Jorindo und Joringel - Sandra Gernt - E-Book

Jorindo und Joringel E-Book

Sandra Gernt

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Beschreibung

Jeder weiß, dass er sich nicht dem Zauberwald nähern darf. Junge Männer, die dort hineingingen, sind niemals mehr zurückgekehrt. Natürlich ist das bloß ein Ammenmärchen, dennoch wollen auch Jorindo und Joringel sich von ihm fernhalten - nicht ahnend, dass sie längst beobachtet werden. Empfohlen ab 14 Jahre - keine Vorlesegeschichte für Kleinkinder! Keine Neuveröffentlichung! Dieses Gay-Märchen, eine Neuinterpretation von Grimms "Jorinde und Joringel" war bereits in der Anthologie "Märchen Que(e)rbeet 2 veröffentlicht. Da dieses Werk vom Markt genommen wurde, habe ich mich zur eigenständigen Veröffentlichung dieser Geschichte entschlossen.

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Jeder weiß, dass er sich nicht dem Zauberwald nähern darf. Junge Männer, die dort hineingingen, sind niemals mehr zurückgekehrt. Natürlich ist das bloß ein Ammenmärchen, dennoch wollen auch Jorindo und Joringel sich von ihm fernhalten – nicht ahnend, dass sie längst beobachtet werden.

 

Ca. 11.500 Wörter

Im gewöhnlichen Taschenbuchformat hätte dieser Roman ca. 56 Seiten

 

Dieses Märchen war bereits in der Anthologie „Märchen Que(e)rbeet 2 veröffentlicht, Herausgeberin Tina Filsak. Diese Anthologie wurde vom Markt genommen, darum habe ich mich zu einer Eigenveröffentlichung entschlossen. Der Inhalt hat sich nicht geändert.

 

 

 

 

 

Es war einmal …

In einem fernen Land, vor langer Zeit …

In der Nähe eines Dorfes …

Auf einem Bauernhof …

In einer Scheune.

 

„Hat dich jemand gesehen?“, flüsterte Jorindo aufgeregt.

„Alle schlafen längst, versprochen. Und wenn mich bei der Rückkehr jemand bemerkt, sage ich einfach, Tilli hätte gebellt und ich wollte nachschauen, ob wir einen Fuchs beim Hühnerhaus haben.“ Joringel setzte sich zu ihm auf das Strohlager. Es war nicht ihr erstes Treffen, seit Jorindo als Knecht auf dem Hof des Freibauern Johann angenommen wurde, doch das erste, bei dem die Gefahr, erwischt zu werden, tatsächlich gewaltig war. Bislang hatten sie zumeist mit Joringels Geheimplatz im Wald vorliebgenommen. Eine trockene Höhle, die sonst niemand kannte, da der Weg dorthin mühsam war und der Eingang kaum mehr als ein Spalt im Fels, durch den man sich mit Gewalt quetschen musste. Joringel, der jüngste Bauernsohn, hatte sie vor Jahren durch Zufall gefunden. In diesem Versteck hatten sie ihr erstes Mal miteinander gehabt. Jorindos erstes Zusammensein überhaupt mit einem Mann. Monatelang, den gesamten Frühling und Sommer, hatten sie sich insgeheim geliebt. Seit Tagen beherrschten Stürme und Gewitter das Wetter, der Herbst war gekommen. Bei dieser Witterung war es viel zu gefährlich, sich in die Wälder zu schleichen, und eine nachvollziehbare Ausrede gab es ebenso wenig. Jorindo war sich fast sicher, dass Joringels Mutter längst dahintergekommen war, was zwischen ihnen beiden vor sich ging. Sie beobachtete ihn scharf und fand stets Gründe, warum Joringel beim allabendlichen Essen, bei dem auch die Knechte und Mägde am Tisch saßen, nicht in Jorindos Nähe sein durfte. Falls sie etwas vermutete, hatte sie es noch nicht laut ausgesprochen, andernfalls hätte ihr Mann Jorindo längst vom Hof geprügelt. Auch wenn Joringel bei sechs älteren Brüdern keine Aussicht auf ein Erbe hatte und demzufolge weder heiraten noch eine eigene Familie gründen konnte, wurde Liebe zum eigenen Geschlecht nicht toleriert. Die Priester sagten, es sei Sünde …

Nun, falls Sünde so wundervoll war, hatte Jorindo nichts dagegen, von Gott verstoßen zu sein. Nie zuvor in seinem zweiundzwanzigjährigen Leben hatte er sich derart vollständig gefühlt wie in Joringels Armen. Geliebt. Begehrt. Verstanden. Bauer Johann war dafür bekannt, dass er gut arbeitende Knechte auf Dauer bei sich aufnahm. Jorindo hatte eine Chance, dass dieser Hof sein Zuhause werden könnte. Als Sohn von Wanderarbeitern hatte er so etwas nie besessen … Umso wichtiger war es, sich das nicht kaputt zu machen. Er war als Letzter für dieses Jahr angeheuert worden, hatte noch keinen Platz im Nebenhaus bei den anderen Knechten erhalten, den er durchaus bereits verdient hätte.

