Jerry Cotton Sonder-Edition 177 - Jerry Cotton - E-Book

Jerry Cotton Sonder-Edition 177 E-Book

Jerry Cotton

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Beschreibung

Im Dienst erschossen ... Das war das Schlusswort für drei tapfere, pflichtbewusste Cops. Und ihre Mörder? Die gingen frei aus. Doch sie jubelten zu früh. Drei zu allem entschlossene Frauen nahmen das Recht in die eigenen Hände: der Witwen-Club!


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Inhalt

Cover

Der Witwen-Club

Vorschau

Impressum

Der Witwen-Club

Im Dienst erschossen ... Das war das Schlusswort für drei tapfere, pflichtbewusste Cops. Und ihre Mörder? Die gingen frei aus. Doch sie jubelten zu früh. Drei zu allem entschlossene Frauen nahmen das Recht in die eigenen Hände: der Witwen-Club!

1

Ich verließ Jeff Steinbergs kleine Feinmechanikerwerkstatt, winkte meinem alten Bekannten noch einmal zu und ging die 8th Street East in Manhattan Downtown entlang. Ein Stück weiter, auf der anderen Straßenseite, stand mein Jaguar.

»Na, hat er dein fotografisches Maschinengewehr endlich hingetrimmt?«, empfing mich mein Freund und Partner Phil Decker. Er machte eine Kopfbewegung zu meiner Kleinbildkamera mit dem angesetzten Motor.

»Jeff kriegt immer alles hin.« Ich gab Phil die Kamera zum Halten und schwang mich hinters Lenkrad. »War's dir langweilig?«

»Keine Spur, Jerry. Es gab genügend Unterhaltung.«

»Was war los?« Etwas in Phils Ton veranlasste mich zu der Frage.

»Nichts Besonderes, Jerry«, gab er zurück. Ich hörte ihm an, dass er untertrieb. »Nur eine hübsche Mieze, die sich da vorn im Reifenstechen geübt hat. Und dann ist da noch Slappy Clunkers rumgeschlichen. Wenn er es nicht war, brauche ich eine Brille.«

»Bist du dir sicher?« Der Name weckte bei mir Erinnerungen. Über eine Frau, die in Autoreifen piekt, regt sich in New York kaum ein Mensch auf. Aber es wäre nicht das erste Mal gewesen, dass gerade Slappy Clunkers der Vorbote ziemlich übler Ereignisse war. »Er hat doch bis vor einiger Zeit für Jim Boledo den Laufburschen gespielt«, fügte ich hinzu. »Was hat er denn gemacht?«

»Er sah aus wie ein Laufbursche. Das war er, und das ist er heute noch. Für wen, weiß ich natürlich nicht. Es schien ihm gut zu gehen. Er war anständig angezogen und schleppte eine große Tüte mit sich herum. Das Auffälligste waren wie immer seine Galoschen.«

Mein Freund spielte damit auf die Leidenschaft des kleinen Allroundganoven für ausgefallene Schuhe an.

»Wohin ist er gegangen?«

»Hab ich nicht genau gesehen. Wahrscheinlich da vorn in eines der Häuser. Warum? Willst du ihm vielleicht die Hand schütteln?«

»Kaum, aber ich möchte noch ein bisschen warten.« Es war nur ein Gefühl, nichts weiter. Wo Slappy Clunkers auftauchte, roch es jedoch nach Verbrechen, so harmlos der hagere Mann selbst auch sein mochte. Er war so etwas wie ein Pilotfisch. Wo er auftauchte, war der Hai nicht weit.

»Was soll denn passieren, Jerry?« Phil sah auf die Uhr. Es war gegen sechs am Abend. Jetzt, im September, begann es bereits zu dämmern. »Der Dienst für heute ist vorbei. Wir wollten doch essen gehen.«

»Können wir später auch noch.« Etwas hielt mich hier. Um seine Geduld nicht zu sehr zu strapazieren, erklärte ich Phil meine neue Kamera. Meine Gedanken waren bei Slappy. Wo mochte er im Moment sein?

Slappy Clunkers war die Treppe in einem der ältlichen vierstöckigen Miethäuser hinaufgestiegen. In der braunen Papiertüte unter dem Arm klirrten leise vier Flaschen hochprozentiger Spirituosen. Er hatte den Schnaps für Gianni Sancano besorgt und wollte es ihm jetzt bringen.

