Julia Extra Band 454 - Kelly Hunter - E-Book

Julia Extra Band 454 E-Book

KELLY HUNTER

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Beschreibung

IM BANN DES GRIECHISCHEN MILLIARDÄRS von STEPHENS, SUSAN
Mehr denn je verzehrt Lizzie sich vor Verlangen, als sie den sexy Milliardär Damon Gavros wiedersieht. Aber so unvergesslich ihre Nacht der Lust in Griechenland einst war, so gefährlich ist Damons Nähe jetzt. Wenn er ihr Geheimnis entdeckt, droht sie ihr Liebstes zu verlieren …

LIEBESFALLE FÜR DEN TYCOON? von ELLIS, LUCY
Mit ihren langen blonden Locken und dem sinnlichen Mund weckt Sybella insgeheim Niks Begehren. Doch ehe er nicht weiß, ob sie eine skrupellose Mitgiftjägerin ist, sollte er nur eins tun: Sie schnellstens von seinem Luxusanwesen verbannen, statt sie zärtlich zu verführen!

EINE BRAUT FÜR PRINZ CASIMIR von HUNTER, KELLY
Bevor Prinz Casimir eine arrangierte, standesgemäße Ehe eingeht, will er noch einmal seine Ex-Affäre Ana treffen. Nur so kann er sie für immer aus seinen erotischen Träumen verbannen, denkt er. Bis er Unglaubliches erfährt, das jäh all seine Pläne auf den Kopf stellt …

DU KÜSST VIEL ZU HEIß! von MCKELLEN, CHRISTY
Um das Café ihrer Familie vor dem Ruin zu retten, würde Solitaire alles tun - auch den geheimnisvollen Tycoon Xavier McQueen heiraten! Schließlich ist es nur eine Scheinehe auf Zeit, die ihm sein Erbe sichert. Da entfacht ein überraschend heißer Kuss plötzlich wahre Leidenschaft …

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Seitenzahl: 701

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Susan Stephens, Lucy Ellis, Kelly Hunter, Christy McKellen

JULIA EXTRA BAND 454

IMPRESSUM

JULIA EXTRA erscheint in der HarperCollins Germany GmbH

Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0 Fax: +49(0) 711/72 52-399 E-Mail: [email protected]
Geschäftsführung:Ralf MarkmeierRedaktionsleitung:Claudia Wuttke (v. i. S. d. P.)Produktion:Jennifer GalkaGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe JULIA EXTRABand 454 - 2018 by HarperCollins Germany GmbH, Hamburg

© 2017 by Susan Stephens Originaltitel: „The Secret Kept from the Greek“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London in der Reihe: MODERN ROMANCE Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Dorothea Ghasemi

© 2018 by Lucy Ellis Originaltitel: „Redemption of a Ruthless Billionaire“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London in der Reihe: MODERN ROMANCE Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Angelika Anders

© 2018 by Kelly Hunter Originaltitel: „Shock Heir for the Crown Prince“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London in der Reihe: MODERN ROMANCE Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Elfie Sommer

© 2018 by Christy McKellen Originaltitel: „A Contract, A Wedding, A Wife?“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London in der Reihe: ROMANCE Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Dorothea Ghasemi

Abbildungen: Harlequin Books S. A., MightyTravelier / Getty Images, alle Rechte vorbehalten

Veröffentlicht im ePub Format in 08/2018 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783733710866

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, BIANCA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY

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SUSAN STEPHENS

Im Bann des griechischen Milliardärs

Griechen-Milliardär Damon fühlt sich sofort zu Lizzie hingezogen, als er sie Jahre nach ihrer einzigen Liebesnacht wiedersieht. Doch so erregend Lizzies Nähe ist: Er spürt, dass sie etwas verschweigt …

LUCY ELLIS

Liebesfalle für den Tycoon?

Ausgerechnet Nik! Der attraktive, arrogante Tycoon hält Sybella für eine Betrügerin und droht ihre Welt zu zerstören. Trotzdem weckt er eine lange vergessene sinnliche Sehnsucht in ihr …

KELLY HUNTER

Eine Braut für Prinz Casimir

Niemals sieht sie Prinz Casimir wieder, dachte Ana. Schließlich hat er sie nach ihrer Blitzaffäre ohne ein Abschiedswort verlassen. Da taucht er jäh auf und entführt sie in sein mediterranes Reich …

CHRISTY MCKELLEN

Du küsst viel zu heiß!

Millionär Xavier McQueen heiratet nur, um sein Erbe nicht zu verlie-ren. An die Liebe glaubt er längst nicht mehr. Bis seine Scheinehefrau Solitaire ungeahnt leidenschaftliche Gefühle entfacht …

Im Bann des griechischen Milliardärs

PROLOG

Elf Jahre zuvor

Lizzie Montgomery funkelte ihn wütend an. Sie war achtzehn Jahre alt, hatte wallendes rotes Haar und braune Augen, trug Tattoos sowie ein Lippenpiercing und war mit dem knappen Top und der schwarzen Lederhose völlig unpassend gekleidet. Ja, sie war heiß. Ein Anblick, dem sich Damon Gavros kaum entziehen konnte.

Doch sie befanden sich in einem Gerichtssaal in London, und Damon gehörte zum Team von Gavros Inc., einer internationalen Reederei mit Sitz in Griechenland. Er wollte seinen Vater unterstützen, der in dem Verfahren Gavros Inc. gegen Charles Montgomery als Hauptbelastungszeuge auftrat.

Es war ein Schock für Damon, Lizzie vor Gericht wiederzusehen, obwohl er nicht bereute, letzte Nacht mit ihr geschlafen zu haben. Selbst wenn er zu dem Zeitpunkt gewusst hätte, wer sie war, hätte er gegen die starke Anziehungskraft zwischen ihnen nichts tun können. Er hätte es auch nicht gewollt.

Er hatte etwas abseits in der Bar gesessen und an die bevorstehende Verhandlung gedacht, in der er den Mann, der versucht hatte, seinen Vater um Millionen zu betrügen, seiner gerechten Strafe zuführen wollte. Der Barmann hatte der sichtlich verzweifelten Lizzie einen Drink verweigert und Anstalten gemacht, sie hinauszuwerfen. Daraufhin hatte Damon sie auf einen Kaffee in sein Penthouse eingeladen und war mit ihr ins Gespräch gekommen.

Sie hatte ihm nur ihren Vornamen genannt und ihm erzählt, dass sie sich auf ihr Studium freute. Er hatte seins fast beendet. Sie war witzig gewesen, hatte sich selbst – und auch ihn – nicht so ernst genommen, und eins hatte zum anderen geführt.

Was für einen Fehler er gemacht hatte, wurde Damon erst klar, als ihr Vater abgeführt wurde und sie vor dem Gerichtssaal auf ihn wartete.

Damon trat vor Charles Montgomery aus dem Saal. Sofort beschimpfte Lizzie ihn lautstark, dann ohrfeigte sie ihn, was er vermutlich verdient hatte. Sie war temperamentvoll wie ein Feuerwerk – was er auch im Bett herausgefunden hatte.

„Du Mistkerl!“, schrie sie ihn an, ohne auf die Umstehenden zu achten. „Wie konntest du heute Nacht mit mir schlafen? Dir habe ich zu verdanken, dass mein Vater jetzt ein verurteilter Krimineller ist!“

In ihren Augen würde Charles Montgomery immer unschuldig sein. Damon sah, wie seine Sicherheitsleute die Zuschauer höflich, aber energisch zurückdrängten und der Leiter des Anwaltsteams seines Vaters auf ihn zukam. Er bedeutete ihm, wieder zu gehen.

„Dein Vater hat vielen Menschen wehgetan, Lizzie. Nicht nur meine Familie hat gelitten …“

„Hör auf!“, schrie sie und hielt sich die Ohren zu. „Du denkst nur an Geld!“

„Ich muss meine Familie beschützen“, sagte Damon leise. „Und all die Menschen, die für unser Unternehmen arbeiten. Verdienen sie nicht auch Gerechtigkeit?“

„Und du bist ja so ein Heiliger!“, schrie sie, bevor sie sich unvermittelt abwandte.

Schuldgefühle überkamen ihn, als sie zu schluchzen begann. Hätte er sich gestern Abend anders verhalten, wenn er gewusst hätte, wer sie war? Noch immer bereute er nicht, mit ihr geschlafen zu haben. Jetzt wollte er sie nur noch trösten, sie vor neugierigen Blicken abschirmen, doch sie ließ es nicht zu.

„Ich hasse dich!“, rief sie, als ihre Freunde kamen, um sie wegzubringen.

„Ich hasse dich nicht“, rief er ihr nach.

Sie konnte nichts für die Taten ihres Vaters, und dass sie zu ihm hielt, war verständlich, denn auch er war seinem Vater gegenüber loyal. Das Unternehmen, das Charles Montgomery beinah zerstört hatte, war dessen Lebenswerk.

Sein Vater hatte sich immer für die Familien verantwortlich gefühlt, die von ihm abhängig waren, und diese Verantwortung würde Damon eines Tages übernehmen. Er freute sich darauf, in die Fußstapfen des großen Mannes zu treten. Lizzie wusste es noch nicht, aber auch sie war ein Opfer ihres Vaters. Damon vermutete, dass ihre geldgierige Stiefmutter Lizzie früher oder später auf die Straße setzen würde.

Er ging ihr nach. „Ich würde dir gern helfen“, bot er Lizzie an.

„Eher gefriert die Hölle“, höhnte sie. „Geh zurück zu deinen wohlhabenden Freunden und deinem bequemen Leben, reicher Junge!“ Dann bedachte sie ihn mit zahlreichen weiteren Schimpfwörtern, während ihre Freunde sie wegzogen.

