Die Mafia lädt zum Sterben ein - Jerry Cotton - E-Book

Die Mafia lädt zum Sterben ein E-Book

Jerry Cotton

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Beschreibung

Hinter meinem Jaguar fuhr ein Mitsubishi. Ich konnte das Gesicht des Fahrers im Rückspiegel sehen, und auch auf dem Beifahrersitz saß ein Mann, auf den ersten Blick Amerikaner. Plötzlich scherte der Mitsubishi auf die linke Fahrspur und holte auf, schob sich neben den Jaguar und fuhr neben mir her. Ich schaute hinüber - und bekam fast einen Schock: Eine MPi-Mündung ragte aus dem Fenster, das der Beifahrer des Mitsubishi heruntergelassen hatte.

Die Mafia lädt zum Sterben ein!, durchfuhr es mich siedendheiß.

In diesem Moment begannen aus der Mündung der MPi kleine Flammen zu züngeln ...

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Inhalt

Cover

Titel

Impressum

Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

JERRYCOTTON

Die Mafia lädtzum Sterben ein

Kriminalroman

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige E-Book-Ausgabe

des in der Bastei Lübbe AG erschienenen Werkes

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

Originalausgabe

All rights reserved

© 2007/2015 by

Bastei Lübbe AG, Köln

Lektorat: Peter Thannisch

Titelbild: defd

Umschlaggestaltung: Rainer Schäfer

E-Book-Produktion: le-tex publishing services GmbH, Leipzig

ISBN 978-3-8387-0047-2

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

Prolog

Joana Goldblum starrte blicklos auf einen unbestimmten Punkt irgendwo im Raum. Für sie war vor wenigen Minuten eine Welt zusammengebrochen. Ihr Mann hatte ihr eröffnet, dass er eine Geliebte hatte. Sie hatte ihm eine Szene gemacht, doch er war hart geblieben und hatte keinen Zweifel darüber gelassen, dass er sich unverzüglich von ihr trennen wollte.

Sie war fünfzig. Eine attraktive, gepflegte Erscheinung, die fünf Jahre jünger wirkte und die schon einige Male den Schönheitschirurgen bemüht hatte, um wenigstens äußerlich ihrem Alter ein Schnippchen zu schlagen. Das änderte jedoch nichts an der Tatsache, dass sie fünfzig war. Ihr Mann hatte sich einer Frau zugewandt, die ungefähr halb so alt war wie sie.

Es nagte und fraß in ihr. Ihre Gedanken rotierten. Sie fühlte sich aufs Abstellgleis geschoben, abserviert, auf die Seite gestellt. Gedanken an Rache kamen. Wie von Schnüren gezogen erhob sie sich, ging zum Fenster und starrte in die Ferne. Was konnte sie tun? Dem eisigen Wind ihrer Gedanken ausgesetzt, fand sie keine Antwort auf diese Frage.

Sie überwand sich, nahm das Telefon und klickte eine eingespeicherte Nummer her. Eine dunkle Stimme meldete sich. »Was willst du?«

»Es tut mir leid, dass ich dir eine Szene gemacht habe.«

»Das war zu erwarten gewesen. Aber es hat mich in meinem Vorsatz bestärkt.«

»Willst du es dir nicht doch noch einmal überlegen. Man kann achtundzwanzig Ehe nicht einfach so über Bord werfen. Wir waren doch immer glücklich …«

»Ich habe lange darüber nachgedacht, Joana. Kath gibt mir, was ich von dir schon lange nicht mehr bekomme. Nein, mein Entschluss steht fest. Ich verlasse dich. Wir waren schon lange nicht mehr glücklich miteinander, Joana. Du hast das gute Leben genossen, das ich dir geboten habe, du hattest in finanzieller Hinsicht freie Hand, du hast dein Leben gelebt. Nunmehr …«

»Ich werde nicht so einfach aufgeben!«, zischte Joana. Eine Woge der Enttäuschung überspülte ihr Bewusstsein und ließ sie innerlich erbeben. Sie begriff, dass sie dieses Mal verloren hatte, doch sie wollte es nicht akzeptieren. Weder mit dem Verstand noch mit dem Herzen.

»Du solltest mir keine Schwierigkeiten bereiten, Joana. Ich werde dich weiterhin finanziell unterstützen und dir wird es an nichts fehlen. Aber du solltest mir keine Probleme machen.«

Zuletzt hatte Richard Goldblums Stimme fast drohend geklungen. Joana Goldblum entging es nicht. »Du drohst mir!«, stieß sie außer sich hervor.

»Nein, Joana. Fass es als Warnung auf.«

Dann war die Leitung tot. Richard Goldblum hatte die Verbindung unterbrochen.

In Joanas Gesicht arbeitete es. In ihren Augen war ein Irrlichtern, das verriet, wie sehr sie innerlich aufgewühlt war. Es war eine ganze Gefühlswelt, die in ihr tobte. Da waren Enttäuschung, Frustration, Selbstmitleid, Wut – Hass. Ja, der Hass stieg immer intensiver an die Oberfläche. Er kam in rasenden, giftigen Wogen, begann in ihrem Gemüt zu wüten und zerfraß ihr Denken.

