John Sinclair 2460 - Marie Erikson - E-Book

John Sinclair 2460 E-Book

Marie Erikson

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Beschreibung

Einst war Sinayra eine Göttin, die Göttin des Vergessens. Sie hatte ihr eigenes Reich, in dem sie mächtig und unantastbar war. Dann aber war sie in die Welt der Menschen eingedrungen - und in der herrschten andere Gesetzmäßigkeiten als in ihrer Dimension. Sie hatte ihre Kräfte verloren. Dafür hatte sie neue gewonnen. Schreckliche Kräfte, mit denen sie in die Träume von Menschen eindringen konnte. Und die machte Sinayra mit ihren neuen Fähigkeiten zu Dimensionen der Angst.

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Seitenzahl: 133

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Inhalt

Cover

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Dimensionen der Angst

Grüße aus der Gruft

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Impressum

Cover

Inhaltsverzeichnis

Inhaltsbeginn

Impressum

Dimensionen der Angst

von Marie Erikson

Einst war Sinayra eine Göttin, die Göttin des Vergessens. Sie hatte ihr eigenes Reich, in dem sie mächtig und unantastbar war.

Dann aber war sie in die Welt der Menschen eingedrungen – und in der herrschten andere Gesetzmäßigkeiten als in ihrer Dimension.

Sie hatte ihre Kräfte verloren. Dafür hatte sie neue gewonnen. Schreckliche Kräfte, mit denen sie in die Träume von Menschen eindringen konnte. Und die machte Sinayra mit ihren neuen Fähigkeiten zu Dimensionen der Angst!

Alex Rhodes hatte sich den Job als Schrankenwärter in der Nachtschicht so ungemein erstrebenswert vorgestellt. Arbeiten, wenn es kaum etwas zu tun gab. Die ersten Tage die Ausweise der ankommenden Fahrer noch gründlich auf Zutrittsberechtigung kontrollieren, bis man die Autos und deren Insassen kannte.

Anschließend den Glaskasten an der Einfahrt nicht mal mehr verlassen, sondern sitzend bei bekannten Gesichtern die Hand zum Gruß heben und den Knopf für die Schranke betätigen. Die endlose Freizeit dazwischen mit einem guten Gruselroman füllen.

Doch auch nach neun Tagen hatte er kaum einen Wagen – oder Arzt – wiedererkannt. Wie viel Personal gab es in dieser psychiatrischen Anstalt bloß? Jedes Mal, wenn jemand die Einfahrt hinauffuhr, musste er das Häuschen verlassen und sich den Mitarbeiterausweis zeigen lassen. Und für die nächtliche Zeit kam erstaunlich häufig jemand.

Alex hatte den anderen Wächter, den er um 20 Uhr immer ablöste, danach gefragt. Der hatte sich ihm anfangs mal vorgestellt, doch Alex hatte sich den Namen nicht gemerkt, und mittlerweile hatte sich das Zeitfenster geschlossen, in dem er ohne Gesichtsverlust hätte nachfragen können. Also war der Kerl einfach nur ›der andere Wächter‹.

Der jedenfalls hatte Alex erzählt, dass es ihm auch so ergangen war, als er noch für die Nachtschicht eingeteilt gewesen war. Seiner Theorie nach lag das viele Kommen und Gehen daran, dass nachts alle durchdrehten. Vor allem bei Vollmond.

Die Irren in den Zellen wüteten, sodass es häufiger zu Notfällen kam und Ärzte in Rufbereitschaft herbeieilen mussten. Und die Irren auf den Straßen verloren den Verstand und mussten dann aufgelesen und eingeliefert werden.

»Tagsüber wirkt die Klinik eher wie ein Krankenhaus«, hatte der andere Wärter bedeutungsschwanger geraunt und dabei aus dem Fenster gesehen. »Aber nachts legt sie die Maske ab und zeigt sich als das, was sie ist – eine Irrenanstalt.«

Er ließ seine Worte wirken, dann klärte sich sein Blick, und er wandte sein Gesicht wieder Alex zu.

»Ich weiß, man sagt nicht mehr Irrenanstalt, denn es gibt mittlerweile einen politisch korrekten Begriff. Bitte entschuldige, ich bin einfach schon zu lange dabei.«

Nach diesem Gespräch hatte Alex den Blick den ganzen Abend kaum noch von dem Gebäude abwenden können. Ein dreistöckiger Klotz aus Fenstern und Beton. Er hatte ihn nur zweimal betreten müssen – zum Vorstellungsgespräch und um die Uniform abzuholen –, und damit war sein Bedarf bereits mehr als gedeckt.

