Julia Weekend Band 117 - Jennie Lucas - E-Book

Julia Weekend Band 117 E-Book

Jennie Lucas

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Beschreibung

IM ZAUBER DIESER NACHT von Jennie Lucas

Lilley fühlt sich wie im Märchen, als ihr sexy Boss Prinz Alessandro Caetani sie spontan zu einem glamourösen Ball einlädt. Mit einer aufreizenden roten Robe und High Heels verwandelt sie sich in eine wahre Prinzessin. Doch Schlag zwölf scheint der Zauber plötzlich vorbei …

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Seitenzahl: 563

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Jennie Lucas, Sharon Kendrick, Kate Hardy

JULIA WEEKEND BAND 117

IMPRESSUM

JULIA WEEKEND erscheint in der Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland GmbH, Hamburg

Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0 Fax: +49(0) 711/72 52-399 E-Mail: [email protected]
Geschäftsführung:Katja Berger, Jürgen WelteLeitung:Miran Bilic (v. i. S. d. P.)Produktion:Christina SeegerGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

Neuauflage 2024 in der Reihe JULIA WEEKEND, Band 117

© 2012 by Jennie Lucas Originaltitel: „A Night of Living Dangerously“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Petra Pfänder Deutsche Erstausgabe 2013 by Harlequin Enterprises GmbH, Hamburg,in der Reihe JULIA, Band 2062

© 2012 by HARLEQUIN ENTERPRISES ULC Originaltitel: „The Sheikh’s Heir“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London Übersetzung: Gudrun Bothe Deutsche Erstausgabe 2013 by Harlequin Enterprises GmbH, Hamburg,in der Reihe JULIA, Band 2082

© 2012 by Pamela Brooks Originaltitel: „Once a Playboy …“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Claudia Weinmann Deutsche Erstausgabe 2014 by Harlequin Enterprises GmbH, Hamburg,in der Reihe JULIA EXTRA, Band 376

Abbildungen: Harlequin Books S. A., alle Rechte vorbehalten

Veröffentlicht im ePub Format in 03/2024 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783751527682

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, BIANCA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY

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Im Zauber dieser Nacht

1. KAPITEL

„Ist hier jemand?“ Die barsche Stimme des Mannes hallte durch den dunklen Flur.

Lilley Smith schlug eine Hand vor den Mund, um ihr Schluchzen zu ersticken, und zog sich tiefer in den Schatten zurück. Es war Samstagabend, und sie hatte geglaubt, abgesehen von den Wachmännern im Foyer, ganz allein in dem zwanzigstöckigen Hochhaus zu sein. Bis vor fünf Sekunden, als sie das Geräusch des ankommenden Fahrstuhls gehört hatte. Mit ihrem Aktenwagen im Schlepptau war sie in das nächste Büro geflüchtet.

Leise schloss Lilley mit dem Fuß die Tür und wischte über ihre tränennassen Augen. Sie versuchte, lautlos zu atmen. Wann verschwand der Mann endlich wieder, damit sie in Ruhe weinen konnte?

Ihr Tag war so entsetzlich gewesen, dass es fast schon wieder komisch war. Nachdem sie am Morgen von einem missglückten ersten Joggingversuch nach Hause gekommen war, hatte sie ihren Freund in flagranti mit ihrer Mitbewohnerin im Bett erwischt. Gleichzeitig war ihr Traum von einem eigenen Geschäft geplatzt. Und als sie schließlich auf der Suche nach Trost zu Hause angerufen hatte, war sie von ihrem Vater enterbt worden. Ein beeindruckender Tag, selbst für ihre Verhältnisse.

Normalerweise hätte Lilley sich geärgert, weil sie schon wieder am Wochenende arbeiten musste. Aber darauf kam es heute auch nicht mehr an. Sie arbeitete jetzt seit zwei Monaten als Archivarin bei Caetani Worldwide, aber sie brauchte immer noch doppelt so lange für die Arbeit wie ihre Kollegin Nadia.

Nadia. Kollegin, Mitbewohnerin und – seit heute Morgen – ehemalige beste Freundin. Lilley schloss die Augen, als sie sich an Nadias entsetzten Gesichtsausdruck erinnerte, mit dem sie aus dem Bett gesprungen war. Sie hatte einen Bademantel übergeworfen, geweint und Lilley um Verzeihung angefleht, während Jeremy gleichzeitig versuchte, Lilley die ganze Schuld an dem Betrug in die Schuhe zu schieben.

Lilley war aus der Wohnung geflohen und hatte den nächsten Bus in die Innenstadt genommen. Sie fühlte sich traurig und verloren und sehnte sich nach Trost. Zum ersten Mal seit drei Jahren hatte sie ihren Vater angerufen, aber auch das war nicht gerade gut ausgegangen.

Zum Glück besaß sie noch ihre Arbeit! Der Job war alles, was ihr geblieben war. Aber wann verschwand der Mann da draußen auf dem Flur endlich wieder?

Auf keinen Fall durfte er – oder irgendjemand – sehen, wie sie sich im Schneckentempo abmühte, die Akten zu sortieren, während die Buchstaben vor ihren Augen tanzten.

Wer war dieser Mann, und warum trank er nicht Champagner und tanzte auf dem Wohltätigkeitsball wie alle anderen?

Lilley schauderte. Nie zuvor war sie in diesem Büro gewesen. Zwischen dem dunklen, nüchternen und offensichtlich teuren Mobiliar fühlte sie sich wie in einer kalten Höhle. Ein wunderschöner türkischer Teppich bedeckte den Boden, und bodenhohe Fenster boten einen atemberaubenden Blick über San Francisco im Zwielicht bis hinunter zur Bucht des Pazifik. Lilley legte den Kopf in den Nacken und bewunderte die Deckenmalereien. Dies war ein Büro für einen König. Für einen …

Für einen Prinzen.

Lilley schnappte nach Luft, als sie begriff, wem dieses Büro gehörte. Sie erstarrte vor Entsetzen, und ihr entschlüpfte ein panisches Krächzen.

Mit einem Knarren öffnete sich die Tür. Instinktiv huschte Lilley blitzschnell durch die Schatten in den nächsten Schrank.

„Wer ist hier?“ Die dunkle Stimme des Mannes war rau und leise.

Lilleys Herz raste, als sie durch den Türspalt spähte. Im dämmrigen Licht sah sie nur die eindrucksvolle Silhouette des Fremden. Sein großer, breitschultriger Körper versperrte ihren einzigen Fluchtweg.

Entsetzt schlug sie beide Hände vor den Mund, als ihr einfiel, dass der Aktenwagen immer noch hinter dem schwarzen Ledersofa stand. Der Mann musste nur das Licht einschalten, und er würde ihn sofort sehen.

Schluchzend im Flur entdeckt zu werden, wäre beschämend gewesen. Im Büro des Firmenchefs geschnappt zu werden, wäre eine Katastrophe, die ihre Karriere ruinieren würde.

„Kommen Sie raus!“ Sie hörte die schweren Schritte des Mannes. „Ich weiß, dass Sie hier sind.“

Ihr Herz setzte einen Schlag aus. Diese akzentuierte Sprechweise war unverwechselbar. Nicht der Hausmeister stand kurz davor, sie zu schnappen. Es war der Firmenchef höchstpersönlich!

Prinz Alessandro Caetani war ein Self-Made-Milliardär, Chef eines Großkonzerns, der in jedem Winkel der Erde vertreten war. Außerdem war der dunkle, gut aussehende Prinz ein skrupelloser Playboy. Von der jüngsten Sekretärin bis hin zur über fünfzigjährigen Vizepräsidentin waren alle Frauen hier in seinem Hauptfirmensitz in San Francisco bis über beide Ohren in ihn verliebt.

Und jetzt war er im Begriff, Lilley allein in seinem Büro zu schnappen.

Sie versuchte, nicht mehr zu atmen, und drückte sich tiefer in seinen Kleiderschrank. An ihrem Körper spürte sie seine Jacketts. Die Anzüge rochen nach Sandelholz, Moschus und Macht. Sie schloss die Augen und betete, dass der Prinz sich einfach wieder umdrehte und ging. Konnte ihre Fähigkeit, für Männer unsichtbar zu sein, nicht wenigstens einmal im Leben zu etwas Nutze sein?

Die Schranktür wurde aufgerissen. Eine große Hand schob die Jacketts zur Seite und packte grob ihr Handgelenk. Lilley schrie auf, als sie aus dem Schrank gezogen wurde.

„Da habe ich Sie!“, knurrte er. Er schaltete eine Lampe an, und goldenes Licht erfüllte das höhlenartige Büro. „Sie kleiner …“

In diesem Moment sah er sie. Seine dunklen Augen weiteten sich erstaunt. Lilley schnappte nach Luft, als sie zum ersten Mal ihrem Chef ins Gesicht blickte.

Von dem muskulösen Körper unter dem schwarzen Smoking bis hin zu den dunklen Augen war Prinz Alessandro Caetani der attraktivste Mann, den sie jemals gesehen hatte. Seine aristokratische römische Nase bildete einen aufregenden Gegensatz zu dem markanten Schwung seines Kiefers. Er wirkte halb wie ein Prinz, halb wie ein Eroberer – was auch der Wahrheit entsprach, wenn man den Gerüchten glauben durfte.

