Jerry Cotton Sonder-Edition 16 - Jerry Cotton - E-Book

Jerry Cotton Sonder-Edition 16 E-Book

Jerry Cotton

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Beschreibung

Arthur Briscoe, Millionär und als Suppenkönig der USA bekannt, verbrannte in seinem Bootshaus. Zurück blieben eine trauernde Witwe und eine fröhliche Geliebte. Letztere war der Grund für unsere Zweifel, dass es sich bei der Leiche wirklich um den Millionär handelte. Phil und ich folgten der Spur des Geldes, und die führte nicht etwa zu Briscoe, sondern zu den Gangsterbossen Jimenez und Baxter...

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Inhalt

Cover

Impressum

Millionäre sterben anders

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige E-Book-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2015 by Bastei Lübbe AG, Köln

Verlagsleiter Romanhefte: Dr. Florian Marzin

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Film: »Auf die harte Tour«/ddp-images

E-Book-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-2466-2

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Millionäre sterben anders

1963 startete der Bastei Verlag die Jerry Cotton Taschenbücher in Ergänzung zu der Heftromanserie, die zu diesem Zeitpunkt schon in der zweiten Auflage war.

Damals fragte der Klappentext der Taschenbücher noch: Wer ist G-man Jerry Cotton? Und gab auch gleich die Antwort: »Er ist ein breitschultriger, gutaussehender FBI-Beamter, der sein Leben dem Kampf gegen Gangster gewidmet hat. Durch seinen Mut und seine Entschlossenheit hat er die Herzen von Millionen Lesern in mehr als 40 Ländern erobert.«

Die Jerry Cotton Sonder-Edition bringt die Romane der Taschenbücher alle zwei Wochen in einer Ausgabe.

Es ist eine Reise durch die Zeit der frühen 60er Jahre bis in das neue Jahrtausend.

1

Zwanzig Meilen von New York City entfernt besaß Arthur Briscoe ein Bootshaus. Briscoe war der Suppenkönig der USA. Beinahe jede Suppe, die eine Hausfrau aus der Konserve zubereitete, stammte aus einer von Briscoes Fabriken.

An einem späten Augustabend stand es plötzlich in hellen Flammen. Bis die Feuerwehr am Brandort eintraf, war nur noch ein rauchender und stinkender Trümmerhaufen übrig.

Ein Feuerwehrmann, der die qualmenden, glimmenden Reste auseinander zerrte, stieß plötzlich einen Schrei aus. Mitten in den letzten Flammen waren deutlich die Konturen einer verkohlten Leiche zu erkennen.

Als die Mordkommission nach wenigen Minuten auf der Bildfläche erschien, war das Feuer so weit gelöscht, dass Lieutenant O’Hara von der City Police unverzüglich an die Arbeit gehen konnten.

Der Fotograf machte Bilder vom Tatort und der Leiche. O’Hara schickte einen Mann ans Telefon, der sich nach Briscoe erkundigen sollte.

Zwanzig Minuten später wusste O’Hara, dass es sich wohl um die Leiche von Arthur Briscoe, dem Suppenkönig handelte.

***

»Sie können sich Ihr Beileid sparen«, sagte Mrs Evelyn Briscoe kühl, als Lieutenant O’Hara sie noch am gleichen Abend aufsuchte.

»Es ist allgemein bekannt, dass ich die Scheidung beantragt hatte. Unter diesen Umständen wäre Trauer zu viel von mir verlangt.«

O’Hara zog die Brauen hoch. »Wie Sie wollen, Mrs Briscoe. Warum wollten Sie sich von Ihrem Mann scheiden lassen?«

»Arthur hat irgendein Flittchen, bei dem er seine Zeit verbringt. Der Fall ist sonnenklar. Die Anwälte waren sich nur noch nicht über die Abfindung für mich einig. Wir haben fünf Millionen gefordert, aber Arthur wollte nur eine Million zahlen.«

»Unter den jetzigen Umständen werden Sie die Alleinerbin sein?«

»Das ist wahrscheinlich. Aber auch das wissen die Anwälte besser als ich. Sprechen Sie mit Mister Bernstein, der mich vertritt!«

