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Silvia Aeschbach

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Beschreibung

Als die Journalistin, Kolumnistin, Autorin und Bloggerin Silvia Aeschbach Mitte fünfzig war, schrieb sie ihr erstes Buch zum Thema Älterwerden: »Älterwerden für Anfängerinnen – Willkommen im Klub!«. Wie sehr sie damit den Nerv der Zeit getroffen hatte, zeigte sich daran, dass das Buch über 44 Wochen lang auf der Schweizer Sachbuch-Bestsellerliste stand. Inzwischen hat Silvia Aeschbach die sechzig überschritten und doppelt mit »Jetzt erst recht! – Älterwerden für Anfängerinnen 2.0« nach. Ebenso ehrlich wie unterhaltsam schreibt sie über ihre ganz persönlichen Erkenntnisse zum unaufhaltsamen Prozess des Alterns. Und lässt wiederum ganz unterschiedliche Frauen erzählen, wie sie damit umgehen, dass die Haut dünner und die Haare weißer werden. Aber auch, wie wertvoll es ist, zu sehen, dass Älterwerden auch seine schönen und wertvollen Seiten hat. Gerade heute, wo wir in einem bislang noch nicht gekannten Ausmaß selbst bestimmen können, wie wir leben wollen und welche Werte wir als wichtig erachten – egal, ob wir dreißig, sechzig oder neunzig Jahre alt sind. Schlussendlich macht das Buch klar: Es gab wohl noch nie eine perfektere Zeit, älter zu werden.

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Seitenzahl: 296

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Alle Rechte vorbehalten, einschließlich derjenigen des auszugsweisen Abdrucks und der elektronischen Wiedergabe.

© 2022 Wörterseh, Lachen

Lektorat: Andrea LeutholdKorrektorat: Lydia ZellerFotos: Walter M. HuberUmschlaggestaltung: Thomas JarzinaLayout, Satz und Herstellung: Beate SimsonDruck und Bindung: Beltz Grafische Betriebe

Print ISBN 978-3-03763-136-2 E-Book ISBN 978-3-03763-825-5

www.woerterseh.ch

 

»Alter ist irrelevant, es sei denn, du bist eine Flasche Wein.«

JOAN COLLINS

 

Inhalt

Über das Buch

Über die Autorin und den Fotografen

Vorwort

Von der Kunst, die eigene Schönheit zu erkennen

Porträt Eva Eyholzer-Maschek »Meine Heimat habe ich in mir selber gefunden«

Mehr Marilyn als Bilitis: Warum Ideale alles andere als ideal sind

Porträt Adriana Del Bon »Ich möchte eine crazy Granny werden«

Raus aus dem Kokon und rein ins Leben!

Porträt Monika Binder »Das Leben ist für mich ein Leiterlispiel«

Wie James Dean mein Männerideal prägte

Porträt Maya Marburger »Ich bin bereit, nochmals durchzustarten«

Manchmal findet einen das Glück, wenn man es am wenigsten erwartet

Porträt Vera Hartmann »Ich lerne, mich mit meinen Ängsten auseinanderzusetzen«

Älterwerden ist kein Zuckerschlecken, aber auch kein Essigwasser

Rückblick Catharina Fingerhuth »Jetzt gehts mal um mich!«

Rückblick Christine Bengel »Heute lebe ich ganz im Hier und Jetzt«

Rückblick Edith Schmidt »Ich genieße es, mehr nach meinen Bedürfnissen zu leben«

Wunschkonzert – oder was Frauen von einer (Liebes-)Beziehung erwarten.

Porträt Sabine Winter »Ich konzentriere mich jetzt zuerst einmal auf mich«

Aus der Vergangenheit zu lernen, hilft einem, sich selber besser zu verstehen

Porträt Carole Nicolas »Meine Intuition ist mein Lebenskompass«

»Wechseljahre bedeuten nicht Abschied von der Weiblichkeit«Interview mit Ivrea Florio, Gynäkologin

Porträt Maike Kiessling »Ich will immer wieder Neues erleben«

Was ich von Campino von den Toten Hosen gelernt habe

Porträt Ruth Kramer»Ich habe gelernt, meine Verletzlichkeit zu akzeptieren«

»Kein Sex ist auch eine Lösung«Interview mit Dr. Eliane Sarasin, Gynäkologin, Paar- und Sexualtherapeutin

Comeback-Girls

 

Über das Buch

Als die Journalistin, Kolumnistin, Autorin und Bloggerin Silvia Aeschbach Mitte fünfzig war, schrieb sie ihr erstes Buch zum Thema Älterwerden: »Älterwerden für Anfängerinnen – Willkommen im Klub!«. Wie sehr sie damit den Nerv der Zeit getroffen hatte, zeigte sich daran, dass das Buch über 44 Wochen lang auf der Schweizer Sachbuch-Bestsellerliste stand. Inzwischen hat Silvia Aeschbach die sechzig überschritten und doppelt mit »Jetzt erst recht! – Älterwerden für Anfängerinnen 2.0« nach.

Ebenso ehrlich wie unterhaltsam schreibt sie über ihre ganz persönlichen Erkenntnisse zum unaufhaltsamen Prozess des Alterns. Und lässt wiederum ganz unterschiedliche Frauen erzählen, wie sie damit umgehen, dass die Haut dünner und die Haare weißer werden. Aber auch, wie wertvoll es ist, zu sehen, dass Älterwerden auch seine schönen und wertvollen Seiten hat. Gerade heute, wo wir in einem bislang noch nicht gekannten Ausmaß selbst bestimmen können, wie wir leben wollen und welche Werte wir als wichtig erachten – egal, ob wir dreißig, sechzig oder neunzig Jahre alt sind. Schlussendlich macht das Buch klar: Es gab wohl noch nie eine perfektere Zeit, älter zu werden.