„Sie kenne ich doch!“ Prinz Alessandro runzelte offensichtlich verwirrt die Stirn. „Was tun Sie hier, kleine Maus?“

Lilleys Handgelenk brannte unter seinen Fingern. Ihr war, als würde seine Berührung heiße Flammen durch ihren ganzen Körper senden. „Wie … wie haben Sie mich genannt?“

Abrupt ließ er sie los. „Wie heißen Sie?“

Sie brauchte eine Minute, um sich zu erinnern. „L… Lilley“, brachte sie heraus. „Aus dem Archiv.“

Seine Augen wurden schmal. Langsam ging er um sie herum und betrachtete sie von oben bis unten. Unter seinem Blick schoss das Blut in ihre Wangen. Ihr war genau bewusst, wie schäbig und ungepflegt sie in ihrem Sweatshirt und der grauen ausgebeulten Trainingshose wirken musste, ganz im Gegensatz zu seiner perfekten Erscheinung im eleganten, makellosen Smoking.

„Und was tun Sie hier, Lilley aus dem Archiv? Allein in meinem Büro an einem Samstagabend?“

Sie fuhr sich mit der Zunge über ihre trockenen Lippen und versuchte, ihre zitternden Knie unter Kontrolle zu bringen. „Ich war … war …“ Was in aller Welt hatte sie getan? Wo war sie überhaupt? Wer war sie? „Ich wollte gerade … äh …“ Ihr Blick fiel auf den Aktenwagen. „Arbeiten?“

Er hob die dunklen Brauen. „Warum sind Sie nicht auf dem Preziosi-Ball?“

„Mein … mein Date ist mir abhandengekommen“, flüsterte sie.

„Witzig.“ Sein sinnlicher Mund verzog sich zu einem humorlosen Lächeln. „Das scheint wohl gerade umzugehen.“

Seine aufregende Stimme legte sich wie ein Zauberbann über sie. Sie konnte sich nicht bewegen, den Blick nicht von seiner kraftvollen männlichen Schönheit abwenden.

Seit Jeremy ihr den Job im Archiv verschafft hatte, hatte sie ihr Möglichstes getan, damit ihr Milliardärs-Chef sie nicht bemerkte. Doch jetzt, unter seinem dunklen, hypnotischen Blick, wäre sie am liebsten mit der Wahrheit herausgeplatzt.

Sie war keine gute Lügnerin. Selbst kleine Notlügen fielen ihr schwer. „Du kannst mir alles sagen“, schienen Prinz Alessandros schwarze Augen ihr zuzuflüstern. Er würde alles verstehen. Er würde ihr vergeben und Gnade zeigen.

Doch sie hatte schon vorher mit mächtigen Männern zu tun gehabt. Der skrupellose Prinz und Gnade? Unmöglich! Prinz Alessandro wollte mit seinem Blick nur ihr Vertrauen gewinnen. Sobald er von ihrem Vater und ihrem Cousin erfuhr, würde er sie feuern. Oder schlimmer.

„Lilley“, murmelte er gedehnt. Er neigte seinen Kopf. Seine Augen funkelten. „Wie ist Ihr Nachname?“

„Smith“, antwortete sie ehrlich. Sie verkniff sich ein Lächeln. Das würde ihm nicht weiterhelfen.

„Und was tun Sie in meinem Büro, Miss Smith?“

Lilley erschauerte, als sie seinen unverwechselbaren Duft einatmete. „Ich habe … äh, Akten zurückgebracht.“

„Mrs. Rutherford ist für meine Akten zuständig.“

„Das stimmt“, gab Lilley unglücklich zu.

Er kam näher. So nah, dass sie die Wärme seines Körpers durch die Smokingjacke spüren konnte. „Sagen Sie die Wahrheit! Warum sind Sie wirklich hier?“

Sie schluckte und blickte auf ihre ausgetretenen Turnschuhe. „Ich wollte nur ein paar Stunden in Ruhe und Frieden arbeiten.“

„An einem Samstagabend?“, erwiderte er kalt. „Sie haben mein Büro durchsucht! In meinen Akten geschnüffelt.“

Lilley sah auf. „Nein!“

Prinz Alessandro verschränkte die Arme vor der Brust und betrachtete sie mit versteinerter Miene.

„Ich habe mich versteckt.“ Ihre Stimme war so leise, dass man sie kaum verstehen konnte.

„Versteckt? Wovor versteckt?“

Gegen ihren Willen platzte sie mit der Wahrheit heraus: „Vor Ihnen.“

Er beugte sich zu ihr und sah sie scharf an. „Warum?“

Seine Nähe raubte ihr den Atem. Sie konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen. „Ich habe geweint“, wisperte sie. „Ich konnte nicht zu Hause bleiben, ich liege mit meinem Arbeitspensum zurück, und ich wollte nicht, dass Sie mich weinen sehen.“

Lilley wandte sich ab. Mit aller Kraft bemühte sie sich, nicht vor ihrem mächtigen Boss in Tränen auszubrechen. Das würde ihre Demütigung perfekt machen. Er würde sie feuern – ob für das Herumschleichen in seinem Büro, für einen unprofessionellen Tränenausbruch oder für ihre zu langsame Arbeit, spielte dann auch keine Rolle mehr. Sie würde die letzte Sache verlieren, die ihr noch etwas bedeutete. Das perfekte Ende für den zweitschlimmsten Tag in ihrem Leben.

„Ah“, sagte er sanft. „Ich verstehe.“

Lilley ließ die Schultern hängen. Jetzt würde er ihr gleich mitteilen, dass sie ihre Sachen holen und aus dem Gebäude verschwinden sollte.

Der Blick des Prinzen war so dunkel wie der nächtliche Ozean. Tief genug, um darin zu versinken. „Haben Sie ihn geliebt?“

„Was?“ Lilley blinzelte. „Wen?“

Ein Lächeln zuckte um seinen sinnlichen Mund. „Den Mann.“

„Wie kommen Sie darauf, dass ich wegen eines Mannes geweint habe?“

„Warum sonst würde eine Frau weinen?“

Sie lachte auf, aber es klang fast wie ein Schluchzen. „Heute ist alles schiefgegangen. Ich dachte, es würde mir guttun, wenn ich ein bisschen abnehme, und bin joggen gegangen. Ein großer Fehler.“ Sie sah an ihrer ausgebeulten Trainingskleidung hinunter. „Meine Mitbewohnerin dachte nämlich, ich wäre schon bei der Arbeit. Als ich zurückgekommen bin, habe ich sie mit meinem Freund gefunden. Im Bett.“

Alessandro legte eine Hand an ihre Wange. „Das tut mir leid.“

Schockiert über sein unerwartetes Mitgefühl sah Lilley zu ihm auf. Unwillkürlich teilten sich ihre Lippen. Ihr war, als würde seine Berührung glühende Funken über ihre Haut senden. Ihre Brüste fühlten sich plötzlich seltsam schwer an, und unter dem Sport-BH richteten sich ihre Brustwarzen auf.

Alessandro wirkte erstaunt. „Aber Sie sind wunderschön.“

Wunderschön? Seine Worte waren wie eine Ohrfeige. „Nicht.“

Er runzelte die Stirn. „Nicht was?“

Seine Grausamkeit raubte ihr den Atem. „Ich weiß, dass ich nicht schön bin. Das macht nichts. Ich bin auch nicht klug, und damit kann ich leben. Aber dass Sie dastehen und mich verspotten …“ Sie ballte die Hände zu Fäusten und funkelte ihn an. „Das ist nicht nur herablassend, das ist herzlos!“

Alessandro betrachtete sie ernst. Er sagte kein Wort. Als Lilley klar wurde, dass sie gerade ihren Chef abgekanzelt hatte, schnappte sie nach Luft. „Ich bin gefeuert, nicht wahr?“

Er antwortete nicht.

Mit zitternden Händen hob Lilley einen Ordner vom Boden auf und griff nach dem Aktenwagen. „Ich bringe noch die Arbeit zu Ende“, murmelte sie elend, „dann packe ich meine Sachen zusammen.“

Sie wollte sich abwenden, doch er umfasste ihren Arm und hielt sie fest. „Ein Kompliment ist also Spott und Hohn?“ Er schüttelte den Kopf und sah auf sie herunter. „Sie sind wirklich ein seltsames Mädchen, Lilley Smith.“

Für einen Moment glaubte sie fast … Aber nein! Seltsam war nur ein anderes Wort für rettungslose Versagerin. „Das hat mir schon mein Vater immer gesagt“, erwiderte sie tonlos.

„Sie sind nicht gefeuert.“

Lilley wagte kaum, an ihr Glück zu glauben. „Bin ich nicht?“

Er nahm den Aktenordner aus ihrer Hand und legte ihn auf den Wagen. „Ich habe eine ganz andere Strafe im Sinn.“

„Die Guillotine?“, fragte sie schwach. „Den elektrischen Stuhl?“

„Sie begleiten mich heute Abend auf den Ball.“

Lilley starrte ihn mit offenem Mund an. „Was?“

Sein Blick war so warm wie geschmolzene Schokolade. „Ich möchte, dass Sie mein Date sind.“

Ihr Herz raste. War dies ein seltsamer Traum? Prinz Alessandro konnte unter den schönsten Frauen der Welt wählen – und wenn man den Klatschmagazinen glaubte, tat er das auch.

Sie sah sich um. Stand hinter ihr vielleicht ein Filmstar oder ein Unterwäschemodel, und er redete gar nicht mit ihr?