O’Hara blickte gedankenvoll in seine Notizen. »Ich kann mich kurz fassen. Gibt es irgendein Erkennungsmerkmal an Mister Briscoes Körper, durch das wir die Leiche mit absoluter Sicherheit identifizieren können?«

»Arthur hatte eine große Narbe auf dem Rücken – von einem Unfall.«

»Sorry«, sagte O’Hara bekümmert, »aber Ihr Gatte ist so stark verbrannt, dass sich das nicht mehr feststellen lässt.«

In Mrs Briscoes faltigem Gesicht verzog sich keine Miene. »Ja, dann tut es mir leid, Lieutenant.«

»Seine Zähne«, erinnerte sie O’Hara. »Wer war sein Zahnarzt? Sicher kann er die Zähne identifizieren.«

»Ich muss Sie enttäuschen. Arthur trug ein Gebiss. Falls es den Brand überstanden hat, wird der Zahnarzt es aber sicher erkennen. Warten Sie, ich gebe Ihnen die Anschrift.«

O’Hara war schon an der Tür, als ihm noch etwas einfiel. »Richtig«, sagte er und griff in seine Tasche, »was sind das für Schlüssel?«

Die beiden Yale-Schlüssel, die durch eine dünne Stahlkette verbunden waren, zeigten noch Spuren des Brandes.

Mrs Briscoe nahm sie und betrachtete sie. »Ja, Lieutenant«, bestätigte sie dann, »das sind Arthurs Schlüssel. Der eine gehört hier zum Haus, der andere ist vom Bootshaus.«

Eine Stunde später beseitigte der Zahnarzt, den O’Hara aufgesucht hatte, die letzten Zweifel.

»Natürlich, das ist Briscoes Zahnprothese. Ich erkenne das Gebiss genau. Es ist das erste, das ich für ihn angefertigt habe.«

O’Hara stutzte. »Das erste? Hat Briscoe denn mehrere Zahnprothesen gehabt?«

Der Zahnarzt nickte. »Warum nicht? Ich habe drei für ihn angefertigt. Er hatte Angst, dass ihm eine zerbrechen könnte. Soviel ich weiß, bewahrte er eine immer in seinem Büro auf. Das ist übrigens gar nicht so ungewöhnlich, Lieutenant. Ich habe mehrere Kunden, die das Risiko nicht eingehen wollen, tagelang ohne Zähne herumlaufen zu müssen.«

Der Zahnarzt wollte eine lange Erläuterung über die Vorzüge von Gebissen beginnen, aber O’Hara wusste genug und verabschiedete sich hastig.

***

Nachdem die Identität des verkohlten Leichnams, als der des Arthur Briscoe außer Zweifel stand, ging Lieutenant O’Hara daran, die Ursache für seinen Tod zu ergründen.

»Sie können keine Spur einer Gewaltanwendung finden, Doc?«, fragte er den Arzt der Mordkommission.

»Sie haben die Leiche ja selbst gesehen, O’Hara. wäre Briscoe erschossen worden, ließe sich das nachweisen. Auch andere Mordarten hätten wir entdeckt. Aber wenn der Mörder Briscoe nur betäubt hat – womit auch immer – ist es praktisch unmöglich, das jetzt noch nachzuweisen.«

»Ein raffinierter Mord also.« O’Hara verzog den Mund.

»Raffiniert? Vielleicht überhaupt kein Mord. Ich habe eine ganz andere Idee. Briscoe kommt aus seinem Büro – abgespannt. Als er sich eine Zigarette anzünden will, wird er ohnmächtig. Das Feuerzeug erfasst einen Vorhang, und schon steht alles in Flammen. Was sagen Sie dazu?«

O’Hara blickte skeptisch.