Das Treppenhaus war düster. Durch die seit einer Ewigkeit nicht mehr geputzten Scheiben fiel wenig Licht. Slappy verhielt auf einem Treppenabsatz und streckte die Hand nach dem angeknacksten Lichtknopf aus. Hinter sich hörte er die Tür des auf halber Treppe befindlichen Etagenlokus aufgehen. Gerade als er drücken wollte, fühlte er etwas Hartes im Rücken.

»Keine Bewegung, Gummimann!«

Slappy erstarrte prompt. Er spürte nicht zum ersten Mal den Lauf einer Kanone im Rücken. Und das war eine, er hätte darauf geschworen. Dass die Aufforderung von einer Frauenstimme gekommen war, verwunderte ihn zwar, die Sache wurde dadurch allerdings nicht besser.

»Okay, Ma'am, was soll's denn sein?« Seine Augen rollten. Er zog die Stirn kraus. Und wie immer, wenn er aufgeregt war, kostete es ihn Mühe, die Lippen ruhig zu halten.

»Da oben sind Sancano, Kisling und Burhans«, sagte die Frau gefährlich leise. Es war eine Feststellung, keine Frage. Slappy hörte hinter sich die gedämpften Schritte weiterer Personen. Außer der Frau mussten sich noch mehr Leute in dem Treppenlokus versteckt gehalten haben.

Aus langjähriger Erfahrung wusste er sofort, worum es ging. Die drei Gangster saßen tatsächlich anderthalb Etagen höher in einer auf Slappys Namen gemieteten Wohnung. Wie jeden Freitagabend zählten sie das eingetriebene Geld, verglichen die Notizbücher und rechneten ab. Später würde Sancano die Gesamtsumme zu Oreste Columbani bringen.

»Hör zu, Gummimann, du bist nur ein Laufbursche«, sagte die Frau hinter Slappys Rücken.

Er zuckte zusammen, denn er hörte es nicht gern, wenn man ihn einen Laufburschen nannte.

Der Druck der Waffe in seinem Rücken verstärkte sich. »Entweder du führst uns jetzt rauf und sagst deinen Kumpels, dass du es bist. Dann ist die Sache für dich gelaufen. Oder wir machen es allein und lassen Sancano später wissen, dass du uns den Tipp gegeben hast.«

»Der legt mich glatt um!«, entfuhr es Slappy. Ein Angstschauer schüttelte ihn. Er steckte in einer Zwangslage. Doch er hatte bereits das kleinere Übel erkannt. »Okay, Sie lassen mir keine andere Wahl. Ich geh mit Ihnen rauf.«

»Sehr vernünftig, Gummimann. Also vorwärts! Und nicht umdrehen!«

»Klar, Ma'am«, versicherte Slappy. »Aber 'ne Bitte hätte ich.«

»Was?«

»Fesseln Sie mich, bevor Sie abhauen, sonst drehen mich die Boys durch den Wolf.«

»Kannst du haben«, sagte eine zweite Frau.

Mit wattigen Knien schlich Slappy die einstmals braun glänzenden Nussbaumstufen hinauf. Nun da Angst ihn peinigte, machte er seinem Spitznamen alle Ehre. Alles an seiner zaundürren Gestalt in dem grotesk weiten Nadelstreifenanzug schlenkerte und wackelte. Mit dem breitkrempigen hellgrauen Hut wirkte er vollends wie ein modisch gekleideter Gummimann, das wusste er.

Sie erreichten das oberste Stockwerk. Auf den Treppenabsatz führte nur eine Tür. Ein handgemaltes Pappschild daran trug den Namen Clunkers.

Slappy drückte auf den Klingelknopf. Lang, kurz, kurz, lang. Drinnen schepperte eine Klingel. Dann klopfte er noch zweimal.

Drinnen näherten sich Schritte. Slappy zitterte. Er fühlte, wie ihm die Fußgelenke mit einem Klebestreifen gefesselt wurden. Dann nahm man ihm die Tüte weg und riss ihm die Arme auf den Rücken.

»Bist du's, Slappy?«, fragte eine Männerstimme durch die Tür.

»Ja, ich bin's, Gianni.« Slappy stockte. Ein nachdrücklicher Stoß mit der Waffe ermunterte ihn zu einer Zugabe. »Du kannst aufmachen!«

Die Tür wurde aufgeschlossen. Gleichzeitig bekam Slappy einen maßvollen Tritt in die Kniekehlen, knickte um und wurde auf den Bauch gelegt. Jemand wickelte schnell ein paar Windungen Klebestreifen um seine Handgelenke. Notgedrungen schwieg er.