Das eigentliche Problem des Jobs war nicht, dass er sich über den Umfang der Arbeit getäuscht hatte. Selbst in ereignisreichen Nächten blieb theoretisch noch genug Zeit für Langeweile.

Nur dass Alex keine empfand. Weil er sich ängstigte.

Seit seiner ersten Nacht lag der Gruselroman unangetastet in seinem Ablagefach. Demgegenüber sah das Rätselbuch des Kollegen an jedem Abend zerfledderter aus, und der gleichzeitig als Lesezeichen dienende Stift war ein paar Seiten weitergewandert.

Dass Alex sich durch die bloße Anwesenheit der Anstalt so gruselte, dass es keinerlei Horrorliteratur mehr bedurfte, hätte er natürlich nie jemandem erzählt. Was hätte er auch sagen sollen?

»Hallo, ich bin ein erwachsener Mann. Aber ich glaube an das Übersinnliche. Deshalb mache ich mir in die Hose, weil es in dem Gebäude vielleicht auch die verrückten, rachsüchtigen Seelen derjenigen gibt, die hier verstorben sind. Und die mich vielleicht jagen und mein Gehirn schlürfen wollen.«

Tja, hätte er so etwas von sich gegeben, hätten sie für ihn wahrscheinlich auch gleich eine Zelle ausgesucht. Womöglich mit Sicht auf das Wärterhäuschen.

Dabei wusste er gar nicht sicher, ob hier wirklich Menschen gestorben waren. Er nahm es nur an. Wurden psychisch Kranke nicht immer unter Drogen gesetzt, bei denen es zu Überdosen kommen konnte? Oder beendeten nicht viele Patienten unter Wahnvorstellungen das eigene Leben?

Außerdem hatte es früher doch diese Elektroschocktherapien gegeben. Was, wenn diese Art der Behandlung auch in dieser Anstalt durchgeführt worden war und die Geister der Verstorbenen Vergeltung forderten?

Und vielleicht war auf dem Hügel, auf dem das Gebäude stand, ja früher ein verfluchter Friedhof gewesen!

Genau solche Gedanken gingen Alex bei seiner Arbeit unablässig durch den Kopf. Anstatt also die von Autoren ausgedachten Horrorgeschichten zu lesen, ersann er Nacht für Nacht seine eigenen um die Anstalt. Bis ihm schließlich schon das Herz bis in den Hals schlug, wenn er sich vor Arbeitsantritt mit seinem klappernden Rad den unbefestigten Weg den Hügel hochmühte.

»Na, Alex, schlecht geschlafen?«, begrüßte ihn der andere Wärter. »Du siehst blass aus.«

»Geht schon.« Alex wich dem Blick beschämt aus. Zum einen, weil sich der andere Wächter seinen Namen gleich gemerkt hatte, und zum zweiten, weil seine Hirngespinste tatsächlich mittlerweile dazu führten, dass er schlechter schlief.

Der andere Wächter schulterte seinen Rucksack und wandte sich zum Gehen, blieb dann aber noch mal in der Tür des Glashäuschens stehen.

»Sag mal, könntest du Samstag mal mit mir die Schicht tauschen? Ich würde gern nachmittags zu einem Fußballspiel. Ich komme dann danach gleich her. Wenn ich spät dran bin, musste ich unseren Sieg noch feiern und mein Bier austrinken.«

»Gern«, sagte Alex sofort.

Vielleicht nähme es ihm die Angst, das Gebäude und dessen Betrieb mal bei Tageslicht zu sehen. Außerdem hatte er am Wochenende ohnehin nichts vor, sodass er flexibel war.

Der andere nickte. »Danke. Und ich gebe mir Mühe, pünktlich zu sein. Versprochen. Ich nutze deine Freundlichkeit nicht aus.«

»Weiß ich doch.«

Der andere Wächter hielt ihm etwas hin, das in Alufolie eingewickelt war. »Selbstgebackenes Brot von meiner Frau, und darauf ist irgendwas mit Avocado. Ich trau mich da nicht richtig ran, aber ihr jungen Leute steht doch drauf.«

»Danke.« Alex nahm das Päckchen und freute sich tatsächlich.

