Jagt den Milan! - Thomas T. C. Franke - E-Book

Jagt den Milan! E-Book

Thomas T. C. Franke

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Beschreibung

Totgesagte leben länger! Das gilt auch für den Roten Milan. Der Gangsterboss mischt in seiner Tarnung als Staatssekretär Largo im Umfeld des Gouverneurs mit, steuert die Aktivitäten von Plünderern auf der Erde. Zu denen gehören inzwischen auch zwei ehemalige Amazonen, Anna-Maria Cruz und Aki Kawabata, die nach ihren traumatischen Erlebnissen auf Encke als dienstunfähig gelten. Die Aktivitäten der Gangster bleiben nicht unbemerkt, so dass General Weißkamm die Parole ausgibt: Jagt den Milan! Die Plünderer bergen derweil einen besonderen Schatz, das berühmte Bild „Das Lächeln der Mona Lisa“. Der Milan will es persönlich abholen, die Information erreicht Chet Morrow, es bleiben der Besatzung aber nur wenige Stunden für ein Eingreifen …

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IN DIESER REIHE BISHER ERSCHIENEN

e601  Thomas T. C. Franke Ad Astra 01: Franke Schatten über dem Marse602  Thomas T. C. Franke Ad Astra 02: Die Kometenfallee603  A.N. O’Murtagh Ad Astra 03: Söldner der Galaxise604  Melanie Brosowski Ad Astra 04: Gestrandet in der weissen Höllee605  Thomas T. C. Franke Ad Astra 05: Jagt den Milan!e606  Melanie Brosowski Ad Astra 06: Das Maki-Komplott

JAGT DEN MILAN!

AD ASTRA – CHET MORROWS WEG ZU DEN STERNEN, NEUE ABENTEUER

BUCH 5

THOMAS T.C. FRANKE

Copyright © 2024 BLITZ-Verlag  

Hurster Straße 2a,  51570 Windeck

In Zusammenarbeit mit

Heinz Mohlberg Verlag GmbH, Pfarrer-Evers-Ring 13, 50126 Bergheim

Titelbild: Mario Heyer unter Verwendung der KI Software Midjourney

Umschlaggestaltung: Mario Heyer

Logo: Mario Heyer

Satz: Gero Reimer

Alle Rechte vorbehalten

Die Printausgabe des Buches ist 2012 im Mohlberg-Verlag erschienen.

ISBN: 978-3-9420-7972-3

www.Blitz-Verlag.de

ISBN: 978-3-7579-6898-4

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INHALT

Zuletzt bei Ad Astra

Eine Kobra mit Folgen

Auftakt auf dem Mars

Unerwartete Rückkehr

Aufatmen nach dem Gefecht

Manöver mit Hindernissen

Zweimal Schlagabtausch

Unter Plünderern

Nächtlicher Überfall

Im Hauptquartier der Plünderer

Schachzüge

Quartier der Plünderer

In den Trümmern von Paris

Ein Schritt durch den Feuerring

Botschaften und Probleme

Kampf in St. Petersburg

Eine Feier mit Nachwirkungen

Zurück im Kampf gegen die Plünderer

Unerwartete Enthüllung

Die Jagd beginnt

Jäger im Versteck

Epilog

Über den Autor

ZULETZT BEI AD ASTRA

Chet Morrow erhält von den Makis, den Aliens, die vor einigen Monaten das Sonnensystem erreichten,– die Einladung, deren Heimatplaneten, der um eine kleine rote Sonne kreist, zu besuchen. Dazu nehmen die Makis den Transmitter in Betrieb, den sie den Menschen überließen. Unter Führung des Makis Teddy bricht Chet mit einer kleinen Gruppe Begleitern auf, zu der auch Svetlana Bachmann, die Dyna-Pilotin und Amazone gehört. Bis zur Heimatwelt der Makis sind es mehrere Etappen, die Makis haben Stationen auf Planeten hinterlassen, die Lichtjahre auseinander liegen. Beim Stopp auf einer eisigen Welt gibt es ein technisches Problem, die Gruppe ist gestrandet, kann weder zurückreisen noch um Hilfe rufen. Doch sie sind nicht alleine, beim Versuch, einen Schutz vor der mörderischen Kälte zu finden, stoßen sie auf einen menschenähnlichen Alien, der sich Cayden Vaughan nennt. Tatsächlich ist er auf der Erde aufgewachsen, sein Vater stammt von Sodor, er war einer der Sodoraner, die auf der Erde friedlich im Exil leben wollte. Die Siedlung, in der Caydens Familie lebte, wurde überfallen von Menschen, die die Geisteskräfte der Sodoraner fürchteten. Cayden versuchte darauf, mit einem Schiff seiner Vorfahren die Heimat zu erreichen, musste aber hier notlanden. Cayden, der Menschen nach seinen Erfahrungen hasst – und Chet dies spüren lässt, kann schließlich überzeugt werden, der Gruppe zu helfen. Kurz bevor die Vorräte endgültig zur Neige gehen, können sie sich retten …

EINE KOBRA MIT FOLGEN

Als Dirty Dirk das Stemmeisen ansetzte, um die Tür aufzubrechen, zuckte Anna-Maria Cruz bei dem lauten Geräusch zusammen. Verdammt, das muss doch auffallen. Sie hörte aber keinen Alarm. Der verrückte Holländer machte in aller Ruhe weiter, drückte, riss und fluchte. Es klang nach Godverdomme oder so ähnlich.

Anna, bis vor kurzem in staatlichen Diensten, musste grinsen, trotz der gefährlichen Situation. Und so einer nennt sich professionellerEinbrecher.Dabei kann jeden Moment eine Wache auftauchen, oder eine Patrouille. Außerdem fror die Amazone jämmerlich, trotz des Parkas mit der dämlichen gelben Farbe. Sie rieb die Handschuhe aneinander, patschte auf ihre Oberschenkel. Aki Kawabata drehte das Gesicht kurz zu ihr, schüttelte den Kopf. Bleib ruhig, sollte das heißen.