 

Über die Autorin und den Fotografen

Silvia Aeschbach, geb. 1960, arbeitete als Journalistin bei verschiedenen Zeitschriften und Zeitungen und war in leitenden Positionen beim Nachrichtenmagazin »Facts« und bei der »SonntagsZeitung« tätig. Heute schreibt sie unter anderem für das Onlineportal des »Tages-Anzeigers« den erfolgreichen Blog »Von Kopf bis Fuss« sowie Kolumnen für die »Coopzeitung«. Bei Wörterseh kamen von ihr nach ihrem ersten Buch »Leonardo DiCaprio trifft keine Schuld – Panikattacken mit Happy End« die weiteren Bestseller »Älterwerden für Anfängerinnen«, »Älterwerden für Anfänger« und »Bye-bye, Traumfigur« heraus. Zudem erschien ihre Kolumnensammlung »Sind denn alle guten Männer schon vergeben?«. Silvia Aeschbach lebt mit ihrem Mann und ihrem Hund Millie in Zürich.

Die Bilder im Buch sind vom Fotografen Walter M. Huber. Sein Interesse an der Fotografie wurde vor vielen Jahren geweckt, aber es dauerte eine ganze Weile, bis er den Punkt »of no return« erreichte. Nach Erfahrungen mit einer Vielzahl von Techniken, Formaten und Stilen fand er, wonach er so lange gesucht hatte, sein ureigenes Thema: das Porträtieren von Menschen und ihrer Persönlichkeit.

 

Vorwort

Älter zu werden, hat viele Vorteile. Man wird in der Regel selbstbewusster, selbstbestimmter und selbständiger. Schöner wird man jedoch meistens nicht. Jedenfalls nicht auf jene Weise, die unsere Gesellschaft für eine sehr lange Zeit als Attraktivität verstand und teilweise immer noch versteht. Gemeint ist damit – jedenfalls in Bezug auf die Frauen – eine faltenlose Gesichtshaut, eine straffe und möglichst schlanke Figur und lange und dichte Haare, natürlich ohne einen Hauch von Grau. Doch seiner jugendlichen Schönheit hinterherzuhecheln, sei es mithilfe chirurgischer Eingriffe, überteuerter »Wundercremen« oder eines strikten Diät- oder Workout-Plans, ist nicht nur anstrengend, sondern auch hoffnungslos. Denn früher oder später – und spätestens dann, wenn aus den ersten körperlichen Zipperlein handfeste gesundheitliche Beschwerden geworden sind – ist es Zeit, sich einzugestehen, dass der süße Vogel Jugend uns längst verlassen hat und in Richtung Süden aufgebrochen ist. Dies, während uns im kühlen Herbst des Lebens im besten Fall die Erinnerungen an längst vergangene Frühlings- und Sommertage wärmen.

Schöne Erinnerungen sind eine tolle Sache. Aber wir können sie ja auch noch pflegen, wenn wir die achtzig oder die neunzig erreicht haben. Ist es nicht bereichernder, neue Erinnerungen zu schaffen, als alten nachzuhängen? Dies würde jedoch bedingen, dass wir die Gegenwart ganz bewusst leben. Etwas, das ich in jüngeren Jahren nie gemacht habe. Was mich damals interessierte, war die Zukunft. Was würde als Nächstes passieren? Meine Wunschliste, was ich erleben und erfahren wollte, war lang. Und ständig wurde sie mit neuen Ideen und Vorstellungen ergänzt. Rückblickend haben sich einige dieser Träume erfüllt, während andere verblassten. Und bei gewissen bin ich sogar froh, dass sie nie über den Zustand des Kopfkinos hinausgekommen sind.

Hochfliegende Träume und ein anstrengender Alltag sind kein gutes Gespann. Je mehr ich in meinem Leben beruflich und persönlich beansprucht wurde, desto mehr forderte die Realität ihren Tribut. Dann galt es, das Leben zu meistern, Enttäuschungen auszuhalten und Schicksalsschläge zu verkraften. Aufzustehen, wenn man lieber liegen geblieben wäre, weiterzumachen, wenn man lieber davongelaufen wäre, und durchzuhalten, weil die innere Stimme einem sagte: »Irgendwann wird alles wieder gut.« Glücklicherweise habe ich diesen Glauben auch in den dunkelsten Stunden nie ganz verloren. Auch nicht in den tiefschwarzen Momenten, in denen ich dachte: »Es geht nicht mehr.« Aber irgendwie ging es trotzdem weiter, und ich habe versucht, aus Erfahrungen zu lernen und sie in mein Leben zu integrieren. Das Träumen habe ich glücklicherweise bis heute nicht ganz verlernt. Ich mache zwar keine Listen mehr wie früher und habe nicht mehr den Anspruch, dass sich meine Wünsche erfüllen müssten. Aber ich hege und pflege meine Traumwelt in ruhigen Momenten durchaus, und zwar ausgiebig.

Mit Mitte dreißig spürte ich, wie sich mein Leben zu stabilisieren begann. Die seelischen Hochs waren nicht mehr so hoch, die Tiefs glücklicherweise auch nicht mehr so tief. Ich hatte mir als Journalistin beruflich einen Namen gemacht und lebte in einer stabilen und glücklichen Beziehung. Und ich hatte es geschafft, mir ein gewisses Selbstvertrauen aufzubauen. Später musste ich zwar erfahren, dass beruflicher Erfolg und eine gewisse Popularität, wie ich sie mir durch meine Arbeit als TV-Moderatorin geschaffen hatte, auch viel Neid und Missgunst wecken können. Doch mein Selbstbewusstsein war durch meine Erfahrungen gewachsen. Manche dieser Erlebnisse waren zwar schmerzhaft, aber dadurch, dass ich die Fehler nicht nur bei anderen suchte, sondern auch meinen Anteil an schwierigen Situationen und Beziehungen erkannte und dafür meinen Teil der Verantwortung übernahm, wurde ich stärker. Ich fand zu einem inneren Vertrauen, das mir lange Zeit gefehlt und dazu geführt hatte, dass mein Selbstwertgefühl von der Meinung, dem Urteil und der Zuneigung anderer abhängig gewesen war.