Er würde sie vermissen. In nur einer Nacht war ihm klar geworden, dass sie eine Wildkatze mit einem Herzen aus Gold war.

„Mein Vater ist unschuldig! Unschuldig!“, schrie sie über die Schulter.

„Man hat deinen Vater in allen Punkten für schuldig befunden“, konterte Damon verhalten. „Und das vor dem höchsten Gerichtshof.“

Noch einmal wirbelte sie zu ihm herum. „Und das wegen dir und deinesgleichen!“ Nun klang sie eher gequält als wütend. „Das werde ich dir niemals verzeihen. Niemals!“

Er wandte sich ab und lächelte schwach. „Sag niemals nie, Lizzie.“

1. KAPITEL

„Damon Gavros! Lange nicht gesehen!“

Damon Gavros! Plötzlich fühlte Lizzie sich ganz schwach. Sicher gab es mehr als einen Damon Gavros in London. Das Atmen fiel ihr schwer, als ihr immer überschwänglicher Chef Stavros in die Restaurantküche stürmte, wo sie gerade einen riesigen Berg Geschirr spülte.

Nein, es war kein Irrtum. Sie musste sich nicht umdrehen, um zu wissen, dass es wirklich der Damon Gavros war, denn sie konnte seine Anwesenheit förmlich spüren. Lag ihre Begegnung wirklich elf Jahre zurück?

Lizzie stützte sich auf die Spüle, um sich gegen eine Begegnung zu wappnen, mit der sie niemals gerechnet hätte – schon gar nicht an ihrem Arbeitsplatz.

Bilder von Damon tauchten vor ihrem inneren Auge auf. Umwerfend attraktiv und mit einer beängstigenden Intuition ausgestattet, war er der einzige Mann, der sie so nachhaltig beeindruckt hatte, dass sie ihn nie vergessen hatte – niemals vergessen konnte. Und das nicht nur, weil er der attraktivste Mann war, dem sie je begegnet war.

„Willkommen! Willkommen!“, rief Stavros zunehmend hysterisch. „Damon! Bitte komm in die Küche! Ich möchte dich allen vorstellen …“

Die Hände im warmen Wasser und den Kopf gesenkt, blieb Lizzie regungslos stehen. Sie atmete tief durch, während der alte Zorn in ihr aufflammte. Als sie damals vor jenem Gerichtssaal in London stand, hatte sie sich so einsam wie nie zuvor gefühlt und Damon Gavros verflucht, weil er dafür mitverantwortlich war.

Heute war ihr klar, dass er und sein Vater im Recht gewesen waren und ihr Vater die alleinige Schuld trug, weil er so viele Menschen um ihre gesamten Ersparnisse gebracht hatte. Damals war sie zu durcheinander und wütend gewesen. Erst als sie nach Hause zurückkehrte und ihre Stiefmutter sie hinauswarf, hatte sie sich eingestanden, dass ihr Vater ein Gauner und ihre Stiefmutter nur eine herzlose, geldgierige Frau war.

Lizzie hatte Damon die ganze Zeit über nie vergessen.

Aber wo hatte er in den vergangenen elf Jahren gesteckt?

Sie fragte sich, was er heute von ihr halten mochte. Während sie damals gegen alles rebelliert hatte, gab sie sich jetzt sehr konventionell. Würde es ihn irgendwie misstrauisch machen?

Lizzie musste ein Zittern unterdrücken, als er näher kam. Elf Jahre lang hatte kein Mann eine so starke Wirkung auf sie ausgeübt. Seit jener Nacht hatte sie dem Sex abgeschworen – und nicht nur, weil kein Mann mit Damon mithalten konnte.

Damon und Stavros näherten sich weiter der Spüle, und der herzliche Umgang der beiden miteinander erinnerte sie daran, wie Damon und sein Vater nach der Verhandlung miteinander gesprochen hatten. Wie sehr sie die beiden beneidet hatte!

Damals hatte sie sich nicht vorstellen können, jemanden zu haben, dem sie sich anvertrauen konnte. Nun, im Nachhinein, war ihr klar, dass sie von dem Gerichtsverfahren profitiert hatte. Sie hatte gelernt, auf eigenen Füßen zu stehen, und obwohl sie nicht viel besaß, verdiente sie ihren Lebensunterhalt auf ehrliche Weise und war frei.

„Lizzie!“, rief Stavros freudig. „Darf ich dir einen sehr guten Freund vorstellen, der gerade von seinen Reisen zurückgekehrt ist? Damon Gavros.“

Widerstrebend wandte sie sich um.

Nach einigen Sekunden der Stille sagte Damon: „Ich glaube, wir kennen uns.“

Der warme Klang seiner Stimme umfing sie und vermittelte ihr das Gefühl, dass sie nie getrennt gewesen waren.

„Stimmt.“ Lizzie bebte innerlich, als sie Stavros anlächelte.

„Ich lasse euch vielleicht kurz allein“, meinte dieser taktvoll, aber sichtlich erfreut darüber, dass er endlich Amor spielen konnte.

„Es ist lange her, Damon.“

„Das ist es.“ Interessiert musterte Damon sie.

Lizzie fühlte sich verletzlich, zumal sie einen weiten Overall über ihren alten Sachen sowie Gummischuhe und eine Haube über ihren widerspenstigen roten Locken trug. Ich kenne dich nicht, dachte sie, während sie sein Gesicht betrachtete, das im Laufe der Jahre noch attraktiver geworden war. Von den Zeitungsberichten über den Geschäftsmann abgesehen, wusste sie nicht, zu was für einem Menschen Damon Gavros sich entwickelt hatte. Falls er für immer nach London zurückgekehrt war, musste sie es herausfinden.

Er hatte unglaubliche Augen. Verführerische Augen. Amüsiert funkelnde Augen … Gefährliche Augen. Sie sahen zu viel.

Und noch immer betörte er ihre Sinne so wie damals – was ihr Warnung genug war. Von seiner Designerkleidung bis hin zu seinem leicht amüsierten Blick, der sie mühelos um den Verstand bringen könnte, stellte Damon Gavros mit seinem Geld und seinem Einfluss die größte Bedrohung für alles dar, was ihr wichtig war.

Und dennoch sehnte ihr Körper sich nach ihm. Damon war sehr charismatisch und auch körperlich beeindruckend, doch sein hervorstechendstes Merkmal war sein scharfer Verstand – und das machte ihr Angst.

„Der Erfolg steht dir gut“, sagte sie, ohne nachzudenken, woraufhin er nur unmerklich nickte.

Die Wirtschaftsexperten sprachen von seinem beispiellosen Erfolg und seinem unermesslichen Reichtum, seit er das Unternehmen seines Vaters übernommen hatte. Die Artikel in der Presse beschrieben ihn entweder als begehrtesten Junggesellen der Welt oder als reichen Wohltäter, weil er viele karitative Organisationen unterstützte. Allerdings würde er vermutlich keine wohltätigen Gefühle hegen, wenn er erfuhr, wie sie in den vergangenen elf Jahren gelebt hatte.

Lizzie unterdrückte ihre Nervosität und gestand sich ein, dass sie sich beide verändert hatten. Sie war inzwischen versierter im Umgang mit Menschen und würde deshalb auch besser mit ihm fertig werden.

„Warum gehen wir nicht woanders hin?“, schlug Damon vor.

„Wie bitte?“ Überrascht sah sie ihn an.

„Ich muss unser Wiedersehen nicht unbedingt hier begehen. Du?“

Durchdringend betrachtete er sie, und für einen Moment wusste sie nicht, was sie sagen sollte.

Damon konnte Lizzies Überraschung nachvollziehen. Das Wiedersehen mit ihr war auch für ihn ein Schock, zumal Lizzie sich so stark verändert hatte. Er musste unbedingt wissen, wie es ihr in den letzten elf Jahren ergangen war und warum sie hier arbeitete.

„Bestimmt kann Stavros dich für ein, zwei Stunden entbehren“, beharrte er und ging zur Tür, blieb allerdings gleich wieder stehen, als Lizzie antwortete.

„Ich kann nicht“, sagte sie und machte eine ausholende Geste, sodass sein Blick auf ihre Gummihandschuhe fiel. „Ich arbeite.“

„Stavros?“, wandte er sich an ihren Chef, der auf der anderen Seite der Küche herumwerkelte.

„Natürlich“, erwiderte dieser begeistert. „Lizzie hat sich eine Pause verdient. Sie kann sich zu dir setzen. Meine Köche werden ein Menü zubereiten …“

„Lieber nicht“, unterbrach sie ihn.

Da Damon einen Blick auf ihr verwaschenes Top sowie die ausgeblichenen Jeans unter ihrem Overall erhascht hatte, konnte er ihre Vorbehalte verstehen, denn das Restaurant war ebenso exklusiv wie teuer. Nun, da sie sich wiederbegegnet waren, wollte er allerdings alles über sie erfahren und endlich das Kriegsbeil begraben.

„Wollen wir woanders hingehen?“, schlug er deshalb vor. „Ein andermal gern, Stavros“, wandte er sich lächelnd an seinen Freund. „Ich würde mich gern mit dir über die letzten elf Jahre unterhalten, du nicht?“, sagte er dann zu Lizzie.

Sie lachte nervös, was ihn misstrauisch machte, weil es so untypisch für die Lizzie von damals war.

„Es sei denn, du hast dich inzwischen verlobt oder sogar geheiratet.“

„Nein.“ Nun hob sie das Kinn und erwiderte ruhig seinen Blick.

„Ich hole jemanden, der für dich weitermacht“, mischte Stavros sich ein, als sie zögerte. „Lizzie nimmt sich nie frei“, gestand er Damon.

„Eine halbe Stunde um der alten Zeiten willen, Lizzie?“

„Na gut, ich hole meinen Mantel“, gab sie sich geschlagen.