Anna brachte es nicht fertig, ihrer Freundin länger ins Gesicht zu sehen. Die rötliche Narbe zog sich über die Stirn, sah aus wie eingebrannt. Der verdammte Milan und seine Bande. Brutale Handlanger des Gangsterbosses hatten Aki das angetan. Annas Narben lagen nicht so offen, aber sie trug schwer daran, wurde wütend, wenn sie nur dran denken musste. Jetzt helfen wir ausgerechnet diesen Bastarden! Anna konnte sich kaum beruhigen. Gut, dass Dirk gerade das Stemmeisen wie einen Speer schwang. Das Zeichen!

„Alons si, Leute! Es geht los. Jetzt könnt ihr Süßen mal zeigen, was ihr drauf ’abt.“ Zizou, der Anführer der Truppe, stupste Anna und Aki an, setzte sich selbst in Bewegung. Der kleine Franzose schien sich bestens auszukennen, Anna lief in der Dunkelheit über den glatten Asphalt.

In besseren Zeiten sind hier Airbusse drüber gerollt. Nun zählte nur das hier und jetzt, es ging um jede Minute. Dirk stand an der aufgebrochenen Hangartür und grinste die beiden Frauen an, als sie an ihm vorüberhasteten. Zizou lief weiter, hatte seinen Armbandcomp zur Taschenlampe umfunktioniert. Das war bitter nötig, innen war es stockfinster.

„Alors, da ist sie. Nicht ganz ’eil, aber sie fliegt. So ist unsere gute Hermioneja hier reingekommen.“

Anna hatte sich innerlich auf Schlimmes gefasst gemacht. Aber dass es so schlimm aussah. Die Hermione war der Stolz der europäischen Flugzeughersteller … nun, ja, gewesen. Es war im Original ein kleiner Shuttle, der mit Hilfe von Boostern in den Weltraum starten konnte. Zurück ging es, ganz klassisch, als Segelflugzeug.

Bis ein Idiot an ihr herumgepfuscht hat.

Jetzt sah der kleine Raumer, der als neues Herz tatsächlich über einen Reaktor verfügte, aus, wie eine S-Bahn mit Stummelflügeln. Überall war etwas angeschweißt worden, es sah nicht wirklich flugtüchtig aus.

„Nee, ne?“ Anna platzte heraus. „Damit sollen wir fliegen? Bin nicht mal sicher, dass wir das Ding heil vom Boden bekommen. Hat es Energie?“

„Na, ’abt ihr den Mund zu voll genommen? Unsere Crew ist damit geflogen, rien problème. Bis sie der verfluchten ´Orizont in den Weg kam.“

Anna sah die schwärzlichen Verfärbungen auf dem Rumpf, dazu die wenig vertrauenswürdig aussehenden Schweißnähte: Der Antrieb war repariert worden. In Zeiten wie diesen schmeißt man eben nichts weg. Aber verdammt, sie sollten es besser bewachen. Anna schüttelte den Kopf.

Muss die alten Gedanken loswerden. Sie sah zu Aki, die an der Schleuse stand, sich ansah, ob sie den Raumer aufbekam, oder ob Dirty Dirk oder einer der anderen vier Männer hier Gewalt anwenden musste. Die Männer trugen Nadler, bis auf Zizou. Anna lief hinüber zu Aki. „Was meinst du?“

„Himmelfahrtskommando! Aber das wussten wir ja vorher. Also, Rolling, rolling, ro …“

Anna schüttelte stumm den Kopf. Seit sie beide Geiseln auf Encke gewesen waren, sang sie das nicht mehr. Aki verstummte, zog ihren Handschuh aus, tastete am Schleusenöffner. Ein winziges Kontrolllicht blinkte, für Bruchteile einer Sekunde. Erst gelb, dann grün. Bingo! Aki grinste, während Zizou ihr begeistert auf die Schulter hieb.

„Bien, gut gemacht!“ Er drehte sich um, blinkte mit dem Comp. Zweimal kurz an und aus. „Okay, sie machen das Tor auf. Das könnte … äh … den Alarm auslösen. Ihr ’übschen solltet euch beeilen.“

Anna schnaufte nur, inzwischen hatte sie kapiert, dass diese Verrückten jedes Risiko eingingen. Entweder, wenn der Boss nicht dabei war, oder aus Furcht, es dem Boss nicht recht zu machen. Sie sprintete durch den Laderaum des Shuttles, stolperte über leere Verpackungen und einen Plasstahl-Streifen, hämmerte auf den Lukenrand, der zum Cockpit führte. Aki drückte sie sanft zur Seite. „Lass mich mal.“ Sie tastete. „Hey, Frenchy, leuchte mal hierher!“ Aki schien sich auf die Begleitung eingestellt zu haben, Zizou knurrte kurz wegen des Schimpfnamens, gehorchte aber, schließlich wollte auch er weg.

Anna sah die Tastatur, den Zahlenblock. „Verflucht, warum habt ihr mit dem Öffnen der Hangartore nicht gewartet? Jetzt kann es uns hier erwischen.“

Aki tippte in einem Wahnsinnstempo. Einmal, zweimal, dreimal, viermal … Anna schaute wie hypnotisiert auf die Lampe, als wolle sie den Farbwechsel erzwingen. Grün! Viel zu langsam für ihr Gefühl rutschte die Cockpittür in die Versenkung. Im Nu sprangen beide Amazonen auf die Pilotensitze, die für sie viel zu weit hinten standen. Anna knurrte wieder, rutschte nach vorne, starrte auf die Anzeigen. Im Licht von Jeans Armbandcomp versuchte sie sich zu orientieren. Da! Sie tastete nach einem Sensor, die Beleuchtung im Cockpit flackerte, dann blieb sie an.

„Okay, soweit so gut, Energie ist vorhanden.“ Anna sah zu Aki, die biss sich auf die Lippen, ihre schwarzen Haare schienen zu glänzen. Sie schwitzt, genau wie ich. Anna rieb die Handflächen am Oberschenkel ab. „Gut, schätze, wir haben nur einen Versuch!“

Aki blieb stumm, schaute zu Anna und zu Zizou, der auf dem Sitz des Bordingenieurs Platz genommen hatte. Anna berührte den rot blinkenden Sensorknopf. „Triebwerk an!“

Jetzt gibt es kein Zurück mehr. Wir stehlen ein Schiff, holen es zurück, wie auch immer.