»Heute ist nicht viel los. Vielleicht kannst du ein wenig Schlaf nachholen.«

Damit ging der andere Wächter.

Alex lächelte ihm gequält hinterher. Zuhause fand er schon kaum zur Ruhe. Wie sollte ihm das also hier gelingen, in unmittelbarer Nähe der Quelle seiner Ängste?

Er atmete durch. Vielleicht musste er rationaler an die Sache herangehen. Warum hatte er den Job überhaupt angenommen? Wegen des Gehalts und der Aussicht, wenig zu tun zu haben.

Aber auch wegen einer morbiden Faszination und des Nervenkitzels. Letzteren hatte er zweifellos. Und zwar viel zu viel davon.

Dennoch konnte er den Job nicht nach weniger als zwei Wochen einfach wieder kündigen. Wie sähe das in seinem Lebenslauf aus? Was würde seine Mutter sagen? Er könnte es ja nicht einmal erklären, weil sich alle Bedrohungsszenarien nur in seinem Kopf abspielten.

Er nahm sich vor, an diesem Tag etwas auszuprobieren. Anstatt auf das Gebäude zu starren wie das Kaninchen auf die Schlange, würde er seinen Blick ausschließlich auf die Schranke und die Einfahrt richten.

So könnte er sich vorstellen, dass die Zufahrt zu einem normalen Krankenhaus, zu einem Schwimmbad oder zu einem verdammten Märchenschloss gehörte.

Nein, natürlich kein tatsächliches verdammtes Märchenschloss, damit wäre ja nicht unbedingt etwas gewonnen. Ein normales Prinzessinnenschloss. Mit Blumen, Glitzer und Süßigkeiten ohne Kalorien.

Was Alex bei dem Vorsatz nicht bedacht hatte, war, dass er spürte, wie das Gebäude mit all den Insassen hinter ihm lauerte.

Lauerte, schalt er sich selbst für die Wortwahl. Als wenn die Anstalt ein Ungeheuer wäre.

Andererseits kam sie ihm genau so vor. Es kribbelte in seinem Nacken, als würden kalte Hände nach ihm greifen. Als näherte sich etwas, das nur auf den richtigen Moment wartete, zuzupacken. Alex' Atmung beschleunigte sich.

Vielleicht erging es ihm so, weil er zu wenig über die Einrichtung wusste. Wahrscheinlich war sie ja tatsächlich mehr modernes Krankenhaus als ein Gefängnis aus dem Jahr 1888. Er würde einfach einen Vorwand finden müssen, sich mal bei Tageslicht in der Anstalt umzusehen. Vielleicht mal mit einem Arzt sprechen und einen Blick in einen Behandlungsraum werfen.

Alex schloss die Augen und zwang sich, ruhig zu atmen. Dafür nutzte er eine Meditationsübung, bei der man seine Sorgen in einen Ballon steckte und davonfliegen ließ.

Doch selbst in seiner Fantasie zerplatzten diese Ballons an der Außenwand der Anstalt.

Dennoch versuchte er es weiter, und schließlich gelang es ihm, sich ein wenig zu entspannen. Die hochgezogenen Schultern sackten ab, und die Glieder wurden ihm schwer.

Das Rauschen seines Funkgeräts ließ ihn hochfahren. »Rhodes? Sind Sie da?«

Noch etwas desorientiert löste Alex das Gerät vom Gürtel, wobei seine Finger derart kribbelten, dass es ihm beinahe heruntergefallen wäre. »Ja! Ja, ich bin hier. Was gibt's?«

»Notfall! Kommen Sie sofort ins Gebäude. Wir brauchen jede helfende Hand.«

»Wie bitte?« Alex betete zu einem Gott, an den er nicht glaubte, dass er sich verhört hatte oder die Worte nicht so gemeint gewesen waren, wie er sie verstanden hatte.

Sei vorsichtig mit deinen Wünschen, sie könnten in Erfüllung gehen, hatte seine Oma immer gesagt. Ja, er hatte daran gedacht, die Anstalt mal zu betreten. Aber tagsüber, nicht nachts!

Nicht nachts – bei einem Notfall!

»Sofort reinkommen! Notfall!« Der Tonfall ließ keinen Widerspruch zu.