Lizzie ging zur Mitarbeitertoilette, um sich schnell frischzumachen. Während sie sich im Spiegel betrachtete, fragte sie sich, wo die letzten elf Jahre geblieben waren. Aber spielte es eine Rolle? Damon Gavros war wieder in ihr Leben getreten. Sie musste damit fertig werden.

Zumindest Stavros freute sich, denn er versuchte ständig, sie zu verkuppeln. Aber der Millionär und die Tellerwäscherin? Das konnte selbst er nicht bewerkstelligen, auch wenn Damon sich über das Wiedersehen zu freuen schien. Hatte sein Lächeln so etwas wie Triumph verraten?

Als sie den Flur betrat, lehnte er lässig an der Wand. Hatte er schon damals so sexy gewirkt?

Ja, dachte sie und lächelte höflich, als er ihr in den Mantel half. Und sie musste ihm zugutehalten, dass er keine Miene verzog, denn der Mantel, den sie im Secondhand-Shop gekauft hatte, war ihr viel zu groß und sah mittlerweile etwas schäbig aus. Seiner hingegen bestand aus feinster blauschwarzer Wolle und war vermutlich maßgeschneidert.

Mit dem lässig umgeschlungenen Kaschmirschal wirkte Damon wie ein Männer-Model, und vermutlich fragte er sich, was mit Lizzie Montgomery passiert war. Menschen verändern sich, dachte sie, als er ihr die Tür aufhielt. Und sie hoffte, sie hatten sich beide zum Positiven verändert.

„Heute fahre ich selbst“, verkündete er, bevor er vor der Beifahrertür eines offenbar nagelneuen schwarzen Bentley stehen blieb.

„Hat dein Chauffeur frei?“, konterte sie.

Schweigend öffnete er ihr die Tür, und als sie auf den cremefarbenen Sitz sank, umfing sie der Duft von Leder.

„Schöner Wagen“, bemerkte sie und blickte sich um, während Damon sich ans Steuer setzte.

Auf keinen Fall sollte er denken, es würde ihr finanziell so schlechtgehen, dass sein offensichtlicher Reichtum sie überwältigte. Auch wenn es nicht den Anschein haben mochte, so hatte sie alles, was sie brauchte, und war mit ihrem Leben zufrieden.

Er ließ den Motor an und fädelte sich in den stockenden Abendverkehr ein. Aus den Lautsprechern klang leise klassische Musik.

„Magst du deinen Job?“, fragte er unvermittelt.

Erst jetzt wurde ihr bewusst, dass sie neben dem begehrtesten Junggesellen der Welt in dem vermutlich luxuriösesten Fahrzeug Londons saß. „Ja“, erwiderte Lizzie. „Ich verstehe mich sehr gut mit meinen Kollegen und vor allem mit Stavros. Ich bin genau da, wo ich sein wollte, denn ich arbeite mit ehrlichen Menschen zusammen, die mir genauso am Herzen liegen wie ich ihnen.“

Einen Moment lang wirkte Damon verblüfft. „Hast du Hunger?“, erkundigte er sich dann.

Ja, das hatte sie, und der Sinn stand ihr nicht nur nach Essen, wie ihr klar wurde, als Damon ihr einen flüchtigen Blick zuwarf. So wie jetzt hatte sie sich schon seit elf Jahren nicht mehr gefühlt. Er brauchte sie nur anzusehen, und sie erinnerte sich sofort, wie es gewesen war, in seinen Armen zu liegen. Schnell zog sie ihren Mantel enger um sich, denn sie bebte am ganzen Körper.

„Erstaunlicherweise bin ich auch hungrig“, gestand er.

„Du kannst mich zurückbringen.“

„Warum sollte ich?“

Zu ihrem Entsetzen legte er dann die Hand auf ihre. Auf keinen Fall sollte er sie bemitleiden.

Kurz darauf hielt er am Ufer der Themse. Kaum hatte Lizzie den Gurt gelöst, öffnete er ihr schon die Beifahrertür. Für einen Moment nahm sie nur den romantischen Ausblick wahr.

„Burger oder Hotdog?“, fragte Damon.

Beinah hätte sie gelacht. „Einen Hotdog mit Ketchup und Senf, bitte.“

Er wandte sich ab und ging zu dem Imbisswagen, der in etwa zehn Metern Entfernung stand. Nachdem er die Bestellung aufgegeben hatte, plauderte er mit dem Verkäufer. Er war immer sehr umgänglich gewesen. Aber wie würde er auf das reagieren, was sie ihm zu sagen hatte?

Lizzie beschloss, damit noch zu warten, denn sie musste den älteren Damon erst besser kennenlernen, bevor sie ihm alles erzählte. Sie musste wissen, wie er tickte und was für ein Leben er führte. Als er ihr den Hotdog überreichte und dabei ihre Finger berührte, erschauerte sie. So sehr sie auf Abstand zu bleiben versuchte, um klar denken zu können, ihr Körper sehnte sich genauso nach ihm wie vor elf Jahren.

„Denkst du an damals?“, fragte Damon, als hätte er ihre Gedanken gelesen.

Damals war sie eine achtzehnjährige Jungfrau mit einer unsicheren Zukunft gewesen.

Damon lehnte an einer Straßenlaterne, deren Schein seine markanten Züge noch betonte.

Sein Blick machte sie nervös. „Ich hatte gar nicht gemerkt, dass ich so hungrig bin.“ Herzhaft biss sie in das Brötchen, um sich von seiner Nähe abzulenken.

„Wohin bist du nach der Verhandlung verschwunden?“, erkundigte er sich stirnrunzelnd.

„Wohin ich verschwunden bin?“, wiederholte sie nachdenklich.

Das war eine gute Frage. Als sie nach Hause zurückkehrte, hatten ihre Koffer in der Eingangshalle gestanden, und ihre Stiefmutter hatte sie gefragt, wer sie jetzt unterstützen sollte. Eigentlich hätte sie das kommen sehen müssen. Sie war nach oben in ihr Zimmer gerannt, um dort ihren Tränen freien Lauf zu lassen, hatte es allerdings leer vorgefunden. Nachdem sie das Schicksal verflucht hatte, hatte sie sich zusammengerissen und sich damit abgefunden, dass dies jetzt ihr Leben war und sie es in den Griff bekommen musste.

Auf dem Weg nach draußen hatte sie ihre Stiefmutter im Arbeitszimmer ihres Vaters angetroffen, wo die Frau seine Schreibtischschubladen durchwühlte.

„Wir müssen jetzt wohl beide arbeiten“, hatte Lizzie gesagt, woraufhin ihre Stiefmutter das Gesicht verzogen hatte.

„Ich arbeite nicht“, hatte sie von oben herab verkündet. „Und glaub ja nicht, ich würde dich hier wohnen lassen. Die Ausgaben kann ich mir nicht mehr leisten.“

Das war ihre letzte Begegnung mit ihr gewesen, und weniger als eine Woche später hatte ihre Stiefmutter sich mit einem noch reicheren Mann getröstet.

Lizzie beschloss, Damon eine geschönte Version zu erzählen. „Es war nicht alles schlimm. Zuerst war es ein Schock für mich, obdachlos zu sein, aber bald habe ich festgestellt, dass es mir guttut, auf eigenen Füßen zu stehen.“

Wieder runzelte Damon die Stirn. „Du hast deine Träume geopfert?“

„Manchmal müssen Träume eben warten.“ Sie hatte sich weiterentwickelt und viel mehr erreicht, als sie sich zugetraut hatte.

„Du hast Ketchup am Kinn …“ Als er ihr den Tropfen abwischte, elektrisierte seine Berührung sie förmlich. „Nächstes Mal gehen wir richtig essen.“

„Du bleibst also in London?“ Bei der Vorstellung pochte ihr Herz schneller.

Er ignorierte ihre Frage. „Stavros meinte, du würdest zu viel arbeiten. Du musst ab und zu eine Auszeit nehmen“, beharrte er.

Lizzie fragte sich, was Stavros ihm noch erzählt hatte. Sie hatte so viel zu verlieren. Damon war lange Zeit aus ihrem Leben verschwunden, spielte aber für sie irgendwie immer noch eine Rolle. Er wusste es noch nicht, doch er konnte ihre Welt aus einer Laune heraus zum Einsturz bringen.

„Saft oder Wasser?“, erkundigte er sich.

„Wasser, bitte.“ Ihr Mund war wie ausgetrocknet.

Während Damon die Getränke holte, dachte sie an ihre erste Lüge damals, als sie behauptet hatte, sie wäre keine Jungfrau mehr. Ihr Leben war zu jener Zeit ein einziges Chaos gewesen. Ihre Stiefmutter hatte sie gehasst, und sie hatte um die Aufmerksamkeit ihres Vaters gebuhlt, allerdings vergeblich.

Und mit Damon hätte sie es auch beinah vermasselt. Sie hatte ihn förmlich angefleht, sie zu nehmen, um ihren Kummer zu vergessen. Als er in sie eindrang, hatte sie schockiert geschrien, woraufhin er sich sofort zurückgezogen hatte. Es hatte sie all ihre Überredungskunst gekostet, ihn zum Weitermachen zu bewegen, und sie hatte gesagt, natürlich würde sie die Pille nehmen, obwohl er ein Kondom benutzt hatte.

Er hatte sich als wahrer Verführungskünstler erwiesen, und sie hatten sich die ganze Nacht geliebt. Zwischendurch hatten sie auch miteinander geredet und dabei eine unerwartete Nähe festgestellt.

„Lass uns ein Stück gehen“, schlug Damon vor, als er ihr die Wasserflasche überreichte.