Zizou brüllte begeistert, als er das Triebwerk spürte. Anna schaute skeptisch, die Hälfte der Anzeigen, die grün zeigen mussten, waren tot. Aber was ist hier schon normal?

„Halt dich fest! Keine Ahnung wie sie reagiert!“, brüllte Anna, gab mehr Schub. Das Schiff rüttelte, bewegte sich. Zentimeterweise. Jean brüllte etwas in seinen Comp. Anna und Aki konnten sehen, dass einer der Männer die Hangartür ganz geöffnet hatte, per Hand. Plötzlich flackerten die Lichter im gesamten Hangar, zwar gingen nur wenige an, aber esreichte völlig. Okay, soweit zum Thema: Unauffällig klauen! Die Hermione rollte auf ihrem Fahrwerk langsam los, etwas rumpelte. Na, toll, ein Plattfuß. Hat uns noch in der Sammlung gefehlt.

Damit war der Start noch ein bisschen gefährlicher geworden, ganz zu schweigen von der nächsten Landung. Doch bis dahin wollte Anna nicht voraus denken. Die Hermione passierte die Tore, die restlichen Gangster sprinteten auf das langsame Schiff zu, Anna war es egal, ob es alle schafften. Zizou schien es auch so zu sehen, es kam kein Widerspruch, Anna hörte hinter sich ein Rumpeln.

Okay, alle an Bord! Die Kontrollleuchte für die Schleuse, die hektisch rot geblinkt hatte – mit offener Schleuse sollte man eben nicht starten – zeigte nun ein beruhigendes grün. Anna fühlte dennoch, wie im Magen Schmetterlinge zum Taumelflug ansetzten.

„Verdammt, die Patrouille!“ Aki hatte sich dafür den verdammt schlechtesten Zeitpunkt ausgesucht, sie hatte es in der Zwischenzeit sogar geschafft, den Sitz vernünftig einzustellen, angeschnallt war sie auch. Anna machte eine kurze Bewegung mit dem rechten Zeigefinger, das reichte. Schließlich waren sie lange genug Seite an Seite geflogen, in der Aella.

Vor Ewigkeiten. Jetzt war nicht die Zeit für besinnliche Gedanken. Schluss, Aus, vorbei! Wir müssen nur sehen, dass sie uns unsere hübschen Ärsche nicht abschießen.

Aki übernahm den Joystick, die Japanerin war immer gerne ruppig geflogen, diesmal war es goldrichtig, auch wenn sich Anna fast den Arm ausgekugelt hätte, als sie sich anschnallen wollte, während Aki gleichzeitig Vollschub gab.

„Merde!“ Zizou fluchte, aber er war angeschnallt. Anna grinste wieder, für die Jungs hinten im Laderaum war es ungemütlicher. Sie schaffte eine kurze Ansage. „Das wird ein bisschen rau, Jungs. Ihr wisst schon, ad astra!“, brüllte sie über Bord-Vid. Dirty Dirk und die anderen hinten mochten so laut brüllen, wie sie wollten, es ging gerade alles im Höllenlärm des Triebwerks unter. Und wenn sie sich den Hals brechen, mir egal. Nur weg von der Patrouille.

Anna sah die Anzeige. Ein Dyna! Kurz wurde ihr schlecht. Bitte lass es nicht die Aellasein, oder die Antiope, ich will keiner Amazone weh tun!

Dass jeder Dyna der zusammengeschusterten Hermione im Gefecht haushoch überlegen war, daran dachte Anna nicht, sie konzentrierte sich auf die Sensordaten. Das Profil stimmt nicht! Anna hatte die Luft angehalten, während sie die Anzeige musterte, hektisch atmete sie aus.

„Okay, das ist einer von den alten Shuttles, aus der Jupiter-Serie.“

Der brachte längst nicht die Beschleunigungswerte eines Dynas zustande, aber es würde verdammt eng werden. Aki ließ die Hermione abheben, steil riss sie die Maschine hoch. Kein Pilot wollte seinen Gegner zum Entenschießen einladen. Erst mal hieß es: weg von hier!

„Entfernung fünf Kilometer, kommt rasant näher. Verdammt, sie sind so verflucht viel schneller als wir beschleunigen können!“ Aki, die sonst so coole Aki, klang etwas schrill.

Zum letzten Mal ist ihr das bei ihrem ersten Dyna-Flug passiert. Anna wusste noch genau, wie Aki so ein verrücktes Manöver …

„Hey, geben Sie einfach auf!“ Brüllend laut hörten sie nun die Stimme, der Bord-Lautsprecher schepperte, der Pilot des Jupiter klang lässig, fand Anna. Sie wurde wütend. „Verdammt noch mal, verpiss dich!“, brüllte sie zurück, gab damit ihre Tarnung auf. Spätestens beim Auswerten des Vid-Verkehrs würde jemand ihre Stimme erkennen. Anna war es egal.

„Oh, Mädchen, du weißt gar nicht, was du dir für einen Ärger einhandelst! Ich gebe dir eine letzte Chance. Lande das Ding schön wieder da, wo du es geklaut hast, dann steigst du aus. Vielleicht lassen wir dich dann laufen.“

Der Typ ist verdammt von sich überzeugt. Was glaubt der eigentlich, mit wem er es zu tun hat? Mit Kindern?

Aki ließ die alte Hermione taumeln, probierte alles, doch der Jupiter kam unerbittlich näher. Flog Mach 2, sie hatten gerade erst die Schallmauer durchbrochen. Eine Leuchtspur-Garbe zischte am Cockpit vorbei. Rot, rot, rot.

Wenn wir ihn nur vor das Rohr bekämen. Anna tastete nach den Kontrollen, tatsächlich, sie besaßen einen Nadler, so etwas hatte ihr Verfolger nicht. Aber selbst die alte Gatling reichte für die lahme Ente Hermione.Lange geht es nicht mehr gut.

