Johannes Block -  - E-Book

Johannes Block E-Book

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Beschreibung

Der Barther Reformator Johannes Block ist einer der wichtigsten Köpfe der Frühreformation in Nordosteuropa. Von ihm sind keine eigenen Schriften überliefert, so dass sein Leben und Wirken weitestgehend unbekannt sind. Aus seiner Büchersammlung, die Block der Barther Marienkirche vermacht hat, lässt sich jedoch ein von geistigen Aufbrüchen und Schicksalsschlägen gezeichnetes Lebensbild herauslesen. Für den Humanisten und Wanderprediger führte der Weg um 1510 aus Hinterpommern über Livland und Finnland zurück in seine pommersche Heimat, wo er 1534 Teil von Bugenhagens Fürstenreformation wurde. Die Publikation beleuchtet die historisch-kulturellen Hintergründe von Blocks Wirken, die 2015 auch auf einer internationalen Fachtagung am Barther Bibelzentrum diskutiert wurden. Zusätzlich erschließt ein wissenschaftlicher Katalog erstmals Blocks Predigerbibliothek, wodurch ein einzigartiger Schatz der ersten Reformatorengeneration greifbar wird. [Johannes Block. The Pomeranian Reformer and his Library] Johannes Block, reformer of Barth, Pomerania, has to be counted among the most important figures of the early Reformation in north-eastern Europe. Since he left no writings of his own, little is known of his life and impact. But we can trace Block's biography by means of his private library donated by him to the Church Library of St. Mary's at Barth. With regard to this collection we are able to identify a singular life characterized by spiritual recommencements on the one hand and several strokes of fate on the other. As a humanist and itinerant preacher, Block left his native country, Lower Pomerania, about the year 1510, and worked in Livonia and Finland. On his return to Pomerania he took part in the Prince's Reformation organized by the Wittenberg Lutheran Bugenhagen (1534). This publication gives insight into the socio-historical roots of Block's activities, compiling papers discussed by an international group of scholars at the Barth Bible Centre in 2015. Furthermore, Block's itinerant preacher's library is made accessible by a scholarly catalogue for the first time. Thus, Block's book collection can be rediscovered as a unique treasure of the first generation of reformists.

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Herbergen der Christenheit

Sonderband 22

Herbergen der Christenheit

Jahrbuch für deutsche Kirchengeschichte

Herausgeber und Redaktionsbeirat:

Markus Hein mit Michael Beyer, Volker Gummelt, Wolfgang Krogel, Martina Scholz, Susanne Böhm und Christoph Werner

Sonderband

22

Johannes Block

Der pommersche Reformator und seine Bibliothek

herausgegeben von Jürgen Geiß-Wunderlich und Volker Gummelt

Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der

Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

© 2018 by Evangelische Verlagsanstalt GmbH · Leipzig

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Cover: Zacharias Bähring, Leipzig

Coverbild: Kirchengemeinde St. Marien, Barth (Foto: Eva Wunderlich)

Layout: Institut für Kirchengeschichte der Theologischen Fakultät Leipzig

Satz: Felicia Hein, Halle

E-Book-Herstellung: Zeilenwert GmbH 2018

ISBN 978-3-374-05156-4

www.eva-leipzig.de

Inhalt

Cover

Titel

Impressum

Vorwort

I

Beiträge der Internationalen Fachtagung

»Wanderprediger und Leuchtturm des neuen Glaubens: Bücher, Leben und Wirken des Barther Reformators Johannes Block«

im Niederdeutschen Bibelzentrum Barth/Vorpommern vom 24. bis 26. September 2015

Jürgen Geiß-Wunderlich

Eine Büchersammlung der Lutherzeit

Aspekte der Erforschung von Blocks Gelehrtenbibliothek

Bruno Blüggel

Die Digitalisierung der Barther Bibliothek des Johannes Block in der Universitätsbibliothek Greifswald

Thomas Wilhelmi

Baustellen der Forschung

Erschließung von Kirchenbibliotheken in Vorpommern, Mecklenburg und Nordthüringen

Tiina Kala

Die frühe Reformationszeit in Dorpat

Mit besonderer Berücksichtigung der Quellenlage und der Forschungstraditionen

Outi Merisalo

Die Humanismusrezeption im Königreich Schweden im 16. Jahrhundert

Simo Heininen

Michael Agricola, der Reformator Finnlands

Volker Gummelt

Die Einflussnahme Wittenbergs auf die Reformation im Ostseeraum

Ein Überblick

Rudolf Gamper

Die Bibliothek Joachim Vadians (1483/84-1551) und die Anfänge der Reformation in St. Gallen

Peter Blickle†

Christoph Schappeler in Memmingen

Eine Theologie für eine ethische Erneuerung der Politik

II

Analyse und Rekonstruktion der historischen Gelehrtenbibliothek

Jürgen Geiß-Wunderlich

Pommern, Livland, Finnland – und zurück

Der Wanderprediger und Reformator Johannes Block im Spiegel seiner Büchersammlung

Jürgen Geiß-Wunderlich

Katalog der erhaltenen Bücher aus Blocks Gelehrtenbibliothek

I Vorbemerkungen

II Katalog

Teil 1: Kirchenbibliothek St. Marien in Barth

Teil 2: Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz

Register der Verfasser und Werke

Register der Drucker und Verleger

Register der Druckbibliographien

Buch- und provenienzhistorisches Register

Verzeichnis der im Katalog abgekürzt zitierten Literatur

Personenregister

Abkürzungsverzeichnis

Weitere Bücher

Vorwort

Auch im Jubiläumsjahr zu einem halben Jahrtausend Reformationsgeschichte nach Luthers legendärem Thesenanschlag am 31. Oktober 2017 ist dessen Zeitgenosse, der pommersche Reformator Johannes Block, niemand, der in der öffentlichen Wahrnehmung irgendeine Reaktion auslösen würde. Das gilt nicht einmal für Pommern. Dabei wurde Block gerade hier geboren und unterstützte ab Mitte der 1530er-Jahre die von Johannes Bugenhagen initiierte Fürstenreformation. Block gehört zu einer Gruppe von Frühreformatoren, die als Sendboten des neuen Glaubens zwar rastlos tätig waren, aber keine eigenen Schriften hinterlassen haben. Viele gerieten darum schnell in Vergessenheit und ihre Wirkung bleibt uns bis heute verborgen. Glücklicherweise liegen die Dinge bei Block ein wenig anders, denn in der Bibliothek der Barther Marienkirche blieb seine private Prädikantenbibliothek weitgehend erhalten. Diese Bücher gestatten einen faszinierenden Einblick in die Biographie eines zu Unrecht vergessenen Frühreformators, der an der südlichen Ostseeküste (Pommern, Danzig) wie auch im Baltikum (Livland) und in Finnland gewirkt hat. Es ist die untergegangene Theologie eines stumm gebliebenen Reformators, die uns heute noch aus seiner Büchersammlung anspricht. Insofern lohnt es sich, mit dieser Publikation die Lebensspuren eines Humanisten, Reformpredigers und Reformators zu verfolgen, der vor allem in seinen Büchern als Zeitgenosse Luthers nicht nur in Barth, sondern im ganzen Ostseeraum Spuren seines Wirkens hinterlassen hat. Auf diese Weise wird Johannes Block aus Pommern mit seiner Bibliothek zu einem Exempel der evangelischen Verkündigung, bei dem es sich lohnt, es dem Vergessen zu entreißen.

Das vorliegende Buch besteht aus zwei Teilen. Im ersten Teil sind die Ergebnisse einer Tagung dokumentiert, die am Niederdeutschen Bibelzentrum in Barth vom 24. bis zum 26. September 2015 mit internationaler Beteiligung von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus Deutschland, Finnland, Estland und der Schweiz veranstaltet wurde. Im zweiten Teil finden sich der Katalog der erhaltenen Bücher aus Blocks privater Prädikantenbibliothek sowie eine kulturhistorische Untersuchung zum Wirken und zur Wirksamkeit Blocks an den verschiedenen Stationen seines Lebens. Beides dokumentiert die nun fast zwanzigjährige Forschungsarbeit zu Block und seiner Bibliothek.

Bücher wie diese entstehen oft nicht aus einem Guss und sind schon gar nicht das Ergebnis einsamer Forschungstätigkeit. Viele Personen haben im Laufe der längeren Forschungsgeschichte an Johannes Block und seiner Büchersammlung Anteil genommen, Interesse gezeigt und tatkräftige Hilfe geleistet. Unser Dank geht hierbei vor allem und zu allererst an Johannes Pilgrim, bis Sommer 2016 Leiter des Niederdeutschen Bibelzentrums St. Jürgen in Barth. Er ist auf das Ganze gesehen sicherlich der hartnäckigste Förderer der Forschungen zu Block und hat seine Begeisterung nachhaltig an seine Nachfolgerin, Nicole Chibici-Revneanu und den neuen stellvertretenden Leiter Ulrich Kahle weitergegeben. Seine Ehefrau Annemargret Pilgrim, bis Oktober 2017 Pastorin der Barther Mariengemeinde, die mit dem Niederdeutsche Bibelzentrum vielfältig verbunden ist, hat die Forschungen an der Block-Bibliothek von Anfang an unterstützt und – durchaus im Wortsinne – ein jederzeit offenes Ohr und und eine offene Tür in ihrem Pfarrhaus geboten. Dafür sei ihr ebenfalls ganz herzlich gedankt. Für die Barther Kirchenbibliothek war Hiltrud Uphues jederzeit eine verlässliche und hilfsbereite Ansprechpartnerin. Das gilt ebenso für Varvara Diesdorn-Liesen, seit 2016 Vorsitzende des Bibliotheksfördervereins Barth. Beide haben von der Barther Kirchenbibliothek aus die Forschungen zu Block optimal unterstützt, in der Abschlussphase des Buches auch mit Hilfe von Jürgen Liesen, der in der Kirchenbibliothek mehrere Abbildungen aus der Block-Sammlung angefertigt hat. Ein wichtiger Motor für das Zustandekommen dieses Buches war auch Falk Eisermann, der als Beirat des Barther Bibliotheksvereins und als Referatsleiter am »Gesamtkatalog der Wiegendrucke« an der Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz die kollegiale und fachliche Verbindung garantierte und auch hielt. Bruno Blüggel von der Universitätsbibliothek Greifswald schließlich ist es zu verdanken, dass große Teile der Block-Bibliothek mit Landesmitteln aus Mecklenburg-Vorpommern digitalisiert wurden und nun weltweit im Netz verfügbar sind.

Danken möchten wir auch den Teilnehmern der genannten Barther Block-Tagung für anregende Gespräche und weiterführende Initiativen, den Barther Reformator und seine Bücher über Vorträge und Zeitschriftenbeiträge in der wissenschaftlichen Öffentlichkeit bekannter zu machen. Eva Wunderlich schließlich hat den notorischen Block-Forscher Jürgen Geiß-Wunderlich über eine lange Zeit seiner Beschäftigung mit dem Barther Reformator beim Identifizieren von Büchern, dem Anfertigen von Bildern sowie klugen Ratschlägen kritisch und gleichzeitig liebevoll begleitet. Auch dafür herzlichen Dank!

Den Druck dieses Buches, das von den Mitarbeitern der Evangelischen Verlagsanstalt (EVA) in Leipzig und Felicia Hein umsichtig und fachkundig erarbeitet wurde, haben dankenswerter Weise mehrere Geldgeber finanziell unterstützt. Wir danken der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland, dem Bischof Hans-Jürgen Abromeit, dem Pommerschen Kirchenkreis, der Arbeitsgemeinschaft für pommersche Kirchengeschichte sowie dem Förderverein Kirchenbibliothek St. Marien Barth für zum Teil namhafte Geldbeträge, mit deren Hilfe es erst möglich wurde, dieses Buch erscheinen zu lassen.