„Vielleicht solltest du gehen“, sagte er, obwohl er viel lieber in Joringels Armen liegen und sich hingeben wollte. „Wenn uns jemand hört …“

„Wir werden leise sein, mein Schatz. Hab keine Angst! Ich hatte solche Sehnsucht nach dir.“

Jorindo zog ihn an sich, küsste ihn gierig. Dieselbe Sehnsucht hatte ihn ebenfalls gequält.

„Du bist viel zu schön, um deinen Körper unter Kleidung zu verstecken“, wisperte sein Liebster und zerrte ungeduldig an Jorindos Hemd. In diesem Moment knarrte die Scheunentür und sie erstarrten beide. Unter ihnen regten sich die Kühe, die nächtliche Störenfriede nicht allzu sehr mochten.

„Joringel? Bist du hier?“

Das war Heinrich, Joringels ältester Bruder. Er würde den Hof übernehmen, wenn die Eltern zu alt und schwach wurden, die harte Arbeit zu vollbringen. Mit ihm hatte Jorindo bislang wenig Kontakt gehabt – Heinrich hatte als Freiwilliger für den Landesfürsten gekämpft und war erst vor ein paar Tagen heimgekehrt.

Unfähig zu reagieren, sich einen Plan auszudenken, Joringel im Stroh zu verstecken, sich schlafend zu stellen, saß er still da und blickte mit weit aufgerissenen Augen auf die Leiter. Heinrich kletterte zu ihnen hinauf. Sprosse für knarzende Sprosse. Er seufzte unterdrückt, als er sie beide aufrecht auf dem Bett sitzen sah, vollständig bekleidet und ein Stück voneinander abgerückt.

„Mutter hat mich gebeten, ein Auge auf dich zu haben, kleiner Bruder“, sagte er und setzte sich unaufgefordert zwischen sie. „Sie hat Sorge, du könntest vom rechten Weg abgekommen sein.“ Etwas an Heinrichs Tonfall verleitete Jorindo, sich ein wenig zu entspannen. Es klang nicht, als wäre Heinrich ihr Feind.

„Wir haben geredet“, erwiderte Joringel trotzig. „Er ist mein Freund.“

„Ich habe nichts gegen Freundschaft einzuwenden. Auch nicht gegen innige, von Herzen kommende Freundschaft. So etwas wünscht sich jedermann, hm?“

„Was wirst du Mutter sagen?“

„Dass du und dein Freund Abraham gerettet habt.“

Abraham war der Hofgockel. Der dumme Hahn neigte dazu, sich in den unmöglichsten Löchern und Bretterverschlägen einzuklemmen, es war ein Wunder, dass er noch immer lebte.

„Und wie geht es weiter?“, fragte Joringel bohrend, während Jorindo wünschte, er könnte mit der Scheunenwand verschmelzen. Oder sich in Luft auflösen, damit er Heinrich nicht länger nah sein musste.

„Vater und auch die anderen Knechte mögen Jorindo“, sagte Heinrich langsam. „Du bist ein guter, fleißiger Arbeiter. Ein bisschen still, aber freundlich und hilfsbereit. Solche Männer brauchen wir auf unserem Hof. Genau wie dich, Joringel. Es gibt mehr als genug Land zu beackern. Pflegt eure Freundschaft und sorgt dafür, dass niemand einen Grund zur Klage deswegen findet. Dann wird er auch über Winter bleiben und ihr könnt zusammen sein.“ Er stand auf und kehrte zur Leiter zurück.

„Ich warte vor der Scheune auf dich, Bruder. Lange genug, damit ihr euch eine gute Nacht wünschen könnt.“

Sie regten sich beide nicht, bis die Scheunentür von außen geschlossen wurde. Erst dann wagte Jorindo, vorsichtig aufzuatmen – sehr leise. Da er direkt unter einer halb geöffneten Luke schlief, konnte Heinrich sie hören, wenn sie zu laut sprachen. Was hatten sie sich überhaupt dabei gedacht, sich hier zu treffen?

„Stecken wir in Schwierigkeiten?“, wisperte er unglücklich.

„Nein. Nein, alles ist gut.“ Joringel umarmte ihn, küsste ihn liebevoll. Der Mond blinzelte durch schwere Wolken und erhellte die Scheune gerade genug, um sein Gesicht zu erkennen. Es wurde von schulterlangem honigblondem Haar umrahmt, etwas, was alle Kinder von Bauer Johann geerbt hatten. Die himmelblauen Augen blieben im Schatten, dennoch spürte Jorindo, mit wie viel Liebe er gemustert wurde.

„Mein Bruder verrät uns nicht. Er hatte nie viel für Mutters Frömmigkeit übrig und die Zeit bei den Soldaten hat das eher verstärkt. Wir müssen vorsichtiger sein, da hat er recht. Zur Not … zur Not müssen wir den Winter über sittsam bleiben, gleichgültig, wie schwer das ist. Könntest du das, mein Lieb?“

Jorindo lachte unterdrückt und presste sich glücklich an den warmen, starken Leib seines Liebsten. Allein die bange Frage bewies, wie viel Joringel für ihn empfand. Dass dort mehr zwischen ihnen war als der Hunger nach körperlicher Befriedigung.

---ENDE DER LESEPROBE---