Sie wählte eine Nummer. Dann sagte sie: »Er hat mir erklärt, dass er mich verlassen will. Und er hat nicht so geklungen, als wäre er bereit, seinen Entschluss zu ändern.«

»Und, wirst du es akzeptieren?«

»Niemals!«

»Was willst du tun?«

»Ich werde ihn zwingen, bei mir zu bleiben. Ich weiß einiges über ihn, was auch die Polizei interessieren dürfte.«

»Du schaufelst dir dein eigenes Grab«, sagte Carl Henderson. »Außerdem würdest du nicht nur ihm den Todessstoß versetzen, sondern uns allen. Vergiss es, Joana. Du weißt, wie ich zu dir stehe. Wir waren vor dreißig Jahren ein Paar, bis …«

Der Sprecher brach ab und räusperte sich.

»Ich weiß, was du sagen willst. Du bist niemals darüber hinweggekommen. Aber du hast es im Endeffekt geschluckt. Sonst hättest du nicht all die Jahre loyal zu Rich gestanden.«

»Ich liebe dich noch immer, Joana.«

»Vielleicht bitte ich dich eines Tages, den Beweis für diese Behauptung anzutreten«, murmelte Joana.

»Was hast du vor?«

»Ich weiß es nicht. Himmel, ich weiß nicht, wo mir der Kopf steht. Rich hat mich abgelegt wie ein schmutziges Hemd. Es übersteigt mein Begriffsvermögen. Er hat mich fallen lassen wie eine heiße Kartoffel.«

»Bewahr einen klaren Kopf, Joana. Die Welt geht deswegen nicht unter. Ich werde immer für dich da sein.«

»Ich weiß. Und ich danke dir dafür. Ich melde mich wieder bei dir.«

Joana beendete das Gespräch und warf das Telefon auf den Tisch. Wieder begannen ihre Gedanken zu arbeiten. Richard betrog sie seit vielen Monaten. Er hatte es ihr unverblümt an den Kopf geworfen. Es hatte sie tief getroffen. Und es war wie aus heiterem Himmel über sie hereingebrochen. Sie hatte keine Ahnung.

Und wieder kam der Hass wie eine graue, alles verschlingende Flutwelle. Sie nahm noch einmal das Telefon und drückte die Wahlwiederholungstaste.

Carl Henderson meldete sich erneut. »Die Schlampe heißt Kath Duncan«, zischte Joana. »Ich will, dass sie einen Denkzettel erhält. Wenn du mit ihr fertig bist, soll sie mit ihrem Gesicht keinen Hund mehr hinter dem Ofen hervorlocken.«

»Das ist doch Irrsinn, Joana.«

»Nein. Nimm ein Rasiermesser, Carl. Oder Säure. Zerstöre ihre Visage. Du musst es für mich tun. Ich werde es dir auch danken.«

»Nein, Joana, das mache ich nicht. Das kannst du nicht von mir verlangen. Ich würde alles für dich tun, aber …«

»Ich denke, du liebst mich nach wie vor.«

»Bei aller Liebe …«

»Du weigerst dich?« Es klang fast hysterisch.

»Ja. Lass Richard Zeit, Joana. Er wird …«

Die Frau unterbrach die Verbindung. Sie holte ein Glas aus einem Schrank, ging damit ins Badezimmer und füllte es halb mit Wasser. Damit kehrte sie ins Wohnzimmer zurück, holte eine Packung Schlaftabletten aus einem Schub und drückte zwanzig davon in das Wasserglas. Sie wartete, bis sich die Pillen aufgelöst hatten, dann griff sie noch einmal zum Telefon und holte eine Nummer aus dem elektronischen Telefonbuch, stellte eine Verbindung her und sagte: »Das Leben hat für mich keinen Sinn mehr. Ich mache Schluss. Dein Vater hat mich auf dem Gewissen. Er hat mir gesagt, dass er mich verlassen will.«

Sie unterbrach die Verbindung, dann trank sie mit einem Zug den tödlichen Cocktail. Joana Goldblum fühlte sich von Gott und der Welt verlassen …

Robert Goldblum wählte die Handynummer seines Vaters. Als Richard Goldblum sich meldete, sagte er: »Was ist los, Dad? Ma hat mich angerufen. Sie will Schluss machen, weil du sie verlassen willst.«

»Das ist richtig. Deine Mutter und ich haben uns auseinandergelebt und ich habe mich einer anderen Frau zugewandt. Deine Mutter ist hysterisch, Bob. Du solltest ihre Drohung nicht überbewerten.«

»Aber wenn sie doch …«

»Du kannst ja die Polizei verständigen. Ich werde …«

Robert Goldblum hatte die Verbindung unterbrochen. Er verständigte den Notruf, dann verließ er seine Wohnung in der 4th Street und war wenig später in seinem Pontiac auf dem Weg zu seiner Mutter …