Wie eine Marionette erhob sich Alex und schwankte mit weichen Knien über den Parkplatz auf den Eingang zu. Vielleicht war es nur eine Kleinigkeit, und er saß in fünf Minuten wieder unten im Häuschen. Ja, bestimmt. Ganz sicher.

Am Empfangstresen hinter der Sicherheitsscheibe war niemand. Derjenige, der Alex angefunkt hatte – wer war das überhaupt gewesen? Er hatte keinen Namen genannt –, hatte gesagt, dass jede helfende Hand gebraucht wurde. Tja, nur wo gebraucht?

Alex lauschte. Er hatte Schreie erwartet, schepperndes Metall, in Scherben springendes Glas, Kampfgeräusche. Aber er hörte nichts außer seinen eigenen Schritten. Und diese unheimliche Stille war schlimmer als alles ...

Nein!, stoppte er sein eigenes Gedankenkarussell. Nichts zu hören, ist nicht schlimmer. Es lässt mir nur mehr Raum für Interpretationen. Und die fülle ich immer wieder mit dem schlimmstmöglichen Fall. Das muss aufhören.

Er würde einfach den Kerl von gerade anfunken und fragen, was los war.

Alex tastete an seinem Gürtel nach dem Funkgerät, fasste aber ins Leere. Mist. Er hatte das Ding in der Aufregung auf dem Schreibtisch im Wärterhäuschen liegen lassen. Es zu holen würde zwar Zeit kosten, wäre aber immer noch besser, als auf gut Glück in der Anstalt herumzustolpern. Vielleicht hatte sich der Notfall sogar bereits erledigt oder als Irrtum herausgestellt.

Alex drehte sich um und betrachtete den langen Korridor hinter sich.

Hatte er sich wirklich so weit vom Eingang entfernt? Das hatte er gar nicht mitbekommen, so in Gedanken, wie er gewesen war. Trotzdem war es besser, zurück zur Schranke zu gehen und das Gerät zu holen. Auch weil er das Gefühl hatte, in der kühlen Nachtluft kräftig durchatmen zu müssen, um wieder zur Besinnung zu kommen.

Er hastete zurück. Seine Schritte hallten von den gefliesten Wänden wider.

Plötzlich flackerte das grellweiße Licht der Neonröhre vor ihm an der Decke – und erlosch.

Das Gleiche passierte mit der dahinter. Und der hinter dieser.

Schließlich stand Alex im Dunkeln.

Sein Puls beschleunigte sich, das Blut rauschte in seinen Ohren. Er war kurz davor, zu hyperventilieren.

Beruhige dich.

Das Licht ging wieder an. Die Helligkeit blendete ihn, sodass er die Augen zusammenkniff. Vorsichtig öffnete er sie wieder.

Direkt vor ihm im Gang standen zwei Gestalten. Eine Frau und ein Mann.

Die Arme des Mannes waren durch eine Zwangsjacke am Körper fixiert. Der Insasse hielt den Kopf so schief, dass das Ohr seine Schulter berührte. Unablässig tropfte ihm zähflüssiger Speichel aus dem Mund. Auf dem weißen Stoff der Zwangsjacke hatte sich bereits eine Lache angesammelt.

Alex verzog angewidert den Mund. Unvermittelt warf der Mann den Oberkörper vor und schnappte wie ein aggressiver Hund nach Alex.

Dieser wich einen Schritt zur Seite aus!

Plötzlich stand die Frau direkt neben ihm.

Nur dass es keine Frau war!

Das längere Haar, aufgrund dessen er von einer weiblichen Person ausgegangen war, gehörte zu einer Horrorclown-Maske.

Die Zwangsjacke dieses Insassen war nicht verschnürt, sodass die langen Ärmel bis auf den Boden reichten.

Der Kerl hob den rechten Arm. In der Hand hielt er einen Baseballschläger, in dessen oberem Ende lange Nägel steckten.

Noch bevor Alex' Hirn die Situation gänzlich erfasst hatte, schaltete sein Körper auf ›Autopilot‹ um und floh. Jetzt zahlte es sich aus, dass er den Hügel, auf dem die Anstalt thronte, jeden Tag mit dem Rad hochgefahren war.

Mit langen Schritten entfernte er sich hastig von den beiden Patienten.

Wie waren die überhaupt aus ihren Zellen entkommen? War das der Notfall? Und wie könnte er sich wehren, wenn ihn tatsächlich ein Patient angriff?