Die Jahre vergingen, die Herausforderungen nahmen zu. Ich musste Entscheidungen treffen. Wollte ich zusammen mit meinem Mann eine Familie gründen oder mich als Journalistin und Autorin weiterentwickeln? Nach langem Ringen wurde mir klar: Mein Beruf war auch meine Berufung, und so wie ich mich kannte, gab es für mich keine Zwischentöne. Ich hätte mich entweder in meine Mutterrolle gestürzt und das Schreiben vernachlässigt, oder meine Familie hätte nicht die Aufmerksamkeit bekommen, die sie verdient hätte. Heute sehe ich die damalige Situation differenzierter. Aber Teilzeitarbeit auf Redaktionen oder gar einen Job zu teilen, war in den 1990er-Jahren noch beinahe unmöglich. Karriere machte nur, wer bereit war, ihr vieles unterzuordnen.

Mit Mitte vierzig hatte ich so ziemlich alles erreicht, was ich mir erträumt hatte. Und gerade in diesem Moment begann ich zu zweifeln. Ich hatte zwar eine gute und liebevolle Beziehung und war in einen wunderbaren Freundeskreis eingebettet, aber war es vielleicht doch ein Fehler gewesen, für den geliebten Beruf auf Kinder zu verzichten? Irgendwann war es zu spät, sich darüber zu grämen, und heute profitieren meine Großneffen, meine Patenkinder und natürlich auch mein geliebter Hund von meinen mütterlichen Gefühlen.

Gerade als ich dachte, dass ich beruflich angekommen war, erlebte ich schmerzhaft, dass nichts im Leben sicher ist. Dass ich damals auf die fünfzig zuging, erleichterte die Situation nicht. Mein Arbeitsumfeld hatte sich verändert, jahrelange Erfahrung wurde immer weniger gewichtet. Gesucht wurden junge Talente, die man formen und überall einsetzen konnte. Ich erfuhr, dass es nur eine Veränderung in der Chefetage braucht, eine Person, die einem aus unerklärlichen Gründen nicht gut gesinnt ist – und das Berufsleben ändert sich um hundertachtzig Grad. Im einen Moment war ich noch ein angesehenes Mitglied der Chefredaktion einer der größten Zeitungen der Schweiz, im nächsten eine arbeitslose Journalistin, die zwar eine gute finanzielle Abfindung bekommen, jedoch den Boden unter den Füßen verloren hatte. Dass »wohlwollende« Kollegen meinten, diese Erfahrung würden die meisten Journalisten in Kaderpositionen mindestens einmal in ihrem Leben machen, tröstete mich nicht wirklich. Doch es bewahrte mich davor, dass meine Welt ein zweites Mal zusammenbrach, als mir ein paar Jahre später Ähnliches widerfuhr.

Statt in Trübsinn zu verfallen und zu hinterfragen, was ich falsch gemacht hatte – nämlich nichts –, beschloss ich, dieses Mal einen neuen Weg zu gehen. Ich wollte meine Erfahrungen und jene anderer Frauen in einem Buch übers Älterwerden zusammenfassen. Es sollte nicht nur die schwierigen und herausfordernden Seiten dieser Lebensphase beleuchten, sondern vor allem auch die positiven Seiten zeigen, die damit verbunden sind. Dass »Älterwerden für Anfängerinnen« ein solch schöner Erfolg wurde – das Buch war monatelang die Nummer eins auf der Schweizer Sachbuch-Bestsellerliste –, bewies, wie wichtig es ist, dass sich Frauen über ihre Erfahrungen austauschen, über ihre Gefühle und Ängste sprechen, sich unterstützen und gegenseitig Mut machen.

In letzter Zeit wurde ich immer wieder gefragt: »Gibt es eine Fortsetzung dieser Geschichten?« Oder: »Wie ist es den porträtierten Frauen ergangen?« Überraschenderweise bekam ich auch oft positive Feedbacks von jungen Frauen, die mich fragten, ob ich meine gemachten Erfahrungen und Einsichten nicht noch einmal teilen wolle. Es seien inzwischen doch einige Jahre vergangen, und sie seien ja auch älter geworden. Eine durchaus richtige Feststellung, schließlich altern wir ab unserer Geburt.

Anfänglich erstaunte mich dieses Interesse, denn ich hätte mich in jungen Jahren sicher nicht mit dem Älterwerden auseinandersetzen wollen. Aber diese Neugierde und Offenheit beweist auch, dass sich die harten Grenzen zwischen jung und alt aufzulösen beginnen und das Alter wirklich immer mehr nur eine Zahl ist. Die vielleicht etwas über unseren körperlichen Zustand aussagt, aber sicher nicht darüber, wie wir uns innerlich fühlen. Außerdem haben immer mehr Frauen, und auch Männer, keine Lust mehr, von der Gesellschaft aufgrund ihres Alters in eine Schublade gesteckt zu werden. Wir alle können voneinander lernen, egal, welcher Generation wir angehören.

»Jetzt erst recht! – Älterwerden für Anfängerinnen 2.0« ist ein Motivationsbuch für Frauen jeden Alters. Das aber bedeutet nicht, dass ich und die von mir porträtierten Frauen das Wissen besitzen, wie man perfekt altert. Ich mag es auch nicht, »gute« Ratschläge zu geben, denn was für mich stimmt, muss für andere keine Gültigkeit haben. Ich kann Ihnen, liebe Leserin, aber versprechen, dass Sie durch die Lebensgeschichten der wunderbaren Frauen, die Sie in diesem Buch lesen können, inspiriert sein werden, neue Wege zu gehen oder alte zu hinterfragen. Vielleicht finden Sie Parallelen zu eigenen Erfahrungen oder erkennen sich in gewissen Erlebnissen wieder. Und wenn Sie durch die Lektüre sogar die Erfüllung des einen oder anderen Traums in Angriff nehmen, wäre es das schönste Geschenk, das eine Autorin erwarten kann. Denn egal, ob wir zwanzig oder achtzig Jahre alt sind: Der Traum von heute kann die Wirklichkeit von morgen sein.

