das Gesicht, und als er seine Haare trocken gerubbelt hatte, erkannte ich erst, dass es sich bei ihm um den doofen Kerl handelte, der mich zuvor so derb angeschnauzt hatte.

Ich gab mir redlich Mühe, ihn nicht anzugaffen, weil er meine Aufmerksamkeit – obwohl er zugeben eine umwerfende Statur hatte – nicht verdiente. Von mir nahm der Kerl natürlich keinerlei Notiz. Er machte sein Ding und konzentrierte sich nur auf sich.

Ich ließ mich tiefer ins Wasser sinken und redete mir ein, dass dieser Typ mir so was von egal sein konnte. Er war nichts als ein Idiot. Kein Wunder also, dass er allein hier war. Welche Frau würde es schon länger mit ihm aushalten?!

Als er verschwand, atmete ich erleichtert auf. Irgendwie ging von ihm eine seltsame Energie aus.

Ich wartete eine Weile, ehe auch ich aus dem Wasser stieg, meinen Bademantel anzog und nach oben fuhr. Das Letzte, was ich wollte, war, diesem Typ noch einmal über den Weg zu laufen. Ich würde mir von niemandem meinen wohlverdienten Urlaub versauen lassen. Dafür hatte ich in den vergangenen Monaten zu hart gearbeitet.

KAPITEL 3

Thea

Der nächste Tag stand ganz im Zeichen meiner Entspannung. Ich löste den Gutschein für die Massage ein und verfiel in einen Rhythmus aus Schlafen, Lesen, Essen und Schwimmen. Am Nachmittag suchte ich die Bar auf und bestellte mir einen verführerisch klingenden Cocktail. Während ich auf dem Barhocker saß und mein Getränk genoss, wurde mir auf einmal auf die Schulter getippt.

„Ich hoffe, der ist nicht alkoholfrei.“

Lächelnd schüttelte ich den Kopf, und Shelly setzte sich ganz selbstverständlich auf den Hocker neben mich. „Nein, keine Sorge. Der hat sogar ordentlich Schuss.“

„Eine kluge Entscheidung. Ich nehme aber bloß eine Tasse Kaffee“, wandte sie sich an Rick. „Ich bin im Dienst, und mein Boss hat es nicht so gern, wenn ich nach Schnaps rieche.“

„Das könnte bei meinem nicht passieren, immerhin riecht er selbst selten nach was anderem.“

„Was machst du denn beruflich?“

„Ich bin Lehrerin. Nur deswegen darf ich es mir gerade erlauben, hier die Seele baumeln zu lassen, während andere im Weihnachtsgeschäft ersticken.“

Shelly seufzte tief. „Wahre Worte. Hätte ich bei der Berufswahl doch besser überlegt.“

Ich lachte. „Ich nehme aber an, dass die Gäste hier deutlich entspannter sind als die Eltern der Schulkinder, die mich anrufen, weil sie der Meinung sind, ich hätte ihren Wonneproppen zu hart beurteilt und ihm damit die Zukunft versaut. Dass ihr lieber Sohn aber frech, pflichtvergessen und faul ist, wird von ihnen gerne außer Acht gelassen.“

„Menschen können echte Arschlöcher sein“, bekräftigte Shelly meine Aussage. „Aber auch hier ist nicht immer alles Friede, Freude, Eierkuchen. Manchmal treten Gäste mit schlicht unerfüllbaren Wünschen an uns heran. Ich habe aber gelernt, mit ihrem Unmut umzugehen und Beleidigungen nicht persönlich zu nehmen.“

„Das ist bewundernswert“, sagte ich. „Mir gelingt das noch immer nicht.“

„Ach, sicher“, meinte sie und zuckte mit den Achseln. „Ich versuche diese Dauernörgler mit unendlicher Freundlichkeit fertigzumachen. Das hat bis jetzt gut geklappt.“

Unweigerlich musste ich an den Kerl mit der Brieftasche denken – David Graham. Obwohl ich ihn längst aus meiner Erinnerung hätte streichen sollen, hatte ich mich im Laufe des Tages bereits mehrmals heimlich nach ihm umgesehen. Ich versuchte mir einzureden, dass ich das nur getan hatte, um ihm aus dem Weg zu gehen.

„Sag mal, Shelly, der Typ, der die Suite neben mir bewohnt, ist er allein angereist?“

Shelly richtete sich auf und betrachtete mich eingehend. „Graham? Ja, das ist er.“

„Verstehe“, murmelte ich und wusste noch nicht so recht, was ich mit Shellys Info anfangen sollte.

„Bist du ihm begegnet?“

Ich stieß ein kurzes höhnisches Lachen aus. „Kann man so sagen. Ich habe gestern Abend seine Brieftasche im Flur gefunden und wollte sie ihm zurückgeben. Dass ich dafür an seine Tür klopfte und ihn von einer wichtigen Arbeit abhielt, hat ihm gar nicht gefallen. Er kommt mir wie ein absoluter Widerling vor.“

„Ja, das ist er tatsächlich.“ Sie warf einen Blick über die Schulter und beugte sich dann näher zu mir. „Seiner Familie gehören neben dem Hotel auch noch einige andere Häuser. Leider wählt er für seinen Urlaub, wenn man das, was er tut, so bezeichnen möchte, immer dieses aus.“

Ich hatte gleich geahnt, dass Graham mit einem goldenen Löffel geboren worden war. Er hatte sich durch und durch wie ein verwöhnter Bengel verhalten.

„Und was macht der?“

„Oh, er arbeitet.“

„Während der Feiertage?“

„Immer. Dieser Typ arbeitet ständig.“

„Was ist mit seinen Eltern?“, fragte ich und verbarg meine Neugier gar nicht mehr.

„Sie leben irgendwo in der Nähe von New York, haben sich aber bereits zur Ruhe gesetzt. Die Geschäfte hat Grahams Bruder übernommen. Aber Gerüchten zufolge soll die ganze Familie völlig zerstritten sein.“

„Wenn alle so ungehobelt sind wie er, wundert mich das nicht“, erwiderte ich und rührte mit dem Strohhalm in meinem Cocktail.

„Ich kenne seine Familie nicht. Nur ihn. Und er scheint besessen von diesem Hotel zu sein. Jedes Jahr zu Weihnachten ist er hier. Ganz allein. Eigentlich ziemlich armselig.“

Ich war auch allein angereist, fühlte mich aber nicht armselig, sondern frei. Dieser Graham wirkte jedoch total unentspannt.

„Ich muss jetzt wieder zurück an die Arbeit. Trinken wir mal wieder was zusammen, dann kannst du mir genau erzählen, was mit deinem Ex passiert ist.“

„Das machen wir“, stimmte ich zu, bevor Shelly wieder verschwand und ich grübelnd mein Glas leerte.

Da ich am Abend nicht schon wieder allein in meinem Zimmer essen wollte, zog ich ein elegantes schwarzes Kleid an, legte etwas Make-up auf und schlüpfte in meine schwarzen High Heels. Im Restaurant bekam ich einen Tisch für zwei zugewiesen.

Die Wände waren mit gold-weißer Tapete bezogen.

---ENDE DER LESEPROBE---