Ein Spaziergang wäre eine willkommene Ablenkung. Sie konnte sich auf die Aussicht konzentrieren … Falls es ihr gelang, den Blick von Damon abzuwenden. Seine Züge waren markanter, ja, schroffer als damals, was ihn jedoch menschlicher wirken ließ. Er war ein außergewöhnlicher Mann – herb, aber humorvoll, rücksichtslos und dennoch einfühlsam.

„Wenn ich in London bin, gehe ich viel spazieren“, gestand er, den Blick gesenkt. „Manchmal ist es gut, mit sich und seinen Gedanken allein zu sein, findest du nicht?“

„Das hängt wohl davon ab, wer man ist und was man denkt.“ Lizzie erinnerte sich, wie schnell die Vertrautheit zwischen ihnen am nächsten Tag im Gericht starkem Misstrauen gewichen war. Wahrscheinlich bedurfte es mehr als eines Spaziergangs, um reinen Tisch zu machen.

Die Medienberichte hatten ihr Vertrauen damals vollends zerstört. Sie hatte auch den Glauben an sich selbst und an ihr Urteilsvermögen verloren. Schon bald war ihr allerdings klar geworden, dass sie sich nur selbst helfen konnte, und so hatte sie sich ein ganz neues Leben aufgebaut.

Sie hatte das, was vom Schmuck ihrer Mutter übrig geblieben war, in einer Pfandleihe versetzt und damit die Miete für die erste Woche bezahlt. Und sie hatte den Inhaber förmlich angefleht, den Ehering nicht zu verkaufen, damit sie ihn irgendwann auslösen konnte. Eines Tages …

„Ist etwas?“, erkundigte sich Damon, als sie sich auf die Lippe biss und das Gesicht verzog.

„Nein. Lass uns lieber umkehren, mir ist kalt.“

Als sie zum Wagen zurückkehrten, fiel Lizzie auf, dass die Passanten Damon bewundernd betrachteten, und auch sie weckte Interesse. Ja, der weltgewandte Milliardär und die armselige Tellerwäscherin mussten ein seltsames Paar abgeben. Die Luxuslimousine war der augenfälligste Beweis dafür, dass Welten sie voneinander trennten.

Damon öffnete ihr die Beifahrertür. „Nach Hause?“

Damit er sah, wo sie wohnte? „Zurück zum Restaurant, bitte“, erwiderte Lizzie, wobei sie seinen Blick mied. „Ich muss noch einige Sachen abholen.“

Sie durfte es nicht riskieren, ihn mit zu sich zu nehmen. Das Wiedersehen war nett gewesen, doch es gab mehr im Leben als seinen Reichtum und seinen Erfolg. Was sie schützte, war viel kostbarer, und sie wollte das, was ihr am Herzen lag, nicht durch unbedachtes Verhalten aufs Spiel setzen.

Damon konnte ihr alles wegnehmen.

Und das würde sie nicht zulassen, egal, was es sie kostete.

Nachdem er eingestiegen war, startete er den Motor und fädelte sich wieder in den Verkehr ein. „Deine Mutter war Griechin, stimmt’s?“, erkundigte er sich beiläufig.

„Ja.“

„Anscheinend hast du deine braunen Augen von ihr, denn die Farbe ist ziemlich ungewöhnlich bei rotem Haar …“

„Wahrscheinlich.“ Darüber hatte sie sich noch nie Gedanken gemacht. Doch als sie damals ganz unten war, hatte sie Zuflucht in der Geborgenheit der griechischen Gemeinde in London gesucht.

„Ich finde, wir sollten uns wiedersehen.“

Erstaunt sah sie Damon an. „Sollten wir? Warum?“ Mit klopfendem Herzen wartete sie auf seine Antwort.

Er zuckte die Schultern. „Ich habe dir ein richtiges Essen versprochen.“

„Ich werde dich nicht darauf festnageln.“ Doch nun mussten sie sich wiedersehen, es war unvermeidlich.

„Wir verabreden uns nachher.“

Konnte sie es riskieren, einen ganzen Abend mit Damon zu verbringen? Konnte sie es riskieren, in seiner Gegenwart loszulassen, ohne ihm von den wichtigen Dingen zu erzählen, die sich in den vergangenen elf Jahren in ihrem Leben ereignet hatten? Konnte sie es riskieren, etwas für ihn zu empfinden, nur um ihn wieder zu verlieren – und diesmal für immer?

Ich bin noch nie vor einer Herausforderung zurückgeschreckt, sagte sich Lizzie, als Damon schließlich vor dem Restaurant hielt. Ob es die Geschirrberge waren, die sie bewältigen musste, wenn Stavros’ Geschirrspüler im größten Trubel den Geist aufgab, oder ob es um ein zweites Treffen mit dem Mann ging, der nicht wusste, dass er der Vater ihrer zehnjährigen Tochter war.

2. KAPITEL

Niemand – auch nicht der große, imposante Mann, der ihr gerade eben die Beifahrertür geöffnet hatte – würde je zwischen Lizzie und ihre Tochter kommen.

Thea hatte nie nach ihrem Vater gefragt und war auch nie darauf eingegangen, wenn Lizzie von ihm gesprochen hatte. Vermutlich war es das Beste so, weil sie Damon seit damals nicht hatte erreichen können.

Lizzie war nie darüber hinweggekommen, dass ihr eigener Vater sie abgelehnt hatte. Ihre Mutter war eine reiche Erbin gewesen, doch nachdem sie gestorben war und er das ganze Geld durchgebracht hatte, verlor ihr Vater das Interesse an seiner Tochter.

Damals war Lizzie zu jung gewesen, um es zu verstehen, aber sie erinnerte sich noch daran, dass ihre wundervolle Mutter oft traurig gewesen war und sich für ihre Tochter ein besseres, glücklicheres Leben gewünscht hatte. Vielleicht hatte sie deshalb jene leidenschaftliche Nacht mit Damon verbracht. Schließlich konnte man mit achtzehn Jahren Verlangen leicht mit Liebe verwechseln.

„Gute Nacht, Damon, und danke …“

„Nicht so schnell.“ Damon umfasste ihren Arm. „Wir haben noch kein Treffen vereinbart.“

„Ich habe viel zu tun.“ Da er sie forschend betrachtete, musste Lizzie sich schnell etwas einfallen lassen. „Komm doch irgendwann mal wieder ins Restaurant.“ Dann kann ich mir bis dahin in Ruhe überlegen, wie ich es Thea beibringe. „Normalerweise bin ich jeden Abend da, dann können wir etwas verabreden.“

„Na gut.“ Damon ließ sie los und wandte sich ab.

Sie blickte dem Wagen nach, bis er außer Sichtweite war. Dass sie ihre Schwangerschaft damals für sich behalten hatte, erschien ihr jetzt egoistisch. Ja, ihr hatte ein großer Umbruch bevorgestanden, und ja, sie hatte hart kämpfen müssen. Aber vielleicht hätte sie es anders oder besser machen können.

Doch sie hatte verhindern wollen, dass Damon Thea genauso verletzte, wie ihr Vater sie verletzt hatte. Warum hätte er sich ein Kind wünschen sollen?

Als die Jahre vergingen und ihr Gewissen sich meldete, hatte sie sich mit ihm in Verbindung zu setzen versucht, doch seine Mitarbeiter hatten sie abgewimmelt. Dann hatte Thea sich überraschenderweise als sehr musikalisch erwiesen – ein Talent, das sie vermutlich von ihrer Großmutter geerbt hatte. Lizzies Mutter hatte immer behauptet, sie hätte Musik im Blut. Also hatte sich Lizzie darauf konzentriert, das Talent ihrer Tochter zu fördern. Vor Kurzem hatte Thea ein Stipendium für ein angesehenes Musikinternat in London gewonnen.

Verdiente Damon es, all das zu erfahren?

„Oh, wieder da?“, rief Stavros enttäuscht. „Du siehst nicht besonders glücklich aus, Lizzie. Was ist los?“

„Nichts, es war schön“, beruhigte Lizzie ihn. „Und ich bin zurückgekommen, um dir beim Aufräumen zu helfen.“

„Das wäre nicht nötig gewesen. Du verdienst ein bisschen Glück.“ Er machte eine theatralische Geste.

Tat sie das? Sie hatte ein schlechtes Gewissen, weil sie Damon seine Tochter verschwiegen hatte und sie so ihr eigenes Leben führen konnte, ohne dass er sich einmischte. Sie musste sich eingestehen, dass sie sich jetzt bedroht fühlte. Sie würde ihm von Thea erzählen müssen, doch sie würde den Zeitpunkt selbst bestimmen.

Aber das bedeutete, dass sie ihn wiedersehen musste!

Angst überkam sie bei der Vorstellung. Zuerst gab es allerdings noch etwas Wichtigeres – sie musste Thea schonend darauf vorbereiten, dass ihr Vater zurückgekehrt war.

Lizzie Montgomery! Er konnte nicht fassen, dass er sie wiedergefunden hatte.

War das ein Zufall?

Damon öffnete die Tür zu seinem Penthouse, das sich in einem der bekanntesten Hochhäuser in London befand. Ob Zufall oder nicht, das Wiedersehen mit Lizzie, die ihm all die Jahre nicht aus dem Kopf gegangen war, hatte ihn aufgerüttelt. Er musste an jene Nacht denken. Es war nicht nur um Sex gegangen – obwohl der Sex unvergesslich gewesen war.

Nachdem Damon sich einen Scotch eingeschenkt hatte, ging er zum Fenster und blickte auf die Skyline von London. Die oberflächlichen Schönheiten, mit denen er normalerweise gesellschaftliche Ereignisse besuchte, langweilten ihn. Auch im Bett hielten sie einem Vergleich mit Lizzie nicht stand.