Zum Schluss möchten wir dreier Menschen gedenken, die maßgeblich an den Forschungen zu Block beteiligt waren, leider aber in den letzten Jahren verstorben sind. Der ehemalige Pfarrer und Bibliothekar in Barth, Michael Reimer († 13. März 2017), ist der eigentliche »Entdecker« Blocks und seiner Bibliothek. Ohne seine Vorarbeiten wäre ihre Rekonstruktion im vorliegenden Buch nicht möglich gewesen. Ähnliches gilt für Konrad von Rabenau († 23. Juli 2016), der als Erforscher von Einbänden und Kirchenbibliotheken sowie als evangelischer Theologe einen großen Anteil daran hat, dass Blocks Bibliothek nun die Bekanntheit erhält, die sie verdient. Der große Bauernkriegshistoriker Peter Blickle († 23. Februar 2017) schließlich hat die Barther Tagung 2015 mit seiner Teilnahme und seinem Abschlussresümée in den Augen der Teilnehmer und Veranstalter zu einem wissenschaftlichen Ereignis gemacht. Allen drei Verstorbenen sei dieses Buch gewidmet.

Berlin und Neuenkirchen bei Greifswald, im Januar 2018

Jürgen Geiß-Wunderlich und Volker Gummelt

I

Beiträge der Internationalen Fachtagung »Wanderprediger und Leuchtturm des neuen Glaubens: Bücher, Leben und Wirken des Barther Reformators Johannes Block« im Niederdeutschen Bibelzentrum Barth/Vorpommern vom 24. bis 26. September 2015

Eine Büchersammlung der Lutherzeit

Aspekte der Erforschung von Blocks Gelehrtenbibliothek

Von Jürgen Geiß-Wunderlich

I Eine Privatbibliothek als Geschichtsquelle

Das Entdecken und Interpretieren neuer Quellen ist für den Historiker immer mit einem unvergleichlichen Reiz verbunden. Die Erforschung des Lebens und Wirkens des pommerschen Reformators Johannes Block ist ein Paradebeispiel dafür. Zentrales Dokument, das es hierbei zu erforschen gilt, ist seine Bibliothek, eine private Büchersammlung, die nach dem Tod ihres Besitzers gut 450 Jahre in der Marienkirche in Barth in einem tiefen »Dornröschenschlaf« versunken war. Da Block anderweitig, das heißt außerhalb seiner Büchersammlung, nur ganz punktuell bezeugt ist und diese Angaben bislang noch nicht systematisch aufeinander bezogen wurden, war eine historisch adäquate Einschätzung seiner Person als »Leuchtturm« der frühen evangelischen Bewegung in den Ostseeländern bis heute kaum möglich. Mein Beitrag konzentriert sich daher darauf, Blocks Prädikantenbibliothek als historische Quelle kritisch zu sichten. Hieraus ergibt sich die Gelegenheit, die Büchersammlung in den Kontext der außerbibliothekarischen Quellen einzuordnen.1 Leitend waren für mich dabei zwei methodische Grundfragen: Inwiefern lassen sich aus einer historischen Gelehrtenbibliothek wie derjenigen Blocks Aufschlüsse über sein Leben und Wirken gewinnen? Und – etwas weiter gefasst – was für ein Licht wirft das Leben des bislang unbekannten Reformators auf die Übergangszeit vom alten zum neuen Glauben im politischen Einflussgebiet der Hanse?

Auf Johannes Block und seine Büchersammlung stieß ich eher zufällig gegen Ende der 1990er Jahre. Ich forschte damals zur Rezeption der Werke des italienischen Protohumanisten Francesco Petrarca nördlich der Alpen; dabei konzentrierte ich mich auf die älteste gedruckte Überlieferung seiner Werke bis etwa 1520.2 Mit Blick auf Block war der Fund eines niederländischen Schuldrucks aus seiner Büchersammlung3 der Anfang, der sich im Nachhinein als Griff in eine Goldgrube erwies. Denn bei nachfolgenden Recherchen fand ich in einer Märzwoche des Jahres 2001 in der 4.000 Bänden der Kirchenbibliothek nicht weniger als 123 Bände aus Blocks Büchersammlung.4 In den Folgejahren kamen noch einige Bücher hinzu, so dass bis heute 127 Codices nachweisbar sind; einer fand sich erst kürzlich in der Berliner Staatsbibliothek.5 Die genannten 127 Bände enthalten neun spätmittelalterliche Handschriften und die stattliche Anzahl von 260 Drucken, darunter 40 Inkunabeln. Viele sind Sammelbände, die überwiegend aus Drucken – vereinzelt auch aus Manuskripten – bestehen. Alles in allem ist das ein zeittypisches, bunt zusammengewürfeltes spätmittelalterlich-frühneuzeitliches Buchensemble, das Block über die Jahre durch Kauf oder Schenkung zu einer der bedeutendsten Privatbibliotheken seiner Zeit im Norden geformt hat. Vom Umfang her entspricht diese Sammlung in etwa dem Bestand einer kleineren zeitgenössischen Klosterbibliothek.6 Doch nicht nur die Größe beindruckt, sondern auch der Erhaltungszustand. Hier haben die langfristig günstigen Überlieferungsbedingungen in einer abgelegenen Kirchenbibliothek ihren Teil dazu beigetragen, dass wir nur mit geringen Verlusten rechnen müssen – auch wenn wir in Ermangelung eines zeitgenössischen Inventars nicht wissen können, wie groß die Block-Sammlung ursprünglich war. Unabhängig davon dürfte die Büchersammlung des Barther Reformators jedoch die einzige annähernd erhaltende Privatbibliothek eines Reformators und Zeitgenossen Luthers im Ostseeraum gewesen sein. Schon allein das macht sie zu einem einzigartigen und in jeder Hinsicht schützenswerten Ensemble, das wertvolle Aufschlüsse zur Religiosität und zur Kultur- und Bildungsgeschichte an der Schelle vom Mittelalter zur Frühen Neuzeit und im Übergang zur Reformation in Nordosteuropa verspricht.

Doch nicht nur für die Kulturgeschichte im Allgemeinen, sondern auch für die Biographie Blocks im Besonderen besitzt seine Büchersammlung einen immensen historischen Zeigewert. Fragen wir, was wir von dem Barther Prädikanten und seinem Verständnis von »Reformation« wüssten, wenn seine Bücher nicht als Legat an die Barther Marienkirche gegangen wären, so müssten wir einräumen: »Praktisch nichts!« Die anderen Quellen sind – wie oben bereits angedeutet – äußerst rar, und was Blocks eigene Werke betrifft, so stehen wir ohnehin vor einer »tabula rasa«: Keine einzige Predigt – ob lateinisch oder niederdeutsch, ob Konzept, Original oder Abschrift – ist von ihm erhalten geblieben. Wir besitzen auch keine Abschrift eines anderen Werks aus seiner Feder, kein autobiographisches Selbstzeugnis, nicht einmal aus seiner Barther Zeit, wo es – im Gegensatz zu seinen anderen Wirkungsorten (Danzig, Dorpat/Livland, Wiburg/Finnland) – zumindest in den lokalen und regionalen Kirchenakten der frühen Reformationszeit punktuelle Zeugnisse seines Lebens und Wirkens gibt. Hier bietet Barth, wo Block 1533/35 die Reformation eingeführt hat und wo er auch gestorben ist, am meisten: Die Grabplatte des Reformators, die bis in das 19. Jahrhundert hinein vor dem Nordportal der Sankt-Marien-Kirche in den Boden eingelassen war, ist heute zwar verloren, liefert aber mit dem Beginn seines reformatorischen Wirkens (23. Februar 1533) und seinem Tod (9. November 1545) die wichtigsten Kerndaten zu seinem Leben und zu seinem Wirken für die evangelische Bewegung vor Ort. In den Barther Kirchenrechnungen, einer zweiten wichtigen Quelle, wird Block Weihnachten 1544 noch als Mitarbeiter (»kercken denere«) erwähnt, zu Ostern 1545 aber schon nicht mehr. Da er andererseits 1545 als Teilnehmer an einer Provinzialsynode der pommerschen Kirche in Greifswald noch genannt wird, bleibt hier die Frage nach seinem Rückzug aus dem Barther Kirchendienst bzw. nach seinem Todesdatum offen. Hier kann man hoffen, in den Daten aus seiner Bibliothek weitere Klärungen zu erhalten. Das gilt gleichermaßen für den Beginn seines Kirchendienstes als Barth, zumal Block noch eine Zeitlang (bis 1538) an zweiter Stelle nach dem altgläubigen Pfarrer (Kirchherren) Nikolaus Brun genannt wird. Konsequenterweise zählt der Schreiber der Kirchenrechnungen den Reformator erst ab 1536 unter die Gruppe der »kerken denere«, ab 1537 bezeichnet er ihn dann regelhaft als »(overste[n]) predicante[n]« bzw. als »preddycker«; als Pastor taucht er hier allerdings nirgends auf.

Die früheren Quellen zu Blocks Leben außerhalb Barths sind noch punktueller und eröffnen nicht mehr als Schlaglichter. Geht man chronologisch vor, haben wir zunächst einen erst kürzlich von mir entdeckten Quellenfund aus dem Domarchiv von Blocks Heimatdiözese Kammin.7 Als Kleriker, Vikarspfründner und Sakristan ist er hier 1515 erstmals historisch bezeugt, als er eine enorme Erhöhung seiner jährlichen Pfründeneinkünfte von 4 auf 80 Mark erreichte. Diese Pfründe scheint Block auch nach seinem späteren Übertritt zur Reformation beibehalten zu haben. Zudem vernetzte er sich mit dem Kauf eines Kurienhauses in Kammin (1522) fest im politischen Machtgefüge seiner Diözese, wie die Kamminer Urkunden an anderer Stelle verraten. Auf diese ökonomischen Ressourcen verzichtete er nach Aktenlage endgültig erst 1538 – und damit genau zu einer Zeit, als er als evangelischer Oberprediger und Pastor in Barth endgültig Teil des landesfürstlichen Reformationsnetzwerks der Pommernherzöge geworden war.

Ein weiteres, zwar punktuelles, aber überaus wertvolles Quellendokument kommt aus Finnland. Es handelt sich dabei um einen Geleitbrief, den Blocks damaliger Dienstherr Graf Johann von Hoya in seinem Machtzentrum Wiburg (Karelien, heute Rußland) für seinen Prediger im August 1532 ausgestellt hat. Die Urkunde wurde erst in den 1980er- oder 1990er-Jahren von dem finnischen Reformationshistoriker Simo Heininen entdeckt und mit Hilfe des ehemaligen Barther Pastors und Kirchenbibliothekars Michael Reimer auf den pommerschen Reformator Block bezogen.8 Sie ist deswegen so wichtig, weil Block hier nicht nur erstmals auch als Protagonist der Reformation in Finnland hervortritt, sondern weil sie ihn das erste (und einzige) Mal zu dieser Zeit als verheiratet bezeichnet. Im überaus quellenarmen Finnland zu Beginn des 16. Jahrhunderts ist der Wiburger Geleitbrief über die engeren biografischen Bezüge hinaus ein wichtiges Zeugnis zur Reformationshistorie, dessen Tragweite bezüglich der Protagonisten, Förderer und politischen Verflechtungen bislang nicht einmal in Ansätzen erkannt bzw. ausgewertet wurde. Es verdient eine besondere Hervorhebung, dass Blocks Wirken in Wiburg eines der frühesten Reformationszeugnisse im Land überhaupt darstellt, das in enger Beziehung zum ersten Auftreten des finnischen Protoreformators Michael Agricola in Turku (1528) gesehen werden muss.