Richard Goldblums Handy läutete. Auf dem Display konnte er ablesen, dass es Joana war, die anrief. Goldblum war auf dem Weg zu seiner Geliebten. Er befand sich auf dem Broadway. Nun verdrehte er die Augen und nahm das Gespräch entgegen. »Was willst du noch? Du kannst mich nicht umstimmen. Sieh es ein, Joana.«

»Ich mache Schluss«, lallte sie. »Dich verfluche ich, Richard. Meinen Tod kannst du dir an deine Fahne heften.«

»Verdammt, Joana …«

»Zu spät. Ich – ich habe Tabletten genommen. In wenigen Minuten werde ich tot sein. Immer, wenn du diese Schlampe in die Arme nimmst, sollst du an meinen Tod erinnert werden. Geh zur Hölle, Rich!«

»Das ist doch alles nur Show, Joana. Du bist nicht der Typ, der sich – Joana, bist du noch da?«

Die Frau rührte sich nicht. Richard Goldblum fluchte in sich hinein. Er fuhr vom Broadway ab, wandte sich auf der 17th Street nach Westen und fuhr schließlich auf der Tenth Avenue wieder zurück zur 54th Street, in der seine Wohnung lag – jene Wohnung, in der er nach dem Streit seine Gattin zurückgelassen hatte.

Als er in der 54th eintraf, sah er vor dem Gebäude Nummer 239 zwei Einsatzfahrzeuge der Polizei und die Ambulanz.

Er erschrak und parkte hinter dem Fahrzeug des Emergency Service. In dem Moment, als er ausstieg, trugen zwei Sanitäter eine Bahre aus dem Haus. Ein Cop folgte. Die Bahre wurde auf die Ambulanz geschoben. Richard Goldblum sah das bleiche Gesicht seiner Frau. Spitz sprang die Nase aus dem Gesicht hervor. Sogar die Lippen hatten eine gräuliche Färbung angenommen.

»Gehen Sie weiter!«, herrschte der Polizist Richard Goldblum an. »Es gibt nichts zu sehen.«

»Mein Name ist Richard Goldblum«, murmelte der Vierundfünfzigjährige. »Das ist meine Frau.«

Der Cop hob die Brauen. »Ihr Sohn hat uns verständigt. Ihre Frau hat sich mit Schlaftabletten vergiftet.«

»Sie hat mich angerufen«, würgte Richard Goldblum hervor.

Der Notarzt kam mit seiner Tasche aus dem Haus. Der Polizist wandte sich ihm zu, wies mit dem Kinn auf Richard Goldblum und sagte: »Er behauptet, der Ehemann der Lady zu sein. Sie hat ihn informiert. Wie es scheint, hat die Frau ihren Selbstmord nicht nur ihrem Sohn angekündigt.«

»Ich glaube nicht, dass es sich um einen ernsthaften Selbstmordversuch handelt«, knurrte Goldblum. »Meine Frau setzt sich gerne in Szene. Bezeichnend ist für mich, dass sie sowohl unseren Sohn als auch mich informiert hat. Es ist sicher wieder einmal eine Ihrer …«

Der Notarzt unterbrach Goldblum. »Ihr Zustand ist kritisch, Mister Goldblum. Wenn es so ist, wie Sie sagen, dann hat sich Ihre Frau an der Dosis verschätzt. Ich nehme an, dass sie zwanzig Tabletten zu sich genommen hat. Ich weiß nicht, ob wir sie durchbringen.«

Goldblum starrte den Notarzt verdutzt an. Der Arzt stieg zu Joana Goldblum in die Ambulanz, die Türen wurden geschlossen, dann raste der Krankenwagen mit rotierenden Lichtern und heulender Sirene davon.

Zwei weitere Polizisten verließen das Haus. Richard Goldblum zuckte zusammen, als ihn einer der Cops ansprach. »Wir mussten gewaltsam in Ihre Wohnung eindringen. Aber das war leider nicht anders zu machen, nachdem uns niemand öffnete.«

Goldblum nickte, dann betrat er das Gebäude und fuhr mit dem Aufzug in die vierzehnte Etage, wo sich die Wohnung befand. Im Wohnzimmer hielt sich ein Polizist auf. Fragend schaute er Goldblum an, und dieser stellte sich vor. Der Cop sagte: »Wir haben das Detective Bureau verständigt. Die Kollegen werden gleich auftauchen. Solange halten wir hier die Stellung.«

»Warum das Detective Bureau?«

»Eventuelle Spuren müssen gesichert werden. Wir müssen ausschließen können, dass Fremdeinwirkung vorlag.«

»Aber …«

»Das ist so.« Der Polizist zuckte mit den Schultern.

Goldblum ging zu einem Sessel und ließ sich hineinfallen, holte sein Handy aus der Tasche und stellte eine Verbindung her, dann sagte er: »Ich habe meiner Frau reinen Wein eingeschenkt, Darling. Sie hat wieder einmal hysterisch reagiert und Schlaftabletten geschluckt. Ich glaube nicht daran, dass es sich um einen ernst gemeinten Selbstmordversuch handelt.«

»Wann kommst du?«

»Die Tür meiner Wohnung wurde aufgebrochen. Ich kann jetzt nicht weg. Gleich werden Beamte aus dem Police Department aufkreuzen.«

»Es wäre die einfachste Lösung«, sagte Kath Duncan.