„Also, cara?“, fragte er mit heiserer Stimme. „Was sagen Sie dazu?“

Unter seinem intensiven Blick wurde ihr schwindelig. „Ich verstehe nicht“, sagte sie langsam.

„Was gibt es da zu verstehen?“

Sie räusperte sich. „Ich verstehe den Witz nicht.“

„Ich mache nie Witze.“

„Nein? Zu dumm. Ich bin dauernd lustig“, antwortete sie. „Meistens unabsichtlich.“

Er lächelte nicht einmal, sondern sah sie nur unbewegt an. Wie unglaublich gut er aussieht! dachte Lilley atemlos. „Meinen Sie das wirklich ernst?“

„Ja.“

„Aber … das ist der Preziosi di Caetani Ball“, stammelte sie. „Die größte Wohltätigkeitsveranstaltung des ganzen Sommers. Der Bürgermeister wird da sein. Der Gouverneur. Die Paparazzi.“

„Und?“

„Sie könnten jede Frau haben, die Sie wollen.“

„Und ich will Sie.“

Die vier Worte ließen Lilleys Herz tanzen. Sie presste ihre zitternden Hände zusammen. „Aber Sie haben eine Freundin. Ich habe gelesen …“

Seine Miene verhärtete sich. „Nein.“

„Aber Olivia Bianchi …“

„Nein“, wiederholte er angespannt.

Lilley biss sich auf die Lippen. Sie spürte, dass er nicht die ganze Wahrheit sagte. Ihr Selbsterhaltungstrieb riet ihr, schleunigst wegzurennen. Wenn er jemals herausfand, wer sie wirklich war, würde sie ihren Job verlieren – und vielleicht sogar wegen Betriebsspionage vor Gericht landen.

„Es tut mir leid“, erwiderte sie. „Nein.“

Seine Augen weiteten sich. Offenbar hatte er nicht mit dieser Antwort gerechnet. „Wieso?“

„Meine Arbeit …“

„Nennen Sie mir den wahren Grund!“

Den wahren Grund? Wie wäre es damit, dass sie die Tochter seines Erzfeindes war und die Cousine eines Mannes, den er sogar noch mehr hasste? Oder mit dem wichtigsten Grund: Seine Stärke, seine Macht und seine männliche Schönheit jagten ihr entsetzliche Angst ein. In seiner Gegenwart raste ihr Herz, als wollte es aus der Brust springen. Ein Blick von ihm reichte, um ihr den kalten Schweiß ausbrechen zu lassen. In ihrem ganzen Leben hatte noch kein Mann diese Wirkung auf sie gehabt, und sie hatte nicht die geringste Idee, was sie dagegen tun sollte. Außer wegzurennen.

„Mein Freund … mein Exfreund“, stammelte sie. „Er wird heute Abend mit meiner Freundin auf dem Ball sein. Nadia. Also Sie sehen, warum ich auf keinen Fall gehen kann.“

„Er wird auf dem Ball sein?“ Alessandros Augen wurden schmal. „Kenne ich ihn – den Mann, der Sie zum Weinen gebracht hat?“

„Er arbeitet hier in der Firma, in der Abteilung für Schmuckdesign.“

„Umso mehr Grund, auf den Ball zu gehen. Wenn er Sie an meinem Arm sieht, wird er Sie plötzlich wieder sehr begehrenswert finden und auf den Knien anflehen, zu ihm zurückzukommen. Dann können Sie ihn entweder erhören oder mit Füßen treten. Ganz wie Sie wollen. Und die andere Frau wird leiden, wenn sie entdeckt, dass Sie meine Begleitung sind.“

Lilley starrte ihn verblüfft an. „Unter Selbstwertproblemen leiden Sie wohl nicht.“

Er erwiderte gelassen ihren Blick. „Wir wissen beide, dass es stimmt.“

Sie presste ihre Lippen zusammen. Er hatte recht. Wenn sie mit ihm zum Ball ging, würde sie die meistbeneidete Frau in der Stadt sein – vielleicht sogar in ganz Kalifornien.

Die Vorstellung von Nadia und Jeremy auf den Knien und um Vergebung flehend, war herrlich. All die Stunden, wenn Lilley länger gearbeitet hatte, all die Male, wenn sie Nadia gebeten hatte, Jeremy Gesellschaft zu leisten, weil sie sich wieder einmal verspätete, hatten die beiden sie betrogen. Sie hatte keine Freunde mehr in der Stadt. Nicht einen einzigen.

Sie sah zu Alessandro auf. „Ich bin keine sehr gute Tänzerin“.

Er betrachtete sie langsam von oben bis unten. „Das kann ich kaum glauben.“

„Als Kind hatte ich Ballettunterricht. Mein Lehrer hat mir geraten, damit aufzuhören. Ich war wie einer von diesen tanzenden Elefanten im Ballettröckchen. Später haben sich alle meine Freunde beschwert, weil ich ihnen ständig auf die Füße getreten habe.“

Seine Miene wurde weicher. „Selbst wenn das stimmen sollte, wäre das nicht Ihr Fehler, sondern der von Ihrem Partner“, murmelte er. „Es ist die Aufgabe des Mannes, zu führen.“

Lilley schluckte. „Äh … so habe ich das noch nie gesehen. Ich dachte immer, es wäre meine Schuld.“

„Da haben Sie sich geirrt.“ Er hob eine Braue. „Aber nur aus Neugier – wie viele sind alle?“

„Was?“

„Alle Ihre Freunde.“

Herrje! Auf keinen Fall konnte sie ihm die jämmerliche Anzahl verraten. Sie hob ihr Kinn. „Einige“, sagte sie so selbstbewusst wie möglich.

„Zehn?“, hakte er nach.

Die Röte in ihren Wangen vertiefte sich. „Zwei“, gab sie zu. „Einer in der Schule und …“ Sie räusperte sich. „… und Jeremy.“

„Jeremy? Ist das sein Name? Er hat Ihr Herz gebrochen?“

Er wartete, aber sie schwieg.

„Sie sollten heute ausgehen“, sagte er schließlich. „Ihre Tanzkünste spielen keine Rolle. Wir werden nicht tanzen.“

Lilley grinste. „Haben Sie Angst, dass ich Ihnen auf den Zehen herumtrample?“

„Ich tanze nicht.“

Ihre Augen weiteten sich. „Was … nie?“

„Nein.“

„Aber Sie sind der Schirmherr des Balls!“

„Er bringt Geld für meine Wohltätigkeitsorganisation ein und gute Presse für die Firma“, erwiderte er kühl. „Nur darauf kommt es mir an. Tanzen interessiert mich nicht.“

„Oh“, murmelte Lilley unsicher und biss sich auf die Lippe. „Ich verstehe.“

Aber sie verstand überhaupt nicht. Wie war es möglich, dass ein Mann wie Prinz Alessandro, Liebling aller Frauen, einen Ball sponserte und selbst nicht tanzte?

Er streckte die Hand nach ihr aus. „Kommen Sie! Wir müssen uns beeilen.“

Sie wich zurück. Er durfte sie nicht noch einmal berühren. Seine Macht über ihren Körper jagte ihr zu viel Angst ein. „Wieso ich?“

„Wieso nicht?“

„Sie sind für vieles berühmt, Prinz Alessandro. Mit unscheinbaren Angestellten einen Ball zu besuchen, gehört allerdings nicht dazu.“

Er warf den Kopf zurück und lachte schallend. Noch immer lachend, ging er zu einem modernen Gemälde über seinem Schreibtisch, schwang es zur Seite und enthüllte einen Safe. Er tippte die Kombination ein und nahm zwei Manschettenknöpfe aus Platin und Diamanten heraus.

Als er sich wieder zu Lilley umwandte, betrachtete er sie mit neuem Interesse. „Sie machen mich neugierig, Lilley Smith. Nicht eine unter tausend Frau hätte nach dem Grund gefragt, bevor sie Ja sagt.“

„Ja, wahrscheinlich bin ich ein bisschen merkwürdig.“ Sie sah ihm zu, wie er mit seinen langgliedrigen Fingern die Manschettenknöpfe anlegte.

„Mein Date für den Ball ist vor zehn Minuten geplatzt.“

„Miss Bianchi?“

„Ja.“

Lilley kannte die Mailänder Erbin aus Zeitschriften. Sie war blond, dünn und wunderschön – alles, was Lilley nicht war. Sie senkte die Augen. „Ich bin ihr kein bisschen ähnlich.“

„Gerade darum sind Sie perfekt“, entgegnete er schroff. „Olivia wird schon sehen, wie ich auf ein Ultimatum reagiere. Ich brauche ein Date, und Sie sind in meinem Büro. Das ist Schicksal.“

„Schicksal“, flüsterte Lilley.

Er kam auf sie zu. Im Dämmerlicht wirkte sein Körper wie ein dunkler, mächtiger Schatten. Sein Blick hielt ihren gefangen. „Ich brauche ein Date. Sie brauchen Rache. Bevor die Nacht zu Ende ist, wird Jeremy vor Ihnen auf den Knien liegen.“

Unwillkürlich erschauerte sie. Ganz egal, was Jeremy ihr angetan hatte, wusste sie doch, dass Rache nicht richtig war. Aber am meisten Angst jagte ihr Alessandros Nähe ein. Und dabei ging es nicht um ihren Job. Sie konnte es nicht einmal erklären. In seiner Gegenwart fühlte sie sich … eigenartig.