»Warum nicht gleich Selbstmord? Übrigens hätten wir das Feuerzeug finden müssen.«

»Seien Sie nicht spitzfindig. Warum nicht Streichhölzer?«

»Weil Briscoe Nichtraucher war.«

Der Arzt starrte ihn verblüfft an. »Pech für mich. Aber trotzdem, er konnte eine Kerze anzünden wollen. Sie sind viel zu versessen auf Mord, O’Hara!«

»Ich rieche Mord geradezu, Doc. Und hier riecht es nach Mord! Und irgendwo reibt sich ein Mörder die Hände, dass er uns zum Narren gehalten hat! Aber so schnell gebe ich nicht klein bei!«

***

Ich begegnete Lieutenant O’Hara das erste Mal im Office unseres Chefs, Mr High. Natürlich hatte ich die Nachricht über den Suppenkönig in der Zeitung gelesen und mir Gedanken gemacht. Aber da der Fall nicht in die Zuständigkeit des FBI fiel, hatte ich mich nicht weiter darum gekümmert.

O’Hara hatte eine Menge Spuren verfolgt, aber alle waren im Sand verlaufen.

»Jedenfalls«, erklärte er eben mit einem jungenhaften Grinsen, »hat der Mörder dem Suppenkönig eine Menge Probleme abgenommen. Seine eigene Frau hätte ihn beim Scheidungsprozess bestimmt um ein paar Millionen erleichtert. Das Mädchen, mit dem er seine Frau betrog, eine gewisse Jane Moore, erwartet ein Kind von ihm. Die Steuerfahndung hatte in seinen Bilanzen reichlich faule Eier gefunden, und Briscoe bereits zu einem Verhör vorgeladen. Und eine Fabrik für Haarwuchsmittel, an der er die Majorität hat, steht vor der Pleite, wenn sie nicht eine kräftige Kapitalspritze von Briscoes Suppenwerken erhält.«

»Merkwürdig«, murmelte ich, und mein Gehirn arbeitete auf Touren.

»Jetzt kommt aber der Knalleffekt, Gentlemen«, kündigte der Lieutenant verheißungsvoll an. »Während jeder glaubte, der Suppenkönig schwimme in den Millionen wie die Fettaugen auf seiner Fleischbrühe; sind seine New Yorker Konten, er hatte sein Bargeld auf vier Banken verteilt, beinahe leer. Keine halbe Million bleibt mehr, und Mrs Briscoe ist blass vor Wut.«

»Aber wieso haben die Banken nicht schon längst Verdacht geschöpft, dass er in Schwierigkeiten ist?«, wollte Mr High wissen.

»Ganz einfach. Briscoe hatte schon immer den Tick, sein Kapital von einer Bank zu anderen zu überweisen. Vermutlich, damit niemand erfuhr, wie viel Geld er wirklich hat. Und was er in fetten Zeiten eingeführt hatte, bewährte sich jetzt auch in den mageren Tagen. Jede Bank, bei der er Geld abzog und sein Konto schrumpfen ließ, glaubte natürlich, dass die großen Brocken bei den anderen Banken festgelegt waren. So konnte keiner ahnen, dass Millionen Dollar schon längst über alle Berge waren.«

»Und wo sind sie hin?«, fragte ich. »Ich habe zufällig neulich die Bilanz gelesen. Briscoes Suppen hatten im letzten Jahr den höchsten Absatz. Er muss Geld wie Heu verdient haben.«

O’Hara zuckte mit den Schultern.

»Das fragen Sie besser Mrs Briscoe. Sie und ihr Anwalt studieren gerade die Bankauszüge von den Privatkonten des Suppenkönigs. Er muss das Geld mit vollen Händen zum Fenster hinausgeworfen haben.«

»Stimmt nicht«, sagte ich entschieden. »Sie lesen zu wenig Zeitung, Lieutenant. Briscoe war als Geizhals verschrien. Er war kein Verschwender. Und deshalb glaube ich auch nicht …« Ich brach den Satz ab und starrte nachdenklich vor mich hin.

»Was glauben Sie nicht, Jerry?«, fragte Mr High nach.

»… dass der Mörder dem Suppenkönig die Probleme abgenommen hat.«

Der Lieutenant verstand mich falsch.

»Es war bestimmt kein Selbstmord, Agent«, warf er hastig dazwischen.