»Du hast sicher recht. Aber bei Joana fehlt es an der letzten Konsequenz. Aber wenn sie denkt, dass sie mich auf diese Weise …« Goldblum bemerkte, dass ihn der Polizist aufmerksam musterte, und brach ab. »Wir sehen uns, Darling. Ich rufe dich an, ehe ich komme.«

Eine halbe Stunde später kamen die Beamten aus dem Police Department, und kurz nach ihnen traf Robert Goldblum ein. Er war sechsundzwanzig Jahre alt und dunkelhaarig. Bob Goldblum war die jüngere Ausgabe seines Vaters. Die Ähnlichkeit der beiden war frappierend.

»Wie ernst ist es?«, wollte Robert Goldblum wissen.

»Sie haben sie ins Krankenhaus gebracht. Ich denke, dass deine Mutter wieder einmal einen Showeffekt setzen wollte. Du kennst sie doch. Wenn es nicht nach ihrem Kopf geht, reagiert sie hysterisch und völlig überzogen.«

»Du willst Ma verlassen?« Robert Goldblums Brauen hatten sich zusammengeschoben. Über seiner Nasenwurzel hatten sich zwei senkrechte Falten gebildet.

Richard Goldblum senkte den Blick zu Boden. Es sah aus, als müsste er sich die Antwort erst im Kopf bereitlegen. Schließlich schien er sie formuliert zu haben, denn er sagte: »Ja, das ist richtig. Ich habe versucht, mit deiner Mutter in Ruhe darüber zu reden. Sie ist ausgerastet. Einer ihrer legendären Tobsuchtsanfälle.«

»Wie konntest du ihr das antun?«

»Auch ich habe ein Recht auf gewisse Dinge«, antwortete Richard Goldblum grollend. »Dazu gehört mein Intimleben. Unsere Ehe bestand nur noch auf dem Papier. Ich verdiente das Geld, deine Mutter gab es aus.« Richard Goldblum erhob sich mit einem Ruck. Finster starrte er seinen Sohn an. »Es ist so, und ich bin dir keine Rechenschaft schuldig. Deine Mutter hatte nicht echt im Sinn, sich das Leben zu nehmen. Bloß scheint es so, als wäre sie diesmal zu weit gegangen. Nun, an meiner Entscheidung ändert sich dadurch nichts.«

Einen Moment sah es so aus, als wollte sich Robert Goldblum auf seinen Vater stürzen. Seine Hände öffneten und schlossen sich, zwischen seinen Lidern glitzerte es unheilvoll. Plötzlich aber entspannte er sich. »Wer ist es?«

»Ihr Name ist Kath Duncan. Sie ist achtundzwanzig und wohnt in der Beaver Street.«

»Ich verstehe dich nicht, Dad.«

»Das ist auch gar nicht notwendig.«

»In welches Krankenhaus wurde Ma gebracht?«

»Ins New York Hospital.«

Robert Goldblum schwang auf dem Absatz herum und verließ die Wohnung. Er fuhr zum New York Hospital. Seine Mutter war bereits eingeliefert worden und die Ärzte kümmerten sich um sie. Der junge Mann war voller Sorge. Was sich hinter seiner Stirn abspielte, spiegelte sich in seinen Zügen wider. Er ging unruhig hin und her. Schließlich kam einer der Ärzte. Sein Gesicht war ernst. »Sie sind Mr Goldblum, der Sohn?«

»Ja. Was ist mit meiner Mutter?«

»Wir konnten leider nichts mehr tun, Mr Goldblum.« Der Arzt hob bedauernd die Hände. »Ihre Mutter ist gestorben. Die Dosis, die sie zu sich genommen hat, war zu groß. Wir haben alles getan, um sie zu retten. Es ist uns nicht gelungen.«

Einen Moment hatte Robert Goldblum das Gefühl, dass seine Beine nachgaben. Die Nachricht vom Tod seiner Mutter war ein harter Schlag. Mit Macht stürmte es auf ihn ein. ›Ma ist tot! Dad hat sie auf dem Gewissen! Sie ist tot …‹

Robert Goldblum wankte zu einer Bank und setzte sich. Sekundenlang starrte er vor sich hin, dann schlug er beide Hände vor das Gesicht.

»Kann ich etwas für Sie tun, Mr Goldblum?«, fragte der Arzt mitfühlend.

Robert Goldblum ließ die Hände sinken. »Ist schon in Ordnung. Kann ich meine Mutter sehen?«

»Zum Paradies mögen Engel dich geleiten«, betete der Priester, »bei deiner Ankunft die Märtyrer dich begrüßen und dich führen in die heilige Stadt Jerusalem.«

Richard Goldblum stand am offenen Grab. Neben ihm sein Sohn. Um sie herum hatten sich die Verwandten versammelt. Außerdem waren Bekannte und Neugierige gekommen. Die Trauergemeinde war groß.