Anna wollte den Joystick zurück, machte eine kurze Geste. Aki zwinkerte, ihr lief der Schweiß über die Stirn, in die Augen. Sieht aus, als ob sie weint. Doch die Japanerin weinte nicht, sie hielt den Joystick krampfhaft fest.

„Verdammt, ich weiß, ich kann es!“, brüllte Aki. Wieder zischten rotglühende Punkte am Cockpit vorbei. Der Jupiter war nun verdammt nah, klebte an ihrem Heck.

„Okay, letzte Warnung, Kleine. Letzte Warnung! Du gehst jetzt brav auf Gegenkurs, bringst die Kiste dahin zurück, wo du sie geklaut hast. Du hast fünf Sekunden Zeit! Vier, drei …“

Plötzlich wusste Anna, was Aki vorhatte. „Aki, nein!“

Aki fletschte die Zähne. „Und ob!“ Sie ruckte am Joystick, die Hermione bebte, beschleunigte brutal, gleichzeitig riss Aki die Nase der Maschine hoch, nahm dann den Antrieb weg. Kobra hieß das Manöver, so wie die Schlange stellte sich die Hermione aufrecht, verlor zugleich an Schwung, sackte durch. Alles kam zu überraschend für den Verfolger, der haarscharf über sie hinwegbrauste. Während die Nase der Hermione wieder nach vorne fiel, startete Aki den Antrieb neu. Perfektes Timing! Kaum wieder in der Fluglage, ruckte die Maschine an, lag nun perfekt für einen Schuss, Anna hämmerte auf die Kontrolle, der Nadler spuckte für Sekundenbruchteile tödliche Strahlen aus. Rot! Der Nadler war wieder tot, die Waffe war nicht mehr zu gebrauchen, sie hatte ihre Schuldigkeit getan. Anna sah, wie es im Heck des Jupiter aufleuchtete, jetzt taumelte die Maschine, Rauch quoll heraus.

Hoffentlich hab ich sie nicht umgebracht!

Der Jupiter wackelte, dann sprengte sich das gesamte Cockpit ab. Anna und Aki sahen, wie ein Fallschirm rot-weiß aufblühte, nun mitsamt dem Cockpit langsam zur Erde schwebte, während der Jupiter in einem rasanten Steilflug abschmierte.

Nicht dass da unten jemandem was passiert.

Dass seit der Katastrophe, die die Erde fast vernichtet hatte, hier niemand mehr lebte, hatte sie verdrängt. Ein letztes Mal meldete sich der Pilot des Jupiters, er klang nicht mehr selbstsicher, vielmehr wütend. „Verflucht, verflucht, Mädchen! Scheiße, das wirst du mir büßen! Du hast keine Chance, hier zu entkommen.“

„Dafür müsst ihr mich erst mal kriegen. Sag bloß, dass du das Beste bist, was ihr derzeit zu bieten habt …“ Anna ließ den Satz in der Luft hängen, Aki schaltete den Funk ab. Ab jetzt krochen sie in Bodennähe, damit sie aus dem Orbit nicht zu orten waren.

„Magnifique! Excellent! Bravo!“, brüllte Zizou in diesem Moment, er schnallte sich los, stellte sich hinter die Sitze, schlug beiden Amazonen auf die Schultern. „War wirklich Wahnsinn. ’abt ihr gezeigt, dass ihr Eier ’abt!“

„Schön, dass du das einsiehst. Jetzt solltest du mal nach hinten schauen, wie es dem Rest geht, ich fürchte, die hatten ein paar Probleme!“

Außerdem mussten sie zusehen, dass sie das Versteck erreichten, wo die Maschinen von der Oberfläche verschwinden konnte. Denn bald würde eine große Suchaktion starten, soviel war klar. Anna grinste über beide Backen, während Zizou im Heck blaue Flecken zählte, den unbeschreiblichen Geruch von Erbrochenem wahrnahm, und sich die Flüche seiner Männer anhören musste, die sich über diese Wahnsinnigen ausließen. Anna stupste ihre Freundin Aki an. „Haben wir doch gut gemacht. Also!“ Wie auf Kommando begannen sie zu singen, nicht schön, dafür laut. „We are the champions, my friend …“

AUFTAKT AUF DEM MARS

Sechs Wochen zuvor: Anna-Maria Cruz war wütend, wieder einmal, sie sagte es nicht laut, schaute nur zu ihrer Freundin. Aki Kawabata, einst ihre Intimfeindin, war ihre einzig verbliebene Verbindung zu ihrem alten Leben. Amazonen, so hatten sich die zehn ersten Dyna-Pilotinnen genannt, stolz auf die eigentlich gar nicht als Kompliment gedachte Bezeichnung, aber das war eben vor der Katastrophe gewesen. Jetzt lebten nur noch acht der Pilotinnen, soweit wir wissen, dachte Anna. Und ihre enge Verbindung war zerstört seit der Gefangenschaft, in die sie beide auf dem Kometen Encke geraten waren. Seitdem war nichts mehr wie zuvor.

Bloß weil ich das verdammte Schwein umgebracht habe.

Anna musste wieder an die verfluchten Tage als Gefangene der chinesischen Gangster denken, was sie mit ihr und Aki gemacht hatten. Die Mexikanerin schaute wieder in Akis Gesicht, zwang sich dazu, die Narbe zu studieren, die die brutalen Handlanger des Milan bei Aki hinterlassen hatten. Ihre Platzwunde an der Augenbraue war nicht behandelt worden, dafür hatten sie Aki ansonsten in Ruhe gelassen, wie sie es ausdrückten. Anna erschien den Männern hübscher, sie hatte deswegen andere Demütigungen erlitten. Dafür hab’ ich mich gerächt an den Schweinen. Bei der Racheaktion hatte sie auf nichts und niemanden Rücksicht genommen, sie hatte auch die Rettungsmission in Gefahr gebracht.