Er war ein harter, ehrgeiziger Einzelgänger, dessen Leben sich um seine Arbeit drehte. Also, warum hatte er nun das beliebteste griechische Restaurant in der Stadt aufgesucht? Weil unter den Griechen jeder jeden zu kennen schien? Hatte er Lizzie zu finden gehofft?

Ja, das hatte er. Und?

In jener Nacht hatte sie ihre Liebe zum Heimatland ihrer Mutter, zu seiner Kultur und seiner Küche erwähnt. Als sie eng umschlungen im Bett lagen, hatte Lizzie gesagt, sie würde eines Tages gern dorthin reisen.

Er musste sie wiedersehen, zumal er das Gefühl hatte, dass sie ihm etwas verschwieg. Er wollte wissen, warum sie als Küchenhilfe arbeitete, wo sie früher doch so große Träume gehabt hatte.

Er war erfolgreich, weil er so hart arbeitete, wie sein Vater es getan hatte – an der Seite von Frauen und Männern, die seine Freunde waren. Natürlich war er privilegiert. Sein Vater war ein guter Mensch, im Gegensatz zu Lizzies, was allerdings nicht erklärte, warum sie einen solchen Job ausübte.

Damon trank einen Schluck Scotch. Er würde Lizzie zum Essen einladen, denn das war er ihr schuldig. Und dann würde er mehr über sie erfahren.

Am nächsten Abend betrat Damon das Restaurant und bat den Ober, Miss Montgomery auszurichten, dass jemand an der Bar auf sie wartete. Während der Mann in die Küche ging, rief Damon sich jene Nacht ins Gedächtnis.

Noch nie hatte er mit einer Frau solche Gespräche geführt wie damals mit Lizzie. Sie hatte ihm vertraut, wie er sich schuldbewusst erinnerte. Er hatte nie damit gerechnet, das Glück zu finden, das seine Eltern vierzig Jahre lang erlebt hatten, doch in jener Nacht hatte er geglaubt, bei ihr zumindest Zerstreuung zu finden – bis er am nächsten Tag erfahren hatte, wer sie war.

Niemand hatte ihm je derart Paroli geboten wie sie, und dafür bewunderte er sie.

Ungeduldig blickte Damon in Richtung Küche und fragte sich, warum sie nicht erschien. Bei der Vorstellung, dass sie ganz in der Nähe war, verspannte er sich. Schließlich stand er auf und ging hin.

„Nein.“ Bei seinem Anblick hob Lizzie sofort die Hand. „Du kannst hier nicht einfach in diesem … Bikeraufzug hereinplatzen und verlangen, dass ich alles stehen und liegen lasse und mit dir komme.“

Er zuckte die Schultern. „Du könntest deinen Overall einfach anlassen.“

Nun verdrehte sie die Augen. „Danke für die charmante Einladung, aber nein.“

„Es ist der perfekte Abend für eine Spritztour mit dem Motorrad.“

„Dann tu dir keinen Zwang an.“

„Lizzie kann gern freinehmen“, verkündete Stavros, der plötzlich aus der Speisekammer kam. „Keiner arbeitet mehr als sie. Ich erzähle ihr ständig, dass sie öfter ausgehen, sich etwas zu anziehen kaufen und zum Friseur gehen soll …“

„An ihrem Äußeren ist nichts auszusetzen“, erklärte Damon, ohne den Blickkontakt mit Lizzie zu unterbrechen.

„Natürlich nicht“, lenkte Stavros ein. „Sie denkt nur immer zuerst an andere.“

„Genau wie du, mein alter Freund“, sagte Damon. „Wollen wir?“, wandte er sich dann an Lizzie, die ihn immer noch rebellisch anfunkelte.

Nie hatte sie schöner ausgesehen. Trotz der hässlichen Haube, der weiten Schürze und der klobigen Überschuhe war sie schön. Und Damon verspürte das dringende Bedürfnis, endlich zu klären, was damals ungeklärt geblieben war.

„Du stehst im Weg“, erklärte Lizzie herausfordernd.

„Dann komm mit“, konterte er lächelnd. „Ich warte draußen auf dich.“

„Träum weiter“, fuhr sie ihn an.

Ja, er hatte große Träume.

Ihre Augen verdunkelten sich, bevor er sich abwandte. Wenn sie wüsste, wie sehr er sich danach sehnte, sie zu lieben!

In den vergangenen elf Jahren hatte er unermüdlich gearbeitet, um den Schaden wiedergutzumachen, den Lizzies Vater dem Unternehmen seines Vaters zugefügt hatte, damit seine Eltern in den wohlverdienten Ruhestand gehen konnten.

Danach war er an die entlegensten Orte gereist, um sich selbst zu finden. Erst in der schier endlosen Wüste war es ihm geglückt, und er hatte einen Sinn gefunden, nämlich den, Menschen zu helfen, die nicht so viel Glück gehabt hatten wie er.

Warum hatte er das Bedürfnis danach verspürt? Um sich dafür zu bestrafen, dass er Lizzie nach der Verhandlung so behandelt hatte?

„Lass mich nicht warten“, bat er sie. Er wollte endlich alles über sie erfahren.

Damon wartete draußen auf einem schweren Motorrad mit laufendem Motor – der heißeste Mann auf Erden. Er reichte ihr einen Helm und half ihr beim Aufsetzen. Dabei streifte er ihren Hals, woraufhin Lizzie erschauerte.

„Nur eine Spritztour“, warnte sie ihn. „Und wie komme ich da rauf?“

Er lachte, bevor er das Visier seines Helms hinunterließ. „Du musst dich hinter mich setzen und die Arme um mich legen.“

Das hatte ihr gerade noch gefehlt.

„Rutsch näher“, sagte er, als sie auf Abstand zu bleiben versuchte. „Und halte dich fest.“

Dann gab er Gas und lenkte das Motorrad geschickt durch den Verkehr. Die intime Nähe brachte Lizzie ganz durcheinander. Das Vibrieren des Motorrads während der rasanten Fahrt zu spüren, beruhigte sie auch nicht gerade. Nach einer Weile erreichten sie – ausgerechnet – einen Jahrmarkt.

Nachdem sie abgestiegen war und den Helm abgenommen hatte, blickte sie auf seine ausgestreckte Hand. „Vielleicht ist das keine so gute Idee.“

„Doch, eine sehr gute sogar.“

In dem Moment wurde ihr bewusst, dass sein jungenhafter Charme genauso Teil seines Wesens war wie die harte Seite, mit der Damon dazu beigetragen hatte, dass man ihren Vater zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilte und er vorzeitig gestorben war.

Vielleicht war es seltsam, dass sie um ihren Vater trauerte, aber in ihren Augen war er eher ein schwacher als ein schlechter Mensch gewesen. Jedenfalls hatte er keine Chance gegen die gegnerische Seite gehabt.

„Lizzie?“

Lizzie kehrte abrupt in die Gegenwart zurück. Und was war mit der Zukunft? Damit wollte sie sich erst später auseinandersetzen. Und sie würde den Zeitpunkt und den Ort selbst bestimmen.

Damon kaufte Karten für das Riesenrad. Nachdem sie in die kleine Kabine gestiegen waren und die Tür sich geschlossen hatte, fühlte Lizzie sich mit ihren Erinnerungen und mit Damon gefangen. Zu allem Überfluss reagierte ihr Körper sofort auf seine Nähe und erinnerte sie viel zu lebhaft daran, wie sie sich nackt in seinen Armen gefühlt hatte.

„Du bist ganz blass geworden“, meinte Damon. „Hast du Höhenangst?“

„Besonders wohl fühle ich mich nicht.“ Wieder fragte sie sich, wie er reagieren würde, wenn er erfuhr, dass sie eine gemeinsame Tochter hatten.

„Du wirkst erschöpft.“

„Mein Job ist ziemlich anstrengend, und außerdem habe ich noch einen Zweitjob.“ Sie brauchte das Geld, um die laufenden Kosten decken zu können.

„Gönnst du dir irgendwann auch mal eine Auszeit?“

„Fast nie“, gestand sie. Und ihre knapp bemessene Freizeit verbrachte sie mit Thea.

„Und du lebst allein?“

Leider konnte sie seinen Fragen hier nicht entkommen. Wenn sie ihm antwortete, müsste sie ihm erzählen, dass sie meistens allein lebte – auch in den Schulferien –, denn Thea war mit dem Orchester oft auf Tournee. Wenn sie konnte, begleitete sie ihre Tochter und suchte sich für die Zeit immer Aushilfsjobs vor Ort.

Die nächste Reise sollte nach Griechenland gehen.

„Lizzie?“

Sie riss sich zusammen. „Ja. Ich lebe allein.“

„Es muss ein langer Weg für dich gewesen sein.“

Es fiel ihr schwer, sich zu konzentrieren, denn sie konnte jetzt nur noch an Theas bevorstehende Reise denken.

„Lizzie? Ich sagte, es muss ein langer Weg für dich gewesen sein.“

„Ich mag meine Arbeit“, erwiderte sie abwesend.

„Aber sie ist alles andere als abwechslungsreich“, stellte Damon fest. „Und sicher nicht besonders befriedigend …“

„Du meinst, abgesehen davon, dass ich meinen Lebensunterhalt verdiene und mir meinen Stolz bewahre?“

„Ich wollte dir nicht zu nahetreten. Ich bin nur neugierig.“

Sie war wütend. Wie konnte er es wagen, wieder in ihrem Leben aufzutauchen und über sie zu urteilen?

Wäre Thea glücklicher mit einem Vater, der ihr so viel mehr geben könnte als sie?

Nein, das wäre sie nicht, sagte Lizzie sich energisch. „Ich brauche dein Mitleid nicht.“

„Und ich werde dich auch nicht bemitleiden“, versicherte Damon.