Der dunkelhaarige Gangster Sancano hatte keine Bedenken, die Tür zu öffnen. Zwar waren er und seine Genossen stets sehr vorsichtig, wenn sie fremdes Geld bei sich führten, aber er musste Slappys Stimme deutlich erkannt haben.

Sancano machte also die Tür auf. Als sie ihm nach innen aus der Hand gestoßen wurde, war er überrascht. Denn statt Slappy hatte er drei Gestalten vor sich, deren Kleidung ihre Absichten bereits eindeutig verriet. Alle drei trugen blaue Latzhosen, Tennisschuhe und schwarze Rollis, deren Kragen jetzt bis zu den Augen hochgerollt waren. Unter blauen Arbeitsmützen quollen bei zwei der Gestalten halblange Haare hervor. Mindestens diese beiden musste er für Frauen halten.

Sancanos Schrecksekunde dauerte zu lange. Bevor er Anstalten machten konnte, den Überfall zu vereiteln, bekam er mit einem Sandstrumpf einen Schlag über den Kopf und knickte besinnungslos zusammen. Sein Sturz verursachte einen dumpfen Laut.

Eine der Frauen untersuchte ihn schnell, nahm ihm die Kanone ab und nickte den anderen zu. Lautlos eilten die drei in die unordentliche Altbauwohnung. Sie schlichen zu einer angelehnten Tür, hinter der Männerstimmen ertönten. Die vorderste Frau, deren dunkelblondes Haar unter der Mütze deutlich hervorhing, nickte. Alle drei hielten jetzt kurzläufige Revolver in den Fäusten.

Die Dunkelblonde nickte wieder. Ruckartig riss sie die Tür auf und sprang in das Zimmer. Mit einem Sidestep machte sie die Türöffnung für die beiden anderen frei.

»Pfoten hoch, keine Dummheiten, das ist ein Überfall!«, befahl die Anführerin. »Wir wollen nur die Moneten. Wenn ihr Tricks versucht, müssen eure Anzüge hinterher zum Löcherstopfen.«

Die beiden Männer am Tisch blickten einige Sekunden lang ungläubig zur Tür. Sie starrten in die Mündungen von drei Revolverläufen. Alle Waffen waren gespannt. Es war ernst! Langsam wie Marionetten hoben sie die Hände.

»So ist's gut. Aufstehen und langsam zurückgehen bis zur Wand!« So lautete die nächste Anweisung.

Roger Burhans und Jeffrey Kisling gehorchten.

»Okay, versorge sie!«, sagte die Anführerin zu einer der beiden anderen. Die Angesprochene steckte den Revolver ein, ging um den mit Geldscheinen bedeckten Tisch herum und drehte Burhans um seine Achse. Sie stieß ihn gegen die Wand, nahm ihm die Kanone aus dem Schulterholster und ging in die Hocke, um ihm die Füße zu fesseln.

Die Anführerin hatte die Waffe ebenfalls eingesteckt, holte zwei Plastiktüten aus der Brusttasche ihrer Latzhose und begann eilig, das Geld darin zu verstauen. Nur die dritte stand noch mit dem Revolver im Anschlag.

Ganz plötzlich drehte sich Kisling halb um und griff mit beiden Händen zu. Mit der Rechten fasste er nach seinem Pistolengriff, mit der Linken riss er den Vorhang von der Gardinenstange. Gleichzeitig versetzte er der neben ihm hockenden Frau einen Fußtritt in die Seite, drehte sich wieder zurück und warf den Vorhang über den Tisch nach der dritten Frau.

Die Kugel aus dem Revolver der dritten Frau musste ihn früher erreichen als der hindernde Vorhang die Schützin. In Erwartung des Kugelschlags verspannte er seine Muskeln.

Aber kein Schuss fiel. Vielmehr traf der dreckige braune Vorhang sein Ziel und bedeckte die Frau wie ein Denkmal vor der Enthüllung.

Kislings Pistole war nicht durchgeladen. Während er mit der Linken an den Schlitten griff, wollte ihm sein Komplize zu Hilfe kommen. Dabei stolperte er über die am Boden liegende zweite Frau, bekam Kislings vorgestreckte Arme zu fassen und klammerte sich instinktiv daran fest.