»Aber auch kein Mord«, folgerte ich gelassen. »Jedenfalls keiner an Briscoe. Wenn ein Mann, der so geizig ist wie Briscoe, gerade dann ermordet wird, wenn alle Leute Geld von ihm haben wollen, dann ist das kein Zufall. Dann hat Briscoe selbst nachgeholfen. Er hat den Mord an sich nur vorgespielt. In Wahrheit lebt er irgendwo; unbekannt und unbehelligt von allen, die Geld von ihm haben wollen.«

O’Hara machte ein ungläubiges Gesicht.

Mr High nickte nachdenklich.

»Unmöglich«, sagte O’Hara. »Wir haben doch die Leiche identifiziert.«

»Nehmen Sie’s nicht tragisch, Lieutenant«, sagte ich tröstend. »Sie haben zwei Schlüssel und ein Gebiss identifiziert und die üblichen Kleinigkeiten, die man jeder Leiche ins Sakko stecken kann. Das Gebiss hat Briscoe eben für den guten Zweck geopfert, er hatte ja noch zwei andere. Und bis jetzt ist seine Rechnung sogar aufgegangen. Sie haben ihn als Leiche registriert, weiß der Himmel, wer da wirklich verbrannt ist, und suchen nun einen Mörder, den Sie nicht finden können, weil es ihn nicht gibt. Ist die Fahndung erst eingestellt, kann Briscoe für den Rest seiner Tage von dem leben, was er beiseite geschafft hat.«

»Moment mal«, ließ sich Mr High vernehmen. »Wir haben jetzt eine ganze Menge über den Fall Briscoe gehört. Aber, Lieutenant O’Hara, Sie haben uns immer noch nicht verraten, wieso Sie den Fall an uns abgeben wollen. Alles, was wir über ihn wissen, betrifft die City Police und nicht das FBI.«

O’Hara starrte Mr High einen Augenblick an. Dann brach es aus ihm heraus: »Ich konnte mir einfach keinen Vers darauf machen: Aber jetzt, nachdem Cotton mir den Schlüssel gegeben hat. Die Sache ist nämlich die: Eine der Banken hatte eine Woche vor dem Mord, dem angeblichen Mord, noch eine Million mehr auf Briscoes Konto. In seinem Auftrag überwies sie eine Million an einen Mister Butler in Dayton, Ohio. Nach Briscoes Ermordung kam ihr die Sache merkwürdig vor. Die Leute dachten wohl an Erpressung oder etwas Ähnliches. Sie fragten bei der Bank in Dayton nach, wer Mister Butler denn wäre und ob die Sache in Ordnung sein könne. Hier habe ich das Fernschreiben, mit dem die Bank in Ohio geantwortet hat.«

Er zog ein Fernschreib-Formular aus der Tasche und reichte es Mr High. Der Chef las es mit unbewegtem Gesicht und gab es an mich weiter.

Der Inhalt passte wie nach Maß zu meiner Theorie von Briscoes Verschwinden.

Das Konto von Mr Butler wurde vor vier Wochen hier eröffnet. Butler vorher unbekannt. Der Betrag ist vorige Woche vom Kontoinhaber gegen gültige Unterschrift Horace Butler zur Hälfte in bar abgehoben, zur Hälfte auf sein Konto bei unserer Filiale in Little Rock, Arkansas überwiesen worden. Rückfragen in Little Rock ergaben, dass Butlers Konto dort unter Abhebung des gesamten Betrages aufgelöst wurde.

Unwillkürlich stieß ich einen Pfiff aus.

»Das ist Ihr Fall, Jerry«, sagte Mr High ruhig. »Suchen Sie Briscoe!«

2

Ich war zufrieden, dass sich meine Theorie so schnell als vermutlich richtig erwiesen hatte. Aber es war mir klar, dass ich eine harte Nuss zu knacken hatte.

Eins wusste ich jedenfalls bestimmt: Weder in Ohio noch in Arkansas würde von Briscoe alias Butler auch nur ein Haar zu finden sein.

Also war es am klügsten, wenn ich dort anfing, wo vermutlich auch Arthur Briscoe angefangen hatte, seinen verteufelten Plan auszuhecken: in New York.