3. KAPITEL

Schon bald stellte Damon die nächste Frage. „Und was ist aus deinem Traum geworden, in der Schweiz Kunst zu studieren?“, erkundigte er sich, als die Fahrt endete.

„Mit achtzehn hatte ich viele Träume.“

Leider hatten diese Träume nicht im Einklang mit den Plänen ihrer Stiefmutter gestanden. Sie hätte ihre Träume nur mit dem Geld verwirklichen können, das ihr Vater vor allem Damons Familie weggenommen hatte, darum hatte Lizzie sie schnell begraben.

„Ich muss mich bei dir entschuldigen“, sagte sie nun.

„Weil du dich deinem Vater gegenüber loyal gezeigt hast?“ Damon zuckte die Schultern. „Du bist mir nichts schuldig.“

Für einen Moment begegneten sich ihre Blicke, und erneut musste Lizzie daran denken, was sie ihm verschwieg. Allerdings wollte sie es ihm erst erzählen, wenn sie sich einigermaßen sicher sein konnte, wie er reagieren würde.

„Wir hatten über deine Träume gesprochen“, hakte Damon nach.

„Du hast es.“ Flüchtig flammte ihr alter trockener Humor wieder auf. „Das Leben besteht nur aus Kompromissen, findest du nicht? Wenn du dich nicht anpassen kannst, strampelst du dich ab.“

„Und du musst dich oft anpassen?“, fragte Damon. Als sie schwieg, fuhr er fort: „Ich kann mir nicht vorstellen, dass du dich abstrampelst. Schon damals hattest du …“

„Meinen eigenen Kopf? Damals waren für mich so viele Gefühle im Spiel.“

„Und jetzt zu wenig?“

Sein forschender Blick brachte sie durcheinander. Dass sie damals rebelliert hatte, konnte sie genauso wenig bereuen wie ihren Wunsch nach einer Liebesnacht – was vermutlich die treffendere Bezeichnung für die unvergesslichste Nacht ihres Lebens war. Wie konnte sie etwas bereuen, wenn Thea daraus hervorgegangen war?

„Ein Penny für deine Gedanken.“ Ein verführerisches Lächeln umspielte seine Lippen.

„Die willst du gar nicht wissen.“

„Wetten, dass?“

Sie sollte ihm ihre Sorgen anvertrauen? Ihm erzählen, wie schwer es ihr fiel, alles am Laufen zu halten? Dies war der Mann, der aus ihrem Leben verschwunden war, ohne noch einmal zurückzublicken. Den sie trotz wiederholter Versuche nie hatte erreichen können. Das durfte sie niemals vergessen. Sie konnte sich nicht wieder mit seiner Kälte auseinandersetzen, dazu war sie zu stolz. Und Thea sollte nie etwas Ähnliches durchmachen, dafür liebte sie sie viel zu sehr.

Außerdem wollte Damon es vielleicht gar nicht erfahren. Welcher angesehene Milliardär würde schon hören wollen, dass er ein Kind mit der Tochter eines verurteilten Verbrechers hatte? Würde er ihr überhaupt glauben, dass Thea seine Tochter war? Manchmal befürchtete sie, immer mit der Schande leben zu müssen, die ihr Vater über sie gebracht hatte. Dabei kam ihr der Gedanke, dass Damon ihr aus dem Grund womöglich die Fähigkeit absprechen würde, Thea zu erziehen.

Auf jeden Fall musste sie es zuerst Thea und dann ihm erzählen.

Sobald sie das Riesenrad verlassen hatten, kehrten sie in stillschweigendem Einvernehmen zum Motorrad zurück.

„Wo hast du gelebt, als du nach der Verhandlung von zu Hause weggegangen bist?“, fragte Damon, sobald der Lärm etwas nachließ.

„Die erste Nacht habe ich auf einer Parkbank verbracht“, gestand Lizzie. „Zumindest, bis es angefangen hat zu regnen.“

Grimmig verzog er das Gesicht. „Und danach?“

„Am nächsten Morgen habe ich mir einen Job gesucht“, erzählte sie. „Als Putzfrau. Darin hatte ich viel Erfahrung“, fügte sie ironisch hinzu. „Meine Stiefmutter war sehr pingelig, aber zu geizig, um eine Putzhilfe einzustellen, und sie hatte ja mich.“

Ihre Stiefmutter hatte darauf bestanden, dass sie die Böden auf Händen und Knien schrubbte. Und sie hatte alles noch einmal reinigen müssen, wenn ihre Stiefmutter gedankenlos in schmutzigen Schuhen durchs Haus gelaufen war.

„Im Vergleich zu der Arbeit zu Hause waren die Putzjobs, die ich gefunden habe, vergleichsweise locker“, erinnerte sie sich.

„Und wo lebst du jetzt?“

„Hast du Stavros nicht gefragt?“

Enttäuscht blickte Damon sie an. „Das ist nicht fair.“

„Du hast recht“, räumte sie ein, als sie vor dem Motorrad stehen blieben. „Stavros ist immer nett zu mir.“

„Und ich nicht?“

„Das bleibt abzuwarten. Also, falls es dich interessiert – ich habe ein kleines möbliertes Zimmer.“

„Es interessiert mich“, erklärte er, als er ihren Helm nahm.

„Ich kenne den Blick.“

Er runzelte die Stirn. „Welchen Blick?“

„Den Blick, der sagt: Sie ist wie eine Prinzessin aufgewachsen und tief gefallen. Ich weiß gar nicht, wie oft ich den im Laufe der Jahre gesehen habe. Aber ich war noch nie glücklicher als jetzt.“

Und das stimmt, dachte Lizzie, während sie sich langsam wieder beruhigte. Sie hatte eine Tochter, die sie liebte, und Jobs, mit denen sie ihren Lebensunterhalt finanzieren konnte. Und ja, es war manchmal hart, aber sie hatte noch nie Schulden gemacht.

„Und, ist das Verhör jetzt beendet?“, erkundigte sie sich herausfordernd, als Damon ihr den Helm reichte. „Vielleicht sollten wir zur Abwechslung mal über dich reden …“

„Nein“, entgegnete er heftig. „Ich lebe sehr zurückgezogen.“

„Dann solltest du vielleicht verstehen, wie ich mich fühle.“

Kühl betrachtete er sie. „Willst du nicht aufsteigen?“

„Soll ich zuerst salutieren?“

Sein Blick hätte manch einen eingeschüchtert, bestärkte sie allerdings nur in ihrem Entschluss, sich gegen ihn zu behaupten.

Das war wirklich eine aufschlussreiche Begegnung, überlegte Lizzie auf dem Rückweg. Keiner von ihnen gab nach. Sie hatte eine Tochter, die sie beschützen musste, während Damon ungeachtet seines routinierten Charmes mit Abstand der härteste Mann war, den sie kannte.

Schließlich hielt er vor dem Restaurant. „Noch ein Drink?“, schlug er vor, als sie den Helm abnahm.

„Nein, aber danke – es war ein interessanter Abend.“

„Ein Drink“, beharrte er, während er abstieg.

Trotz ihrer Vorbehalte musste sie zugeben, dass es eine nette Abwechslung war, ausnahmsweise einmal an der dezent beleuchteten Bar zu sitzen. Stavros hatte einen Blick aus der Küche geworfen und sich dann lächelnd wieder zurückgezogen. Obwohl der Barmann sagte, alle Getränke würden aufs Haus gehen, zahlte Damon.

Seine Bierflasche in der Hand, blickte er sie an. „Also, erzähl mir mehr von deiner Stiefmutter, Aschenputtel.“

„Lass das“, warnte Lizzie ihn. „Ich bin nicht arm.“

„Sie scheint also ein faszinierender Charakter zu sein.“

„Ein schillernder“, bemerkte Lizzie trocken.

Eins hatte sie ihrer Stiefmutter zu verdanken – nämlich, dass sie schnell gelernt hatte, sich mit der Realität auseinanderzusetzen. Bevor die neue Frau ihres Vaters aufgetaucht war, hätte Lizzie als Erste zugegeben, dass sie verwöhnt war. Vielleicht hätte sie auch als junge Erwachsene kein Verantwortungsbewusstsein gelernt, wenn ihre Stiefmutter sie nicht hinausgeworfen hätte, ihr Vertrauen in ihren Vater nicht zerstört worden wäre, ihre Träume nicht wie Seifenblasen geplatzt wären, und sie nicht herausgefunden hätte, dass sie schwanger war – und das alles innerhalb eines Monats. Jetzt drehte sich ihr Leben jedenfalls nur noch um Thea.

„Ich möchte nicht über mich reden. Du bist dran“, erklärte sie.

„Vielleicht sollte ich fahren“, konterte Damon.

„Tu dir keinen Zwang an.“ Lizzie trank ihr Wasser durch den Strohhalm und blickte ins Glas, denn sie wollte nicht mehr über jene Zeit reden, als ihre Zukunft ihr noch verheißungsvoll erschienen war.

Als sie jung war, hatte ihr Vater offenbar Geld im Überfluss gehabt. Nichts würde ihn glücklicher machen, als seine geliebte Tochter zu verwöhnen, sagte er oft. Er hatte vor ihrer Stiefmutter angegeben, wie Lizzie nun klar war, in der Hoffnung, wieder einen großen Fisch wie ihre Mutter an Land zu ziehen. Die Ironie des Schicksals war, dass seine zweite Frau genauso opportunistisch gewesen war wie er.

In dem Glauben, ihr Vater wäre einsam, hatte Lizzie sie zuerst willkommen geheißen. Nichts hatte sie sich mehr gewünscht, als ihren Vater wieder glücklich zu erleben. Allerdings war sie schon bald eines Besseren belehrt worden.