»Chöre der Engel mögen dich empfangen, und mit Lazarus, dem einst so armen, soll ewige Ruhe dich erfreuen. Ich liebe den Herrn …«

Auf der anderen Seite des Grabes stand Carl Henderson, der Vertreter von Richard Goldblum. Sein Gesicht war wie versteinert. Richard Goldblum fühlte den Blick seines Vertreters auf sich gerichtet. Und seine Gedanken schweiften dreißig Jahre zurück. Damals waren Henderson und Joana ein Paar gewesen. Es war ihm gelungen, Henderson die Braut auszuspannen. Zwei Jahre später hatten er und Joana geheiratet. Henderson blieb ihm trotzdem treu ergeben. Er, Richard Goldblum, machte Karriere im Geschäft mit dem Verbrechen. Er wurde einer der größten Mafiabosse New Yorks. Carl Henderson wuchs mit ihm. Er avancierte zum zweitmächtigsten Mann im Sumpf aus Drogenhandel, illegaler Prostitution, Schutzgelderpressung und Mord.

»Lasset uns beten. O Gott, durch dessen Erbarmung die Seelen der Gläubigen zur Ruhe eingehen, segne in Gnaden dieses Grab …«

Der Sarg stand auf zwei Balken, die quer über das Grab gelegt waren. Es war ein wirklich luxuriöser Sarg. Richard Goldblum hatte keine Kosten gescheut.

Nicht weit von Carl Henderson entfernt stand ein etwa vierzigjähriger Mann, brünette Haare, eins fünfundachtzig groß, Allerweltsgesicht, ohne besondere Merkmale. Auch er beobachtete Richard Goldblum. Er prägte sich jede Linie des Gesichts des Gangsterbosses ein.

»… durch Christus, unseren Herrn. Amen.« Der Priester besprengte das Grab mit Weihwasser, dann wurde der Sarg hinuntergelassen. »Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt …«

Richard Goldblums Blick kreuzte sich mit dem des etwa Vierzigjährigen. Dessen Mundwinkel sanken leicht nach unten. Er wich dem Blick des Mobsters nicht aus. Goldblum schaute wieder weg. Er hörte die Worte zwar, die der Priester sprach, aber er registrierte sie nicht.

Plötzlich wandte sich der Vierzigjährige um und ging davon.

Die Zeremonie ging weiter. Richard Goldblum war alles andere als konzentriert. Er machte sich Gedanken wegen des Fremden. Der Gangster war sich sicher, dass der Bursche nicht von ungefähr an dem Begräbnis teilgenommen hatte. Er hatte ihn angestarrt, als nähme er Maß.

Es war Goldblum schon zu Ohren gekommen, dass sich ein Bursche namens Morgan Fletcher in Manhattan breitmachen und ihm seine Pfründe streitig machen wollte. Gehörte der Kerl, der ihn eben so intensiv beobachtete, zu Fletcher. War er etwa gar Morgan Fletcher?

Der Priester machte das Kreuzzeichen über dem Grab und rief: »Die Seele dieser Verstorbenen und die Seelen aller verstorbenen Christgläubigen mögen durch die Barmherzigkeit Gottes ruhen im Frieden. Amen.«

Menschen drängten sich plötzlich um Richard Goldblum und seinen Sohn, um ihnen ihre Anteilnahme auszudrücken. Richard Goldblum ließ es über sich ergehen. Schließlich kam auch Carl Henderson an die Reihe. Henderson hatte die Lippen zusammengepresst. Wortlos drückte er Goldblum die Hand. Dann wandte er sich ab.

Endlich saß Richard Goldblum in seinem Mercedes. Er atmete auf. Jetzt freute er sich auf Kath. Irgendwie empfand er es seltsam, dass ihm der Tod Joanas kaum nahe ging. Er war sich sicher, dass sie nicht ernsthaft mit dem Gedanken gespielt hatte, sich das Leben zu nehmen. Sie wollte auf sich aufmerksam machen. Nicht umsonst hatte sie Robert und ihn von ihrem Entschluss in Kenntnis gesetzt. Sie ging davon aus, dass man sie retten würde. Nun, sie hatte sich verschätzt. Einerseits fühlte er sich sogar befreit. Es war, als hätte Joana mit ihrem Freitod eine Last von ihm genommen.

Die Beerdigung hatte auf dem Calvary Cemetery in Queens stattgefunden. Goldblum steuerte seinen Wagen auf den Long Island Expressway, um zum Queens Midtown Tunnel zu gelangen. Er konnte es kaum erwarten, Kath in sein Arme zu nehmen.

Ein dunkelblauer Buick überholte ihn, fuhr aber nicht an ihm vorbei, sondern blieb auf einer Höhe mit ihm. Und plötzlich sah Goldblum die Pistole, die auf ihn gerichtet war. Er trat auf die Bremse. Die Kugel schrammte über die Windschutzscheibe und zog eine zentimeterdicke Spur. Die Scheibe splitterte. Nun wurde auch der Buick abgebremst.

Eine Kugel durchschlug die Seitenscheibe des Mercedes und pfiff dicht vor Goldblums Nase vorbei. Er gab wieder Gas. Einen Augenblick schalt er sich einen Narren, weil er seine Waffe zu Hause gelassen hatte.