Jane Moore hieß die Frau, das der Suppenkönig seiner Frau vorgezogen hatte und die jetzt ein Kind von ihm erwartete. Ich wollte sie mir einmal ansehen, um festzustellen, ob Briscoe auch mit ihr Schluss gemacht hatte oder ob er nur auf den richtigen Augenblick wartete, um sie in sein neues Leben nachzuholen.

Falls der Suppenkönig geizig war, so hatte er an seiner Geliebte jedenfalls nicht gespart. Sie wohnte in einer feinen Villengegend in der Nähe von Forest Hills. Ohne Briscoes Schecks würde sie diese Bleibe jedenfalls nicht lange halten können.

Eine farbige Dienerin öffnete mir und zuckte erschrocken zusammen, als ich ihr sagte, wer ich bin.

Jane Moore war eine Schönheit. Ihr langes Haar war blond, die Figur vollkommen. Die Frau trug ein raffiniert einfaches dunkles Kleid, darüber eine Art Kimono, der fast schwarz war.

»Was für Nachrichten haben Sie von Briscoe?«, fragte ich ohne Umschweife, als wir uns gesetzt hatten.

Ihr Gesicht verzog sich schmerzlich gekränkt.

»Machen Sie keine schlechten Scherze mit mir, Agent Cotton!«, sagte sie leise und vorwurfsvoll.

»Sie wissen genauso gut wie ich, welches entsetzliche Schicksal der arme Arthur gefunden hat.«

»Haben Sie seine Leiche identifiziert?«, wollte ich wissen.

»Das hat niemand von mir verlangt. Aber Lieutenant O’Hara hat mir gesagt, dass kein Zweifel bestehe. Es war ein grässlicher Schock für mich. Wir wollten heiraten, sobald Arthur geschieden war.«

Sie bedeckte ihr Gesicht mit den Händen, und ihre Schultern zuckten. Es machte keinen Eindruck auf mich.

»Sie wissen also noch nicht, dass es gar nicht Briscoe war, der in seinem Bootshaus verbrannt ist?«

Sie zuckte zusammen und ließ die Hände von ihrem Gesicht fallen. Ich sah, dass sie nicht eine einzige Träne geweint hatte.

»Wer behauptet das?«, fragte sie – nicht hoffnungsvoll, sondern beinahe feindselig und empört. Aber nach einem Atemzug hatte sie sich wieder gefangen. »Es klingt zu schön, als dass ich es glauben könnte.«

Ich erzählte ihr einiges, und sie starrte mich an, als ob ich eine Hiobsbotschaft für sie hätte.

»Und wo, glauben Sie, könnte Arthur geblieben sein?« Es war klar, dass sie herausfinden wollte, wie viel ich wusste oder ahnte.

Ich zuckte mit den Schultern.

»Sicher wollte er ein neues Leben beginnen. Ohne seine Frau und ohne Sie!«

Sie konnte das heimliche Lächeln eines kleinen Triumphes in ihren Augenwinkeln nicht verbergen.

»Ohne seine Frau, das wäre schon denkbar. Aber ohne mich, nein. Arthur und ich, wir liebten uns. Er tat alles für mich. Ich müsste es wissen, wenn …«

»Sie wissen es ja auch, Miss Moore«, sagte ich wie selbstverständlich. »Ich zweifle gar nicht daran, dass Arthur Sie über seine Pläne informiert hat. Deshalb habe ich ja auch gefragt, welche Nachrichten Sie von ihm haben.«

Jetzt wurde sie sauer. Schnell erhob sie sich.

»Ich glaube nicht, dass es zu den Aufgaben des FBI gehört, mit der Trauer eines Menschen Scherze zu treiben. Ich wäre der glücklichste Mensch unter der Sonne, wenn Arthur noch lebte. Aber verschonen Sie mich mit Ihren albernen Verdächtigungen!«

»Schade«, sagte ich. »Ich hatte gehofft, Sie würden uns behilflich sein, Arthur Briscoes gegenwärtigen Aufenthaltsort zu finden. Aber da Sie es nicht tun, werde ich ihn auf eigene Faust suchen müssen.«

Ihr Gesicht war eisig, als sie die Tür öffnete, um mich hinauszulassen. Krachend fiel die Tür hinter mir ins Schloss. Ich wusste, dass ich der Frau einen gehörigen Schrecken eingejagt hatte.