Silvia Aeschbach, im Sommer 2022

 

Von der Kunst, die eigene Schönheit zu erkennen

Man sieht sie in Magazinen und in der Werbung. Oft haben sie lange graue oder weiße Haare, ein paar Lachfältchen um die Augen und einen leicht gebräunten Teint, der Vitalität und Gesundheit impliziert. Es überrascht auch nicht, dass die meisten dieser groß gewachsenen Models noch nicht von der Altersschrumpfung betroffen sind, so wie die meisten normalsterblichen Frauen ab sechzig, die jährlich mindestens einen Zentimeter kleiner werden. Denn wenn man wie diese Gazellen Gardemaß hat, spielen ein paar Zentimeter keine Rolle. Hauptsache, die anderen Maße stimmen noch. Die meisten reifen Models, die immer noch oder wieder in ihrem Beruf arbeiten, tragen jedenfalls die gleiche Kleidergröße wie in jüngeren Jahren.

Was während Jahrzehnten unmöglich schien, hat sich in den letzten Jahren geändert. Plötzlich sind reife Models gefragt. Und eben nicht nur wie bis anhin in der Werbung für Inkontinenzhöschen, Zug- und Carreisen oder Versicherungen, sondern für die ganze Luxusgüterbranche. Denn das kaufkräftige Publikum findet sich eben nicht in erster Linie bei den Youngstern, die meist für diese Werbekampagnen engagiert werden, sondern bei der Käuferschaft jenseits der vierzig. Immer mehr Kosmetikunternehmen konnten den Unmut ihrer reifen Kundinnen nicht mehr überhören. Diese beklagten zu Recht, dass Firmen nicht glaubwürdig seien, die ihre teuren Anti-Aging-Cremen von neunzehnjährigen Models mit einer »Babyfüdlihaut« präsentieren lassen. Da aber die Verantwortlichen noch nicht mutig genug waren, mit unbekannten, reifen Modellen zu werben, setzten sie zuerst auf berühmte Stars jenseits der fünfzig.

Den Anfang machte die Hollywood-Legende Jane Fonda, 85, die schon immer ein ausgezeichnetes Gespür dafür hatte, was die Menschen bewegt, und die sich mit ihrem politischen und gesellschaftlichen Engagement einen Namen gemacht hat, egal, ob sie in den 1970er-Jahren an vorderster Front als eine der prominentesten Aktivistinnen der Antikriegsbewegung in den USA agierte oder ob sie 1982 ihr erstes Fitnessvideo veröffentlichte und damit einen unglaublichen Aerobic-Boom auslöste. Jane Fonda wäre nicht Jane Fonda, wenn sie nicht noch einmal von sich reden gemacht hätte. Dies geschah, als sie mit über siebzig Jahren ein hoch dotiertes Engagement annahm, um für einen Beautykonzern für Haarfarben und später auch für andere Schönheitsprodukte zu werben. Es ist sicher kein Zufall, dass es sich beim Auftraggeber um L’Oréal handelte – ein französisches Unternehmen. Denn im Gegensatz zu den amerikanischen kennen europäische Firmen keine Altersguillotine, wenn es darum geht, mit reifen Frauen zu werben. So wie neben Fonda beispielsweise auch mit der wundervollen Schauspielerin Julianne Moore, 61. Diese zwei prominenten Frauen waren quasi die Türöffnerinnen dafür, dass langsam, aber stetig mehr reife weibliche – und männliche – Models gefragter wurden. Und in der Folge dieser Öffnung wurde mehr gesellschaftliche Diversität möglich.

Doch ab wann gehört man eigentlich zu den Silver Agern? Jetzt müssen Sie stark sein: Bereits ab 49 ist der Zutritt zum Klub möglich, für den Wikipedia eine Reihe anderer Bezeichnungen hat – »Best Ager, Generation Gold, Generation 50 plus, Golden Ager, Third Ager, Master Consumer, Mature Consumer, Senior Citizens«. Nicht klar ist indes, wann diese »besten Jahre« denn wieder enden. Mit der Pensionierung, mit dem Tod oder einfach dann, wenn das Geld knapp wird und man als Konsument uninteressant wird?

Ich war selber eine Zeit lang als »Classic Model« bei einer großen Agentur unter Vertrag. Und nein, nicht weil ich eine dieser grau- oder weißhaarigen Amazonen gewesen wäre, sondern weil mein Typ angeblich gefragt war. Ich war Mitte vierzig – also noch im frühen Stadium, wenn es um den Reifegrad eines älteren Models geht –, als ich eines Tages von der Besitzerin einer bekannten Agentur angesprochen wurde. Ich schleckte gerade – gar nicht modelmäßig – an einer Vanille-Magnum-Glace, als ich von einer cool gekleideten Frau angesprochen wurde, die wissen wollte, ob ich schon einmal professionell vor einer Kamera gestanden sei. Zuerst dachte ich an einen Scherz, aber sie meinte es ernst. Wenig später besaß ich meine eigene Sedcard. Natürlich war ich stolz wie Antonia, als meine Fotos online auf der Agentur-Website neben internationalen Topmodels zu sehen waren. Ein kräftiger Schub auch für mein Selbstbewusstsein, das zu diesem Zeitpunkt gerade im »downfall« war, spürte ich doch die ersten Vorboten der Wechseljahre.

Leider wurde es dann doch nichts mit meinem Durchbruch, obwohl ich nichts dagegen gehabt hätte, einmal in meinem Leben den berühmten Satz des Supermodels Linda Evangelista wiederholen zu können: »Für weniger als zehntausend Dollar stehen wir am Morgen nicht auf.« Mit »wir« meinte sie natürlich nicht mich, sondern ihre Kolleginnen wie Claudia Schiffer, Cindy Crawford oder Naomi Campbell. Da ich nicht geldgierig erscheinen will: Mir hätte auch ein Tausender pro Tag genügt. Dass es nicht so weit gekommen ist – jedenfalls bis jetzt nicht –, hatte weniger mit meinen Qualitäten als Model zu tun, sagte jedenfalls meine Agentin, sondern damit, dass sich mein Beruf als Journalistin nicht wirklich mit jenem eines Models verbinden ließ.