Was die Fürstenreformation in Pommern betrifft, so ist Block – über die oben genannten Belege hinaus – in zwei Visitationsrezessen des Herzogs aus den Jahren 1536 und 1544 als »overster predicante« der Barther Marienkirche belegt, schließlich in den Jahren 1541, 1544 und – wie oben bereits erwähnt – 1545 als Abgesandter der Marienkirchengemeinde auf drei Provinzialsynoden in Greifswald und Stettin. Es ist diese Urkundengruppe, die uns zu der Annahme berechtigt, dass Block in Pommern schon sehr früh als Protagonist der evangelischen Bewegung im Baltikum bzw. in Finnland wahrgenommen wurde, was ihn als den geeigneten Mann erscheinen ließ, von der Herzogstadt Barth die Durchsetzung der Reformation durchzusetzen. Aus Barth ist schließlich ist noch das Bild der dortigen Renaissancekanzel zu erwähnen, das Block in der Nachfolge des Evangelisten Johannes (seines Namenspatrons) zeigt.9 Das Bild wurde von einem unbekannten Meister gegen Ende des 16. Jahrhunderts, vermutlich als Nachzeichnung einer zeitgenössischen Vorlage, gefertigt. In den Händen hält der äußerlich mit kargen Gesichtszügen und einem mächtigen weißen Bart gekennzeichnete Prädikant ein Buch mit der niederdeutschen Fassung einer Bibelstelle nach Johannes (3,16): »Also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hingab …«. Die evangelische Gemeinde in Barth formte damit eine Generation nach Blocks Tod ein Erinnerungsbild von ihrem Reformator mit einem hohen Identifikationsfaktor für die eigene Geschichte im reformatorischen Barth und in Pommern. Das gilt umso mehr, als die Kirchenoberen »ihren« Prediger auf der neuen Kanzel offenbar bewusst neben die großen Wittenberger Theologen Philipp Melanchthon und Paul Eber sowie neben den ersten pommerschen Superintendenten Jakob Runge platzierten.

Fassen wir diesen kargen und von Zufälligkeiten bestimmten Quellenbefund zusammen und lassen wir Blocks Bibliothek erst einmal beiseite, so steht der pommersche Prädikant vor allem als Reformator des Barther Landes und als Mitorganisator des entstehenden evangelischen Kirchenwesens in Pommern ab den frühen 1530er-Jahren vor uns. Seine Vorgeschichte als Kleriker und Pfründner der pommerschen Diözese Kammin (1515, 1522, 1538) und als gräflicher Schlossprediger im finnischen Wiburg (1532) leuchtet nur ganz punktuell auf. Mit Blick auf seine Büchersammlung ist die spannende Frage, was diese zur Ergänzung oder zur Korrektur dieses bruchstückhaften Bildes beitragen kann.

II Von der Büchersammlung zur Biographie

An das vorher Gesagte schließt sich eine methodische Grundfrage an, die lautet: Wie lassen sich Blocks Bücher für die Rekonstruktion des Lebens und Wirkens eines Zeit- und Gesinnungsgenossen Martin Luthers zum Sprechen bringen? Welche Hilfsmittel brauchen wir, um die verstreuten Steinchen der Büchersammlung zusammen mit den anderen Quellen zu einem Mosaik der frühen Reformationszeit im Ostseeraum zusammenzufügen? Um diese Fragen zu beantworten,10 möchte ich zunächst mit den Kauf- und Besitzvermerken in seinen Büchern beginnen. Block hat diese wertvollen historischen Dokumente glücklicherweise in die meisten seiner Bücher eingetragen. In ihrer Zusammenschau wird es möglich, nicht nur seine Privatbibliothek aus der deutlich größeren Sammlung in der Marienkirche in Barth herauszuschälen, sondern über seine Selbstbezeichnungen und die Datierungen auch ein Itinerar seines Lebens und Wirkens im Ostseeraum in der Zeit von etwa 1490 bis 1545 zu erstellen. Einige dieser Vermerke sind datiert, was uns die Möglichkeit eröffnet, von hier aus ein tragfähiges zeitliches Gerüst zu errichten. Überraschend – und aus den anderen Quellen völlig unbekannt – ist dabei Blocks Selbsttitulierung als »cappellanus Stolpensis« in den frühen 1490ern im Umfeld einer unbekannten Lateinschule im Norden. Überliefert dieser Beleg nur ein kleines und eher unbedeutendes Detail seines frühen Lebens, so überrascht in den datierten Bezeugungen seiner Bücher eine (anderenorts unbekannte) Wanderbewegung von Pommern über die Ostseemetropolen Danzig und Dorpat in den ersten beiden Jahrzehnten (1512, 1513 bzw. 1514, 1526) nach Finnland. Die Wiburger und Barther Zeit treten mit den Datumsangaben 1532 bzw. 1539 und 1541 noch etwas profilierter hervor als über die außerbibliothekarischen Zeugnisse.

Doch es sind nicht nur die datierten Kauf- und Besitzvermerke, die hier neue Aufschlüsse über Blocks Leben ermöglichen, es sind auch diejenigen ohne Datum, bei denen entweder die Druckdaten, die Einbände oder die Preisangaben in verschiedenen regionalen Münzfüßen helfen, eine erste Skizze zu einem deutlicher erkennbaren Lebensbild auszumalen. Bei den Preisvermerken kommen vornehmlich Angaben in preußischer, rigischer und lübischer Mark und (sundischen) Groschen vor. Für Dorpat, wo die rigische Mark Hauptzahlungsmittel war, weiten sich die Möglichkeiten der Ortszuweisungen durch die hier überproportional häufig überlieferten Buchpreise deutlich aus. Für die bucharchäologische Gesamtschau sind die Datumsangaben der Drucke ähnlich bedeutend, aber auch die durch Materialvergleich möglichen Lokalisierungen (und davon abgeleiteten Datierungen) der Einbandateliers (hier v. a. Werkstätten der Handelsstädte Antwerpen, Rostock, Stralsund, Danzig und Dorpat). Nimmt man die vielen Detailbeobachtungen zusammen, so lassen sich die verschiedenen Lebensstationen des Wanderpredigers Blocks mit Hilfe der buchkundlichen und bibliographischen Angaben aus seinen Büchern viel genauer fassen als in allen anderen historischen Quellen zusammen. Das mit Blick in seine Bücher nun deutlich retuschierte und schärfer fokussierbare Bild weist nun die Diözese Kammin (vor 1512), die von niederdeutschen Fernkaufleuten geprägten Handelsstädte Danzig (1512-1513), Dorpat (1514-1528) und Wiburg (1528-1532/34) sowie Barth (1532/34-1545) als die dominanten Lebens- und Wirkungsstationen Blocks in Pommern, Preußen, im Baltikum und in Finnland aus.

Von besonderem Wert für die Ausleuchtung von Blocks Biographie mit Hilfe seiner Bücher – vor allem für die rekonstruierbaren Brüche seines Lebens als Wanderprediger im Baltikum und Finnland – sind seine Selbstbezeichnungen. Es lassen sich hier, je nach Lebensphase, verschiedene Typen unterscheiden, die sich recht klar den oben genannten Lebensstationen zuordnen lassen. Zunächst das Wichtigste: Johannes Block bezeichnet sich in seinen Büchern nur zwischen 1519/20 und 1524/25 in Dorpat und ab 1528 in Wiburg und Barth als Prediger (»predicator«, »concionator«, »ecclesiasticus«). Die Tatsache, dass er sich in Dorpat gleichzeitig als Prediger an zwei Kirchen bezeichnet (am Dom und an der Stadtpfarrkirche St. Marien), zeigt deutlich seine Zugehörigkeit zu dieser neuartigen und für die Reformation wichtigen Berufsgruppe. Die schon in vorreformatorischer Zeit häufig als »Prädikanten« bezeichneten Personen, die ausschließlich für die Zahl ihrer Predigtdienste entlohnt wurden und nicht in den Messfeiern, sondern in Predigtgottesdiensten eingesetzt wurden, gerieten seit dem späten Mittelalter in scharfem Gegensatz zum Pfarrklerus mit seinen Pfründen, aber auch zu den auf die Predigt spezialisierten Bettelorden. Oftmals gefördert vom Rat der Städte und durch Predigtstiftungen wohlhabender Bürger wurden die Prädikanten – je nach konfessioneller Perspektive – häufig zu Leuchttürmen oder zu Trojanischen Pferden für die Reformation. So war das offensichtlich auch bei Block in Dorpat, nur dass er sich nach den Bilderstürmen in der Stadt (1524/25) plötzlich nicht mehr als »Prediger« bezeichnete, sondern schlicht – wie vorher – als »Johannes Block Stolpensis«. Daraus lässt sich schließen, dass er seine um 1520 erlangte Doppelprädikatur schnell wieder verloren hat, wohl deshalb, weil sich in den beginnenden konfessionellen Grabenkämpfen kein Dienstherr – weder die Stadt noch der Bischof – der Loyalität ihres (ehemaligen) Predigers mehr sicher sein konnte.

In Barth hingegen war Block im Rahmen der durch Johannes Bugenhagen angestoßenen landesfürstlichen Reformation (1534) zu einem Teil des entstehenden evangelischen Pfarrklerus in Pommern geworden. Konsequenterweise nennt er sich in den Besitzvermerken (analog zu den Barther Kirchenrechnungen) »predicante« und »minister ecclesie«, später auch »pastor«. In vorreformatorischer Zeit, d. h. in Kammin, Danzig und in seiner frühesten Zeit in Dorpat (bis 1520), hatte er sich hingegen nur als »clericus«, dann ab 1515, als er seine Kamminer Vikariatspfründe erhalten hatte, als »presbyter« bezeichnet, was mit den Domstiftsurkunden aus Kammin korrespondiert. Im Zusammenspiel mit den außerbibliothekarischen Quellen lassen sich die Besitzvermerke damit in einen Rahmen einbringen, der hilft, die Schichtungen von Blocks Bibliothek und ihre Wechselwirkungen mit seinem Engagement als Prediger und Reformator im Ostseeraum genauer beschreiben zu können.

III Chancen und Grenzen der Erkenntnis

Wir sehen also: Im Vergleich mit den außerbibliothekarischen Quellen wirft Blocks Büchersammlung entscheidende Schlaglichter auf sein (bislang nur rudimentär erkennbares) Wirken als Prediger im Hanseraum. Geht man einen Schritt weiter, stellt sich die Frage, ob sich mit Hilfe der buchkundlichen Quellen auch ein möglicher Zusammenhang zwischen seiner Erwerbung von Büchern, ihrem Arrangement zu einer Gelehrtenbibliothek und den verschiedenen Phasen seines Lebens und Wirkens aufdecken lässt. Das ist für den Übergang Blocks vom alten zum neuen Glauben und für die Einschätzung seiner Bedeutung als einer der ersten regionalen Reformatoren der Lutherzeit sicherlich die spannendste Frage. Interessant hierbei ist, dass er auch als reformatorischer Prädikant die in einer vorreformatorischen Phase erworbenen Bücher aufbewahrt hat – Bücher aus seiner Schulzeit, dazu Literatur zu den Themenbereichen Predigt, Kirchenrecht, Theologie, Patristik und Humanismus. Diese scheinen für ihn durch den Übertritt zur Reformation um 1520 zumindest nicht so untragbar geworden zu sein, dass er sich von ihnen hätte verabschieden müssen. Im Gegenteil: Die reformatorische Literatur lagerte sich in der Folge an seine spätmittelalterliche Predigerbibliothek an wie neue Jahresringe um einen Baumstamm.