Beide Gangster gingen hart zu Boden. Im Fallen löste sich aus Kislings Pistole ein Schuss. Die Kugel schlug in die Wand.

Die Anführerin war während dieser Zeit nicht untätig geblieben. Sie hatte die Tüten fallen gelassen und flankte aus dem Stand über den breiten Tisch. Noch bevor Kisling ein zweites Mal abdrücken konnte, trat sie ihm die Waffe aus der Hand. Die Gangster blickten in die Mündung ihres Revolvers.

»Los, verschnür sie!«, wies sie die zweite Frau an.

Eine Minute später wanden sich die Geldeintreiber am Boden, solide mit Nylonschnüren gefesselt und mit breiten Klebestreifen vor dem Mund. Die Frauen stopften das Geld in die Tüten und traten den Rückzug an.

Im Laufschritt durchmaßen sie den Flur, kamen an dem immer noch am Boden liegenden Sancano vorbei und wollten die Treppe hinunterrennen. Kindergeschrei und die scheltenden Stimmen zweier Frauen ließen sie abrupt stoppen. Einige Sekunden lang verhielten sie. Dann machte die Anführerin eine Kopfbewegung zu der Toilette auf dem Treppenabsatz. Die drei eilten dorthin und verschwanden hinter der Tür mit der abgebröckelten bräunlichen Farbe. Sofort danach erhob sich Sancano. Er hatte die Situation blitzartig erfasst und wollte offenbar retten, was zu retten war. Leicht taumelnd noch, aber doch erstaunlich schnell ging er in das Zimmer. Er kniete neben den gefesselten Komplizen nieder und riss ihnen die Klebestreifen ab.

»Verdammte Scheiße«, knirschte Kisling, »ich hab alles versucht. Um ein Haar ...«

»Schnauze! Noch haben wir eine Chance! Sie haben sich weiter unten im Lokus versteckt!«

Sancano ließ ein Messer aufschnappen. Sekunden später waren Burhans und Kisling frei. Die Gangster griffen nach ihren Waffen. Die Frauen hatten die Kanonen nicht mitgenommen.

»Amateurinnen«, stieß Burhans hervor. »Los, wir schnappen sie uns.«

Als die drei Gangster die Treppe erreichten, stand die Lokustür offen. Ganz unten vernahm Slappy gerade noch das leise Getrampel eiliger Schritte.

»Verdammt, sie hauen ab!«, schrie Sancano. »Los, hinterher! Sie dürfen nicht entkommen!« Er riss seine Waffe heraus und ließ sich die Stufen mehr hinunterfallen, als er ging.

2

»So, jetzt habe ich den Motor auf eine Bildersequenz von einer Sekunde eingestellt«, sagte ich. Stolz hielt ich Phil die brandneue Kamera hin. »Hey, du hörst mir ja gar nicht zu.«

»Da vorn ist etwas im Gange, Jerry!«

Ich folgte seinem Blick. Ich sah zwei blau gekleidete Gestalten zu einem Auto springen. Eine dritte Person musste bereits im Wagen sein, denn gerade wurde eine der rechten Türen aufgestoßen.

Ohne viel zu überlegen, hob ich die Kamera ans Auge und drückte den Auslöser. Gleichzeitig schob ich den Serienschalter des Motors auf die schnellste Bildfolge. Der Wagen fuhr an, scherte abrupt in die Mitte der nicht besonders breiten Straße und beschleunigte voll.

Wenige Sekunden danach stürmten zwei Männer aus demselben Haus, gefolgt von einem dritten. Zu meinem Erstaunen sprang der letzte mitten auf die Straße und schoss mit einer Faustfeuerwaffe hinter dem Wagen her.

»Sind die wahnsinnig geworden?«, rief Phil.

»Die kaufen wir uns!« Ich ließ die Kamera sinken, warf sie auf die Hintersitze und stieß die Tür auf.

Phil war bereits auf dem Gehsteig. Eine Sekunde später spurteten wir los. Fast automatisch zogen wir im Laufen unsere 38er Dienstrevolver.

Auf der Straße war nicht viel Verkehr. Auch der Gehsteig war wenig bevölkert. Wir kamen gut voran.

Inzwischen waren die beiden zuerst erschienenen Männer zu dem dritten gerannt, hatten ihm die Waffe abgenommen, packten ihn jetzt bei den Armen und schleppten ihn zurück auf die Haustür zu. Dabei blickten sie zufällig die Straße hinunter. Sie bemerkten uns. Wir waren auf etwa dreißig Schritt heran.