Mit Anfang fünfzig bekam ich überraschenderweise die Anfrage eines großen internationalen Beautykonzerns für eine TV-Kampagne. Die Aufnahmen für den Werbespot sollten in Amsterdam stattfinden – werben würde ich zusammen mit drei anderen Models für ein neues Pflegeprodukt der Firma. Der Flug war bereits gebucht, in wenigen Stunden würde das Abenteuer beginnen. Doch im letzten Moment untersagte mir mein Arbeitgeber, den Auftrag anzunehmen. Dies mit der Begründung, dass ich danach als Journalistin möglicherweise befangen sein könnte. Ich schluckte die Kröte, weil ich ja auf meinen Job angewiesen war, auch wenn ich nur in einem Teilzeitpensum arbeitete. Als ich später die Werbespots mit meiner »Zweitbesetzung« im Fernsehen sah, tat das schon etwas weh.

Glücklicherweise habe ich nie zu den makellos schönen Frauen gehört, die es bekanntlich besonders schwer haben, älter zu werden. Nicht nur, weil bei ihnen die Zeichen der Alterung stärker ins Auge fallen, sondern auch, weil dies, wenn sie prominent sind, von der Boulevardpresse mit besonders unvorteilhaften Fotos gnadenlos ausgeschlachtet wird. Ich habe Verständnis dafür, dass sich viele von ihnen künstlich verschönern lassen, auch wenn die Ergebnisse manchmal alles andere als optimal sind.

An dieser Stelle möchte ich noch einmal an das vielleicht schönste Model der Welt erinnern: Linda Evangelista. Sie war ja unlängst in den Schlagzeilen, weil bei ihr eine Schönheitsbehandlung fehlgeschlagen war. Mit der sogenannten »Cool Sculpting«-Methode wollte sie Fettpölsterchen verlieren. Leider hatte sie das Pech, eine äußerst seltene Nebenwirkung dieser Behandlung zu erleiden: Die Fettpölsterchen wurden nicht weniger, sondern vermehrten sich. Und ihr ehemals kantig geschnittenes Gesicht wirkte seltsam aufgeplustert. Es brauchte mehrere Jahre des Rückzugs, bis Evangelista auf ihrem Instagram-Kanal an die Öffentlichkeit ging und sich selber als »arbeitsunfähig« und »verunstaltet« bezeichnete. Offenbar wurden ihr, im Gegensatz zu ihren ehemaligen Topmodel-Kolleginnen, keine lukrativen Aufträge mehr angeboten. Natürlich ist es nicht erfreulich, wenn einem so etwas passiert, aber Lindas erfolgreichste Jahre waren wohl zum Zeitpunkt des missglückten Eingriffs schon vorbei. Und wenn sie in ihrer Blütezeit morgens nicht zu oft im Bett geblieben ist – Sie erinnern sich an den Satz mit den zehntausend Dollar –, sollte sie eigentlich nicht mehr auf Arbeit angewiesen sein. Sie scheint aber ihre ehemals hohen Gagen nicht besonders gewinnbringend angelegt zu haben, oder sie hat ihre ganze Kohle verjubelt.

Gesund zu sein, auch mit den gewissen Zipperlein, die das Älterwerden mit sich bringt, ist mir heute wichtiger als eine faltenlose Haut. Darum versuche ich auch, so wenig wie möglich in den gnadenlosen Vergrößerungsspiegel zu schauen, der jedes Fältchen und jede Pore in zwanzigfacher Vergrößerung reflektiert. Aber wie bitte soll ich ohne ihn meine Brauen in Form bringen oder, noch wichtiger, meine blonden Kinnhaare auszupfen, die für mich zu den fiesesten Altersboten gehören? Meine ältere Schwester und ich haben uns jedenfalls das feierliche Ehrenwort gegeben, einander – sollten unsere Augen immer schwächer und die Härchen immer borstiger werden – diesen Dienst aus Nächstenliebe gegenseitig zu leisten.

Wenn ich gerade beim Thema Schönheit bin, möchte ich meinen jüngeren Leserinnen einige nicht wirklich weltbewegende, aber durchaus nützliche Erfahrungen weitergeben. Mir wären nicht nur einige Enttäuschungen erspart geblieben, hätte ich einst ähnliche Tipps bekommen, sondern auch eine Menge Geld.

Wunder dauern manchmal länger – oder passieren gar nicht

Auch wenn uns die Werbung jeden Frühsommer verspricht, dass jetzt eine »revolutionäre Formel« erfunden und wissenschaftlich getestet wurde, die die Matratzenstruktur unserer Oberschenkel glättet: Vergessen Sie es! Wenn es wirklich ein wirksames Mittel gegen Orangenhaut oder Cellulite geben würde, wäre damit jemand sehr, sehr reich geworden. Ein schwaches Bindegewebe – von dem leider hauptsächlich Frauen betroffen sein können – ist in erster Linie Veranlagung. Meine acht Jahre ältere Schwester hat diesbezüglich das große Los gezogen. Ihre Beine sind so straff und glatt wie früher. Meiner Mutter sei Dank! Ich tendiere eher in die Richtung der väterlichen Verwandtschaft. Hier war in Sachen Formen weniger Grazie, sondern eher Bodenständigkeit angesagt. Als sich in meiner Pubertät abzeichnete, dass ich eine eher kurvenreiche Frau werden würde – inklusive kräftiger, wenn auch gerader und langer Beine –, meinte mein Vater jeweils tröstend: »Dich bläst dafür nichts so schnell um.« Nicht gerade die Worte, die eine Dreizehnjährige, die sich mit ihren wachsenden Formen rumschlägt, hören möchte.

Doch zurück zur ungeliebten Orangenhaut: Schlechte Gewohnheiten wie der stete Wechsel zwischen Junkfood und Diäten führen nicht nur zu einem gewichtsmäßigen Jo-Jo-Effekt, sondern sorgen auch dafür, dass die Haut ihre natürliche Elastizität verliert. Wer schon frühzeitig beginnt, die Schwachstellen regelmäßig mit einem natürlichen Bioöl sanft zu massieren, kann einen positiven Effekt erwarten. Vor allem während einer Schwangerschaft soll dies vor ungeliebten Schwangerschaftsstreifen schützen. Und ja: Auch Influencerinnen, Stars und Sternchen, die ihre straffe Haut in den sozialen Medien präsentieren, bleiben nicht von Cellulite verschont. Doch sie verstehen es, sie auf ihren Posts mithilfe gewisser Filter glatt zu bügeln. Vergleicht man diese unrealistischen Bilder auf Instagram und Co. mit Bikinifotos, die von Paparazzi bei hellem Sonnenlicht geschossen wurden, hat man den Beweis dafür.