Damit lassen sich in einer groben Skizze in Blocks Predigerbibliothek drei zeitliche Phasen unterscheiden:

(1) Bei Blocks spätmittelalterlicher Predigerbibliothek, die er um 1500-1520 in der Diözese Kammin, in Danzig und in seiner frühen Zeit in Dorpat (bis 1519/20) aufbaute, liegt der Schwerpunkt eindeutig bei den Predigtmuster- und Predigtlehrbüchern (23%), gefolgt von humanistischer Schulliteratur (15%), patristischen Standardwerken (14%) und scholastischer Orthodoxie (12%). Eine geringere Rolle spielten die Bereiche Recht und Aszetik, was bereits eine deutliche Ablösung Blocks aus dem Strom der innerkirchlichen Reformbewegung anzuzeigen scheint. Die massive Aufstockung seiner Pfründe durch die Übernahme des Kamminer Vikarsamtes (1515) ermöglichte ihm in der Folge den Erwerb großer und auch kostspieliger Werkausgaben. Damit stieg sicherlich auch sein Renommée als Besitzer einer gut sortierten und breit aufgestellten Prediger- und Gelehrtenbibliothek.

(2) Zwischen 1520 und 1532 ist in Blocks Büchersammlung in Dorpat und Wiburg eine rapide frühreformatorische Über formung erkennbar. Block setzte in dieser Phase völlig neue Schwerpunkte beim Neuerwerb von Büchern und legte bislang unbekannte Interessen an bestimmten Textsorten und Themenfeldern an den Tag; so interessierte er sich in dieser Zeit erstmals auch für die Hebraistik. Einen hohen qualitativen Zeigewert für das Herauswachsen aus dem spätmittelalterlichen Kontext in dieser Phase haben Kontroversschriften bzw. Schriften, mit denen sich die Reformation als eigenständige Richtung auszuprägen begann (48%). Hier sind vor allem die Schriften aus dem Streit zwischen Erasmus und Luther über den freien Willen zu nennen, die für die frühe reformatorische Bewegung insgesamt von nicht zu unterschätzender Bedeutung sind. Was allerdings fehlt, sind Zeugnisse der Auseinandersetzung zwischen Luther und seinen frühen Kontrahenten des »linken« Spektrums (Müntzer, Karlstadt, Zwingli). Dies scheint ein Beleg dafür zu sein, dass sich Block recht unbefangen und breit ein relativ ausgewogenes Meinungsbild über eine geistige Bewegung verschaffte, die von dem bibelphilologischen und reformorientierten Geist des Erasmus inspiriert war. Ein wichtiges Element sind hier evangelische Bibelkommentare (30%), welche traditionelle (reform)theologische Schriften zu dieser Zeit fast gänzlich an die Wand drängten (9%). Da diese jedoch nicht vollständig fehlen, liegt es nahe anzunehmen, dass Block auch in dieser Phase einer explizit reformatorischen Profilierung traditionelle und ihm vertraute theologische Literatur für die Ausbildung seines eigenen Verständnisses von »der« Reformation verwendet hat.

(3) In seiner Barther Zeit (1533-1545) hat der städtische Prädikant und Reformator seine Büchersammlung dann vollends als evangelische Predigerbibliothek ausgebaut. Hier dominieren an Neuerwerbungen v. a. einschlägige Bibelkommentare Wittenberger, oberdeutsch-schweizerischer und hessischer Provenienz (52%). Zunehmend kommen nun auch Schriften der evangelischen Orthodoxie bzw. Systematik (26%) in seinen Besitz. Einzelne Kontroversschriften (11%) zeigen an, dass die Suche nach einem evangelischen Profil bei Block zu dieser Zeit noch nicht abgeschlossen war. Nicht unwahrscheinlich ist, dass er auch als evangelischer Prädikant für die Vorbereitung seiner Predigten auf seine alten spätmittelalterlichen Musterpredigten zurückgegriffen hat; diese konnte er jedenfalls mit Hilfe der evangelischen Kommentarliteratur leicht auf das Niveau und die theologischen Vorstellungen des neuen Glaubens bringen.

Da Block keine eigenen Schriften hinterlassen hat, lassen sich diese Vermutungen nicht eindeutig belegen. Dazu kommt, dass die Textsortenanalyse der Erwerbungen nur unter der Annahme funktioniert, dass Block seine Bücher nicht nur gekauft und besessen, sondern auch gelesen hat. Hier verspricht eine Analyse seiner (eher spärlichen) Glossen und anderer Benutzungsspuren (Rubrizierungen, Flecken und abgegriffene Stellen, inhaltlich plausible Arrangements zu Sammelbänden, Inhaltsverzeichnisse) zwar einen gewissen Aufschluss, aber sicher kann man sich hier nirgendwo sein. Ein halbes Jahrtausend nach Block müssen wir uns eingestehen, dass selbst bei einer so gut rekonstruierbaren Büchersammlung wie derjenigen des Barther Reformators Unsicherheiten und offene Fragen bleiben, die es schwierig machen, von den Büchern auf die religiösen Einstellungen, gelehrten Interessensfelder und kirchenpolitischen Haltungen ihres Besitzers zurück zu schließen. Diese methodischen Einschränkungen schmälern den kulturhistorischen Wert von Blocks Büchersammlung freilich nicht. Seine Privatbibliothek ist zweifellos ein außergewöhnliches und bemerkenswertes Denkmal, das uns Aufschlüsse über die religiösen und politischen Wandlungen und Umbrüche von Geisteshaltungen zu einer Zeit zu geben vermag, als Luthers Thesenanschlag am 31. Oktober 1517 die Welt veränderte. Bei Block kommt es darauf an, die Hinweise in seinen Büchern aufmerksam zu lesen, kritisch zu interpretieren und aus der Archäologie des Buches heraus neue Fragen an den pommerschen Reformator und seine Bibliothek zu stellen.

1 Um Wiederholungen zu vermeiden, wurde in diesem methodisch ausgerichteten Beitrag auf konkrete Quellenangaben weitgehend verzichtet. Diese finden sich dem Beitrag Jürgen GEISS-WUNDERLICH: Pommern, Livland, Finnland – und zurück: der Wanderprediger und Reformator Johannes Block im Spiegel seiner Büchersammlung, in diesem Band S. 125178.

2 Jürgen GEISS: Zentren der Petrarca-Rezeption in Deutschland (um 1470-1525): rezeptions-geschichtliche Studien und Katalog der lateinischen Drucküberlieferung. Wiesbaden 2002, v. a. 65; 211 f.

3 Ebd, 211 f.

4 Jürgen GEISS: Die Bücher des Johann Block von Stolp: Untersuchungen zu einer frühreformatorischen Predigerbibliothek im Ostseeraum. Hausarbeit zur Prüfung für den höheren Bibliotheksdienst, FH Köln. Köln 2001; Jürgen GEISS: Die Kirchenbibliothek zu St. Marien. In: Stadt Barth 1255-2005/ hrsg. von Jörg Scheffelke und Gerd Garber. Schwerin 2005, 413-416, hier: 414 f.

5 Berlin, Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz [SB], Inc. 1515,5 (1990,5); aufgefunden durch meinen Berliner Kollegen und Leiter des »Gesamtkatalogs der Wiegendrucke«, Falk Eisermann, dem ich für die Mitteilung herzlich danke.

6 So bestanden die gut ausgestatteten Studienbibliotheken der Franziskaner und Dominikaner in der Hansestadt Greifswald um 1530 aus etwa 400 bzw. über 200 an Lesepulte angeketteten Bänden, vgl. Jürgen GEISS: Buchhandel, Bettelorden, Büchersammlungen: Erkundungen zur Bibliothekslandschaft im spätmittelalterlichen Greifswald. Quaerendo 41 (2011), 214-224, hier: 217.

7 Berlin, SB, Ms. Boruss. fol. 97. Es handelt es sich hierbei um ein Inventar der Urkunden und Akten, das 1640 angefertigt wurde und einen Zugriff auf das verschollene bzw. nur in Teilen (z. B. im Pommerschen Landesarchiv Greifswald) erhaltene Domstiftsarchiv zumindest in Form von Regesten ermöglicht.

8 Simo HEININEN: Johannes Block, praedicator Wiburgensis. In: Pro Finlandia 2001: Festschrift für Manfred Menger/ hrsg. von Fritz Petrick und Dörte Putensen. Reinbek 2001, 79-82.

9 Abbildung auf dem Frontispiz des vorliegenden Bandes.

10 Zur Dokumentation der Quellenbelege aus der Bibliothek vgl. zusätzlich zu den Literaturangaben in Geiß-Wunderlich: Pommern, Livland, Finnland … (wie. Anm. 1) die einschlägigen Lemmata des Buch- und provenienzhistorischen Registers zum Katalog unten S. 266-274.

Die Digitalisierung der Barther Bibliothek des Johannes Block in der Universitätsbibliothek Greifswald

Von Bruno Blüggel

Die Universitätsbibliothek Greifswald verfügt über eine mehr als 15-jährige Erfahrung in der Planung und Ausführung digitaler Projekte. Zunächst wurden nur eigene Bestände digitalisiert. Aber durch die Teilnahme am EU-Projekt »Ebooks on Demand« (EoD) wurden auch schon sehr schnell Kontakte zu internationalen Expertenteams geschaffen. Diese enge Vernetzung bedeutet nicht nur einen ständigen Erfahrungsaustausch, sie führt auch zu großen Synergieeffekten bei allen Folgeprojekten.

Mit dem Start der Deutschen »Digitalen Bibliothek« (DDB) und der »Europeana« wurde immer offensichtlicher, dass die Datenlieferung zu diesen großen Erschließungs- und Digitalisierungsportalen am sinnvollsten durch erfahrene Aggregatoren erfolgen sollte. Aus diesem Grund unterstützte das Land Mecklenburg-Vorpommern zwei Pilotprojekte zur Integration digitaler Objekte aus verschiedenen Einrichtungen im Land (Archive, Bibliotheken, Museen, wissenschaftliche Sammlungen).

I Pilotprojekte

In den Jahren 2010 und 2011 förderte das Land Mecklenburg-Vorpommern Digitalisierungsprojekte mit jeweils 90.000 Euro. Davon wurde 2010 ein Pilotprojekt zur Integration von Archivmetadaten mit 48.642 Euro und 2011 die Integration von musealen Metadaten mit 38.647 Euro unterstützt.

Mit diesen Pilotprojekten wurden mehrere Ziele verfolgt:

• Es sollten Objekte verschiedener Einrichtungen im Land auf einer gemeinsamen Internetplattform präsentiert werden.

• Es sollten möglichst keine neuen Daten erhoben werden, sondern schon vorhandene Beschreibungen aus den lokalen Systemen über normierte Schnittstellen importiert werden.

• Vor allem kleine Einrichtungen, die über keine eigene Digitalisierungsausstattung verfügen, sollten einbezogen werden.

• Durch die Digitalisierung sollten einerseits die wertvollen Originale geschont werden, andererseits der Bekanntheitsgrad einmaliger Sammlungen durch die Einbindung in ein gemeinsames Portal erhöht werden.