Posttraumatische Belastungsstörung, mit diesem Urteil hatten Simon Weißkamm und Co. sie nach ihrer Rettung und der Rückkehr auf den Mars dann zunächst vorübergehend aus dem Verkehr gezogen. Anfangs hatte Anna gehofft, Chet oder der General würden sich für sie verbürgen, ihnen eine Brücke bauen. Damit wir wieder fliegen können. Ohne die beknackten Eierköpfe überzeugen zu müssen. Aber nichts da, wochenlang hatten sie beide auf Eis gelegen, ohne, dass es vorangegangen wäre. Die äußerlichen Wunden waren schließlich verheilt, doch dann hatten Anna und Aki sich geweigert, mit den Psychologen immer und immer wieder über ihre Gefangenschaft zu reden.

„Verdammt, ich bin kein Psycho!“ Selbst Aki war dann explodiert, die Japanerin wollte sich zudem nicht die Narben kosmetisch entfernen lassen, was die Schrumpfköpfe natürlich auch gegen sie verwendet hatten. Und so standen die beiden Mitglieder des ehemaligen A-Teams schließlich vor dem Aus als Dyna-Pilotinnen. Selbst die dritte im Bunde ihrer Dyna-Besatzung, Arwana Lal, hatte sich von ihren Freundinnen abgewandt, so sahen die das zumindest. Schließlich hatte Arwana noch am Tag vor der Entlassung auf sie beide eingeredet, sich doch zum Hangarpersonal versetzen zu lassen. „So seid ihr wenigstens weiter bei uns, irgendwann lassen sie euch vielleicht wieder fliegen.“

Die hatte gut reden, schließlich war Arwana sowieso mehr Ingenieurin als Pilotin, zudem hatte sie Barny Owl becirct, deswegen durfte sie auf der Horizont aushelfen. Anna war nicht auf diese Verlockung eingegangen, die weder für sie noch für Aki eine echte Alternative war.

Künftig Schraubenputzer, PC-Gucker oder Krankenschwester – das können die vergessen!

Anna blieb stur, genau wie Aki. Anna hatte es ganz klar ausgedrückt. „Wenn ihr uns nicht mehr fliegen lasst, dann haben wir hier nichts mehr verloren.“

Anna erinnerte sich gut an diesen Tag in Port Hope, Megan Riordan war dabei gewesen, auch sie eine alte Freundin. Ex-Freundin korrigierte sich Anna. Jetzt sind wir Ausgestoßene.

Megan, die Verlässliche, die Chefin, die hatte an jenem Tag einen letzten Versuch gestartet, sie zu überzeugen, nicht zu gehen, aber Anna hatte sie schroff unterbrochen. „Vergiss es!“

Da weder die Reste der UNO-Verwaltung noch überhaupt Offizielle auf dem Mars Verwendung hatten für zwei dienstuntauglich geschriebene Pilotinnen, hatten sich Anna und Aki somit plötzlich alleine im Chaos des Mars wiedergefunden. Ein paar Mal noch hatten Sandy und Tom und selbst Chet Morrow versucht, mit ihnen in Verbindung zu treten, was nicht nur wegen der miesen Unterkunft, in der sie jetzt hausen mussten, schwierig geworden war. Weil es dort keine Haustechnik gab, keine Verbindungsmöglichkeit. Und wo sonst ihr Armbandcomp prangte, war derzeit nur ein Stück weißer Haut zu sehen: Ihre letzte direkte Verbindung zum alten Leben hatten sie mit der Entlassung abgeben müssen.

Wer jetzt mit uns quatschen will, muss sich direkt melden. Anna rieb kurz über die Augen. Verdammt, bloß nicht heulen.

Seit der Entlassung waren sie auf Jobsuche. Die Stellen auf den offiziellen Frachtern, die geborgene Güter von der Erde zum Mars transportierten, die hatten sie nicht bekommen. Niemand wollte zwei Pilotinnen, die den Stempel PTBS trugen. Über ihnen schwebte ein unsichtbares Schild, darauf stand: Vorsicht! Die sind gaga, unberechenbar, gefährlich für sich und andere. Es wurmte sie mächtig, dass sie auch bei den privaten Unternehmern, die alles fliegen ließen, was nicht gleich bei der Startbeschleunigung auseinanderbrach, keine Chance bekamen. Ein zerstörter Plas-Tisch, eine halb eingetretene Aluplas-Tür und Gebrüll: das war zuletzt Annas Art gewesen, auf Ablehnungen zu reagieren.

„Dabei bin ich eigentlich cool geblieben bei den Absagen.“

„Oh, klar. Nur der arme Kerl, den du da so angeschrien hast, der brauchte danach einen Ohrenarzt. Geplatztes Trommelfell. Aber sonst …“

Anna merkte erst bei Akis Replik, dass sie soeben laut gesprochen hatte. Sie kehrte zurück ins Jetzt und Hier. Und das bedeutete: Sie beide saßen an einem Tisch in einer Spelunke, warteten auf einen Mann, der ihnen tatsächlich ein Jobangebot versprochen hatte. Und nun kam dieser Mann an ihren Tisch: Sigurdur Kristiansson nannte er sich, er sah tatsächlich aus wie ein Wikinger, stilecht mit Bart. Zudem war der Mann erst seit kurzem auf dem Mars, so wuchtig, wie er aussah, außerdem sprach er ein komisches Englisch bei der Begrüßung, ließ sich nun mit einem Seufzen auf dem einzig verbliebenen Stuhl nieder. „Schön, ihr habt es also geschafft!“ Dann erzählte er von seinem Angebot: Sie sollten für ihn fliegen, auf der Erde! Anna blickte ihn an, er war der erste Plünderer, den sie zu Gesicht bekamen.

Ausdrücklich bestätigte er es natürlich nicht, dass er zu den Gangstern gehörte, die auf der Erde derzeit ohne jede Rücksicht Beschädigtes endgültig dem Boden gleichmachten, nur um sich seltene Kunstwerke zu sichern, oder Unwiederbringliches aus Museen zu rauben, ebenso wie gesuchte Technik. Anna wusste, dass einiges auf dem Schwarzmarkt wieder auftauchte, anderes aber verschwunden blieb. Denn manche Reiche sicherten sich Geraubtes direkt für ihre Mars-Besitzungen. Und die Behörden hatten genug zu tun, um das Überleben der Menschen zu sichern, konnten sich nicht um die Plünderer kümmern. Nur wenn die Gewalt anwendeten, wenn Überlebende zu Schaden kamen oder Wiederaufbau-Teams attackiert wurden, dann versuchten Polizisten derzeit, etwas dagegen zu unternehmen, mit geringem Erfolg. Sigurdur erklärte umständlich, was er von ihnen erwartete, dabei nutzte er dämliche Anspielungen.