Ich weiß, es ist schwierig, sich mit Dingen anzufreunden, die man an sich nicht mag. Aber je früher man mit seinem Körper Frieden oder wenigstens Waffenstillstand schließen kann, umso besser. Denn es ist kein Geheimnis, dass die ästhetischen körperlichen Baustellen im Lauf des Lebens zunehmen – bis zu jenem Zeitpunkt, wo sie in den Hintergrund rücken und wir einfach nur froh und dankbar sind, dass wir fähig sind, uns ohne Schmerzen zu bewegen. Und wer weiß, vielleicht gibt es dann wirklich einmal ein Wundermittel gegen die ungeliebten Dellen. Ich würde es dann vielleicht auch zur Glättung meiner Nasolabialfalten verwenden.

Weniger ist oft mehr

Obwohl ich Schönheitsmittel liebe und durch meinen Beruf immer üppig mit neuen Testprodukten eingedeckt wurde, glaube ich längst nicht alles, was versprochen wird. Kein noch so hochpreisiges Serum kann Falten »ausbügeln«. Ganz einfach darum, weil seine Wirkstoffe nicht so tief in die Haut eindringen können, dass eine wirkliche Glättung möglich wäre. Ich gehöre nicht zu den Frauen, die auf Seife und Niveacreme schwören, und gönne mir immer wieder Beautyprodukte, die mich von ihrer Textur, ihrem Duft und ihrer Aufmachung her ansprechen. Bei einer regelmäßigen Anwendung erkenne ich auch eine positive Wirkung, weil sie mir helfen, dass ich mich wohlfühle in meiner Haut. So kann an einem trüben Montagmorgen eine wohlriechende Körperlotion meine Sinne beleben. Und alle Frauen (und sicher auch einige Männer) kennen das gute Gefühl, wenn nach dem Waschen mit dem neuen Lieblingsshampoo die Haare nicht nur glänzen, sondern auch so sitzen, wie sie sollten. Ich bin ohnehin der Meinung, dass ein guter Haarschnitt und ein unterhaltender Klatsch mit dem Friseur des Vertrauens den Besuch beim Psychologen ersetzen können.

Wer es in Sachen Pflege unkompliziert mag, dem empfehle ich, mindestens ab dem Frühling einen guten Sonnenschutz zu verwenden, zum Beispiel in einer Tagescreme, und bei kälteren Temperaturen morgens und abends ein nährendes Produkt. Und bitte nie mit »scharfen« Reinigungslotionen und ebensolchen Peelings operieren! Wenn aus einem Pickel mehrere werden, die nicht abheilen wollen, ist das sogenannte Ausdrücken eine schlechte Lösung. Vor allem, wenn man keine Aknenarben als »Andenken« möchte. Apropos Mitesser: Sie kommen nicht nur bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen vor. Auch Frauen mittleren Alters können einen Akneschub erleiden. Dann ist oft ein hormonelles Problem die Ursache, zum Beispiel zu Beginn der Wechseljahre. Wenn die Haut leidet, ist ein Besuch bei der Dermatologin angesagt, um weitere Schäden zu verhindern.

Sag niemals nie!

Auch ich gehörte zu meinen attraktivsten Zeiten zu jenen Frauen, die im Brustton der Überzeugung behaupteten: »Ich lasse nie etwas an meinem Gesicht machen!« Und wissen Sie was? Ich bin mir treu geblieben. Aber heute bin ich in einem Alter, in dem die Überheblichkeit früherer Jahre einem nötigen Realitätssinn gewichen ist. Ich lasse es mir für die Zukunft offen, ob ich eines Tages vielleicht doch noch einmal etwas »Unterstützung« in Anspruch nehmen möchte. Zum Beispiel dann, wenn mir meine Nasolabialfalten – Sie sehen, sie machen mir Sorgen – künftig den Ausdruck eines traurigen (vierbeinigen) Boxers verleihen würden. Dann könnte es sein, dass ich mir von einem erfahrenen Dermatologen Hyaluronsäure spritzen lasse.

Botox kommt mir allerdings nicht ins Gesicht. Auch wenn ich weiß, dass seine tausendfache Verdünnung ungefährlich ist. »Es ist die Menge, die das Gift macht«, predigte schon mein Vater, Chemiker von Beruf, wenn es um solche Fragen ging. Aber nachdem ich in meiner Jugend erlebt hatte, wie eine Linsendose, deren Ablaufdatum schon ewig überschritten war, in unserer Küche explodierte, als meine Mutter sie öffnete, weiß ich, wie Tod und Teufel riechen. Die durch das Bakterium Clostridium botulinum produzierten äußerst gefährlichen Toxine sorgten für einen unsäglichen Gestank und auch dafür, dass unsere Küche mehrere Wochen kalt blieb. Dieses vorhersehbare Unglück – die Wölbung des Konservendeckels war gut sichtbar – ereignete sich übrigens nicht nur einmal, sondern nach ein paar Jahren sogar ein zweites Mal. Ich glaube darum, dass ich an einem posttraumatischen Botox-Syndrom leide. Und ich bin heute der Meinung, dass jeder zurechnungsfähige Mensch selber entscheiden soll, ob und was er an seinem Gesicht machen lassen will – er muss es ja auch herumtragen.

Mühe habe ich jedoch damit, dass sich immer jüngere Frauen und Männer unsichtbare Falten oder ihre Lippen aufspritzen lassen. Nichts gegen ein bisschen Nachhilfe, wenn die Lippen so schmal sind, dass man beim Essen auf ein Messer verzichten kann. Aber den von Influencerinnen geprägten Einheitslook – langes, glattes Haar, dreidimensionale Wimpern-Extensions, ein schmales Näschen und überproportionierte Schlauchbootlippen – empfinde ich als alles andere als schön. Ja, die Geschmäcker sind verschieden. Und auch in meiner Generation gab es Schönheitsauswüchse, die sich oft schwer korrigieren ließen. Ich denke da etwa an ultradünn gezupfte Brauen oder an durch Dauerwellen und schlechte Färbemittel malträtierte Haare. Aber Stirn- wie Kopfhaare wuchsen in den meisten Fällen nach und ließen den »Unfall« nach einer gewissen Weile vergessen. Etwas, das bei schlecht ausgeführten Schönheitseingriffen nicht immer möglich ist. Mein Rat: Ob Sie zwanzig oder sechzig sind, lassen Sie immer nur ausgebildete Profis an ihren Körper, auch wenn diese teurer sind als jene furchtlosen Mitmenschen, die in einem Online-Kurs »gelernt« haben, mit Spritzen umzugehen.