Vor allem aber: Jetzt gab es für mich keinen Zweifel mehr, dass meine Vermutung stimmte und Arthur Briscoe lebte.

***

»Wie komme ich am besten zu einer Leiche, Doc?«, fragte ich den Arzt der Mordkommission.

»Wenn ich ein Verbrecher wäre«, antwortete er, »würde ich Ihnen antworten, sich eine in der Anatomie zu beschaffen. Leichen gibt es da genug, und vielleicht lässt es sich auch einrichten, eine zu stehlen.«

»Ein Mord«, sagte ich, »führt immer dazu, dass jemand vermisst wird. Aber nach einer Leiche, die aus der Anatomie verschwindet, wird man wohl kaum lange suchen. Oder?«

Er zuckte mit den Schultern.

Mein FBI-Ausweis öffnete mir alle Türen. Ich gelangte in die Anatomie und ließ mich herumführen.

Der Verwaltungsbeamte, der mich begleitete, betrachtete mich von der Seite.

»Alle Achtung«, staunte er dann. »Sie sind ganz schön hartgesotten. Was glauben, Sie, wer hier schon alles grün um die Nasenspitze geworden ist!«

»Was müsste ich tun, um eine Leiche von Ihnen zu bekommen?«, wollte ich wissen.

»Tja: da müssen Sie mir ein Formular bringen, das der Chef unterschrieben hat. Und auch dann können Sie sie nicht einfach mitnehmen. Da sind wir ziemlich kleinlich.«

»Ist es nie vorgekommen, dass einmal ein Toter in falsche Hände gekommen ist?«

Er schüttelte den Kopf.

»Und Sie sind ganz sicher, dass keine fehlt?«

»Unbedingt. Sehen Sie, hier ist unsere Kartei!«

»Na«, sagte ich skeptisch. »Aber prüfen Sie gelegentlich mal nach, ob zu jeder Karteikarte auch die entsprechende Leiche noch hier ist?«

»Zweimal im Jahr machen wir Inventur«, erklärte er. »Aber da hat noch nie ein Körper gefehlt. Obwohl es natürlich ständigen Wechsel gibt. Tote werden zum Sezieren von Studenten abgeholt.«

»Wann war Ihre letzte Inventur?«

Er schlug in seinen Büchern nach. »Vor vier Monaten.«

»Na also«, bemerkte ich, »dann können Sie ja gar nicht wissen, ob alles stimmt. Ich möchte wetten, Sie haben einen Toten zu wenig.«

Sein Gesicht lief rot an. »Was fällt Ihnen ein? Auch vom FBI lasse ich mich nicht beleidigen! Bei mir ist alles in Ordnung – das hat mir der Chef immer bestätigt.«

»Ich mache Ihnen ja auch keinen Vorwurf«, tröstete ich ihn. »Aber nehmen wir mal an, ich wollte mit einem Trick ohne Unterschrift vom Chef eine Leiche herausholen, was müsste ich da tun?«

»Unmöglich«, erklärte er kategorisch.

Missmutig verabschiedete er sich, nachdem er mich vor dem Zimmer des Anatomiechefs abgeliefert hatte. Dort erzählte ich, was für einen Verdacht ich hatte.

Er sagte mir zu, obwohl er für den Verwaltungsbeamten die Hände ins Feuer legen konnte, durch eine Inventur zu klären, ob ich recht hatte oder mich irrte.

***

Eigentlich hätte ich jetzt noch Mrs Briscoe aufsuchen müssen. Aber nach O’Haras Erzählungen war ich überzeugt, dass sie die allerletzte war, die der Suppenkönig in seine Pläne eingeweiht hätte. Sie würde nichts wissen.

So steuerte ich meinen roten Jaguar schließlich vor meine Wohnung und zog mich ins Privatleben zurück.