„Warum zögern Sie? Lieben Sie ihn?“

Sie schüttelte den Kopf. „Es ist nur …“

„Was?“

Sie wandte den Blick ab. „Nichts.“

„Ich beobachte seit Wochen, wie Sie sich bemühen, mir auszuweichen.“

Entsetzt starrte sie ihn an. „Sie haben mich gesehen?“

Er nickte. „Wie Sie jedes Mal in die andere Richtung laufen, wenn Sie mich auf dem Flur entdecken. So ein Benehmen bei einer Frau ist für mich … einzigartig. Es hat mich verwirrt. Aber jetzt verstehe ich.“

„Sie verstehen?“, krächzte sie.

Er berührte ihre Wange. „Die meisten Frauen, die mir begegnen, würden ihre Freunde im Bruchteil einer Sekunde verlassen, um mit mir zusammen zu sein. Treue ist eine sehr seltene Eigenschaft. Dieser Mann, der Sie betrogen hat, ist ein Idiot.“

Da konnte Lilley ihm nicht widersprechen. Wie hypnotisiert sah sie Alessandro nur an.

„Aber Sie haben nichts zu befürchten.“ Er ließ seine Hand sinken. „Unsere Romanze heute Abend ist nur vorgetäuscht. Ich werde Sie morgen nicht anrufen. Ich werde Sie niemals anrufen. Nach heute Abend werden Sie wieder meine Angestellte sein und ich Ihr Boss, der so tut, als würde er nicht bemerken, wie Sie sich vor ihm verstecken.“

Lilley schluckte. Sie konnte noch immer seine Finger auf ihrer Wange spüren. „Wenn ich also heute Abend mit Ihnen zum Ball gehe, werden Sie mich morgen nicht beachten? Sie werden mich niemals wieder beachten?“

„Ja.“

Sie stieß die Luft aus. Genau das brauchte sie! Er musste vergessen, dass sie überhaupt existierte. Nur so konnte sie verhindern, dass er die Lücken in ihrem Lebenslauf bemerkte. Aber das war nicht der einzige Grund.

„Du rennst immer davon!“, hörte sie wieder Jeremys anklagende Worte. „Du hast gesagt, du kommst nach San Francisco, um dein Schmuckgeschäft aufzubauen und mit mir zusammen zu sein. Aber das hast du beides nicht getan. Entweder wolltest du weder mich noch dein Geschäft wirklich, oder du bist der schlimmste Feigling, der mir jemals begegnet ist.“

Lilley schloss ihre Augen. Heute Morgen war sie zu wütend gewesen, um seine Worte an sich heranzulassen. Jeremy und Nadia hatten sie betrogen, so einfach war das! Sie hatte nichts falsch gemacht, richtig?

Plötzlich wollte sie Jeremy unbedingt beweisen, dass er unrecht hatte. Sie wollte eins von den sorglosen, glamourösen und furchtlosen Mädchen sein, die lachten, tanzten und Champagner tranken. Ein Mädchen, das von einem Ritter in schimmernder Rüstung umworben wurde.

Das mit einem Prinzen auf einen Ball ging.

Sie war kein Feigling. Sie konnte genauso tapfer und tollkühn sein, wie jeder andere. Sie öffnete die Augen. „Also gut.“

„Haben Sie die Abmachung auch verstanden?“, fragte er sanft. „Wir haben kein echtes Date. Morgen wird nichts zwischen uns sein. Absolut nichts.“

„Schon klar!“, erwiderte sie. „Montag gehe ich zurück ins Archiv. Sie fliegen zurück nach Rom und wahrscheinlich auch zu Miss Bianchi, wenn Sie ihr Ihre kleine Lektion erteilt haben. Ich arbeite weiterhin für Sie, und Sie werden mich nie wieder belästigen. Perfekt.“

Er starrte sie an, dann lachte er auf und schüttelte den Kopf. „Sie hören nicht auf, mich zu überraschen, Lilley“, murmelte er und legte ihr die Hand um die Taille. „Kommen Sie! Wir haben nicht mehr viel Zeit.“

Während er sie aus dem Büro führte, versuchte Lilley, das Zittern ihrer Knie zu ignorieren. „Aber … ich bin mit meiner Arbeit noch nicht fertig.“

„Jemand wird sich darum kümmern.“

„Und ich habe kein Kleid.“

Sein Mund verzog sich zu einem Lächeln. „Das werden Sie noch.“

Ärgerlich sah sie zu ihm auf. „Bin ich etwa Aschenputtel? Und Sie die gute Fee? Auf keinen Fall lasse ich Sie ein Kleid für mich kaufen!“

Er schob sie zum Fahrstuhl. „Natürlich werden Sie das.“ Sanft strich er ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht. „Sie werden mich genau das tun lassen, was ich will, und ich werde Ihnen dafür einen großartigen Abend bescheren. Eine wunderschöne Robe, den Neid Ihrer Kollegen und Rache an denen, die Sie betrogen haben. Es wird ein … interessanter Abend werden.“

Lilley sog seinen Duft nach sauberer Haut und Sandelholz, Verführung und Macht ein. Ihr Herz klopfte schneller, und ein Schauer lief durch ihren Körper. „Also gut. Ja.“

Seine dunklen Augen leuchteten auf. „Ja?“

„Ja zum Kleid. Zu Ihrer Hilfe.“ Sie leckte über ihre trockenen Lippen und lächelte ihn zittrig an. „Ja zu allem, Euer Hoheit.“

„Nennen Sie mich Alessandro.“ Er hob ihre Hand zu seinem Mund.

Lilley zog hörbar die Luft ein, als sie seine weichen, sinnlichen Lippen und seinen heißen Atem auf ihrer Haut spürte. Ihr war, als würde Feuer durch ihren Körper schießen.

„Und Frauen tun es immer.“

Sie bemühte sich, einen klaren Gedanken zu fassen. „Was?“

Er richtete sich auf. „Ja sagen“, flüsterte er. „Zu allem.“

2. KAPITEL

Abendnebel lag über dem hundert Jahre alten Herrenhaus, als Alessandro aus der Limousine stieg. Für einen Augustabend war es ungewöhnlich kühl, und der Nebel legte sich wie ein nasses, kaltes Tuch auf seine Haut.

Eine Abkühlung ist genau das, was ich jetzt brauche, dachte Alessandro.

Um ihn herum flackerten die Blitzlichter der Kameras, während er hinter sich das Klackern von Lilleys hohen Absätzen hörte. Sein Körper spannte sich an, als er wieder dieses überwältigende Verlangen spürte. Seitdem er Lilley in seinem Büro zum ersten Mal richtig ins Gesicht geschaut hatte, begehrte er sie mit einer schockierenden Intensität.

Mittlerweile war es noch hundert Mal schlimmer geworden. Allein die Fahrt neben ihr auf dem Rücksitz der Limousine war fast unerträglich gewesen. Er hatte nicht gewusst, wie schön sie war.

Jetzt fühlte er ihren Arm an seinem, den leichten Druck ihrer Hand auf seinem Unterarm. Er konnte die Wärme ihrer Berührung durch seine Smokingjacke spüren.

Seit Wochen hatte er beobachtet, wie die kleine unscheinbare Archivarin über den Flur huschte. Mit ihren rosigen Wangen, braunen Haaren und der formlosen Kleidung hätte er sie kaum älter als zwanzig geschätzt. Jedes Mal, wenn er irgendwo auftauchte, eilte sie panisch in die andere Richtung. Das hatte ihn so neugierig gemacht, dass er Mrs. Rutherford um ihre Akte gebeten hatte, aber er konnte nichts Interessantes entdecken.

Im Juni war sie nach San Francisco gekommen. Der Job im Archiv war offenbar ihre erste Anstellung in der Stadt. Einige Jahre vorher hatte sie in Minneapolis als Zimmermädchen in einem Hotel gearbeitet. Selbst ihr Name war nichts Besonderes.

Doch mit einem Schlag hatte sich alles geändert.

Alessandro stieß die Luft aus. Eigentlich hatte er Olivia nur zeigen wollen, dass sie austauschbar war. Sogar eine etwas mollige, unmoderne und langweilige Büroangestellte frisch vom Lande konnte sie ersetzen. Aber dieser Witz ging wohl auf seine Kosten.

Wie war es möglich, dass er Lilley Smith bis zu diesem Tag noch nie richtig wahrgenommen hatte?

Unmodern? Der Stylist einer luxuriösen Boutique hatte für Lilley ein langes, hautenges rotes Kleid mit Spaghettiträgern ausgewählt. Die aufreizende Robe war rückenfrei und atemberaubend tief dekolletiert. Sie schien nur von Lilleys üppigen Brüsten gehalten zu werden und drohte, jeden Moment zu viel zu enthüllen.

Mollig? Das Abendkleid zeigte die Kurven, die ihre ausgebeulte Kleidung gründlich verborgen hatte. Volle Hüften und Brüste betonten die schmale Taille. Lilley besaß diese atemberaubend weibliche Figur, die Männer früher in den Wahnsinn getrieben hatte … und es immer noch tat. Ein Blick auf sie reichte aus, um Alessandro den Schweiß auf die Stirn zu treiben.