„Sagen wir mal, ich hätte da eine etwas haarige Angelegenheit zu erledigen …“ Der Isländer riss den Mund auf, deutete auf die Haare der Amazonen, aus dem Mund Sigurdurs kam ein merkwürdiger Laut.

„Das soll ein Lachen sein?“ Anna schaute ihn an, schüttelte dann den Kopf. „Okay, du hast also einen Job für uns, für den wir mit dir reisen sollen. Eine haarige Angelegenheit, schön. Und du willst uns nicht genau verraten, wohin es geht?“

„So ist es, ihr Hübschen!“

„Und du bist auch sicher, wen du hier anheuern willst? Du weißt, was wir sind, na ja, was wir waren?“

Sigurdur grinste, dann nickte er. „Oh, ja! Auch wenn ihr den offiziellen Vid-Ausschnitten, die es von euch gibt, nicht mehr richtig ähnlich seht. Aber die Vorstellung der Amazonen ist ja schon ein paar Jahre her.“

„Okay, du Idiot! Und von den Vids weißt du auch, was wir zuletzt getan haben.“

Wieder kam das kurze Nicken, dann schaute der Gangster sie finster an. „Ihr seht gar nicht gefährlich aus, aber das seid ihr wohl, nach allem, was von Encke durchgesickert ist. Jedenfalls meint mein Auftraggeber, ihr wärt die Richtigen für den Job. Und ihr könnt bei uns zeigen, wie gut ihr wirklich seid. Wie steht es nun, haben wir einen Deal?“

Mehr ließ er sich nicht entlocken, natürlich wussten sie beide, dass sie sich damit auf krumme Geschäfte einließen, doch sie waren gestrandete Ex-Pilotinnen. Ohne große … nein: ganz ohne Perspektive! Bisher hatten sie zu den Guten gehört, doch wenn sie auf dieses Angebot eingingen, brachen sie alle Brücken hinter sich ab.

„Verdammt, weißt du, was du da anbietest? Und was ist mit unseren Freunden?“ Anna wäre fast laut geworden. Nicht dass die falschen Ohren zuhörten. Auch der Isländer zuckte kurz zusammen, dann deutete er mit dem Zeigefinger erst auf Aki, dann auf Anna. „Okay, Mädchen, wenn es eure Freunde noch gut mit euch meinten, dann säßen wir nicht hier. Und ihr würdet nicht mit mir sprechen. Tun wir aber, und das heißt: Es gibt niemanden mehr, der euch hilft. Wenn ihr also nicht betteln, oder … hm … auf andere Weise eure Riegel verdienen wollt, dann bleibt euch keine Wahl.“ Er holte kurz ein Stück Aluplas heraus, ließ es sie sehen, ehe er es wieder in seinem Parka verschwinden ließ. Anna hatte nur Momente darauf schauen können. Die Silhouette war zwar seit fast einem halben Jahr aus den Vids verschwunden, doch Anna hatte keine Zweifel. Verdammt, der Milan!

„Schön und gut, damit kann aber jeder wedeln, weißt du.“ Anna war nicht so leicht mundtot zu machen, leicht zu beeindrucken war sie erst recht nicht. Sigurdur zuckte die Schultern. „Denkt, was ihr wollt, passt aber auf, was ihr sagt. Der Chef mag keine Plaudertaschen.“

„Was?“ Anna platzte heraus. „Also, du kannst ja für den da …“ Ihre Linke wedelte in Richtung der Parkatasche, in der der Isländer das Symbol hatte verschwinden lassen. „Also, für den kannst du vielleicht mal gearbeitet haben. Aber der Big Boss ist tot, hat sich selbst einen tödlichen Trip gebraut.“

Der Isländer griff noch mal in seine Tasche. „Aber, aber, junge Frau. Was sie da alles vermuten.“ Dann präsentierte er seine geschlossene Pranke, öffnete sie ein zweites Mal. Diesmal fiel das Stück auf den Tisch, Aki legte schnell ihre Hand drüber. „Aber …“ Sie hob ihre Hand, Anna und sie glotzten einen Moment auf das Teil, die Silhouette sah nun aus wie ein springendes Pferd. „Verdammt. Ich könnte schwören…“ Anna murmelte etwas von Taschenspielertrick. Sigurdur schaute wieder beide an, trank einen Schluck Whiskey aus seinem viereckigen Gefäß. „Ich sage nur: Glaubt nicht alles, was man so erzählt. Auch nicht über Raubvögel.“ Er nickte ihnen zu. „Also, wie steht es mit euch? Macht ihr mit?“ Und so wurden sie beide Helfer der Plünderer.

* * *

„Wir haben einen Hinweis!“ Linda Moham sah ihren Chef an. Er sieht verdammt müde aus. Als ob er die ganze Last der Überlebenden tragen muss.

„Machen Sie es nicht so spannend, meine Liebe.“

Der amtierende Geheimdienstchef Simon Weißkamm rieb sich mit der rechten Faust über das Auge, dann lächelte er seine beste Agentin an. „Sagen Sie bloß nicht, die Geschichte mit den Makis …“

„Oh, nein, Sir!“ Linda schüttelte den Kopf. „Heute keine Verschwörungstheorien!“ Linda nahm sich zusammen.

Wenn ich nur endlich mal was Handfestes hätte. Aber so lange halte ich jetzt lieber die Klappe, weil alle Welt die Makis so nett findet, ich auch. Aber verdammt, sie sagen uns nicht in allem die Wahrheit.