„In jener Nacht hast du mir erzählt, dass du gern malst“, erinnerte Damon sie. „Noch ein geplatzter Traum?“

„Ich habe jetzt keine Zeit zu träumen.“

„Das klingt langweilig.“ Er stand auf. „Ich bringe dich nach Hause.“

„Nicht nötig“, wehrte Lizzie schnell ab. „Wenn es spät wird, bestellt Stavros uns immer ein Taxi.“

„Dann ein andermal.“

Vielleicht auch nicht. Sie wusste nicht, ob sie eine derartige Anspannung noch einmal ertragen würde. Jemanden zu begehren, der unerreichbar war, war eine Folter, auf die sie gut verzichten konnte.

„Bestimmt macht es dir Spaß, das Familienunternehmen zu leiten“, machte sie höflich Konversation, als sie ihn zum Ausgang begleitete. „Die Presse bezeichnet dich als Milliardär …“

„Ich hoffe, ich bin mehr als das.“

Lizzie hätte sich die Zunge abbeißen mögen, denn seinem Blick zufolge fragte er sich, ob sie nach ihrem Vater kam. Natürlich hatte er viel mehr zu bieten als Geld und überwältigenden Sex-Appeal, doch sie war so durcheinander, dass ihr das Reden schwerfiel.

In der Presse bezeichnete man ihn oft als Mann mit Sinn für Kunst und Kultur, mit dem man sich aber besser nicht anlegte.

Plötzlich klingelte sein Telefon, und er hob zwei Finger, während sie vor die Tür gingen.

„Das war geschäftlich“, erklärte er, nachdem er das Gespräch beendet hatte. „Ich schätze, ich werde dich irgendwann wiedersehen.“

Obwohl sie ihn gar nicht hatte sehen wollen, durchfuhr es Lizzie heiß, als Damon einfach auf sein Motorrad stieg und wegfuhr. Sie musste ihn wiedersehen. Wie gebannt blickte sie ihm nach, als er im Dunkel der Nacht verschwand. Denn das hier war Damon … Der Mann, den sie nie vergessen würde.

4. KAPITEL

Was verschweigst du mir, Lizzie?

Als er sein Penthouse betrat, um seine Reisetasche zu holen, grübelte Damon immer noch darüber nach. Lizzie Montgomery wiederzusehen war schockierend genug gewesen. Herauszufinden, dass er ihr immer noch ansehen konnte, was sie dachte, genauso wie damals, beunruhigte ihn umso mehr. Er wusste, dass sie ihm etwas verschwieg.

In wenigen Wochen feierte sein Vater seinen siebzigsten Geburtstag, und seine Assistentin hatte ihn telefonisch informiert, dass er noch einige Arrangements absegnen musste. So hatten sie ein bekanntes Jugendorchester aus London für einen Auftritt engagiert.

Während seines Auslandsaufenthalts waren zu viele Probleme aufgetreten. Damon reichte seinem Chauffeur die Reisetasche. Er musste jetzt nach Griechenland zurückkehren, um sich wieder um das Unternehmen zu kümmern, aber er würde Lizzie gern wiedersehen.

Sie würde dann eben zu ihm auf die griechische Insel fliegen müssen, beschloss er. Das war kein Problem: Er würde alles mit Stavros besprechen, und seine Assistentin sollte es organisieren.

Wie immer kam Lizzie kaum zu Wort. Wie jeden Tag saß sie mit Thea beim Brunch in einem Café gegenüber des Musikinstituts, und heute war ihre Tochter besonders aufgeregt.

„Das Gebäude neben dem Konservatorium, in dem früher die Versicherung war, gehört jetzt Gavros“, berichtete sie begeistert. „Du musst es dir unbedingt ansehen. Sie haben alles modernisiert, und es ist richtig luxuriös.“

Lizzie signalisierte dem Kellner, dass sie zahlen wollte. „Warst du drinnen?“ Ihr Herz hämmerte, während sie auf Theas Antwort wartete.

„Na klar!“ Thea leckte sich etwas Milch vom Finger. „Wir mussten dem Mann vorspielen …“

„Was für einem Mann?“, brachte Lizzie hervor. „War er groß und dunkelhaarig?“

„Nein. Klein, dick und glatzköpfig“, erwiderte Thea zu ihrer Erleichterung. „Er meinte, er arbeitet für die Familie Gavros. Wir treten auf einer Geburtstagsfeier in Griechenland auf, auf einer Insel, die der Familie gehört.“

Lizzie atmete scharf ein, woraufhin ihre Tochter sie fragend ansah. „Dann brauchst du ein paar neue Sachen“, sagte sie schnell. „Einen Sonnenhut, einen Badeanzug und vielleicht ein paar Sommerkleider … Was ist?“ Sie lachte, als Thea stöhnte.

„Sommerkleider sind was für alte Damen. Außerdem brauchst du eher neue Sachen als ich.“ Dann krauste Thea die Stirn. „Du kommst doch mit nach Griechenland, um uns spielen zu sehen, oder?“

„Natürlich“, bestätigte Lizzie, während ihr Magen sich zusammenkrampfte. „Bis jetzt habe ich ja noch kein Konzert verpasst.“

Sie musste ihre Vorbehalte wegen der Familie Gavros verdrängen. Sie würde jeden Job annehmen, um die Reise finanzieren zu können.

„Weißt du, wer feiert?“, erkundigte sie sich beiläufig, als sie zum Tresen gingen, um zu bezahlen.

„Irgendein alter Herr, glaube ich“, antwortete Thea ohne allzu großes Interesse.

Lizzie atmete tief durch, bevor sie das Thema anschnitt. „Du weißt ja, wir reden nie über deinen Vater …“

„Weil es unnötig ist“, unterbrach Thea sie. „Und ich will es auch nicht. Wozu brauche ich einen Vater, wenn ich dich habe?“

„Es wäre doch ganz schön, zu …“

„Ha!“, rief Thea verächtlich. „Wir wissen ja nicht mal, wo er ist.“

„Und wenn ich es wüsste?“

„Tust du aber nicht“, beharrte ihre Tochter. „Wir sind doch glücklich, oder? Warum solltest du daran etwas ändern wollen?“

„Aber was wäre, wenn sich die Dinge tatsächlich ändern würden?“, hakte Lizzie behutsam nach.

„Dann würde ich alles wieder rückgängig machen.“

Thea klang genauso selbstsicher, wie Lizzie es in ihrem Alter gewesen war. Und nun musste sie leider wieder zur Arbeit und Thea zur Schule.

„Wir reden später weiter“, versprach sie.

„In Griechenland.“

„In Griechenland“, bestätigte Lizzie, während sie ihren Regenschirm aufspannte.

Die Geburtstagsfeier für seinen Vater zu organisieren stellte eine willkommene Abwechslung zu seiner täglichen Routine dar. Es machte Damon viel mehr Spaß, als er gedacht hätte. Das Engagement der freiwilligen Helfer war herzerfrischend, denn alle wollten den Mann ehren, der so viel für sie getan hatte.

Sein Vater wurde von allen geliebt. Er hatte der Insel den Aufschwung verschafft, und nun, da er in den Ruhestand getreten war und ihm die Verantwortung übergeben hatte, wollte Damon den Menschen etwas zurückgeben, die seinem Vater gegenüber loyal geblieben waren.

Ich werde noch mehr Feiern dieser Art veranstalten, entschied er. Sich unter nette Leute zu mischen hatte ihm wieder vor Augen geführt, dass nicht alle auf Geld aus waren.

Wie er während seines kometenhaften Aufstiegs erfahren hatte, lockte Reichtum unweigerlich Aasgeier an. Und das erinnerte ihn wiederum daran, was für ein Potenzial er damals in Lizzie gesehen hatte. Er freute sich darauf, seine Pläne in die Tat umzusetzen. Und Stavros unterstützte ihn dabei.

Das Konzert könnte an keinem schöneren Ort stattfinden, überlegte er, als er über den weichen Sandstrand ging. Auf dem Sportplatz hinter der Schule, in der das Jugendorchester übernachtete, hatte man eine Open-Air-Bühne errichtet. Das Orchester war bereits eingetroffen und probte, und genau wie alle anderen in Hörweite war er fasziniert von den wunderschönen Klängen.

Ein besonders temperamentvolles Mädchen mit unbändigen schwarzen Locken und schalkhaft funkelnden Augen hatte gerade ein außergewöhnliches Geigensolo gespielt. Sie war das Wunderkind, von dem alle sprachen, und trotzdem wirkte sie ganz natürlich. Sie liebte einfach nur ihre Musik, wie sie ihm erzählt hatte.

Damon lächelte, als er sich ihre Worte ins Gedächtnis rief.

„Thea ist ein griechischer Name. Ich bin ein bisschen griechisch.“

Er hatte gelacht. „Ich bin auch ein bisschen griechisch.“

„Nein. Sie sind ein richtiger Grieche.“ Forschend hatte sie ihn betrachtet. „Das sehe ich an Ihrer Augenfarbe.“

„Ist das so schlimm?“

„Nein. Das ist sogar sehr gut“, hatte sie versichert. „Meine Mutter ist Halbgriechin, weil meine Großmutter Griechin war. Ich bin ein bisschen Griechin, weil ich es sein möchte. Sie müssen meine Mutter mal kennenlernen.“ Aus zusammengekniffenen Augen, weil die Sonne sie blendete, hatte Thea ihn betrachtet.

„Ach ja?“ Und wieder versucht mich jemand zu verkuppeln, hatte er gedacht und innerlich gestöhnt.

Aber sie ist anders, fand er, als er an Theas übertrieben dramatische Miene zurückdachte, als sie sagte: „Meine Mutter ist jung und sehr schön und ganz einsam.“

„Das ist tragisch“, war er auf ihren Tonfall eingegangen. „Aber wenn sie dir ähnelt, wird sie sicher nicht lange allein bleiben.“

Ich muss mich so diplomatisch wie möglich aus der Affäre ziehen, hatte er überlegt. Thea mochte das Talent haben, andere Leute miteinander zu verkuppeln, aber er war nicht interessiert.