• Da die beteiligten Einrichtungen über die beste Kenntnis über ihre Sammlungen verfügten, lag die Auswahl geeigneter Objekte und die Bearbeitung der Metadaten in ihrer Verantwortung.

Die Bibliothek der evangelischen Kirchengemeinde St. Marien in Barth erfüllte mehrere dieser Kriterien, die Teilnahme am Pilotprojekt führt aber auch in die jüngere Vergangenheit zurück. Zwischen der Gemeinde St. Marien und der Universitätsbibliothek Greifswald besteht schon ein längerer Kontakt. Die damalige Sorge um die wertvolle Bibliothek, die unzureichende Unterbringung in den feuchten und unzureichend gesicherten Räumen war groß. Selbst für einfachste konservatorische Aufgaben fehlten die Mittel, eine Renovierung der Räume oder gar eine Restaurierung der Bücher schien utopisch. Die Erschließung der Bestände war (und ist noch immer) mangelhaft und behinderte den Zugang zu dieser wertvollen Bibliothek – gleichzeitig scheute man sich aber auch vor zu großer Publizität, um die ungesicherte Bibliothek vor Diebstahl zu schützen.

Mit der Renovierung der Bibliotheksräume 2010-20131 änderte sich die Situation schlagartig. Für die Bestände steht nun ein sicherer und allen konservatorischen Anforderungen genügender Raum zur Verfügung. Während der Bauarbeiten waren die Bestände ausgelagert, daher konnte ein Großteil der 123 Bände der Bibliothek des Johannes Block über einen längeren Zeitraum zum Scannen in das Digitalisierungszentrum an der Universitätsbibliothek Greifswald gebracht werden. Daneben wurde selbstverständlich auch das prominenteste Buch der Bibliothek, die sog. »Barther Bibel«, digitalisiert, da dieses Werk eine hohe identifikationsstiftende Bedeutung hat. Trotzdem war die Bibliothek Block aus vielerlei Gründen für die Teilnahme an dem Pilotprojekt fast noch bedeutender:

Zunächst sprach der hohe wissenschaftliche Wert dieser einzigen fast vollständigen Bibliothek eines Reformators im Ostseeraum für sich. Anhand der Zusammensetzung dieser Sammlung, den Glossen und Besitzvermerken kann der Werdegang eines katholischen Predigers zum frühen Verbreiter der Reformation rekonstruiert werden.2 Durch die Digitalisierung konnte diese wichtige historische Quelle erstmals einem größeren Forscherkreis bekannt und nutzbar gemacht werden.

Aus technischer und organisatorischer Sicht stellten die von Jürgen Geiß gut dokumentierten Bücher3 ein überschaubares Paket für die Aufnahme in ein Pilotprojekt dar. Die Möglichkeit zur Kooperation einer Kirchenbibliothek ohne technische Ressourcen mit einem technisch gut ausgestatteten Digitalisierungszentrum sollte modellhaft getestet und geeignete Workflows sollten aufgebaut werden. Aus den Mitteln des Pilotprojekts 2 stellte das Land 3.000 Euro für das Scannen der Bücher zur Verfügung, die Eingabe der Metadaten erfolgte in Eigenleistung.

II Erfahrungen aus dem Pilotprojekt

Die nicht restaurierten Bände waren teilweise in einem schlechten Zustand und konnten daher nur sehr langsam und unter großer Sorgfalt gescannt werden. Bei einigen Exemplaren musste aus konservatorischen Gründen ganz darauf verzichtet werden. Zudem sind die Bestände der Bibliothek St. Marien in Barth noch nicht maschinenlesbar katalogisiert. Es existieren zwar einzelne Bestandslisten, eine Recherche über die Bestände ist für externe Nutzer jedoch nicht möglich. Daher war die Katalogisierung der unerschlossenen Werke äußerst schwierig und zeitaufwendiger als das Scannen selbst. Das Verhältnis des Zeitaufwandes Scannen/ Metadateneingabe betrug 1:4.

Trotzdem hatte die Aufnahme der Digitalisate in den OPAC der Universitätsbibliothek Greifswald und den Verbundkatalog des Gemeinsamen Bibliotheksverbundes (GBV) Vorteile für die Bibliothek in Barth selbst, verweist doch der Katalogeintrag des digitalisierten Werkes auch auf den Standort des Originals. Die Digitalisate der Bibliothek Block sind somit die ersten Werke der Bibliothek St. Marien, die in einem überregionalen Katalog verzeichnet sind.

Nach der Katalogisierung wurden die Bände auf speziellen Buchscannern durch geschultes Fachpersonal im Digitalisierungszentrum der Universitätsbibliothek Greifswald gescannt; die hierbei entstandenen Originaldateien im TIFF-Format eignen sich für die Langzeitarchivierung. Aus den Originalscans wurden komprimierte, für die Internetpräsentation geeignete Dateien erzeugt und mit Metadaten versehen. Nach einer Synchronisierung der Imagebezeichnungen mit den Seitenzahlen des Originals erfolgte eine Einteilung und Erfassung der Strukturdaten des Werkes (z. B. Titelblatt, Inhaltsverzeichnisse, Abbildungen, Kapitel).

Wegen der großen Bedeutung der Sammlung wurde eine besonders tiefe strukturelle Erschließung vorgenommen. Durch die Eingabe von Metadaten werden eine gezielte Suche nach den einzelnen Kapiteln und eine Navigierung im Buch ermöglicht. Sowohl die jeweiligen Strukturtypen (z. B. Kapitel) als auch das gesamte Werk können als PDF-Dateien von den Nutzern der Digitalen Bibliothek Mecklenburg-Vorpommern heruntergeladen werden (Abb. 1).

Personennamen und besondere Schlagwörter wurden im Projekt mit der »Gemeinsamen Normdatei« (GND) der Deutschen Nationalbibliothek verknüpft. Auf diese Weise werden die verschiedenen Namensformen disambiguiert, auch wenn diese bei der Katalogisierung nicht mit eingegeben wurden. Außerdem können Beziehungen zu anderen Personen (z. B. Angehörige, Korrespondenzpartner) abgebildet und eine weitere Suche nach der erwähnten Person in der »Digitalen Bibliothek Mecklenburg-Vorpommern« gestartet werden (Abb. 2).

Durch diese sehr aufwändige Erschließung ergeben sich insgesamt drei Sucheinstiege für die im Digitalisierungsprojekt erschlossene Bibliothek des Barther Reformators Johannes Block:

1. Der OPAC des Gemeinsamen Verbundkatalogs (GVK).4

2. Der OPAC der Universitätsbibliothek Greifswald.5

3. Die Digitale Bibliothek Mecklenburg-Vorpommern, Sammlung »Bibliothek des Reformators Johannes Block«.6

Durch die Implementierung einer neuen Viewer-Version haben sich seit dem Herbst 2016 die Darstellungsmöglichkeiten für die Sammlungen der einzelnen Einrichtungen verbessert. Die Partner können sich nun über individualisierte Seiten vorstellen und eigene Einstiege zu besonderen Sammlungen, z. B. der Bibliothek Block, erstellen und auf diese direkt von ihren eigenen Internetauftritten verlinken.

Die Teilnahme der Kirchenbibliothek St. Marien in Barth am Greifswalder Digitalisierungsprojekt war in vielerlei Hinsicht erfolgreich: Zunächst wurde die Möglichkeit einer Kooperation einer Universitätsbibliothek mit einer kirchlichen Einrichtung zur Digitalisierung und Erschließung einer wichtigen landesgeschichtlichen Sammlung erfolgreich getestet. Vor allem wurden aber die technischen und organisatorischen Wege evaluiert, um mit der Sicherung und Erschließung der Bibliothek der Gemeinde St. Marien auch in anderen Bereichen als der Block-Bibliothek fortzufahren. Neben einer schrittweisen Restaurierung der wichtigen Originale muss eine Erschließung der Titel in einem überregionalen Katalog (in unserem Falle im GBV) erfolgen. Diese Erschließung würde nicht nur eine wichtige Bibliothek einem größeren Forscherkreis bekannt machen, sondern würde auch die Grundlage für weitere Digitalisierungsprojekte schaffen.

III Ausblick

Mit den Pilotprojekten wurde an vielen Stellen Neuland betreten und auch nach Abschluss der Projekte ist die technische und organisatorische Entwicklung zwischenzeitlich weiter fortgeschritten. Die mit der »Gemeinsamen Normdatei« (GND) begonnene Verknüpfung mit externen Daten im WWW verbreitet sich rasch und kann für die Recherche und Darstellung im Internet genutzt werden. Die Verlinkung von Personen mit geographischen Daten führt zu völlig neuen visuellen Darstellungsmöglichkeiten; der Lebensweg einer Person und ihrer vielfältigen Kontakte kann durch interaktive Graphiken nachvollzogen werden. Die dazu notwendigen Informationen werden sich durch neue Forschungserkenntnisse ständig erweitern. Die Universitätsbibliothek Greifswald und ihre Kooperationspartner in der Digitalen Bibliothek Mecklenburg-Vorpommern tragen diesen Entwicklungen bereits heute Rechnung.

Durch die Implementierung einer neuen Viewer-Version haben sich bereits die Darstellungsmöglichkeiten für die Sammlungen der verschiedenen Einrichtungen verbessert:

• Die Anpassung an internationale Standards der Bildanzeige (International Image Interoperability Framework – IIIF) führte zu einer deutlich verbesserten Anzeige der Images, dies wird die Arbeit an der Glossierung in den Texten bedeutend erleichtern.

• Eine individualisierte Anmeldung für Nutzer bietet eine Vielzahl von Arbeitsmöglichkeiten für wissenschaftliche Nutzer.

• Es können eigene »Bibliotheken« sowohl für die individuelle Nutzung als auch für eine gemeinschaftliche Arbeit in Seminaren zusammengestellt werden.

• Mit Hilfe eines Crowdsourcing-Tools können Kommentare oder Transkribierungen zu einzelnen Glossen auf den Seiten oder Links zu anderen Texten (Sekundärliteratur oder anderen Primärquellen) positioniert werden.

• Die Partner können sich nun über individualisierte Seiten präsentieren und eigene Einstiege zu besonderen Sammlungen, z. B. der Bibliothek Block, erstellen und auf diese direkt von ihren eigenen Internetauftritten verlinken.

Diese technischen Möglichkeiten werden die Eigenschaft der Digitalen Bibliothek Mecklenburg-Vorpommern grundlegend verändern. Sie wandelt sich von einer reinen Präsentationsoberfläche zu einem Instrument für aktive wissenschaftliche Zusammenarbeit.

Bruno Blüggel

Abb. 1: Präsentation von Strukturdaten für den Download von PDF-Dateien

Die Digitalisierung der Barther Bibliothek des Johannes Block in der Universität Greifswald

Abb. 2: Vernetzte Personensuche über GND-Normsätze

1 Christine JOHANNSEN: Sanierung und Umgestaltung der Bibliothek der St. Marien Kirche in Barth. In: Bibliotheken bauen: die Barther Kirchenbibliothek im Kontext/ hrsg. von Jochen Bepler; Ulrike Volkhardt (Barther Bibliotheksgespräche; 1), 67-74.

2 https://de.wikipedia.org/wiki/Johannes_Block.

3 Jürgen GEISS: Die Bücher des Johann Block von Stolp (um 1470/80-1545): Untersuchungen zu einer frühreformatorischen Predigerbibliothek im Ostseeraum. Hausarbeit FH Köln 2001.

4 http://gso.gbv.de.

5 https://lhgrw.gbv.de/DB=1/LNG=DU/.