Der Taser! Oder das Distanz-Elektroimpulsgerät, wie sie es bei der Aushändigung genannt hatten.

Im Laufen tastete Alex hinten an den Gürtel. Er atmete erleichtert auf, als sich seine Hand um die Ledertasche des Tasers schloss. Er fummelte den Knopf der Lasche auf und zog das Gerät hervor.

Im gleichen Moment bog er um eine Ecke.

Links von ihm befanden sich drei Fahrstuhltüren. Sie waren alle geschlossen. Die Anzeige der Etagennummern war defekt. Sie flackerte und zeigte Stockwerke an, die es gar nicht gab. 6, 23, 427.

Der Bereich vor den Fahrstühlen war groß genug, dass man mit Krankenbetten rangieren konnte. Außer dem Gang, aus dem Alex gekommen war, endeten hier noch zwei weitere Flure.

Vor ihm standen drei Krankenschwestern in einer Reihe. Sie hatten ihm den Rücken zugewandt. Wie Fußballer, die sich beim Freistoß zu einer Mauer aufstellen. Und Alex war der Torwart.

»Zwei Patienten«, beinahe hätte er Insassen gesagt, »sind hinter mir her!«

Die drei Pflegerinnen drehten sich zu ihm herum. Ihr Gesichtsausdruck war vollkommen emotionslos.

Der ersten lief Blut am Hals entlang.

Alex brauchte einen Moment, um die dazugehörige Wunde auszumachen. Ihr waren die Ohren abgeschnitten oder abgerissen worden.

Die zweite trug eine dreckige Augenbinde. Blut war an zwei Stellen durch den Verband gesickert. Genau dort, wo die Augäpfel sitzen müssten, die ihr wahrscheinlich brutal entfernt worden waren.

Der dritten war der Mund laienhaft in unbeholfenen Stichen mit grobem Garn zugenäht worden.

Nichts hören. Nichts sehen. Nichts sagen. Wie bei den drei Affenstatuen auf Alex' DVD-Regal.

Von Grauen erfüllt, riss er den Mund auf, doch der Schrei erstarb in seiner Kehle.

Mit Schritten wie in Zeitlupe kamen die Frauen auf ihn zu.

Ohne nachzudenken, rannte er an ihnen vorbei in den nächsten Gang. Sie versuchten nicht, ihn aufzuhalten.

Den Taser hielt er vor sich ausgestreckt in der Hand.

Nach ein paar Metern sah er im Lauf über die Schulter. Niemand schien ihm zu folgen. Trotzdem dachte er nicht daran, stehen zu bleiben.

Er richtete den Blick wieder nach vorn.

Zu spät.

Er prallte gegen einen Mann, der ihn um eineinhalb Köpfe überragte.

Diesmal schrie Alex auf, stieß sich ab und hob die Hand mit dem Taser.

Der Mann packte seinen Arm, drehte das Distanz-Elektroimpulsgerät von sich weg und hielt Alex fest.

»Kumpel, was ist los?« Von der Brusttasche baumelte ein Anstaltsausweis mit Foto.

Alex sah dem Mann ins Gesicht und rang erleichtert nach Atem. Keine Wunden. Kein Blut. Einfach nur ein Mitarbeiter. Und zwar einer, der stark genug aussah, dass er Alex beschützen konnte.

»Patienten sind entkommen«, stammelte er. »Die Krankenschwestern! Sie ...«

»Ganz ruhig.« Der Mann hielt immer noch seinen Arm. »Welche Schwestern?«

Alex entwand sich seinem Griff. »Da hinten, bei den Fahrstühlen!«

Er drehte sich um und zeigte hinter sich.

In dem Gang schoben gerade zwei Ärzte ohne jede Hast ein Krankenbett aus einem der Zimmer. Unter dem weißen Tuch zeichnete sich ein auf der Matratze liegender Körper ab. Der Patient musste gestorben sein.

Alex wurde übel. Er hatte noch nie eine Leiche gesehen. Und auch wenn er sie jetzt nicht wirklich sah, war allein das Wissen um einen Toten gerade zu viel für ihn.

Seine Knie knickten ein.

Der Mann fing ihn auf, bevor Alex fallen konnte. »Ich glaube, wir bringen dich jetzt besser zurück.«