Stavros hatte sie gerettet. Sein Cousin besaß ein Strandrestaurant auf der Insel, die der Familie Gavros gehörte, und dieser Cousin suchte dringend Mitarbeiter …

War das schon wieder ein Zufall? Oder nicht? Aber ich darf nicht wählerisch sein, hatte Lizzie sich gesagt, als Stavros mit verträumter Miene seine Heimatinsel beschrieb.

„Ich schätze, du hast noch nicht wieder von Damon gehört?“, hatte er hinzugefügt.

„Nein.“ Sie hatte ihm nicht verschweigen wollen, dass er in seiner Rolle als Amor gescheitert war. „Und ich rechne auch nicht damit, dass er sich meldet.“

Und nun stand sie hier vor dem Restaurant von Stavros’ Cousin Iannis, in dem offenbar gerade eine Party stattfand.

Lizzie fühlte sich optimistisch, denn Thea hatte sie telefonisch informiert, dass sie sich gut eingelebt hätte und alles prima laufen würde und sie sogar schon neue Freunde auf der Insel gefunden hätte.

Man kann sich dem Zauber der Insel auch kaum entziehen, dachte Lizzie, während sie in den Sternenhimmel blickte. Selbst so spät am Abend war es noch warm. Aus dem Restaurant, in dem Kerzen brannten, drangen die Klänge von traditioneller Musik und der köstliche Duft von Essen.

Iannis hatte sie von dem kleinen Flughafen abgeholt und führte sie nun hinein und direkt in die Küche.

„Wir bereiten uns auf die große Geburtstagsfeier nächste Woche vor“, erklärte er über das Klappern des Geschirrs und vereinzelte Rufe hinweg.

Er sah Stavros sehr ähnlich und veranstaltete offenbar genauso gern Feiern wie sein Cousin. Beide waren die Herzlichkeit in Person. Stavros hatte darauf bestanden, ihr Flugticket zu bezahlen, und nun hieß Iannis sie hier so herzlich willkommen.

„Heute Abend wird nicht gearbeitet!“, verkündete er, als sie den Blick über die Schürzen schweifen ließ, die im Raum vor der Küche hingen. „Da Sie gerade erst gekommen sind, sind Sie heute Abend mein Gast. Ihr Apartment befindet sich im ersten Stock und ist über die Treppe neben dem Eingang zu erreichen.“ Er deutete in die Richtung. „Und Ihr Gepäck wird gerade nach oben gebracht.“

„Sie sind so nett zu mir.“

„Nein. Sie sind nett“, wandte er ein. „Stavros hat mir viel von Ihnen erzählt und mir eingeschärft, dass Sie nicht so viel arbeiten sollen. Keine Einwände“, fügte er warnend hinzu. „Sie sollen hier Urlaub machen.“ Dann öffnete er die Tür und schob sie in die Küche, um sie seinen Mitarbeitern vorzustellen.

Auf der Schwelle blieb sie unvermittelt stehen. „Damon?“

Was machte er hier?

Lässig an die Wand gelehnt und geradezu sündhaft attraktiv, zog Damon die Brauen hoch und lächelte, als sie die Küche betrat.

„Verfolgst du mich etwa?“, fragte sie halb im Scherz.

„Wohl eher umgekehrt, oder?“, konterte er.

Sofort verspannte Lizzie sich, denn sie musste an Thea denken, die sich ganz in der Nähe befand.

„Lizzie?“, wiederholte er die offenbar ernst gemeinte Frage.

„Damon“, erwiderte sie nur kühl, hob das Kinn und begegnete scheinbar ruhig seinem Blick. Hitzewellen durchfluteten sie. Er sah so fantastisch aus, und sie brauchte Zeit zum Nachdenken. Eigentlich hätte sie sich denken können, dass er auf der Insel war, doch sie hatte es schlichtweg verdrängt.

„Ich hatte nicht damit gerechnet, dich hier zu sehen“, gestand sie.

Seine Augen funkelten amüsiert, als er den Blick über ihr Top und ihre Jeans gleiten ließ. Da Iannis das Ganze interessiert verfolgte, sagte sie lieber nichts. Sie wollte Stavros und ihn nicht enttäuschen, doch die beiden wussten ja nicht, was zwischen Damon und ihr vorgefallen war. Und wenn es nach ihr ginge, würden sie es auch nicht erfahren.

„Damon hat den ganzen Tag gearbeitet, um mit meinen Mitarbeitern eine schöne Feier zu planen“, erklärte Iannis. „Wir richten das große Geburtstagsfest nächste Woche aus.“

Mehr brauchte sie nicht zu wissen. Warum sonst hätte Damon hier sein sollen, wenn es nicht um die Geburtstagsfeier seines Vaters ging?

„Er will, dass wir nun alle einen schönen Abend verleben“, erklärte Iannis stolz.

Schnell riss Lizzie sich zusammen. „Das ist sehr nett von ihm.“

„Sie müssen nachher auch kommen“, beharrte Iannis. „Das ist doch in Ordnung, oder, Damon?“

„Auf jeden Fall“, bestätigte er, bevor er Lizzie einen Blick zuwarf, der ihr den Atem nahm.

„Essen – Trinken – Tanzen – sich lieben!“, rief Iannis fröhlich. „Etwas anderes ist heute Abend nicht erlaubt.“

Solange es kein Zwang ist, dachte Lizzie.

„Ach, und oben auf dem Bett liegen Geschenke für Sie“, fügte Iannis hinzu.

„Geschenke für mich?“ Sie sah Damon an.

„Ich habe nichts damit zu tun. Wir sehen uns, wenn du dich frisch gemacht hast“, rief er ihr nach, als sie die Küche verließ.

An der Tür drehte sie sich noch einmal um. „Ich weiß nicht, ob ich noch mal nach unten komme.“

„Natürlich wirst du das.“

Damon sagte das auf eine Art und Weise, die sie die Treppe fast in Panik hinaufeilen ließ. In ihrem Zimmer lehnte sie sich an die Tür, schloss die Augen und atmete tief durch. Damon brauchte sie nur anzusehen, um heißes Verlangen in ihr zu wecken, und das war gefährlich. Aber ich bin heute eine Frau, kein Mädchen mehr, viel vernünftiger, wie sich Lizzie energisch sagte, bevor sie das Licht einschaltete und sich umblickte.

Als Erstes bemerkte sie die Geschenke auf dem Bett. Sie wusste sofort, von wem sie kamen. Erfreut hob sie die Kleider hoch. Dann nahm sie ihr Telefon aus der Handtasche.

„Die Kleider sind wunderschön“, sagte sie zu Thea. „Aber du sollst dein Geld nicht für mich ausgeben.“

„Ich habe sie am ersten Tag auf dem Markt gefunden. Als ich sie gesehen habe, musste ich sie einfach für dich kaufen. In das gelbe Kleid habe ich mich sofort verliebt, und das blaue ist auch so schön.“

„Sie gefallen mir beide sehr“, gestand Lizzie.

„Passen sie dir denn?“, fragte Thea.

„Sie sind perfekt.“ Vor Rührung kämpfte Lizzie mit den Tränen.

„Du musst eins davon auf dem Konzert tragen.“

„Das mache ich“, versprach Lizzie. „Wir sehen uns morgen. Ich kann es nicht erwarten, dich spielen zu sehen.“

„Geige spielen ist nicht alles“, verkündete Thea dann zu ihrer Überraschung.

„Was meinst du damit?“

„Nichts. Liebe ist wichtiger als alles andere“, fuhr Thea im selben Tonfall fort. „Im Moment ist mir nur die Liebe wichtig. Ich befinde mich in einer romantischen Phase.“

„Aha“, sagte Lizzie matt und fragte sich, was genau ihre Tochter damit meinte. Ob sie sich Sorgen machen musste …

Ich muss damit aufhören, sagte sie sich dann. Seit der Verurteilung ihres Vaters wurde sie ständig aus irgendwelchen Gründen von Schuldgefühlen geplagt.

„Ich muss jetzt Schluss machen“, meinte Thea und riss sie aus ihren Gedanken. „Ich schicke dir eine Nachricht.“

„Bis morgen, Schatz …“

Lächelnd betrachtete Lizzie kurz darauf die Nachricht mit den vielen Kuss-Smileys. Sie konnte froh sein, dass sie Thea hatte, und sie würde dieses Glück nie als selbstverständlich betrachten.

Das Glück, das Damon eigentlich teilen sollte?

5. KAPITEL

Die Glücksgefühle hielten nicht lange an. Schon wieder verspürte Lizzie starke Schuldgefühle, denn sie hasste Lügen. Aber sie musste es erst Thea erzählen, sie schonend darauf vorbereiten, und das konnte sie nicht am Telefon.

Wie immer, wenn sie durcheinander war, hielt sie sich an den praktischen Dingen fest und erkundete ihr kleines Apartment, das im Vergleich zu ihrem möblierten Zimmer in London richtig luxuriös war. Die Wände waren weiß getüncht, und der polierte Holzboden verbreitete eine gemütliche Atmosphäre. An einem Ende befand sich eine kleine Küche mit einem vollen Kühlschrank sowie einem Balkon, auf dem sie mit Blick aufs Meer frühstücken konnte. Das große Bett wirkte sehr bequem, und die blaue Decke passte farblich zu dem Läufer auf dem Boden … die griechischen Landesfarben.

Zwischen einigen Zeitschriften entdeckte sie einen Busfahrplan. Den würde sie brauchen, wenn sie am nächsten Tag zur Schule fahren wollte, um Thea spielen zu hören …