Er sah das Gesicht des Kerls im Buick. Es war jener Bursche, der ihn am Grab so intensiv beobachtet hatte.

Wer war er?

Schickte ihn die Konkurrenz?

Goldblum zog an dem Buick vorbei. Er wollte nur noch weg hier, dem Killer entkommen. Der Wagen beschleunigte schnell. Dann tauchte vor Goldblum ein Ford auf. Er schaute in den Rückspiegel, dann in den Außenspiegel. Der Buick hing an ihm dran. Goldblum scherte auf die linke Fahrspur hinüber. Er trat das Gaspedal bis aufs Bodenblech durch. Plötzlich ging ein Ruck durch den Mercedes. Der Buick war aufgefahren. Klirren war zu vernehmen. Der Mercedes geriet ins Schleudern. Goldblum hatte Mühe, ihn abzufangen. Er geriet wieder auf die rechte Fahrspur. Von links schob sich der Buick heran und befand sich jetzt halblinks hinter Goldblum. Und plötzlich wurde der Buick nach rechts gerissen. Er knallte mit dem rechten Kotflügel gegen die linke Seite des Mercedes. Und wieder hatte Goldblum Mühe, die Kontrolle über das Fahrzeug zu behalten. Er kam aufs Bankett, riss den Wagen auf die Straße zurück, konnte ihn nicht abfangen und raste schräg über die Fahrbahnen auf die linke Seite, kurbelte wie von Sinnen am Lenkrad und bremste, der Wagen drehte sich halb, die Reifen kreischten.

Der Mercedes stand quer. Der Buick raste heran. Goldblum kurbelte am Lenkrad und gab Gas. Der Buick fuhr rechts an ihm vorbei, schnitt ihn und wurde abgebremst. Auch Goldblum trat die Bremse, dann zog er den Wagen nach links und überholte den Buick. Dieser wurde, als sie auf einer Höhe waren, nach links gerissen und rammte den Mercedes von der Seite.

Die Angst kam bei Goldblum. Sie brachte seine Nerven zum Schwingen und krampfte ihm den Magen zusammen. Tausend Gedanken gingen ihm durch den Kopf. Er hatte Mühe, den schlingernden Wagen unter Kontrolle zu bringen. Der Buick war zurückgeblieben. Goldblum raste mit den rechten Rädern auf dem Bankett dahin. Ein Begrenzungspfosten wirbelte durch die Luft.

Jetzt zerschlugen Kugeln die Heckscheibe. Goldblum ließ ich im Sitz nach unten rutschen. Er riss nach rechts. Der Mercedes fuhr in den Straßengraben und dann ein Stück die sich anschließende Böschung hinauf. Er drohte umzukippen. Goldblum sprang aus dem Wagen und rannte wie von Furien gehetzt die Böschung hinauf. Oben duckte er sich hinter einem Strauch.

Der Buick fuhr weiter und wurde schließlich in eine Seitenstraße gelenkt, sodass er aus Goldblums Blickfeld verschwand.

Goldblums Herz raste. Er atmete stoßweise. Wie Fieber rann das nachträgliche Entsetzen durch seine Blutbahnen. Seine Knie waren weich und seine Beine wollten ihn kaum tragen. Er nahm sein Handy aus der Tasche und tippte mit zitternden Fingern eine Nummer ein, dann stellte er eine Verbindung her. Eine dunkle Stimme sagte:

»Was gibt es, Rich?«

»Auf mich wurde soeben ein Anschlag verübt, Carl. Auf dem Long Island Expressway. Einer wollte mich erschießen. Er ist mir schon auf dem Friedhof aufgefallen.«

»Das geht auf das Konto dieses Morgan Fletcher«, stieß Carl Henderson hervor. »Aber dieser Mister stellt sich uns zurzeit noch als Phantom dar. Wir kennen lediglich seinen Namen. Was willst du tun, Rich?«

»Wir werden die Initiative ergreifen. Unsere Leute sollen sich umhören, und schärfe ihnen ein, dass jeder noch so kleine Hinweis auf die Identität dieses Morgan Fletcher von Wert für uns sein kann. Ein Gegner, den man nicht kennt, ist doppelt so gefährlich.«

»In Ordnung, Rich.«

Goldblum beendete das Gespräch und steckte das Handy wieder in die Tasche. Dann ging er zu seinem Wagen und begutachtete ihn. Er wies einige Dellen auf. Ein Rücklicht war kaputt. Der Mobster knirschte mit den Zähnen. Dann klemmte er sich hinter das Steuer und fuhr weiter.

An Kath Duncans Tür läutete es. Die schöne Achtundzwanzigjährige stand gerade unter der Dusche. Sie stieg aus der Wanne, rief »einen Augenblick« und frottierte sich ab. Dann zog sie sich einen Bademantel über und ging zur Tür. Sie schaute durch den Spion. Draußen stand ein dunkelhaariger Mann von etwa fünfundzwanzig Jahren. Kath nahm den Hörer der Gegensprechanlage und drückte den Knopf. »Was wünschen Sie?«

»Ich bringe einen Strauß Blumen, Lady.«

Kath lächelte. ›Richard ist wieder einmal ausgesprochen aufmerksam‹, dachte sie und entriegelte die Tür, nahm die Sicherungskette aus der Verankerung und öffnete.