6 http://ub-goobi-pr2.ub.uni-greifswald.de/viewer/browse/DC:bibliotheken.400kbbarth.100block/-/1/-/-/.

Baustellen der Forschung

Erschließung von Kirchenbibliotheken in Vorpommern, Mecklenburg und Nordthüringen

Von Thomas Wilhelmi

I Vorpommern und Mecklenburg

Die Bibliothek der St. Marienkirche in Barth (in Pommern) gehört zu den größten und bedeutendsten Kirchenbibliotheken in Norddeutschland und gehört auch im gesamtdeutschen Vergleich zu den wichtigen Bibliotheken dieser Art. Sie stand an der Tagung im Herbst 2015 in Barth natürlich im Zentrum des Interesses. Der beachtliche Grundstock dieser Bibliothek wurde von Johannes Block zu Beginn des 16. Jahrhunderts aufgebaut. Block war zu dieser Zeit Kleriker im Bistum Kammin. 1533 gelangte Block als evangelischer Prediger an die St. Marienkirche in Barth. Die Barther Kirchenbibliothek umfasst 118 Inkunabeln (allesamt in lateinischer Sprache) und einige Fragmente, 444 Drucke aus dem 16. Jahrhundert (davon 310 in lateinischer, 114 in hochdeutscher und 15 in niederdeutscher Sprache), 228 aus dem 17. Jahrhundert, 746 aus dem 18. Jahrhundert und 833 aus dem 19. Jahrhundert. Hinzu kommen neun Bände mit spätmittelalterlichen Handschriften. Nähere Angaben zu dieser Kirchenbibliothek, die in den letzten Jahren verdienstvollerweise sicher gelagert, restauriert und auch näher erschlossen worden ist (die Arbeiten sind noch nicht abgeschlossen) finden sich in den Beiträgen von Jürgen Geiß,1 Falk Eisermann,2 Gerd Albrecht,3 Christian Heitzmann4 und Christine Johannsen.5 Eine vorläufige, teilweise überholte Beschreibung der Bibliothek, 1995 von Konrad von Rabenau angefertigt, ist im Handbuch der historischen Buchbestände zu finden.6

Die handschriftlichen Kataloge aus den Jahren 1666 und 1795 sind 1882 durch einen gedruckten Katalog ersetzt worden.7 Zudem gibt es einen ungenauen Katalog der Inkunabeln8, die im übrigen bereits um 1910 dem »Gesamtkatalog der Wiegendrucke« gemeldet worden waren. Die Buchbestände der Barther Kirchenbibliothek sind für den Kirchlichen Zentralkatalog9 nicht erfasst worden.

In Mecklenburg und Vorpommern gibt es außer der Kirchenbibliothek in Barth als weitere große Kirchenbibliothek mit bedeutenden Altbeständen die Bibliothek des Geistlichen Ministeriums in Greifswald mit 335 Inkunabeln (und elf Fragmenten),10 etwa 1212 Drucken aus dem 16. Jahrhundert, 1414 aus dem 17. Jahrhundert und 205 aus dem 18. und 19. Jahrhundert11 sowie einem exquisiten Bestand spätmittelalterlicher Handschriften.12 Die Bibliotheken der drei Stadtkirchen in Stralsund, die als Deposita im Stadtarchiv Stralsund aufbewahrt werden,13 enthalten Drucke aus dem 15. bis 19. Jahrhundert, darunter etwa 80 Inkunabeln. Zudem gibt es etliche weitere, zumeist kleine Kirchenbibliotheken mit Altbeständen (ab dem 16. Jahrhundert). Vier davon werden als Deposita in der St. Marien-Bibliothek in Barth aufbewahrt:14 die Kirchenbibliothek von Flemendorf mit sieben Drucken aus dem 16. Jahrhundert, 211 aus dem 17. Jahrhundert, 693 aus dem 18. Jahrhundert und 26 aus dem 19. Jahrhundert, die Kirchenbibliothek von Kenz mit neun Drucken aus dem 16. Jahrhundert, elf aus dem 17. Jahrhundert, 59 aus dem 18. Jahrhundert und 44 aus dem 19. Jahrhundert und die Kirchenbibliothek von Saal mit 6 Drucken aus dem 16. Jahrhundert, 84 aus dem 17. Jahrhundert, 107 aus dem 18. Jahrhundert und 113 aus dem 19. Jahrhundert sowie die Kirchenbibliothek von Bodstedt mit 62 Drucken, die alle aus dem 18. und 19. Jahrhundert stammen.15

In dem 2003 erschienenen Inkunabelkatalog von Nilüfer Krüger16 sind neben den 688 Inkunabeln im Bestand der Universitätsbibliothek Rostock und den 47 im Bestand der Landesbibliothek Mecklenburg-Vorpommern in Schwerin auch die 36 Inkunabeln der Kirchenbibliothek in Friedland (Land Stargard)17 erfasst worden. Die Forschungen zur Landesgeschichte Mecklenburgs und die buchgeschichtlichen Forschungen sind mit diesem Verzeichnis wesentlich vorangetrieben und weitergebracht worden. Die Bestände waren zuvor nur unzulänglich katalogisiert. Die zumeist erhaltenen originalen Einbände sind genau beschrieben, die Buchbinder identifiziert. Zum Teil hätte allerdings die Benutzung des reichen Materials (Stempelabreibungen, auch aus Greifswald) von Konrad von Rabenau und der damals neu eingerichteten Einbanddatenbank noch zu weiteren Erkenntnissen führen können. Die Beschreibungen der einzelnen Inkunabeln orientieren sich in ihrer Art am Katalog der Bayerischen Staatsbibliothek München (BSB-Ink), weichen also von denjenigen des Greifswalder Katalogs (und anderer derartiger Kataloge) etwas ab. In den im Katalog von Krüger beschriebenen Beständen finden sich etliche seltene Drucke; hervorzuheben sind Lübecker Drucke in niederdeutscher Sprache.

Die verschiedenen Streubestände – insgesamt um die 210 Inkunabeln – sind in diesem Katalog nicht erfasst worden, davon die erwähnten 98 Bände (mit etwa 120 Titeln) in Barth und die 80 in Stralsund, die etwa 15 zumeist sehr seltenen im Landeshauptarchiv in Schwerin,18 drei oder vier in der Ratsbibliothek in Wismar (Depositum im Stadtarchiv),19 eine Inkunabel im Städtischen Museum in Güstrow20und eine im Staatlichen Museum in Schwerin.21 Ebenfalls nicht erfasst sind die sehr kleinen Inkunabelbestände mancher Kirchenbibliotheken: sechs Inkunabeln in der Kirchenbibliothek in Altentreptow,22 eine Inkunabel in der Diözesanbibliothek in Parchim (Depositum in der Landessuperintendentur, eingelagert im Nikolaikirchturm in Rostock), eine in der Kirchenbibliothek in Gingst und eine in der Kirchenbibliothek Velgast.23 Diese kleinen und zum Teil hochinteressanten Streubestände in Mecklenburg und Vorpommern sollten unbedingt genauer erfasst werden. Es ist nicht ausgeschlossen, dass da und dort weitere Inkunabeln zum Vorschein kommen könnten. Im Übrigen befinden sich in all den genannten Bibliotheken selbstverständlich auch Drucke aus den darauffolgenden Jahrhunderten, die ebenfalls alle noch erfasst werden müssten.

Nicht über Inkunabeln, wohl aber über Drucke aus dem 16. Jahrhundert (und den darauffolgenden Jahrhunderten) verfügen drei Kirchenbibliotheken auf Rügen, die 1955/56 von Gottfried Holtz24 recht genau beschrieben worden sind: die Kirchenbibliothek in Lancken,25 die Kirchenbibliothek in Wiek und die Kirchenbibliothek in Sagard. Auch die folgenden Bibliotheken verfügen über Altbestände (ab dem 16. Jahrhundert): die landeskirchliche Bibliothek in Greifswald,26 die Kirchenbibliothek in Loitz,27 die Diözesanbibliothek in Ludwigslust,28 die Diözesanbibliothek in Malchin,29 die Bibliothek des Oberkirchenrates in Schwerin (mit der Bibliothek von St. Marien in Neubrandenburg und neun weiteren Kirchenbibliotheken als Deposita),30die Diözesanbibliothek in Wismar31 und die Bibliothek von St. Petri in Wolgast.32 Kirchenbibliotheken mit Altbeständen gibt es auch in Bergen (mit Deposita aus Bobbin und Neuenkirchen), Demmin, Grimmen, Gützkow, Kröslin, Züssow,33 aber auch in Blücher, Bad Doberan, Dargun, Hagenow, Jördensdorf, Kirch Mulsow, Polchow, Recknitz, Teschendorf und vermutlich an vielen weiteren Orten.34

Etliche Übersichtsinformationen über die Kirchenbibliotheken in Vorpommern und Mecklenburg finden sich in der von Konrad von Rabenau verfassten Einleitung zum 16. Band des Handbuches der historischen Buchbestände35 und zu den Kirchenbibliotheken in Mecklenburg in der um 1975 erstellten Übersicht von Kirchenarchivrat Erhard Piersig.36 Weitere Auskunft geben die verschiedenen Akten der Kirchengemeinden und Superintendenturen.37 Im Übrigen gibt es ein vor nicht langem in Gang gekommenes Projekt »Historische Kirchenbibliotheken in Mecklenburg-Vorpommern«.38 Im nichtkirchlichen Bereich sind es das Stadtarchiv Greifswald,39 das Landesarchiv in Greifswald (mit Teilen der Stadtbibliothek Anklam als Depositum),40 die Regionalbibliothek in Neubrandenburg,41 das Archiv der Hansestadt Rostock,42 die Bibliothek des Müritz-Museums (Maltzaneum) in Waren43 und die Bibliothek des Gymnasiums in Waren,44 die auch alte Buchbestände in ihren Regalen haben.

So gut wie alle der zahlreichen hier aufgeführten Bibliotheken sind noch nicht näher erschlossen. Die Erfassung zumindest der älteren Bestände im Gemeinsamen Verbundkatalog GVK/GBV (und im VD 16, VD 17) wäre wünschenswert, dann aber auch die Untersuchung der Einbände (Einbanddatenbank) und der Provenienzen sowie die Erfassung (und nötigenfalls auch Sicherung) der ohne Zweifel vorhandenen weiteren Streubestände. Große Desiderate!