»Stehen bleiben! FBI!«, rief ich laut.

Meine Worte wirkten sofort. Allerdings nicht in der gewünschten Weise.

Die zwei Männer ließen den dritten los und rannten in das Haus, aus dem sie gekommen waren. Der dritte, plötzlich des Halts beraubt, wollte ihnen folgen. Aber seine Beine verweigerten ihm den Dienst. Er stolperte und schlug der Länge nach hin.

»Kümmere du dich um ihn!«, rief ich Phil rasch zu und lief weiter.

Immer drei Stufen auf einmal, stürmte ich die kurze Treppe zum Hauseingang hoch. Aus dem Halbdunkel dahinter bellten mir plötzlich zwei Schüsse entgegen. Eine Kugel riss mir meinen erst vor einer Woche gekauften Hut vom Kopf. Ohne zu überlegen, warf ich mich vor den linken Türpfosten, schob den Arm mit der Waffe vor und gab einen Warnschuss hoch ins Treppenhaus ab.

»Lasst den Blödsinn!«, brüllte ich in den hallenden Raum hinein. »Werft die Waffen weg, und kommt mit erhobenen Armen raus! Ihr habt keine Chance!«

»Hol uns doch, Greifer!«, antwortete eine höhnische Männerstimme. Sie kam von weiter oben.

Jetzt hörte ich auch die hastenden Schritte der beiden Fliehenden. Dann schlug hart eine Tür zu.

Die beiden waren in eine Wohnung geflohen. Ihre Gefährlichkeit hatten sie durch die Schüsse bewiesen. Ich sprang auf und drehte mich um. Verstärkung war nötig.

Am Fuß der Steintreppe kam mir Phil mit dem dritten Gangster entgegen. Er hatte ihm schon die Armbänder angelegt. Der Festgenommene fluchte wie ein Müllkutscher.

»Ich fordere Verstärkung an«, informierte ich meinen Freund und rannte zum Jaguar zurück.

Auf der Frequenz der Patrol Cars von Manhattan-Süd gab ich unsere Position und bat um schnellstes Eintreffen der nächsten Streifenwagen. Nachdem die Zentrale bestätigt hatte, eilte ich zu Phil zurück.

Um ihn hatte sich inzwischen eine dichte Traube Neugieriger angesammelt. Vereinzelte Schmährufe wurden laut.

Der festgenommene Schütze war außer Rand und Band. Schäumend vor Wut, forderte er die Umstehenden auf, ihn zu befreien. Dabei zerrte er wild an Phil, der ihn an der Verbindungskette der Handschellen festhielt, und trat nach meinem Partner.

Als er mich sah, stutzte er. Deutliche Überraschung malte sich auf seinem Gesicht.

Auch ich war überrascht.

»Mann, ist das die Möglichkeit, Gianni Sancano«, sagte ich und packte den Burschen von der anderen Seite. »So ein Zufall! Ich hätte nicht gedacht, dass wir uns auf diese Weise wiedertreffen würden.«

»Fahrt doch zur Hölle, ihr gemeinen Hunde!« Der Gangster machte noch einen wilden Befreiungsversuch. Er schaffte es tatsächlich, sich von uns loszureißen. Die Menge machte ihm sofort eine Gasse frei.

Aber Sancano hatte Pech. Ein Passant war nicht rasch genug zur Seite getreten. Sancano stolperte über seine Beine, verlor mit den gefesselten Armen das Gleichgewicht und fiel hart aufs Gesicht.

»Du tust dir nur unnötig weh«, sagte ich, als wir uns den Mann wieder griffen.

Gleichzeitig ertönte hinter der nächsten Straßenecke eine Polizeisirene. Mit schleuderndem Heck rutschte ein Patrol Car in die 8th Street East, schoss heran und bremste hart. Die beiden Männer in der blauen Uniform sprangen heraus und kamen uns zu Hilfe.

Nachdem mehrere weitere Cops eingetroffen waren, nahmen wir uns die Wohnung im 4. Stock vor. Erwartungsgemäß war sie leer. Sancanos Komplizen hatten sich über die Feuerleiter in den Hinterhof abgesetzt und waren von dort über ein paar niedrige Zwischenmauern geflohen.

Wenigstens hatten wir Sancano. Nach kurzer Absprache mit den Cops nahmen wir ihn mit ins Office.