Im gleichen Moment warf sich der angebliche Bote eines Blumenladens gegen das Türblatt. Es flog nach innen auf, Kath taumelte zurück und stieß einen erschreckten Aufschrei aus. Der Dunkelhaarige drang in die Wohnung ein und schloss hinter sich die Tür. Er zog eine Pistole.

Kath war vollkommen perplex. Sie kam gar nicht zum Denken. Der Dunkelhaarige trat vor sie hin und schlug zu. Das Gesicht verschwamm vor Kaths Blick. Sie spürte noch, wie ihre Knie nachgaben. Noch einmal schlug der Mann zu. Sie brach zusammen und lag auf dem Rücken. Der Bademantel war auseinandergerutscht. Voller Habgier starrte der Eindringling auf ihren makellosen Körper. Ein böses Grinsen huschte um seinen dünnlippigen Mund. Dann knöpfte er seine Hose auf …

In der Beaver Street angekommen fand Richard Goldblum einen Parkplatz, dann betrat er das Haus, in dem Kath Duncan ein Apartment gemietet hatte. Er fuhr mit dem Lift in die siebte Etage. Wenig später stand er vor Kaths Tür. Er läutete. Niemand öffnete. Goldblum versuchte es noch einmal. Nichts! Er nahm das Handy und wählte Kaths Nummer. Das Freizeichen erklang, aber Kath meldete sich nicht.

Sorge befiel den Gangster. Kath wartete auf ihn. Das war so vereinbart. Aber warum öffnete sie nicht?

Goldblum schlug mit der Faust gegen die Tür.

In der Wohnung rührte sich nichts.

Der Gangster fuhr nach unten. Der Doorman verständigte den Hausmeister. Goldblum traf sich mit ihm vor Kath Duncans Wohnung. Der Hausmeister öffnete die Tür.

Kath Duncan lag nackt und bewusstlos auf dem Boden im Wohnzimmer. Ihr Gesicht war nur noch eine verätzte Masse aus rohem Fleisch. »Großer Gott«, entrang es sich Goldblum. Mit dem zitternden Atemzug des lähmenden Entsetzens ging er neben der Frau auf das linke Knie nieder. Blut rann aus einer Platzwunde an ihrer Stirn.

Der Hausmeister rief die Polizei …

»Ich muss davon ausgehen, dass dieser Fletcher es wieder versucht«, sagte Richard Goldblum. »Sheffield und Danner werden daher ab sofort als meine persönlichen Leibwächter fungieren. Ihr beide werdet mir nicht mehr von der Seite weichen.«

»Das ist in Ordnung, Rich«, sagte einer der Kerle. Er hatte Schultern wie ein Kleiderschrank und trug eine schwarze Sonnenbrille. Die schwarzen Haare hatte er straff nach hinten gekämmt. Sie glänzten vom Gel.

Sie befanden sich im Hinterzimmer einer Kneipe, die den Namen ›Charly’s Inn‹ hatte. Das Lokal lag in der Lower East Side.

Goldman richtete seinen Blick auf Carl Henderson. »Du, Carl, kennst deinen Auftrag. Finde heraus, wer dieser Morgan Fletcher ist. Ich will den Kopf des Kerls. Er hat mir genommen, was mir lieb war. Und das schreit nach Rache.«

›Und du hast mir genommen, was mir lieb war‹, dachte Henderson bitter. ›Und am Ende hast du Joana getötet. Ja, du verdammter Hund bist schuld daran, dass sie tot ist. Deinetwegen hat sie die Tabletten geschluckt. Ob sie sich nun tatsächlich umbringen wollte, kann dahingestellt bleiben. Sie ist tot, und nur das zählt.‹

Hendersons Gesicht war wie versteinert. Er nickte. »Ich werde tun, was in meiner Macht steht.«

»Mit dir, Robert, will ich unter vier Augen sprechen. Wir treffen uns in meiner Wohnung. Sagen wir in zwei Stunden. Du kommst doch?«

»Wenn du es wünschst. Worum geht es?«

»Um meine Nachfolge, für den Fall, dass Fletcher erfolgreich ist.«

»Sollte an diesem Gespräch nicht auch ich beteiligt sein«, sagte Carl Henderson.

Goldblum schüttelte den Kopf. »Bob ist mein Erbe. Was ich ihm zu sagen habe, geht nur ihn und mich etwas an. Er muss einige Dinge wissen. Nein, Carl, bei diesem Gespräch will ich dich nicht dabeihaben. Ich hoffe, du verstehst das.«

Henderson verriet mit keiner Miene, was hinter seiner Stirn vorging.