„Nein, Sir, viel marsianischer diesmal: Wir haben einen Hinweis, dass dieser verdammte Gangster noch lebt!“

„Verdammt, Sie meinen der Rote …“

„Milan lebt? Exakt! Das hat mir eine unserer verdeckten Quellen verraten.“

„Wissen wir Genaueres?“

„Leider nicht, der Hinweis wurde aufgeschnappt in einer Kneipe. Jemand aus der Truppe hat neue Mitarbeiter rekrutiert, dabei hat er ein bisschen zu laut getönt. Wobei das Risiko gering war, erwischt zu werden, in der Kneipe laufen eigentlich nur Ex-Knackis herum. Und solche, die bald einsitzen werden.“

Weißkamm wollte keine weiteren Einzelheiten wissen, dafür hatte er schließlich Linda und andere Agenten. Er überlegte. „Verdammt. Egal, ob das stimmt oder nicht, wir haben ein Problem. Entweder, wir sind damals getäuscht worden, oder jetzt hat ein Neuer die Geschäfte übernommen. Ich muss mir in jedem Fall die alten Unterlagen noch mal vornehmen, auch mit Staatssekretär Largo reden über seinen verstorbenen Mitarbeiter. Wenn der es nicht war, du meine Güte, wer ist dann der Boss, hm?“ Linda wartete geduldig. Nach einem „Hm!“ des Chefs folgte unerbittlich ein Nachsatz, der es gewöhnlich in sich hatte. „Okay, geben Sie das an alle weiter. Verdammt, auch an Onkel Tolja. Für alle gilt: Jagt den Milan!“

UNERWARTETE RÜCKKEHR

Zwei Tage nach dem Treffen in der Kneipe gingen Anna und Aki auf dem Landefeld neben der Werft in Mars-Port an Bord eines altersschwachen Shuttles, nur mit einem Minimum an Gepäck in den Bags. Viel haben wir ja sowieso nicht. Sie mussten sich im hinteren Teil des Shuttles aufhalten, nicht einmal richtige Sitze gab es dort. Sigurdur deutete auf eine alte Transportkiste, Anna kommentierte es drastisch. „Na, toll. Wenn beim Start was passiert, sind wir Mus.“

Unerwartet sanft hob der Shuttle dann aber ab, Anna und Aki hätten es nicht besser gekonnt. Der Shuttle dockte zum Rendezvous im Orbit nach knapp einer Stunde an, ein altersschwacher Frachter nahm sie auf, ein Glatzkopf empfing sie am Ende der Verbindungsröhre. Sigurdur war vorangeschwebt, Anna und Aki waren noch nicht richtig an Bord, als ihre Ohren empfindlich knackten, es gab einen leichten Druckabfall.

„Hey, ihr Idioten! Wartet gefälligst mit dem Abdocken, bis wir …“

„Maul halten!“ Der Glatzkopf hielt nicht viel von Smalltalk. Und auch im Frachter blieb ihnen das Cockpit verwehrt, der nahezu leere Frachtcontainer wurde ihr Daheim auf Zeit, die ganze verdammte Reise lang. Weniger die Tatsache, dass es nur Wasser und Energy-Riegel gab, störte sie, aber sie hatten überhaupt keine Abwechslung.

„Und keiner der Besatzung hat sich getraut, mich anzubaggern.“ Anna klang empört, Aki versuchte, sie zu besänftigen. „Das kann aber bedeuten, dass sie verdammt diszipliniert sind. Das waren die Typen auf Encke nicht …“

Anna schaute ihre Freundin kurz an, sie wollten keine ausgedehnten Gespräche führen. Nicht dass uns diese Typen aushorchen. Aber es machte sie nervös, nervöser, als sie zugeben wollten. Sigurdur blieb auf der Reise bei der Mannschaft, erst kurz vor der Ankunft im Erdorbit kam er in ihr Abteil.

„Okay, meine Fohlen. Jetzt ist es vorbei mit der Faulenzerei. Wir werden gleich umsteigen, auf ein etwas kleineres Format. Nein, nein, nein! Macht euch keine falschen Hoffnungen. Auch das ist nichts für euch!“

Anna und Aki spürten einen leichten Schlag, ihr Schiff hörte auf, sich um die Achse zu drehen. Statt Mikroschwerkraft herrschte Schwerelosigkeit, Sigurdur hatte es gewusst, hielt sich rechtzeitig an einem Griff neben der Schleuse fest. Dann blickte er durch das Bullauge, während Anna und Aki sich schnell mit einem Vorwärtssalto in seine Richtung drehten, dabei stieß sich Aki bei Anna ab, schoss auf Sigurdur zu. Der grinste, hielt ihr einen Arm hin, Aki prallte leicht auf den Oberarm des Isländers, hielt sich dort fest, als ob sie gute Freunde wären. Anna war durch den Stoß an die gegenüberliegende Wand gedriftet, stieß sich wieder ab. Mit weit vorgestreckten Armen landete sie gezielt neben Sigurdur und Aki, erwischte den zweiten Schleusengriff. Und so konnte sie jetzt auch durch das Bullauge schauen.

„Oh, Mann. Was für ein Mülleimer!“ Das Landungsboot der Gangster entpuppte sich als altersschwacher Shuttle.

Wie haben sie den in die Umlaufbahn gebracht?

Laut wollten Anna und Aki die Frage nicht stellen. Und wieder gab es keine Chance, ins Cockpit zu gelangen, diesmal musste selbst Sigurdur draußen bleiben, was es nicht besser machte, zu dritt quetschten sie sich in eine Ecke. Kaum war die Truppe verstaut, zündete das Shuttle-Triebwerk kurz, es folgte der Rücksturz zur Erde. Besser: Es wurde eine wilde Achterbahnfahrt.

„Verflucht und zugenäht. Warum sind wir hier bloß eingestiegen?“ Anna schaute zu Aki hinüber, sah die Blässe in deren Gesicht. „Du siehst grau aus.“

„Selber.“ Aki biss die Zähne zusammen, Anna wurde es das erste Mal seit ihrer Ausbildung in einem Raumschiff leicht übel. Wenigstens muss ich nicht kotzen. Dafür aber frühstückte Sigurdur kräftig rückwärts, so, dass auch Anna und Aki etwas davon hatten.