II Kirchenbibliotheken in Nordthüringen

1 Pfarrbibliothek St. Blasii-/Himmelgarten Nordhausen

Die historische Pfarrbibliothek St. Blasii-/Himmelgarten der Evangelischen Kirchengemeinde St. Blasii-Altendorf in Nordhausen umfasst etwa 850 Drucke in 374 Bänden, gut vier Fünftel davon in lateinischer Sprache. Fast 470 Drucke gehören dem Bereich der Theologie an. 245 Bände sind nachgewiesene Inkunabeln45, über 400 stammen aus der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts, knapp vierzig aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts, 39 aus dem 17. Jahrhundert und nur 17 aus dem 18. Jahrhundert. Anfang des 19. Jahrhunderts wurde der weitere Bucherwerb für diesen Bestand eingestellt und eine zweite Pfarrbibliothek aufgebaut. Hinzu kommen vier Bände mit Abschriften publizierter Werke aus den letzten Jahrzehnten des 15. Jahrhunderts. Zur Geschichte der Bibliothek gibt zuerst Johann Heinrich Kindervater46 Auskunft, 1883 Richard Rackwitz47 und 1972 und 1992 ausführlich Hannelore Götting48 und schließlich das »Handbuch der historischen Buchbestände«.49 Der weitaus größte Teil der St. Blasii-/Himmelgarten-Bibliothek entstammt dem neben Nordhausen gelegenen, 1295 gegründeten Servitenkloster Himmelgarten. Aufgebaut wurde sie dort maßgeblich durch den Prior Johannes Pilearius (Huter). 1525 wurde das Kloster im Zuge der Einführung der Reformation und des Bauernkrieges aufgelöst bzw. weitgehend zerstört. Die Bibliothek wurde aber zuvor in ein dem Orden gehörendes Haus in Nordhausen gebracht. 1552 gelangte die Bibliothek in den Besitz der St. Blasii-Kirchengemeinde und wurde seither als Pfarrbibliothek ausgebaut. 1879 fand sie der Realschullehrer Richard Rackwitz unter schlechten Bedingungen in der Sakristei der St. Blasii-Kirche vor; etliche Bände wurden daraufhin auf seine Veranlassung hin restauriert, wobei allerdings die alten Einbände (mit Provenienzvermerken und Pergamentmakulaturen) verlorengingen. Von 1941/1942 bis 1945 war die Bibliothek in einem Bergwerkstollen im Umland ausgelagert; 1945 wurde sie wieder nach Nordhausen verbracht. 1974 wurde der Großteil der Bibliothek aus konservatorischen Gründen in die Bibliothek des Katechetischen Oberseminars in Naumburg verbracht, von dort 1987/1989 in die Bibliothek des Evangelischen Predigerseminars in Wittenberg. Ab 2011 wurde die Rückführung des Wittenberger Bestandsteils an einen optimalen Standort in Nordhausen angestrebt. 2012/2013 fand eine Schadensanalyse statt, 2014/2015 eine konservatorische Grundreinigung des Gesamtbestandes und 2015 die Rückführung des Wittenberger Teilbestandes mit 356 Bänden nach Nordhausen. Die gesamte Bibliothek befindet sich jetzt als Depositum der Eigentümerin in einem aktiv klimatisierten Sonderausstellungsraum im Stadtmuseum Flohburg. Die Bibliothek wird als Best. 12.8. vom Stadtarchiv Nordhausen betreut und ist komplett benutzbar.

Immer noch unentbehrlich ist der 1883 von Richard Rackwitz veröffentlichte Katalog,50 mit dem der unvollständige Katalog von Johann Heinrich Kindervater aus dem Jahre 171751 ersetzt werden konnte. Eine umfassende Katalogisierung in Karteikartenform und namentlich die Identifizierung der Inkunabeln nahm Hannelore Götting Anfang der 1970er Jahre vor, deren Titelaufnahmen auch in den Kirchlichen Zentralkatalog52 eingingen. Im OPAC der Evangelischen Predigerseminarbibliothek Wittenberg sind derzeit die weitaus meisten Titel erfasst, eine Titelliste auf auch der Webseite der Eigentümerin. Nahezu alle Titel wurden 2009 bis 2014 in einer ehrenamtlich von Hans Losche erstellten lokalen MS-Access-Datenbank verifiziert bzw. neu erfasst, zum größeren Teil auch mit bibliographischen Nachweisen (GW, VD16 u. a.). Diese Datenbank wurde 2015 umstrukturiert und soll weitergeführt werden. Ihr Datenbestand wird auch mit dem OPAC in Wittenberg abgeglichen. In Form eines Drittmittelprojektes sollen 2017 noch exakte Exemplarbeschreibungen (Einbände, Einbandmakulaturen, handschriftliche Anmerkungen, Eigentümervermerke, Provenienzen etc.) hinzukommen. Zudem sollen die Titel ab 1501 auch im Gemeinsamen Verbundkatalog GVK/GBV nachgewiesen werden. Ein bebilderter Katalog mit Bestandsgeschichte ist geplant.53

2 Kirchenbibliotheken im Bereich der Superintendentur Bad Frankenhausen-Sondershausen

Im Rahmen eines kleinen, von der Friedrich-Christian-Lesser-Stiftung geförderten Forschungsprojekts werden 2017 die Bestände der Kirchenbibliotheken im Bereich der Superintendentur Bad Frankenhausen-Sondershausen erfasst und erschlossen. Damit wird auch ein Beitrag zu deren Sicherung geleistet.

Im Bereich dieser Superintendentur gab oder gibt es etwa sechzig Kirchenbibliotheken. Die größte dieser Bibliotheken ist diejenige in der St. Trinitatis-Kirche in Sondershausen.54 Weil diese Bibliothek – sie enthält die Bestände der Kirchenbibliothek und der Ephoralbibliothek – bereits gut erschlossen55 und gesichert ist, wird diese im Erschließungsprojekt nicht weiter berücksichtigt. Die nächstgrößeren Bibliotheken sind die Ephoralbibliothek in Allstedt mit rund 1050 Bänden und die Bibliothek der Unterkirche in Bad Frankenhausen56 mit gut 900 Bänden, davon elf Inkunabeln. Bibliotheken mit einem etwas größeren Bestand befinden sich in Holzthaleben und Westerengel. Die übrigen Bibliotheken verfügen vermutlich nur über kleine, zum Teil sehr kleine Altbestände. Aufschluss geben bis zu einem bestimmten Maße die Akten des Kirchenarchivwarts und die einzelnen Ortsakten, die sich im Landeskirchlichen Archiv in Eisenach befinden. Die Angaben in den Akten aus der Zeit des späten 19. Jahrhunderts bis zum Jahr 2009 sind keineswegs vollständig und oft auch nicht genau, zudem oft widersprüchlich. In einigen Fällen ist der Verbleib der einst konkret gemeldeten, zum Teil wertvollen Bestände noch ganz und gar unklar. Die im Sommer 2017 erfassten Kirchenbibliotheken von Großenehrich und Freibessingen und weitere (z. B. von Menteroda) befinden sich als Deposita im Landeskirchlichen Archiv Eisenach. Es ist denkbar, 2017 im Zuge der Erschließung weitere Bibliotheken als Deposita nach Eisenach zu überführen, falls dies im Hinblick auf die Aufbewahrung, Sicherung und Benutzung sinnvoll erscheint und die Gemeinden mit dieser Lösung einverstanden sind.

Im Rahmen der erwähnten Erschließung sollen die wenigen Handschriften (keine Akten, keine Kirchenbücher) und die Inkunabeln genau beschrieben werden (mit Meldung der Inkunabeln an den »Gesamtkatalog der Wiegendrucke« in Berlin und Nachweis der Exemplare in INKA57) und die Drucke aus der Zeit von 1501 bis 1850 bibliographisch nachgewiesen und bezüglich Einbände, Einbandmakulatur, Ausstattung, handschriftliche Anmerkungen, Vorbesitzern etc. beschrieben werden. Diese Beschreibungen werden mittels Archiv- und Bibliothekssystem »Augias« erfasst und zugänglich gemacht.58 Zudem sollen die Bestände auch im Gemeinsamen Verbundkatalog GVK/GBV nachgewiesen werden. Die Bücher aus der Zeit nach 1851 werden nur ganz summarisch erfasst. Dasselbe gilt für Musikalien aller Art. Sie sollen zudem dem Thüringischen Landesmusikarchiv in Weimar zur Kenntnis gebracht werden.

Im Bereich der evangelisch-lutherischen Kirche Thüringens (Teilkirche der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland) gab oder gibt es den Akten zufolge mindestens 800 Kirchenbibliotheken. Einige wenige dieser Bibliotheken sind bereits gut erschlossen und werden auch gut aufbewahrt. Aber es gibt sehr viele, auch größere und solche mit wertvollen Altbeständen, die kaum oder gar nicht erschlossen und zum Teil unsachgemäß verwahrt sind. Es wäre sehr wünschenswert, im Laufe der Zeit möglichst viele dieser Bibliotheken zu erfassen59 und auch für eine angemessene Konservierung dieser wichtigen Kulturgüter zu sorgen.

1 Jürgen GEISS: Die Kirchenbibliothek zu St. Marien in Barth. In: Stadt Barth: Beiträge zur Stadtgeschichte. Schwerin 2005, 3-11.

2 Falk EISERMANN: Barth, Greifswald, Wolgast: die Wiederauferstehung der vorpommerschen Kirchenbibliotheken. Jahrbuch kirchliches Buch- und Bibliothekswesen N. F. 2 (2014), 13-26.

3 Gerd ALBRECHT: Die Kirchenbibliothek im Barther Kulturverbund. Ebd, 33-40.

4 Christian HEITZMANN: Die mittelalterlichen Handschriften der Barther Kirchenbibliothek. Ebd, 43-60.

5 Christine JOHANNSEN: Sanierung und Umgestaltung der Bibliothek der St. Marien-Kirche in Barth. Ebd, 67-76.

6 Konrad VONRABENAU: Barth, Kirchenbibliothek St. Marien. In: Handbuch der historischen Buchbestände/ hrsg. von Bernhard Fabian u. a., Bd. 16: Mecklenburg-Vorpommern; Brandenburg. Hildesheim 1996, 46-52. http://fabian.sub.uni-goettingen.de/fabian?St._Marien_%28Barth%29.

7 Wilhelm BÜLOW: Katalog der Kirchenbibliothek zu Barth. Barth 1882; Nachtrag 1900.

8 Andrea SAID: Inkunabeln der Kirchenbibliothek zu Barth. Berlin 1983 (Typoskript).

9 KIRCHLICHERZENTRALKATALOG beim Evangelischen Zentralarchiv in Berlin (KZK). Mikrofiche-Edition. München 1997, mit Begleitband im Auftrag des Evangelischen Zentralarchivs in Berlin/ hrsg. von Uwe Czubatynski. München 1997.

10 Thomas WILHELMI: Inkunabeln in Greifswalder Bibliotheken: Verzeichnis der Bestände der Universitätsbibliothek Greifswald, der Bibliothek des Geistlichen Ministeriums und des Landesarchivs Greifswald. Wiesbaden 1997. In der Universitätsbibliothek Greifswald befinden sich 347 Inkunabeln (inkl. Fragmente), im Landesarchiv elf Inkunabeln (inkl. Fragmente).

11 Robert LÜHDER: Die Druckschriften der Bibliothek des geistlichen Ministeriums zu Greifswald in alphabetischem Verzeichnis mit einer Geschichte der Bibliothek. Greifswald 1908; Konrad VONRABENAU: Greifswald, Bibliothek des Geistlichen Ministeriums. In: Handbuch (Bd. 16) … (wie Anm. 6), 96-98; http://fabian.sub.uni-goettingen.de/fabian?Geistliches_Ministerium; Eisermann: Barth, Greifswald, Wolgast … (wie Anm. 2).

12 Robert LÜHDER: Die Handschriften der Bibliothek des geistlichen Ministeriums zu Greifswald in Fortsetzung von Dr. Th. Pyls »Rubenow-Bibliothek«. Pommersche Jahrbücher 7 (1906), 263-336; Jürgen GEISS: Mittelalterliche Handschriften in Greifswalder Bibliotheken: Verzeichnis der Bestände der Bibliothek des Geistlichen Ministeriums (Dombibliothek St. Nikolai), der Universitätsbibliothek und des Universitätsarchivs. Wiesbaden 2009; Jürgen GEISS: Buchhandel, Bettelorden, Büchersammlungen. Erkundungen zur Bibliothekslandschaft im spätmittelalterlichen Greifswald. Quaerendo 41 (2011), 214-224.