Und langweilig? Das war der größte Witz! Schon in seinem Büro hatte er die seltene Schönheit ihres ungeschminkten Gesichts bemerkt – aber jetzt, nachdem Sergios Team sie kunstvoll frisiert und geschminkt hatte, war ihr Liebreiz überwältigend.

Kajal und Wimperntusche ließen ihre tiefbraunen Augen noch dunkler wirken, und der rote Lippenstift betonte ihre vollen Lippen. Ihr langes, hellbraunes Haar fiel verführerisch über die bloßen Schultern und den nackten Rücken.

Wochenlang hatte Alessandro sie von fern gesehen, aber erst heute hatte er endlich bemerkt, was sie wirklich war.

Eine Schönheit.

Eine Sexbombe.

Ein Betthäschen.

Während sie über den roten Teppich zum Herrenhaus gingen, riefen ihnen die aufgeregten Paparazzi unentwegt Fragen zu.

„Wo ist Olivia? Haben Sie sich getrennt?“

„Wer ist das neue Mädchen?“

„Wer ist die sexy Brünette?“

Alessandro lächelte nur schwach und winkte ab. Er war gewohnt, dass ihm die Paparazzi folgten, von seinem Palast in Rom zu seiner Jacht in Sardinien zu seinem Hauptfirmensitz in San Francisco. Das war der Preis, den er für sein Leben als erfolgreicher Geschäftsmann und Junggeselle zahlte. Aber jetzt bemerkte er, dass Lilley an seinem Arm zitterte.

„Was ist?“, raunte er ihr zu.

„Alle starren mich an“, antwortete sie leise.

„Natürlich starren sie.“ Sanft strich er ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht. „Das tue ich auch.“

„Helfen Sie mir einfach nur, das Ganze durchzustehen“, flüsterte sie.

Alessandro drückte ihre Hand. Während er sie weiter über den roten Teppich führte, schützte er sie mit seinem Körper vor besonders aggressiven Fotografen.

Als sie endlich an den Sicherheitskontrollen vorbei in die prächtige Halle des Herrenhauses traten, atmete Lilley erleichtert auf. „Danke. Das war … kein Spaß.“

„Nein?“, fragte er leichthin. „Das sehen die meisten Frauen anders. Die meisten genießen das Rampenlicht.“

„Nun, ich nicht.“ Sie schauderte.

Alessandro sah sie lächelnd an. Sofort überflutete ihn wieder überwältigendes Verlangen. Er wollte sie erkunden, den dünnen Stoff von ihrem Körper reißen und ihre unglaublichen Brüste berühren. Er wollte jeden Zentimeter von ihr spüren, streicheln, küssen.

Nein! ermahnte er sich ärgerlich. Er hatte drei Regeln: keine Angestellten, keine Ehefrauen, keine Jungfrauen. Es gab mehr als genug Frauen auf der Welt, alle viel zu leicht zu haben. Es gab keinen Grund, die Regeln zu brechen. Lilley war eine Angestellte, noch dazu hatte ein Mann ihr gerade das Herz gebrochen. Zu viele Komplikationen. Zu viele Risiken. Lilley kam absolut nicht infrage!

Andererseits …

Alessandro sah auf den roten Stoff, der kaum ihre Brüste verhüllte, ihre rosigen Wangen, die zarte Haut unter dem seidigen Haar. Eine Hitzewelle schoss durch seinen Körper.

Lilley sah ihn kläglich an. Trotz ihrer atemberaubenden Schönheit wirkte sie sehr verletzlich. „Ich sehe albern aus, nicht wahr?“

Wusste sie nicht, wie schön sie war? Warum versteckte sie sich immer hinter ihrer formlosen Kleidung? Warum nutzte sie ihr Aussehen nicht, um Aufmerksamkeit zu erregen und im Berufsleben vorwärtszukommen, wie andere Frauen es tun würden?

War es möglich, dass sie wirklich nicht wusste, wie bezaubernd sie war? „Sie sind wunderschön, Lilley.“

Ärgerlich runzelte sie ihre Brauen. „Ich habe Ihnen doch gesagt, Sie sollen mich nicht so …“

„Sie sind wunderschön“, unterbrach er sie schroff. Er legte die Hand an ihre Wange. „Sie wissen, was für ein Mann ich bin. Ein Mann, der niemals ein einfaches Mädchen mit auf einen Ball nehmen würde. Also, warum sollte ich lügen? Sie sind wunderschön.“

Ihre Miene entspannte sich. Plötzlich wirkte sie verwirrt und unschuldig und fast schmerzhaft schüchtern. Alessandro zuckte erschrocken zurück. Sie spielte ihm etwas vor – oder etwa nicht? Es musste so sein. Sie konnte unmöglich so jung sein.

Auch er war einmal offen und unbekümmert gewesen, vor sehr langer Zeit. Die Erinnerung kam ihm wie ein längst vergessener Traum vor. Vielleicht wollte er Lilley darum plötzlich beschützen.

Das Gefühl passte ihm überhaupt nicht.

„Denken Sie wirklich …“ Lilley brach ab und biss sich auf die Lippe. „Denken Sie wirklich, dass ich hübsch bin?“

„Hübsch?“, wiederholte er verblüfft. Er hob ihr Kinn, sodass das Licht der Kronleuchter auf ihr Gesicht fiel. „Sie sind eine Schönheit, kleine Maus.“

„So nennen Sie mich schon die ganze Zeit! Können Sie nicht Lilley zu mir sagen?“

„Entschuldigen Sie.“ Seine Mundwinkel zuckten. „Eine dumme Angewohnheit. Das war mein Name für Sie, als ich noch blind war.“

Lilleys braune Augen funkelten, als sie ihn anlächelte. „Sie sagen mir also in einem Atemzug, dass ich schön bin und Sie blind sind?“

Ihr Lächeln ließ seinen Atem stocken. „Beim Anblick Ihrer Schönheit wird jeder Mann blind, cara“, sagte er rau. „Ich hatte Ihnen gesagt, dass man Sie beneiden würde, wenn Sie in meiner Begleitung sind. Aber ich habe mich geirrt. Ich bin derjenige, den man heute Abend beneiden wird.“

Ihre Augen wurden groß. „Sie sind gar nicht schlecht im Komplimenteverteilen.“ Sie grinste ihn übermütig an. „Hat man Ihnen das schon mal gesagt?“

Gegen seinen Willen erwiderte er ihr Lächeln. Als sich ihre Blicke trafen, setzte sein Herz einen Schlag aus. Wie war es möglich, dass er Lilley jemals für eine unscheinbare graue Maus gehalten hatte?

Er begehrte sie so sehr, als würde er sie nicht nur mit seinem Körper wollen, sondern auch mit seiner ganzen Seele.

Seele? Bei dem Wort musste er schmunzeln. Eine lächerliche Idee! Was die Lust nicht alles mit dem Verstand eines Mannes anstellen konnte!

Und er wollte sie. Oh ja!

Aber er würde sich beherrschen. Schließlich war er kein Sklave seiner Leidenschaft! Er war ein erwachsener Mann, Vorstand eines globalen Konzerns, und es war Zeit, dass er aufhörte, flüchtigen Sexabenteuern hinterherzujagen. Olivia Bianchi würde die perfekte Prinzessin sein. Ihr Vater besaß eine große Firma für Designerkleidung. Durch eine Zusammenlegung der beiden Firmen würde sich der Einfluss von Caetani Worldwide in Europa verdoppeln.

Er liebte Olivia nicht, nicht mehr, als sie ihn liebte, aber ihre Verbindung war sinnvoll. Bevor sie ihre kleine Szene gemacht hatte, war er fast so weit gewesen, um ihre Hand anzuhalten.

Wieso war Olivias Ultimatum eine Überraschung für ihn gewesen? Er hätte damit rechnen müssen.

Sie waren zusammen in seiner Limousine auf dem Weg ins Büro gewesen, weil er seine Manschettenknöpfe vergessen hatte. Auf der Fahrt hatte er einen wichtigen Anruf bekommen. Schon während er telefonierte, konnte er spüren, wie Olivia neben ihm vor Wut kochte.

Sobald er den Anruf beendet hatte, war sie in rasend schnellem Italienisch über ihn hergefallen. „Wann wirst du mir endlich einen Antrag machen, Alessandro? Wann? Mach unsere Verlobung endlich offiziell, oder such dir jemand anderen als Gastgeberin für deinen Wohltätigkeitsball!“

Fünf Minuten später hatte er sie vor ihrem schicken Hotel abgesetzt. Er ließ sich von keiner Frau ein Ultimatum stellen, nicht einmal, wenn sie so perfekt war wie Olivia.

Als er Lilley jetzt zum Ballsaal führte, spürte er eine Welle der Erleichterung, weil er immer noch ein freier Mann war. Schon lange hatte er nicht mehr so viel Spaß gehabt wie heute Abend.

Mit Lilley dicht an seiner Seite, blieb er auf dem Treppenabsatz stehen und schaute in den Ballsaal hinunter. Plötzlich wurde es im Saal ganz still. Wie auf ein Stichwort drehten sich Hunderte von Gästen um und starrten sie an. Alessandro fühlte, wie Lilley sich versteifte. Offensichtlich war sie es nicht gewohnt, im Mittelpunkt zu stehen.