Goldblum verabschiedete sich. Die beiden Männer, die er zu seinen Bodyguards bestimmt hatte, folgten ihm. Es waren stiernackige Kerle mit kantigen Gesichtern. Einer trug einen Ohrring. Es war der Schwarzhaarige. Der andere hatte sich den Kopf kahl geschoren. Auch auf seiner Nase saß eine Sonnenbrille. Beide waren mit dunklen Anzügen und weißen Hemden bekleidet.

Sheffield klemmte sich hinter das Steuer des Mercury, den Goldblum benutzte, da sein schwerer Mercedes in der Werkstatt war. Danner nahm auf dem Beifahrersitz Platz, Goldblum setzte sich in den Fond des Wagens.

»In die 54th Street«, ordnete Goldblum an.

Sheffield fuhr los. Immer wieder schaute er in den Rückspiegel. Natürlich fuhren Autos hinter dem Mercury. Manchmal schob sich auch ein Wagen auf eine Höhe mit dem Gangsterfahrzeug. Aber nichts deutete auf Gefahr hin. Es war nach 22 Uhr und der Verkehr hatte sich ein wenig beruhigt, wenn auch noch immer der Teufel los war auf Manhattans Straßen.

Vor dem Gebäude in der 54th Street, in dem Goldblums Wohnung lag, hielt der Mercury. Danner stieg aus und sicherte um sich. Sheffield rangierte den Wagen in eine Parklücke. In dem Moment fuhr ein Stück entfernt aus einer Parklücke ein Mitsubishi. Er rollte heran. Danner, der schon die Tür des Fonds geöffnet hatte, sagte: »Es nähert sich ein verdächtiges Fahrzeug. Bleib sitzen, Boss. Ich weiß nicht …«

Als der Mitsubishi vorbeirollte, wurde etwas aus dem Fenster auf der Beifahrerseite geworfen. Es schlug am Boden auf und rollte unter den Mercury.

»O verdammt!«, schrie Danner und warf sich herum.

Im selben Moment gab es einen furchtbaren Knall. Der Mercury war von einem riesigen Feuerball eingehüllt. Glas klirrte, Blech schepperte auf dem Asphalt. Der Fahrer des Mitsubishi gab Gas.

Walt Danner war umgerissen worden. Wimmernd lag er auf dem Gehsteig. Der Mercury brannte. Sheffield war über dem Lenkrad zusammengesunken. Richard Goldblum war benommen. Verbissen stemmte er sich gegen die Nebel, die auf ihn zuzukriechen schienen. Er war gar nicht richtig zum Denken gekommen. Ohne von einem bewussten Willen geleitet zu werden, öffnete er die Tür. Der Geruch von brennendem Gummi stieg ihm in die Nase. Er schwang die Beine ins Freie und richtete sich auf. Ein Röcheln brach über seine Lippen. Herumfliegende Scherben hatten ihn im Gesicht verletzt. Blut sickerte aus den kleinen Wunden.

Goldblum taumelte bis zur Hauswand und lehnte sich dagegen. Es dauerte nicht lange, dann brannte der Mercury lichterloh. Herb Sheffield hatte keine Chance …

Kapitel 1

Mein Telefon klingelte. Es war kurz nach 8 Uhr und wir waren erst vor wenigen Minuten im Field Office eingetroffen. Ich war gerade dabei, mein Kennwort für das Betriebssystem meines Computers einzugeben. Auch Phil bearbeitete seine Tastatur. Mit einem Griff pflückte ich den Hörer vom Apparat, hob ihn vor mein Gesicht und nannte meinen Namen. Es war Mr High. »Guten Morgen, Jerry. Kommen Sie und Phil doch bitte gleich mal zu mir.«

»In Ordnung, Sir. Wir sind schon auf dem Weg.«

Ich legte auf. »Der Chef ruft. Also, lassen wir ihn nicht warten.«

»Ich sehe einen neuen Fall auf uns zukommen«, sagte Phil.

»Hellseher.«

Wir verließen unser gemeinsames Büro. Wenig später betraten wir Mr Highs Sekretariat. Helen schrieb am Computer. Sie lächelte uns zu und erwiderte unseren Gruß. Sie sah wie immer zum Anbeißen aus. »Geht nur hinein«, sagte sie. »Kaffee kommt gleich.«

Tatsächlich roch es in dem Büro wie in einem türkischen Kaffeehaus.

»So lobe ich mir den Morgen«, gab Phil grinsend zu verstehen.

Dann betraten wir das Büro des Assistant Directors. Er saß hinter seinem Schreibtisch. Jetzt erhob er sich, kam um das schwere Möbel herum und reichte uns nacheinander die Hand, dann sagte er: »Setzen Sie sich. Ich habe Helen gebeten, Kaffee zu kochen. Sie haben doch nichts gegen eine Tasse von Helens edlem Gebräu.«

»Ganz und gar nicht«, antwortete Phil. »Im Gegenteil …«

Der Chef lächelte in der ihm eigenen, väterlichen Manier. Dann setzten wir uns. »Eine delikate Angelegenheit«, begann Mr High. »Es geht um Richard Goldblum.«

»Den Gangsterboss, der sich bisher erfolgreich unserem Zugriff entziehen konnte?«, entfuhr es mir.