Für den Fall war eigentlich die City Police zuständig. Aber bei Sancano lagen die Dinge anders. Der achtunddreißigjährige Gangster mit dem dunklen, glatt auf die Schultern fallenden, fettigen Haar stand auf unserer Fahndungsliste. Wir suchten ihn, weil er seit Jahren gestohlene Luxuswagen über die Grenzen mehrerer Bundesstaaten gebracht hatte und in einschlägigen Kreisen als Spezialist für Diebstähle von Mercedes und Porsche bekannt war.

Bei einer ersten Vernehmung hatte er die klare Überlegung wiedergefunden.

»Das mit der Ballerei war verdammter Blödsinn von mir, Gents«, sagte er versöhnlich. »Bin froh, dass nichts dabei passiert ist.«

»Das hoffen wir für dich«, meinte Phil. »Wie kann ein cleverer Junge wie du solchen Quatsch machen? Das kostet dich ein paar Jahre extra.«

»Mann, das Weib hat mir eins über den Schädel gegeben«, knurrte Sancano, auch jetzt noch voller Wut über sein Missgeschick. »Ich muss total behämmert gewesen sein. Hoffe, euer Knochenflicker hat das schriftlich festgehalten.«

»Doc Manners ist für seine Gründlichkeit bekannt«, tröstete ich ihn. »Du hast gesagt: ›Das Weib!‹ Was war eigentlich los? Am besten erzählst du uns alles der Reihe nach.«

»Okay, mach ich.« Sancano fuhr sich mit der Hand über den schmerzenden Schädel. »Ihr könnt gleich mitschreiben, Gents. Diesmal muss ich die Suppe wohl auslöffeln.«

Er begann zu erzählen. Natürlich nicht nur unserer schönen Augen willen. Für uns war bald klar, dass er das kleinere Übel gewählt hatte. Über seine beiden Komplizen wusste er angeblich sehr wenig. Nicht einmal ihre Namen wollte er kennen. Aber auch mit diesen Einschränkungen erfuhren wir eine ganze Menge.

»Also, drei Frauen haben euch überfallen«, fasste ich nach einer Stunde seine Aussage zusammen. »Weshalb haben sie das getan?«

»Sie wollten die Moneten.«

»Welche Moneten?«, fragte Phil, obwohl er die Antwort sinngemäß bereits kannte. Wir waren uns ziemlich sicher, in Sancano den Führer eines Trupps von Kassierern vor uns zu haben. Das Gebiet gehörte Oreste Columbani.

»Wir haben gespielt«, meinte Sancano mit undurchdringlicher Miene.

»Und das haben die drei Frauen gewusst, wie?«, schaltete ich mich ein.

»Scheint so.«

»Wie viel lag denn auf dem Tisch?«, hakte Phil nach.

»Weiß ich nicht. Ein paar Hundert Bucks vielleicht.«

»Und die haben sie mitgenommen?«

Sancano nickte düster.

»Weiber«, sagte er, halb zu sich selbst. »Ganz was Neues. Mann, die muss der Teufel geritten haben ...«

»Weil sie es wagten, sich an Columbanis Geld zu vergreifen«, half ich ihm weiter. »Mensch, Sancano, du musst uns für ganz schön dumm halten. Schluss mit dem Quatsch! Rück mit der Wahrheit raus. Du und die anderen kassieren für Columbani die wöchentliche Schutzgebühr bei den kleinen Geschäftsleuten und Lokalbesitzern ab.«

»Ist nicht wahr«, protestierte der Gangster und erhob sich halb aus dem Stuhl.

Phil drückte ihn wieder auf die Sitzfläche.

»Wenn wir mit deinem Foto in der Gegend herumgehen, findet sich garantiert eine Menge Leute, denen du schon lange das sauer verdiente Geld abknöpfst.« Ich schlug absichtlich eine schärfere Tonart an. »Ihr wart dabei, das kassierte Geld abzurechnen. Und nun seid ihr es los. Wegen etwas Poker macht kein Mensch einen Holdup. Und du ballerst nicht auf offener Straße rum. Du warst ganz aus dem Häuschen. Ich will dir sagen, warum. Weil Columbani bei Geld keinen Spaß versteht.«

»Du kannst ruhig auspacken«, meinte Phil. »Wie du weißt, suchen wir dich schon lange wegen deiner Autogeschichten. Und jetzt die Knallerei auf der Straße. Das kann als versuchter Mord ausgelegt werden. Bei deiner Vorstrafenliste kommst du für lange Zeit auf Nummer sicher. Wahrscheinlich erlebt Columbani deine Haftentlassung gar nicht mehr.«

»Ich sag euch doch, wir haben bloß 'ne Partie Poker geklopft«, beharrte Sancano.