„Ich werde Ihnen nicht sagen, wie schön Sie sind, weil Sie mich dann bestimmt schlagen würden“, murmelte er. „Aber ich weiß, dass jeder Mann töten würde, um an meiner Stelle zu sein.“

Ihre vollen Lippen verzogen sich zu einem nervösen Lächeln. „Okay“, sagte sie leise. Sie straffte ihre Schultern. „Gehen wir!“

Alessandro führte sie in den Saal, wo schon Aufsichtsratsmitglieder, Aktionäre und Freunde warteten. Er wechselte mit allen ein paar Worte, dann ging er weiter und begrüßte den Bürgermeister und den Gouverneur. Ohne Lilleys Arm loszulassen, bewegte er sich selbstsicher durch die Menge, plauderte vertraut mit berühmten Filmstars und Königlichen Hoheiten und dankte seinen Gästen für ihre Spenden.

Die Männer fragten ihn nach Börsentipps, die Frauen warfen ihr Haar zurück und flirteten mit ihm. Und alle starrten Lilley mit unverhohlener Neugierde an.

Alessandro hätte darauf gewettet, dass keiner seiner Direktoren sie erkannte, auch wenn sie bestimmt schon unzählige Male auf dem Flur an ihr vorbeigelaufen waren.

Unfassbar, wie blind er gewesen war!

Lilley zitterte, es schien so, als wollte sie jeden Moment die Flucht ergreifen. Er legte die Hand auf ihren nackten Rücken, um Lilley damit sanft durch die Menge zu schieben. Selbst diese harmlose Berührung war unglaublich erotisch. Am liebsten hätte er auf der Stelle den Ball verlassen, um mit ihr allein zu sein. Vielleicht in seiner Villa in Sonoma, die praktischerweise über zehn Schlafzimmer verfügte.

„Euer Hoheit“, riss ihn die Stimme des Stiftungsvorstands aus seinen Fantasien. „Möchten Sie vielleicht ein paar Worte sagen, um die Auktion zu eröffnen?“

„Aber natürlich“, erwiderte Alessandro mit einem geübten Lächeln.

Er nahm Lilleys Hand und ging mit ihr quer durch den Ballsaal. Wie durch Zauberei teilte sich vor ihnen die Menge. Erst vor der Bühne gab er Lilley frei.

„Danke, dass Sie mich heute Abend begleiten“, sagte er heiser und küsste sie auf die Wange. Obwohl der Kuss nur kurz und unschuldig gewesen war, brannten seine Lippen.

Lilley sah ihn aus geweiteten Augen an. Für einen Moment starrten sie einander nur an. Das Blut rauschte in seinen Ohren, und sein Herz raste. Alles in ihm sehnte sich danach, sie in seine Arme zu reißen und zu küssen. Richtig zu küssen. Er zwang sich, einen Schritt zurückzutreten.

„Entschuldigen Sie mich.“ Seine Stimme klang ruhig und gelassen. Zum Glück hatte er seit vielen Jahren Übung darin, seine Gefühle zu verbergen. „Es dauert nur einen Augenblick.“

„Sicher“, erwiderte sie schwach.

Als er auf die Bühne stieg und zum Mikrofon ging, wurde es im Saal still, dann setzte tosender Applaus ein. Alessandro nickte lächelnd in die Runde. Erst Lilleys Unsicherheit hatte ihm bewusst gemacht, wie gewohnt er die Aufmerksamkeit der Menschen war. Sie machte ihn nicht nervös. Ganz im Gegenteil: Er war gelangweilt – von allem. Nur eine einzige Sache langweilte ihn nicht. Eine Sache brachte sein Blut zum Kochen und ließ ihn sich wieder lebendig fühlen. Eine Sache, die er wollte.

Doch gerade diese eine Sache durfte er nicht haben.

Routiniert hielt er seine Rede. Er wusste nicht einmal genau, was er sagte. Die ganze Zeit über spürte er Lilleys Blick.

„… und darum danke ich euch, meine Freunde“, endete er. „Trinkt Champagner, tanzt und bietet fleißig. Denkt daran, jeder Cent, der heute Abend eingenommen wird, hilft bedürftigen Kindern.“

Applaus brauste auf, noch lauter als zu Beginn seiner Rede. Alessandro lächelte noch einmal in die Runde, dann verließ er das Podium und ging direkt zu Lilley. In seiner Abwesenheit hatte sie offensichtlich ihre Fassung wiedergewonnen.

Sie starrte auf ihre Uhr. „Sechs Minuten“, teilte sie ihm mit. „Ich bin beeindruckt. Normalerweise dauern die Reden wichtiger Männer mindestens eine Stunde. Sie sind schnell.“

Er lächelte und beugte sich näher zu ihr. „Da, wo es zählt, bin ich langsam.“

Mit Genugtuung sah er, wie sie erschauerte. Wenigstens ging es ihr nicht anders als ihm. Er war erstaunt, wie offen sie ihre Gefühle zeigte. So jung, dachte er, so unbekümmert.

Sie erinnerte ihn an sich selbst – vor sehr langer Zeit. Auch er war einmal so jung und voller Hoffnung gewesen, arm, aber fest entschlossen, nach oben zu kommen. Damals, bevor er betrogen worden war.

Arm? Ein Funkeln von Lilleys Uhr erregte seine Aufmerksamkeit. Er griff nach ihrem Handgelenk. „Was ist das?“

Sie versuchte, ihren Arm zu befreien. „Nichts.“

Das Orchester begann, einen Walzer zu spielen, aber Alessandro bemerkte kaum, wie die Gäste die Tanzfläche füllten. „Das ist Platin. Diamanten. Ich kenne die Marke.“

„Hainsbury“, murmelte sie.

Hainsbury. Diese verfluchte Billigkette von Schmuckgeschäften hatte vor Kurzem versucht – und war kläglich gescheitert –, Caetani Worldwide zu übernehmen. Genauer gesagt die luxuriöse Produktlinie Preziosi di Caetani.

Seine Augen wurden schmal. „Woher haben Sie die Uhr?“

Wieso sollte sie keine Hainsbury-Uhr besitzen? fragte er sich vernünftig. Ein Zufall, mehr nicht. Der erbitterte Kampf mit seinem französischen Konkurrenten, dem Grafen von Castelnau, hatte ihn offenbar paranoid gemacht. Wenn er jetzt sogar schon ein harmloses Mädchen wie Lilley verdächtigte, war er offensichtlich dabei, den Verstand zu verlieren.

„Nett“, sagte er in beiläufigem Ton und ließ ihr Handgelenk los. „Auf den ersten Blick habe ich die Marke nicht erkannt. Die Uhr sieht gar nicht aus wie der übliche Hainsbury-Billigschund.“

Lilley wandte den Blick ab und legte schützend ihre Hand über den Arm. „Meine Mutter hat sie extra anfertigen lassen“, sagte sie in einem seltsamen Tonfall.

Ich habe sie in Verlegenheit gebracht, dachte Alessandro. Anscheinend war es ihr peinlich, auf dem Caetani-Ball eine Uhr der Konkurrenz zu tragen. „Ihre Uhr ist sehr geschmackvoll – ganz egal, wer sie hergestellt hat. Haben Sie genug vom Ball?“, wechselte er das Thema. „Können wir gehen?“

„Gehen? Wir sind doch gerade erst gekommen!“

„Und?“, fragte er ungeduldig.

Sie sah zur Tanzfläche. „Ihre Gäste warten darauf, sich mit Ihnen zu unterhalten.“

„Sie haben schon mein Geld bekommen.“

„Es geht doch nicht um Geld! Die Leute wollen Sie. Ihre Zeit und Ihre Aufmerksamkeit.“ Sie lächelte ihn verschmitzt an. „Weiß der Himmel, warum. Ich warte immer noch darauf, Ihren berühmten Charme zu entdecken.“

„Heißt das, ich soll mich mehr anstrengen?“, fragte er dicht an ihrem Ohr.

Ihre Augen verdunkelten sich, und er konnte hören, wie sie nach Luft schnappte. „Ich … ich kann so etwas nicht besonders gut“, stammelte sie.

„Ganz im Gegenteil.“

Sie schüttelte den Kopf. „Sie können sich sparen, mit mir zu flirten. Das hat keinen Sinn, und es könnte … ich meine … wir benutzen uns heute Abend gegenseitig. Lassen Sie es dabei!“

„Stimmt! Sie sind hier, um sich zu rächen. Das hatte ich fast vergessen. Haben Sie ihn schon gesehen?“

„Nein.“

„Er wird vor Ihnen auf die Knie fallen“, murmelte Alessandro heiser. „Kommen Sie.“

Er nahm ihre Hand und führte sie quer durch den Saal. Früher wäre er der Erste auf der Tanzfläche gewesen. Er hätte Lilley in seine Arme gezogen und sich mit ihr zum verführerischen Rhythmus der Musik bewegt. Aber er hatte seit sechzehn Jahren nicht mehr getanzt.

Vom anderen Ende der Halle sah ihm die Direktorin der Stiftung mit einem strahlenden Lächeln entgegen. Kaum war er bei ihr, überschüttete sie ihn mit ihrem Dank. Alessandro plauderte souverän mit ihr, doch insgeheim wünschte er sich weit fort.

Überall warteten Leute darauf, dass er ihre Hände schüttelte und mit ihnen redete. Dabei wollte er nur Lilleys Hand nehmen, mit ihr in seinen Wagen springen und erst wieder anhalten, wenn sie ganz allein waren, weit fort von ausgestreckten Händen und sehnsüchtigen Augen.