Na toll. Es stinkt zum Himmel und wir sind voller Bröckchen. Wenn das so weitergeht, macht sich unser Wikinger noch in die Hose!

Das Shuttle ächzte, das Metall knirschte, als sie durch die oberen Luftschichten stießen, die Nase blieb weiterhin verdammt steil nach unten gerichtet, Sigurdur klammerte sich nun an Anna.

„Du hast doch nicht etwa Schiss?“

Sigurdur atmete stoßweise. „Irgendwann muss der Wahnsinnige an den Kontrollen doch die Maschine aufrichten. Sonst rammt er uns ungespitzt in den Boden!“

Sekunden später blinkten über den Köpfen von Anna und Aki jede Menge rote Lichter, es war fast wie Weihnachten, das alte Shuttle hatte Probleme, ganz viele! Das bestätigte jetzt auch der Pilot. „Okay, Lads und Lassies, es wird ein bisschen hart!“ Krächzend hatte die Stimme geklungen, dann knallte es heftig. Touchdown! Die Faust eines Riesen hielt Anna und Aki und mittendrin Sigurdur im Griff, drückte sie zusammen, schon war das Shuttle wieder in der Luft, für Sekundenbruchteile, um mit hässlichem Krach erneut aufzusetzen, Anna hörte das typische Kreischen. Gleich platzt ein Reifen! Das Quietschen wollte nicht aufhören.

Hoffentlich reicht die Rollbahn aus. Wenn nicht … Aber sie reichte, mit einem letzten lauten Kreisch packte die Bremse zu, das Shuttle stand.

„Willkommen in England, Ladies und Gentlemen. Steigen Sie bitte auf der linken Seite aus.“

Sie haben uns einen Witzbold geschickt.

Das „Beeilung, Beeilung“ des Piloten brauchten sie nicht, jeder wollte nur eines: Ganz schnell raus. Die Luke öffnete sich, mit nur leicht zitternden Händen blieben die Amazonen auf den Sitzen, vor ihnen stieg die Besatzung aus, als Letzter ein langer Schlacks mit Basecap. Anna musterte ihn. Nicht grau im Gesicht. Er war wohl der Pilot.

Ob wir den kennen? So viele Ex-Astronauten gibt es ja nicht. Auf den ersten Blick erkannte sie ihn nicht, klar war nur: der Mann war nicht schlecht als Pilot, aber eben auch nicht richtig gut, sonst hätte er nicht so heftig aufgesetzt. Als sie draußen standen, wartete ein Gyro auf sie, von einem zweiten Gyro sahen sie nur die Rücklichter. Sigurdur, der zuletzt geschwiegen hatte, stieß Anna an. „Nicht stehenbleiben, Süße, sonst friert ihr fest! Außerdem wollen wir sehen, dass wir Land gewinnen, man weiß nie, wann hier die nächste Patrouille fliegt.“

„Nenn mich nicht Süße, verdammt! Und eben hast du gebibbert und gekotzt!“

Sigurdur wischte sich mit dem Ärmel über den Mund, schaute sie einen Moment wütend an. Doch dann spaltete sich sein Bart wieder zum gefürchteten Grinsen. Er wusste inzwischen: Anna war schnell auf Hundertachtzig. Während sie in den Gyro kletterten, nahm ein Schlepper das Shuttle an den Haken, ruckte los. Nach Annas Ansicht war es viel zu schnell, so konnte es weitere Beschädigungen geben. „Ich glaub nicht, dass ihr das Shuttle bald wieder benutzen könnt. Ist auch viel zu auffällig.“

„Völlig richtig, der war nur unser Plan B. Aber wir mussten ihn einsetzen, weil wir zuletzt unsere bessere Landefähre verloren haben, mitsamt dem Piloten. Deswegen kommt ihr ins Spiel.“

„Und was ist mit dem Shuttle-Jockey?“ Anna blieb neugierig.

„Oh, der hat noch einen Hauptjob, einen offiziellen, in dem er für uns ganz nützlich ist. Und da das so bleiben soll, ist er für uns nur zwischendurch verfügbar. Deswegen haben wir euch eingekauft.“

Verdammt, sie haben also einen Polizisten oder Soldaten bestochen. Einen, der sonst Patrouille flog, in seiner freien Zeit aber lukrative Nebenjobs ausführte für die Plünderer. Kein Wunder, dass sie so viele Probleme hatten, die Typen zu fassen. Wer wusste schon, wie viele der Menschen noch auf der Lohnliste des Milan standen?

Anna sah zu Sigurdur. „Wo sind wir eigentlich genau?“

„Cheltenham, das ist ein ehemaliger Nato-Flugplatz, den haben die Amis im Kalten Krieg benutzt, hier ist einiges eingemottet, leider nix Brauchbares mehr.“

„Und den Platz könnt ihr einfach so benutzen? Was sagen denn die Behörden?“

Sigurdur schaute sie an. Die Gegend war Opfer einer gigantischen Tsunami-Welle geworden. Mit den Gebäuden waren die meisten Menschen gestorben, eine funktionierende britische Regierung existierte nicht, die Reste staatlicher Autorität hatten sich zusammen mit einigen überlebenden Untertanen evakuieren lassen. Nur einige wenige störrische Alte und Exzentriker hatten sich der Rettung verweigert, nach Monaten ohne Strom, Heizung und den Segnungen der Zivilisation gab es in der näheren Umgebung höchstens noch ein paar Dutzend Ausharrende. Dann waren die Plünderer gekommen. Manche mit Raumschiffen, andere mit echten Schiffen aus nicht so betroffenen Gebieten und hatten begonnen, sich die brauchbaren Reste aus den Städten anzueignen, ohne Rücksicht auf Verluste. Wenn Überlebende versuchten, sich gegen die Ausplünderungen zu wehren … Sigurdur erzählte das in einem fast abweisenden Ton.

„Und wie bist du da rein geraten?“ Anna war zur vertraulichen Anrede übergegangen.

---ENDE DER LESEPROBE---