 

»Meine Heimat habe ich in mir selber gefunden«

EVA EYHOLZER-MASCHEK, 55

Familienmanagerin, freischaffende Journalistin, lebt mit ihrem Mann, einem Hotelier, und dem gemeinsamen Sohn Lionel, 15, auf der Bettmeralp im Wallis. Ihre Tochter Sophie, 20, ist vor kurzem zu Hause ausgezogen und studiert in St. Gallen.

Wir waren jung, ehrgeizig und voller Träume, was unsere Zukunft betraf. Als Journalistinnen teilten wir uns Anfang der 1990er-Jahre ein Büro bei der »Schweizer Illustrierten«. Wir standen jedoch nicht nur in den Startlöchern, um beruflich durchzustarten, wir waren auch Singles und hegten die Hoffnung, in der »coolen Stadt«, in der wir arbeiteten, die große Liebe zu finden. Zürich war schon damals der »place to be«, vor allem, wenn man, wie Eva, aus dem Zürcher Oberland und, wie ich, aus Winterthur kam. Gemeinsam war uns auch die etwas naive Erwartungshaltung, dass uns die Welt nicht nur offenstehen würde, sondern auch auf uns wartete.

Fast dreißig Jahre später sitzen wir uns in einer Hotellobby in Zürich gegenüber. Eva, schlank und rank, im sommerlichen Blumenkleid mit trendigen Sneakers, die blonden Haare immer noch lang, die Haut leicht gebräunt, sieht so frisch und ausgeruht aus, als käme sie gerade aus ausgedehnten Sommerferien zurück. Um rechtzeitig zum Interview zu kommen, musste sie zu Hause um fünf Uhr in der Früh aufstehen und mit der ersten Gondel von der Bettmeralp ins Tal fahren. Ich hingegen lag noch bis kurz vor dem Treffen in meinem Bett. Obwohl ich sicher einige Stunden mehr geschlafen habe als Eva, wirkt sie bei unserem Treffen um einiges frischer und wacher, als ich mich fühle.

Als ich Eva auf ihr gutes Aussehen anspreche, lacht sie nur: »Du übertreibst! Das Bergklima und die extrem trockene Luft auf zweitausend Metern über Meer haben auf meiner Haut ihre Spuren hinterlassen. Und da nützen weder die tägliche Sonnencreme mit Lichtfaktorschutz 50 noch die teuersten Anti-Aging-Produkte.« Dies mache ihr manchmal durchaus zu schaffen. Vor allem, weil sie sich innerlich »noch ziemlich jugendlich« fühle. »Also, so zwischen 35 und 40«, sagt sie schelmisch lächelnd, als ich genauer wissen will, was »ziemlich jugendlich« denn in Zahlen bedeute. »Aber der morgendliche Blick in den Spiegel holt mich jeweils sehr schnell in die Realität zurück.«

Die Gefühle, die Eva beschreibt, sind mir nicht fremd. An meinen »guten« Tagen fühle ich mich ebenfalls um einiges jünger, als ich bin. Und dann mag ich auch mein eigenes Spiegelbild. Doch im Gegensatz zu Eva, die sich »voll im Saft« fühlt, mehren sich bei mir die Tage, an denen ich mehr Ruhe und Schlaf brauche, um mich fit zu fühlen. Liegt der Grund in den sechs Jahren, die ich älter bin als sie? Oder sind es ihr naturnaher Alltag auf der Alp und, damit verbunden, die konstante körperliche Aktivität, die diesen Unterschied ausmachen?

Für einen Moment mustern wir uns gegenseitig, und ich frage mich, was ihr wohl durch den Kopf geht. Teilt sie mein vertrautes Gefühl, das ich bei diesem Wiedersehen spüre, oder bin ich ihr fremd geworden? Als hätte sie meine Gedanken erraten, schaut sie mir direkt in die Augen und sagt: »Silvchen, ich freue mich so, dass wir uns endlich wieder einmal sehen.« In diesem Moment ist auch das letzte bisschen Eis zwischen uns geschmolzen, und wir knüpfen da an, wo wir vor langer Zeit aufgehört haben.

Es dauert also nicht lange, und wir tauschen Erinnerungen aus. Eva und ich waren nicht nur Bürokolleginnen, auch einen Teil unserer Freizeit verbrachten wir zusammen. Jedenfalls, solange es um städtische Aktivitäten wie Shoppen, Bar- oder Kinobesuche ging. Die sportlichen Aktivitäten, Evas Hobbys wie Biken, Joggen und Skifahren, überließ ich ihr gern. Ich war eben die »Stadtmaus« und sie das »Landei«, wie wir uns gegenseitig neckten.

Bevor wir nach der Arbeit jeweils in den Ausgang gingen, trafen wir uns etwas konspirativ auf dem Redaktions-WC. Die männlichen Kollegen aus den »seriösen« Ressorts Wirtschaft oder Politik mussten ja nicht mitbekommen, wie die beiden Girls aus dem Unterhaltungsressort sich herrichteten, um Zürich unsicher zu machen. Ich sehe uns noch heute, wie wir vor dem Spiegel unsere langen blonden Haare bürsteten und sie mit einer kräftigen Ladung Haarspray fixierten, um danach den hellblauen Lidschatten und die dritte Ladung schwarze Wimperntusche aufzutragen. Natürlich war auch unser Look zeitgerecht: Wir kombinierten gemusterte Leggings oder die damals so trendigen »Rüebli-Jeans« mit Blazern in leuchtenden Farben – natürlich inklusive Schulterpolster – und weißen Plateau-Sneakers. Nicht zu vergessen die obligaten Bauchtaschen, in denen wir so lebenswichtige Utensilien wie Lipgloss, Kaugummi und unsere Visitenkarten, auf die wir so stolz waren, verstauten. Man wusste ja nie, wem wir so alles begegnen würden. Und vielleicht stießen wir ja auch während des Ausgangs auf eine brennend heiße Geschichte. Als Gesellschaftsjournalistinnen waren wir immer im Dienst. Jedenfalls verstanden wir unseren Job so. Und vielleicht hatten wir ja auch Glück und bekamen in der »Kronenhalle«-Bar nicht nur einen Drink von einem Verehrer spendiert, sondern konnten zufällig mitverfolgen, wie Udo Jürgens wieder einmal ein paar junge Damen in seine nahe gelegene Penthouse-Wohnung einlud.