Aber er konnte nicht vor seinen Pflichten davonlaufen. Geduldig widmete er sich der scheinbar endlosen Schar reicher und mächtiger Geldgeber. Als Trost zog er Lilley vor sich und legte seine Arme um sie, als wäre er ein Kind mit einer Kuscheldecke im Arm.

Allerdings war er kein Kind mehr, sondern ein erwachsener Mann. An seinen Armen spürte er ihre vollen Brüste. Sobald er sich einen Blick zu ihr hinunter erlaubte, sah er ihr großzügiges Dekolleté. Ihre Brustspitzen zeichneten sich deutlich unter dem dünnen Stoff ab. Genau wie er vermutet hatte, trug sie keinen BH. Nicht nur er hatte das bemerkt. Während die Männer mit ihm sprachen, ruhten ihre Augen auf Lilley. Alessandro hätte sie am liebsten angeknurrt.

Plötzlich kam ihm die geniale Idee, der Stiftung einen Zehn-Millionen-Scheck auszustellen, wenn er dafür den Ball verlassen und direkt mit Lilley ins Bett gehen konnte.

Er sollte nicht. Er durfte nicht. Sex mit Lilley war in jeder Hinsicht eine schlechte Idee. Sie war seine Angestellte, wahrscheinlich immer noch in einen anderen Mann verliebt, und sie hatte recht: Sie benutzten einander heute Abend. Mehr nicht. Das hatte er ihr selbst deutlich gesagt. Ein billiger One-Night-Stand würde in Tränen und vielleicht sogar einer Klage wegen sexueller Belästigung enden.

Aber mit jedem weiteren Moment wurde seine Selbstbeherrschung schwächer. So lebendig hatte er sich seit Jahren nicht mehr gefühlt. Fast konnte er glauben, er hätte immer noch ein Herz.

Aber gerade das war die größte Gefahr. Er durfte sie nicht verführen. Er musste sie fortschicken. Er musste …

Sie sah zu ihm auf. Ihre Lippen öffneten sich, und er konnte ihre rosige Zungenspitze sehen. Um ein Haar hätte er aufgestöhnt. Er wollte diese Lippen schmecken. Lilleys Mund erkunden. Er wollte ihr das enge rote Kleid vom Körper reißen, sie auf sein Bett werfen und sie nehmen, hart und tief …

Basta! Ihm brach der kalte Schweiß aus. Gut, dass Lilley vor ihm stand und ihr Körper seine Hose verdeckte. Wo war seine Selbstbeherrschung geblieben?

Lilley versteifte sich plötzlich. Hatte sie sein Verlangen gespürt? Wie sollte sie nicht? Aber dann sah er, dass sie in die Menge starrte.

„Jeremy“, flüsterte sie.

Für einen Augenblick wusste er nicht, wovon sie redete. Dann spürte er glühenden Neid. Alessandro beneidete seinen Angestellten. Er hatte sie besessen und gehen lassen.

„Entschuldigen Sie uns“, sagte er zu den Umstehenden. Ohne ihre Proteste zu beachten, zog er Lilley in eine ruhige Ecke. „Wo ist er?“

„Dort drüben.“

Er folgte ihrem Blick, aber niemand stach aus der Menge heraus. Irritiert hielt er Ausschau. Irritiert? Das Wort kam ihm zu schwach vor. War er vielleicht eifersüchtig?

Nein, unmöglich! Eifersucht war etwas für Schwächlinge, für jämmerliche, verletzliche Männer.

Darum war er natürlich nicht eifersüchtig. Er war … verärgert. Si! Er nickte. Verärgert!

Er hatte gesagt, dass er Lilley helfen würde, ihren Freund zurückzubekommen, aber jetzt bereute er sein Versprechen. Wieso sollte er einem anderen Mann helfen, etwas zu bekommen, was er für sich selbst wollte – Lilley in seinem Bett?

Aber wenn sie diesen Jeremy wirklich liebte, verlangte seine Ehre, ihr zu helfen. Er würde selbstlos wie ein verfluchter Heiliger zur Seite treten.

„Va bene“, stieß er aus. „Wenn Sie diesen Dummkopf wirklich immer noch wollen, diesen treulosen Idioten ohne einen Funken Verstand, werde ich Ihnen helfen.“

Lilley lächelte. „Sie sind zu freundlich!“

„Aber sagen Sie mir eins“, forderte er.

„Nur eins?“

Er ließ seine Finger über ihre Schultern gleiten und strich über ihren warmen, nackten Rücken. Lilleys Augen weiteten sich. Er konnte sich kaum beherrschen, sie nicht an sich zu reißen. „Wieso wollen Sie ihn nach allem, was er Ihnen angetan hat, noch zurück?“

Ihr Lächeln verschwand. Sie atmete tief ein, dann hob sie ihr Handgelenk. „Sehen Sie sich das an!“

Sie wollte das Thema wechseln? Ohne großes Interesse betrachtete er das Armband an ihrem Handgelenk. Leuchtend bunte Kristalle baumelten an einer angelaufenen Messingkette, abwechselnd mit rostig wirkenden Zahlen aus Metall.

„Was ist damit?“

„Ich habe es selbst gemacht.“

Seine Augen wurden schmal. Er schnappte ihr Handgelenk und betrachtete das Armband näher. „Was ist das?“ Er deutete auf eine metallene Nummer, die von der Kette baumelte.

„Eine Zimmernummer aus dem achtzehnten Jahrhundert aus einem Pariser Hotel.“

Eigenartig, dachte er. Das Armband war nur eine Ansammlung von wertlosem Kram. Und doch wirkte es auf seltsame Weise kunstvoll. „Wo finden Sie das Material für Ihre Sachen?“

„Meistens auf Flohmärkten und in Secondhandläden. Ich suche alte Sachen zusammen und gestalte Schmuck daraus.“ Sie schluckte. „Ich habe Jeremy vor ein paar Monaten auf einer Messe in San Francisco kennengelernt. Er war auf den ersten Blick von meinem Schmuck begeistert. Wir haben uns entschlossen, zusammen ein Geschäft aufzumachen. Er sollte sich um die Finanzen kümmern, ich wollte für den Schmuck sorgen.“ Sie blinzelte und wandte den Blick ab. „Aber dann hat er sich für meine Mitbewohnerin entschieden, und mit ihm habe ich auch meinen Traum verloren.“

In ihren Augen schimmerten Tränen. Erstaunt bemerkte Alessandro, dass sich in seinem Inneren etwas zusammenzog.

„Dieser Mann ist ein verfluchter Idiot“, sagte er schroff. Wie gern hätte er den Kummer aus ihren schönen Augen vertrieben! „Vielleicht ist es so am besten“, versuchte er, sie zu trösten. „Ein eigenes Geschäft ist ein gewaltiges Risiko. Wahrscheinlich hätten Sie nur Ihr Startkapital verloren. Die Leute wollen keinen alten Plunder. Schmuck soll neu und glänzend sein.“

Ihre Lippen zuckten. „Tja, das werden wir jetzt wohl nie erfahren.“

Offensichtlich war sein Versuch, sie zu trösten, gründlich danebengegangen. Aber wie konnten Worte ein Trost sein, wenn jemand seinen Traum verloren hatte?

In diesem Moment setzte das Orchester mit einem klassischen Jazzstück wieder ein. Lilley sah sehnsüchtig zur Tanzfläche.

Sie hatte ihm gesagt, sie wäre keine gute Tänzerin, aber er hatte ihr keine Sekunde geglaubt. Er hatte ihre sinnlichen, geschmeidigen Bewegungen gesehen.

Aber konnte nicht mit ihr tanzen. Auch nicht, um sie zu trösten. Er kannte nur eine Art, ihr den Schmerz zu nehmen, doch das war unmöglich!

Warum? Wem würde es wehtun? Eine Nacht voller Lust und Vergnügen. Ein paar Stunden Trost. In einer einzigen Nacht würde sie sich nicht in ihn verlieben. Schließlich war sie keine Jungfrau mehr.

Aber nah dran! dachte er. Zwei Freunde. Was würde sie denken, wenn er ihr verraten würde, mit wie vielen Frauen er schon geschlafen hatte? Aber das würde er niemals tun, selbst wenn er es wüsste.

„Es tut mir leid, dass ich nicht tanze“, murmelte er.

„Schon gut.“

Ihr Haar duftete nach wilden Rosen. „Wie alt sind Sie, Lilley?“, fragte er übergangslos.