Es war mitten in der Nacht, als ich erwachte und mir siedend heiß einfiel, was ich im Jaguar vergessen hatte: Eine Mappe mit den Fotos von der angeblichen Leiche Briscoes, die O’Hara uns in die Hand gedrückt hatte. Nun ja, Top secret war das nicht, aber ich fühlte mich nicht wohl bei dem Gedanken, dass etwas Dienstliches unbewacht in meinem Wagen lag.

Also zog ich mir schnell Hosen und Sakko über den Pyjama, schlüpfte in ein paar Schuhe, holte mir den Lift und fuhr hinunter.

Aus alter Gewohnheit öffnete ich die Haustür geräuschlos. Aber schon der erste Blick auf meinen Jaguar kündete von Unheil.

Zwei drahtige Kerle, die in Rollkragenpullovern steckten, kramten in meinem Wagen herum, und ein dritter stand ein paar Yards entfernt – die Hand verdächtig in der Tasche. Verdammtes Pech, dass ich meine Smith and Wesson nicht dabei hatte.

Ich nahm mir nicht viel Zeit zum Nachdenken. Mit drei Sprüngen war ich an meinem Wagen.

Ich hörte gerade noch den Schreckensruf, den der Aufpasser ausstieß. Er kam zu spät.

Ich zerrte einen der beiden aus dem Jaguar heraus und schlug ihm die Faust ans Kinn, dass er in sich zusammensackte. Er sollte mir als Deckung dienen.

Aber der Aufpasser, der den Augenblick zum Schießen verpasst hatte, dachte gar nicht daran, bereits jetzt einzugreifen. Vermutlich glaubte er, dass ich eine Schusswaffe bei mir hätte.

Er zog sich mit ein paar Schritten in den nächsten Hauseingang zurück, wo er gut gedeckt war. Vermutlich wollte er mich von dort aus in aller Ruhe abknallen.

Inzwischen war der zweite Gangster nicht untätig gewesen. Während ich versuchte, den Jaguar zwischen mich und den Mann mit der Kanone zu bringen und dabei beide Hände mit dem ersten Kerl voll hatte, sprang Nummer zwei mich an. Beladen, wie ich war, verlor ich das Gleichgewicht und segelte neben dem Jaguar zu Boden. Sofort war der zweite Ganove über mir.

Ich packte ihn, aber ehe ich ihn richtig in den Griff bekam, merkte ich, dass er ein Messer herausziehen wollte.

Mir blieb nichts übrig, als sein Handgelenk zu fassen und ihn herumzuwirbeln. Wohl war mir nicht in meiner Haut, denn jeden Augenblick konnte der Schuss knallen, mit dem der Aufpasser mich ausschalten wollte.

Und jetzt kam zu allem Überfluss auch die Nummer eins wieder zu sich und fing an, von hinten auf mich einzutrommeln.

Das Messer war dem zweiten aus der Hand gefallen, aber es war ein Stück zur Seite gerutscht, so dass ich nicht herankam.

Mit einem plötzlichen Aufbäumen schaffte ich mir die beiden drahtigen Burschen vom Hals. Aber ehe ich dem dritten Mann im Treppenhaus ein Ziel bot, packte ich mit der linken Hand das Messer. Dann warf ich mich mit einem gewaltigen Sprung hinter den Jaguar.

Vorsichtig spähte ich über das Dach.

Zu meiner Verblüffung bemerkte ich, dass die beiden Gangster flüchteten. Sie rasten davon, als ob der Teufel hinter ihnen her sei. Ein paar Yards hinter ihnen sprintete der Mann mit der Pistole davon.

Ehe ich ihnen nachsetzen konnte, musste ich feststellen, ob die Fotos noch an ihrem Platz waren.

Ich riss die Wagentür auf und fasste in das Handschuhfach. Zu meiner Erleichterung lag das, was ich suchte, tatsächlich noch drin. Aus meinem Wagen war nichts gestohlen worden.

Offensichtlich war ich gerade noch rechtzeitig gekommen. Vermutlich waren es Autoknacker, die auf meinen Schlitten aufmerksam geworden waren und mit einer fetten Beute gerechnet hatten.