Mein Engagement bei der »Schweizer Illustrierten« dauerte nur ein knappes Jahr. Während Eva die Leitung des People-Ressorts übertragen wurde, arbeitete ich nun in meinem neuen Job als Redaktorin und Moderatorin beim Schweizer Fernsehen. Ihre Aufgabe war es, wöchentlich über das Leben der Schönen und Reichen zu berichten. Dank ihrer offenen und umgänglichen Art gelang ihr das spielend. Später machte Eva den nächsten Karriereschritt und wurde stellvertretende Chefredaktorin bei einer TV-Zeitschrift. Doch dazwischen passierte etwas, das ihr ganzes bisheriges Leben auf den Kopf stellen würde: Während der Skiferien auf der Bettmeralp im Wallis verliebte sie sich in einen ortsansässigen Skilehrer.

»Ich kannte Chris schon länger, allerdings nur flüchtig«, erinnert mich Eva an den Anfang ihrer Beziehung. Er hielt sie für ein eingebildetes »Grüezi«, sie ihn für einen trockenen Bergler. Eines Abends trafen sie sich dann zufällig im Pub, kamen ins Gespräch, und sogleich funkte es zwischen ihnen. »Das war nicht nur ein kleiner netter Ferienflirt. Schnell merkten wir, dass da mehr war«, erzählt Eva. »Auch wenn es kitschig tönt, war es so: Es dauerte nicht lange und wir spürten, dass wir füreinander bestimmt waren.« Ich muss lachen – das war jedenfalls die kürzeste Liebesgeschichte, die ich je gehört habe. Und es ging zügig weiter – die beiden schmiedeten schnell Zukunftspläne. »Lange Diskussionen, wo wir leben würden, gab es nicht, da Chris gerade den elterlichen Hotelbetrieb übernommen hatte.«

»Hättest du dir, bevor du Chris kennen gelernt hast, vorstellen können, deinen Traumjob und Zürich für einen Mann zu verlassen, um mit ihm auf einer Alp zu leben?«, necke ich Eva. »Natürlich nicht!«, antwortet sie mit diesem ansteckenden Lachen, das ich schon früher so mochte. »Aber nachdem ich mich in Chris verliebt hatte, zögerte ich keine Sekunde, mein altes Leben aufzugeben und mit ihm ein neues zu beginnen.« Gut anderthalb Jahre nach dem ersten Treffen feierten Eva und Chris mit ihren Familien und Freunden auf der Alp eine romantische Hochzeit.

Obwohl Evas neuer Wohnort nicht mehr wirklich zentral lag, stellte sich für sie nie die Frage, ob sie ihren geliebten Beruf aufgeben sollte. Doch sie beschloss, ihr Pensum zu reduzieren. Neu würde sie vier Tage in Zürich arbeiten und während dieser Zeit bei ihren Eltern wohnen, die drei nächsten Tage dann in ihrem neuen Zuhause im Wallis. »Da Chris während der Saison eh von sieben Uhr morgens bis elf Uhr nachts im Hotel ist, war das auch kein Problem für uns. Auch der lange Weg nach Zürich war gut machbar. Jetzt würde ich statt der S-Bahn und des Trams die Gondel nehmen, die mich innert sieben Minuten ins Tal brachte, und danach mit dem Auto nach Zürich fahren.« Dass ihr neuer Arbeitsweg zweimal wöchentlich nicht mehr vierzig Minuten, sondern dreieinhalb Stunden dauern würde, nahm Eva in Kauf. »Ich war ja jung und gesund, und ich freute mich auf dieses Abenteuer.«

Ein ungewöhnliches Lebensmodell, das damals im Dorf zu reden gab. Als Frau eines Hoteliers gehörte es sich, im Betrieb mitzuarbeiten. »Ich wollte meinen Beruf, der meine Passion und ein Teil von mir war, nicht aufgeben. Mein Mann unterstützte das zum Glück voll. Zudem hatten wir beide großen Respekt davor, unsere Liebe der gemeinsamen Arbeit wegen aufs Spiel zu setzen.«

Evas und meine beruflichen Wege führten uns noch einmal zusammen. Im Frühling 2000 hatte ich die Chefredaktion der ehemaligen traditionellen Zeitschrift »Meyers Modeblatt« übernommen, um sie auch für eine jüngere Leserschaft attraktiv zu machen. Ich freute mich, Eva als Journalistin in mein Team zu verpflichten, weil wir ja immer davon geträumt hatten, zusammen ein Frauenmagazin zu gestalten. Wenige Wochen nach ihrem Arbeitsbeginn und ihrer Heirat teilte mir Eva jedoch mit, dass sie schwanger sei. Bis zur Geburt des Kindes wolle sie weiterarbeiten. Das war für mich eine zwiespältige Nachricht: Einerseits war ich enttäuscht, andererseits wusste ich ja, dass es schon immer Evas größter Wunsch gewesen war, eine Familie zu gründen. Dass dies bereits in den Flitterwochen geschehen würde, damit hatte ich nicht gerechnet. Ich war mir allerdings sicher, dass Eva bis zur Geburt ihres Kindes ihr Bestes geben würde. Denn ich hatte sie nie anders als äußerst pflichtbewusst erlebt. Und was sollte sonst schiefgehen? Eva war ja jung, gesund und fit.