Das war ihm im Moment nicht zu widerlegen. Nun fiel mir der Laufbursche wieder ein.

»Du vergisst Slappy Clunkers«, sagte ich. »Wir haben ihn in der Gegend rumstelzen sehen. Wetten, dass wir ihn schnell finden? Wenn wir ihn erst hier haben, wird er auspacken. Du weißt, Slappy ist weich wie frisch gekochter Spargel.«

Der aufs Geratewohl abgefeuerte Schuss hatte getroffen. Sancano schlug die Augen nieder und fischte sich eine neue Zigarette aus dem Päckchen, das wir ihm auf den Tisch gelegt hatten.

»Okay«, meinte er halblaut, »es waren gut achtzigtausend Flöhe. Sie gehörten Columbani. Aber mehr sag ich nicht! Kumpels reite ich nicht rein. Ich denke, ihr versteht das, Gents. Und, bitte, lasst nicht verlauten, dass ich das zugegeben habe. Columbani kann einem auch im Knast noch das Atmen vergessen lassen.«

»In Ordnung, das Geld interessiert uns nicht«, beruhigte Phil ihn. »Wir beschuldigen dich nur des verbotenen Schießens und des unbefugten Waffenführens. Einen Waffenschein hast du nicht, oder doch?«

»Mit solchen Kleinigkeiten gebe ich mich nicht ab.« Sancano grinste. Er hatte sich mit seinem Schicksal abgefunden. Inwieweit das auch auf die zu erwartende Gefängnisstrafe zutraf, ließ er nicht erkennen.

»Okay, nun zu den drei Grazien, die euch abkassiert haben«, nahm ich den Faden wieder auf.

»So was ist auch für euch neu, wie?« Sancano lachte tatsächlich. »Wollt ihr die etwa suchen?«

»Natürlich«, sagte Phil. »Beschreibe sie mal, so gut du kannst.«

»Sollt ihr haben.«

Sancano gab sich alle Mühe. Viel kam dabei allerdings nicht heraus. Der Schlag, den er zu Beginn des Überfalls auf den Kopf bekommen hatte, war seiner Beobachtungsgabe nicht bekommen. Außerdem waren die drei Ladys maskiert gewesen.

Schließlich ließen wir ihn wegbringen. Er kam in Untersuchungshaft. Zusammen mit unserem Bericht würde er später der Anklagebehörde überstellt werden.

Es war inzwischen neun Uhr abends geworden.

»Gehen wir noch essen, Jerry?«, erkundigte sich mein Partner.

»Machen wir. Vorher hole ich mir den Film vom Labor. Geh schon zum Auto.«

»Okay, lass mich nur nicht zu lange warten!«, rief mir Phil nach, als ich unser gemeinsames Office verließ. »Ich knabbere dir sonst deine Lederpolster an.«

Ich hatte den belichteten Film aus meiner Kamera gleich nach unserem Eintreffen im Office ins Labor zum Entwickeln gegeben. Zwei der fliehenden Frauen mussten darauf sein. Zwar hatte ich die Aufnahmen auf eine Distanz von annähernd hundert Schritt gemacht, aber zufällig hatte auf der Kamera ein kleines Teleobjektiv gesteckt. Daher war mit halbwegs brauchbaren Bildern zu rechnen.

Nun weiß bereits jeder Amateurknipser, dass Fotos auf eine solche Entfernung auch bei Benutzung einer kleinen Teleoptik niemals zur Identifizierung eines Menschen ausreichen. Wenn ich trotzdem nun mit einiger Spannung den Fahrstuhl im 26. Stockwerk des Gebäudes verließ, wo sich unsere Fotoabteilung befand, so lag dafür ein besonderer Grund vor.

Bekanntlich erkennt man einen Menschen auf größere Entfernung nicht an seinen Gesichtszügen, sondern an seinen Bewegungen. Die meisten Leute haben in ihrem Bewegungsablauf Besonderheiten, die man sich ungewollt merkt und später wiedererkennen kann.

Genau hier lag der Hase im Pfeffer.