13 Gisela KLOSTERMANN: Stralsund, Archivbibliothek beim Stadtarchiv. In: Handbuch (Bd. 16) … (wie Anm. 6), 231-260. http://fabian.sub.uni-goettingen.de/fabian?Archivbibliothek_Stralsund.

14 Von Rabenau: Barth … (wie Anm. 6), 49-51.

15 Die Buchbestände aus dem 20. Jahrhundert werden hier und im Folgenden nicht genannt.

16 Nilüfer KRÜGER: Die Inkunabeln der Universitätsbibliothek Rostock: mit den Inkunabeln der Landesbibliothek Mecklenburg-Vorpommern in Schwerin und der Kirchenbibliothek in Friedland (Kataloge der Universitätsbibliothek Rostock; 2). Wiesbaden 2003.

17 Konrad VONRABENAU: Friedland (Mecklenburg), Kirchenbibliothek an St. Marien. In: Handbuch (Bd. 16) … (wie Anm. 6), 52-54. http://fabian.sub.uni-goettingen.de/fabian?St._Marien_%28Friedland%29. Die Buchbestände sind im Kirchlichen Zentralkatalog … (wie Anm. 9) erfasst.

18 Christa SIEVERKROPP; Friedel KROHN: Schwerin, Bibliothek des Mecklenburgischen Landeshauptarchivs. In: Handbuch (Bd. 16) … (wie Anm. 6), 217-219. http://fabian.sub.uni-goettingen.de/fabian?Mecklenburgisches_Landeshauptstadtarchiv (!).

19 Martina PYL: Wismar, Ratsbibliothek. In: Handbuch (Bd. 16) … (wie Anm. 6), 263-265. http://fabian.sub.uni-goettingen.de/fabian?Ratsbibliothek_%28Wismar%29.

20 Ira KOCH: Güstrow, Bibliothek des Museums der Stadt Güstrow. In: Handbuch (Bd. 16) … (wie Anm. 6), 104-106. http://fabian.sub.uni-goettingen.de/fabian?Museum_Der_Stadt_Guestrow.

21 Hela BAUDIS; Karin PEVESTORF: Schwerin, Bibliothek des Staatlichen Museums Schwerin – Kunstsammlungen, Schlösser und Gärten. In: Handbuch (Bd. 16) … (wie Anm. 6), 227229. http://fabian.sub.uni-goettingen.de/fabian?Staatliches_Museum_Schwerin.

22 Konrad VONRABENAU: Altentreptow, Kirchenbibliothek St. Petri. In: Handbuch (Bd. 16) … (wie Anm. 6), 43f. http://fabian.sub.uni-goettingen.de/fabian?St._Petri_%28Altentreptow%29.

23 Alle nicht im Handbuch (Bd. 16) … (wie Anm. 6), verzeichnet.

24 Gottfried HOLTZ: Ländliche Kirchenbibliotheken auf Rügen. Wissenschaftliche Zeitschrift der Universität Rostock 5 (1955/56), 69-107.

25 Diese Bibliothek befindet sich in Zirkow, vgl. Erika KEHNSCHERPER: Zirkow, Bibliothek der Evangelischen Kirchengemeinde. In: Handbuch (Bd. 16) … (wie Anm. 6), 106-108. http://fabian.sub.uni-goettingen.de/fabian?Evangelischen_Kirchengemeinde_%28Lancken%29 (!).

26 Konrad VONRABENAU: Greifswald, Landeskirchliche Bibliothek. In: Handbuch (Bd. 16) … (wie Anm. 6), 99f. http://fabian.sub.uni-goettingen.de/fabian?Landeskirchliche_Bibliothek_%28Greifswald%29.

27 Konrad VONRABENAU: Loitz, Kirchenbibliothek: In: Handbuch (Bd. 16) … (wie Anm. 6), 108-110. http://fabian.sub.uni-goettingen.de/fabian?Kirchenbibliothek_%28Loitz%29.

28 Deren Bestände sind im Kirchlichen Zentralkatalog … (wie Anm. 9) erfasst.

29 Deren Bestände sind im Kirchlichen Zentralkatalog … (wie Anm. 9) erfasst.

30 Konrad VONRABENAU: Schwerin, Oberkirchenrats-Bibliothek. In: Handbuch (Bd. 16) … (wie Anm. 6), 221-227. http://fabian.sub.uni-goettingen.de/fabian?Oberkirchenrats-Bibliothek_%28Schwerin%29; Konrad VONRABENAU: Schwerin, Oberkirchenrat der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Mecklenburgs – Bibliothek der Evangelisch-Lutherischen Kirchgemeinde St. Marien Neubrandenburg. In: Ebd, 225. http://fabian.sub.uni-goettingen.de/fabian?St._Marien_Neubrandenburg.

31 Deren Bestände sind im Kirchlichen Zentralkatalog … (wie Anm. 9) erfasst.

32 Erika KEHNSCHERPER: Wolgast, Bibliothek der evangelischen Kirchengemeinde St. Petri. In: Handbuch (Bd. 16) … (wie Anm. 6), 265-267. http://fabian.sub.uni-goettingen.de/fabian?Kirchengemeinde_St._Petri; Eisermann: Barth, Greifswald, Wolgast … (wie Anm. 2).

33 Die Bestände dieser sieben Bibliotheken sind im Kirchlichen Zentralkatalog … (wie Anm. 9) erfasst.

34 Darüber Aufschluss geben dürften die Ortsakten der Kirchengemeinden in den Landeskirchlichen Archiven. Die Erfassung (und nötigenfalls auch Sicherung) der weiteren Streubestände ist ein großes Desiderat.

35 Handbuch (Bd. 16) … (wie Anm. 6), 31-36. http://fabian.sub.uni-goettingen.de/fabian?Bibliotheken_In_Mecklenburg-Vorpommern.

36 Erhard PIERSIG: Kirchenbibliotheken im Bereich der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Mecklenburg, Manuskript (o. J.).

37 Die Übersicht ist online abrufbar: http://www.ariadne.uni-greifswald.de.

38 http://nkb.nordkirche.de/projekte-koopertationen/historische-kirchenbibliotheken-in-m-v.html.

39 Gerhard HEITZ: Greifswald, Bibliothek des Stadtarchivs. In: Handbuch (Bd. 16) … (wie Anm. 6), 100-102. http://fabian.sub.uni-goettingen.de/fabian?Stadtarchiv_%28Greifswald%29.

40 Kirchlicher Gesamtkatalog … (wie Anm. 9); Roswitha HANSKE: Greifwald, Bibliothek des Vorpommerschen Landesarchivs. In: Handbuch der historischen Buchbestände, Bd. 16, 102f. http://fabian.sub.uni-goettingen.de/fabian?Vorpommersches_Landesarchiv.

41 Gudrun MOHR; Heike BIRKENKAMPF: Neubrandenburg, Regionalbibliothek. In: Handbuch (Bd. 16) … (wie Anm. 6), 111-114. http://fabian.sub.uni-goettingen.de/fabian?Regionalbibliothek_%28Neubrandenburg%29.

42 Carmen STROBEL: Rostock, Bibliothek des Stadtarchivs. In: Handbuch (Bd. 16) … (wie Anm. 6), 186-188. http://fabian.sub.uni-goettingen.de/fabian?Archiv_Der_Hansestadt_Rostock.

43 Heidi HECHT: Waren (Müritz), Bibliothek des Müritz-Museums (Maltzaneum). In: Handbuch (Bd. 16) … (wie Anm. 6), 262 f. http://fabian.sub.uni-goettingen.de/fabian?Mueritz-Museum.

44 Monika VIBRANS; Susan LAMBRECHT: Waren (Müritz), Bibliothek des Gymnasiums Waren. In: Handbuch (Bd. 16) … (wie Anm. 6), 260-262. http://fabian.sub.uni-goettingen.de/fabian?Gymnasium_Waren.

45 In den letzten Jahren kamen drei weitere seltene Inkunabeln zum Vorschein.

46 Johann Heinrich KINDERVATER: Gloria Templi Blasiani, oder: Ehren-Gedächtniß der Kirche St. Blasii in der Reichs-Stadt Nordhausen. Nordhausen 1724.

47 Richard RACKWITZ: Nachrichten über die St. Blasii-Bibliothek in Nordhausen und das Kloster Himmelgarten bei Nordhausen, dem die Bibliothek entstammt. Nordhausen 1883.

48 Hannelore GÖTTING: Geschichte und Bedeutung der Kirchenbibliothek St. Blasii in Nordhausen, mit Inkunabel-Katalog. Naumburg 1972 (Typoskript). In überarbeiteter Form in: Kirchenbibliotheken als Forschungsaufgabe/ hrsg. von Uwe Czubatynski; Adolf Laminski; Konrad von Rabenau. Neustadt an der Aisch 1992, 21-34.

49 Stephan LANGE: Lutherstadt Wittenberg, Evangelisches Predigerseminar – Kirchenbibliothek St. Blasii Nordhausen. In: Handbuch der historischen Buchbestände/ hrsg. von Bernhard Fabian u. a., Bd. 22: Sachsen-Anhalt. Hildesheim 2000, 186 f (damals als Depositum in der Bibliothek des Predigerseminars Wittenberg). http://fabian.sub.uni-goettingen.de/fabian?St._Blasii_Nordhausen. Die dort angegebenen Bestandszahlen sind nicht ganz exakt.

50 Rackwitz: Nachrichten … (wie Anm. 47).

51 Johann Heinrich KINDERVATER: Arcana bibliothecae Blasianae, oder Eigentliche Nachricht von der alten raren Bibliothec der Kirchen S. Blasii in der Kays. Freyen Reichs-Stadt Nordhausen. Nordhausen 1717.

52 Kirchlicher Zentralkatalog … (wie Anm. 9).

53 Herrn Stadtarchivar Wolfram Theilemann danke ich für freundlich gewährte zusätzliche Informationen.

54 Felicitas MARWINSKI: Sonderhausen, Bibliothek in der Stadtkirche St. Trinitatis. In: Handbuch der historischen Buchbestände/ hrsg. von Bernhard Fabian u. a., Bd. 21: Thüringen S-Z. Hildesheim 1999, 67-70. http://fabian.sub.uni-goettingen.de/fabian?Stadtkirche_St._Trinitatis.

55 Felicitas MARWINSKI; Konrad MARWINSKI; Klaus STOLLBERG: Katalog 450 Jahre Kirchenbibliothek Sondershausen: Geschichte der Sammlungen und Katalog »Vierhundertfünfzig Jahre Kirchenbibliothek Sondershausen« (Veröffentlichungen des Historischen Vereins für Schwarzburg, Gleichen und Hohenlohe in Thüringen e.V.; 69). Jena 2008.

56 Felicitas MARWINSKI: Bad Frankenhausen, Evangelisch-lutherische Kirchgemeinde in der Unterkirche. In: Handbuch der historischen Buchbestände/ hrsg. von Bernhard Fabian u. a., Bd. 19: Thüringen A-G. Hildesheim 1998, 108-113. http://fabian.sub.uni-goettingen.de/fabian? Evangelisch-Lutherische_Kirchgemeinde_%28Bad_Frankenhausen%29.

57 http://www.inka.uni-tuebingen.de.

58 Datenbank des Landeskirchlichen Archiv in Eisenach.

59 Vgl. dazu den kenntnisreichen Aufsatz von Enno BÜNZ: Bücher, Drucker, Bibliotheken in Mitteldeutschland um 1500: Zur Einführung. In: Bücher, Drucker, Bibliotheken in Mitteldeutschland: Neue Forschungen zur Kommunikations- und Mediengeschichte um 1500/ hrsg. von Enno Bünz. Leipzig 2006, 13-47.