„Dreiundzwanzig.“ Sie runzelte die Stirn. „Warum? Wie alt sind Sie denn?“

„Uralt im Gegensatz zu Ihnen. Fünfunddreißig.“

„Fünfunddreißig und immer noch nicht verheiratet?“ Sie hörte sich so erstaunt an wie seine Aktionäre. „Da wo ich herkomme, sind die meisten Leute mit dreißig verheiratet.“

„Bestimmt sinnvoll, wenn man auf einer Farm lebt.“

Sie runzelte die Stirn. „Ich komme nicht direkt …“

„In meiner Welt“, unterbrach er sie, „heiratet ein Mann, damit er einen Sohn bekommt, der dann Titel und Besitz erbt.“

Lilley grinste. „Meine Güte, bei Ihnen hört sich das richtig romantisch an.“

„Es geht nicht um Romantik“, erwiderte er scharf. „Die Ehe ist ein Bündnis. Meine Frau wird einmal eine führende Rolle in der Gesellschaft einnehmen. Die zukünftige Mutter meines Sohns wird eine Erbin mit einem makellosen Stammbaum sein.“

„Wie Olivia Bianchi.“

Schon bei der Erwähnung ihres Namens bekam Alessandro schlechte Laune. „Ja.“

Im Licht der funkelnden Leuchter wirkten Lilleys Augen riesig. „Wieso ist sie nicht hier, wenn sie so eine perfekte Braut für sie ist?“

„Sie hat gedroht, mich zu verlassen, wenn ich ihr keinen Antrag mache. Also habe ich ihr gesagt, dass sie gehen kann.“

„Sie tut mir leid.“

Alessandro lachte humorlos auf. „Verschwenden Sie Ihr Mitgefühl nicht. Olivia kann auf sich selbst aufpassen.“

„Sie liebt Sie!“ Lilley schluckte. „Es war ein Fehler, bei dieser … dieser Scharade mitzumachen. Sie versuchen doch nur, sie zu kontrollieren.“

„Ich habe nicht das geringste Bedürfnis, Olivia je wiederzusehen!“

Lilley wirkte nicht überzeugt. „Wann haben Sie sich das denn überlegt?“

Er sah sie an. „In dem Augenblick, in dem ich Sie zum ersten Mal in diesem Kleid gesehen habe.“

Sie starrte ihn mit offenem Mund an. „Äh. Würden Sie mir bitte etwas zu trinken holen?“, krächzte sie schließlich. „Und vielleicht auch etwas zu essen? Ich habe den ganzen Tag noch nichts gegessen.“

„Certamente“, murmelte er. „Was möchten Sie gern? Martini? Rotwein?“

„Entscheiden Sie!“

„Dann beginnen wir mit Champagner. Warten Sie hier, cara. Ich bin gleich zurück.“

Er ging zur Bar, aber nach einigen Schritten schaute er sich noch einmal um. Unglaublich verführerisch stand Lilley in ihrem roten Kleid am Rand der Tanzfläche und sah ihn an. Um sie herum hatten sich bereits Männer geschart und warfen ihr gierige Blicke zu.

Verdammte Aasgeier! fluchte Alessandro im Stillen. Er würde sich beeilen.

Wie lange war es her, dass er eine Frau so begehrt hatte? Er wollte sie besitzen, und er konnte sie haben. Er hatte die Regeln gemacht, er konnte sie auch jederzeit brechen.

In seinem Kopf sah er Lilley vor sich, wie sie nackt auf seinem Bett lag und ihn mit ihrem sinnlichen Mund anlächelte. Fast wäre er über seine eigenen Füße gestolpert.

In diesem Moment entschied er sich. Angestellte oder nicht. Lilley würde ihm gehören.

Heute Nacht. Heute Nacht würde er sie in seinem Bett haben.

3. KAPITEL

Lilley sah zu, wie Alessandro in der Menge verschwand.

Ihre Knie zitterten so sehr, dass sie fürchtete, sie würden jeden Augenblick unter ihr nachgeben. Was zur Hölle tat sie hier? Was wollte er von ihr? In seinem Büro hatte er ihr gesagt, ihr Date wäre nur eine Illusion. Doch sein Verhalten sagte etwas ganz anderes.

Ihre Wangen wurden heiß, als sie daran dachte, wie seine Fingerspitzen ihre nackte Haut gestreichelt hatten. Noch nie hatte ein Mann diese Wirkung auf sie gehabt. Sie hatte nicht einmal geahnt, dass so etwas möglich war.

Lag es an seinem muskulösen Körper, den sie heute Abend so oft an ihrem gespürt hatte? An der Art, wie er sie anschaute? Oder an seinem Duft? Sie spürte einen nie gekannten Hunger, und mit jedem Moment in seiner Nähe wurde dieser Hunger größer.

Lilley legte die Hände an ihre glühenden Wangen und versuchte, ihre Fassung wiederzugewinnen. Den Rest des Abends würde sie auch noch überstehen. Sie würde den Mund halten, etwas essen und Champagner trinken und vor allem darauf achten, ihm nicht mehr zu nah zu kommen. Das musste doch wohl zu schaffen sein! Am Montag konnte sie dann zurück ins Archiv gehen, und Prinz Alessandro würde schon bald vergessen, dass sie existierte.

Nicht für eine Sekunde durfte sie glauben, dass er sich ernsthaft für sie interessierte.

Ich habe nicht das geringste Bedürfnis, Olivia je wiederzusehen. Sie konnte fast das Echo seiner heiseren Stimme hören.

Vielleicht war es gut, dass Alessandro nicht tanzte. Wenn er sich so dicht an ihrem Körper zur Musik bewegt hätte, hätten wahrscheinlich einfach ihre Knie nachgegeben, und sie wäre wie ein Stein zu Boden gefallen.

Jedes Mal, wenn sich ihre Blicke trafen, jedes Mal, wenn er sie berührte, stieg ein Verlangen in Lilley auf, das sie nicht einmal sich selbst eingestehen mochte.

„Lilley?“

Jeremy stand vor ihr und starrte mit offenem Mund ihr enges rotes Kleid an. „Was tust du hier?“

„Oh. Hi, Jeremy“, murmelte Lilley. Als sie die schwarzhaarige Frau hinter ihm sah, fuhr sie sich nervös über ihre trockenen Lippen. „Hallo, Nadia.“

Ihre Mitbewohnerin sah aus, als würde sie jeden Moment in Tränen ausbrechen. „Es tut mir so leid, Lilley“, brachte sie heraus. „Wir wollten dir nie wehtun. Wir wollten nie …“

„Hör auf, dich zu entschuldigen“, fiel Jeremy ihr ins Wort. Sein Adamsapfel hüpfte, als er Lilley anschaute. „Wir wollten es dir schon vor Tagen sagen. Aber du hast uns keine Gelegenheit dazu gegeben. Du bist uns – mir – aus dem Weg gegangen.“

„Das ist doch lächerlich!“, rief Lilley.

„Warum hattest du nicht von Anfang an den Mut, mir zu sagen, dass du mich nicht willst? Stattdessen hast du mich an Nadia abgeschoben. Kein Wunder, dass wir uns ineinander verliebt haben. Du warst nie für mich da!“

Lilley schüttelte den Kopf. „Das sind doch nur Ausflüchte! Du weißt genau, dass ich arbeiten musste. Du bist ganz allein schuld!“

„Ach ja?“ Langsam ließ er seinen Blick über ihren Körper gleiten. „Für mich hast du dich jedenfalls nie so angezogen. Ganz offensichtlich ist dir dein Date heute Abend wichtiger, als ich es je war. Wer ist es, Lilley?“

Das war der Moment ihrer Rache! Lilley öffnete den Mund, um zu antworten.

Dann sah sie Jeremys Hand auf Nadias Rücken.

Jedes Mal, wenn er sie angefasst hatte, war sie zurückgezuckt. Plötzlich wurde ihr klar, dass sie ihn nie wirklich an sich herangelassen hatte. Sie war nach San Francisco gezogen, um ihre Träume zu verwirklichen, aber sie hatte nichts dafür getan. Wenn Jeremy versucht hatte, sie zu küssen, hatte sie ihn zurückgewiesen. Sie hatte vermieden, mit ihm allein zu sein, und jeden Tag neue Ausflüchte gefunden, um länger im Büro zu bleiben.

Ich habe ihn nie geliebt, erkannte Lilley. An seinem Betrug schmerzte vor allem, dass damit auch ihre Träume von einer Boutique geplatzt waren.

Nein, auch daran konnte sie Jeremy nicht die Schuld geben. Das hatte sie ganz allein sich selbst zuzuschreiben. Sie hatte keinen Finger gerührt, um ihre Träume zu verwirklichen.

„Mit wem bist du hier, Lilley?“ Trotz ihrer Tränen klang Nadia hoffnungsvoll. „Hast du jemanden kennengelernt?“

Nadia hatte ihr vielleicht den Freund ausgespannt, aber hatte Lilley sie nicht angefleht, sich um Jeremy zu kümmern, wenn sie wieder einmal länger im Büro geblieben war?

Es gab keine Entschuldigung für den Betrug der beiden, aber Lilley war vom Anfang bis zum bitteren Ende ein Feigling gewesen.

Sie hob zitternd ihr Kinn. „Ich bin mit … einem Freund hier. Einem neuen Freund.“ Sie sah Jeremy an. „Du hast recht, ich war wirklich nie da. Nicht für dich und nicht für unser Geschäft. Ich hatte all diese Träume, aber zu viel Angst, es auch nur zu versuchen. Es … es tut mir leid.“

Jeremy blinzelte. Seine Miene wurde weicher. „Mir tut es auch leid. Du bist ein nettes Mädchen, Lilley, süß und großzügig. Ich habe dich immer gerngehabt.“ Er lächelte unbehaglich. „Du hattest nicht verdient, es auf diese Weise zu erfahren.“

„Ich weiß.“ Lilley versuchte, den Kloß in ihrem Hals herunterzuschlucken.

Jedes Mal, wenn Jeremy einen Termin für sie vereinbart hatte – bei einer Bank, mit einem möglichen Investor, einem Immobilienmakler –, musste sie plötzlich unbedingt irgendwo anders sein. Sie hatte sich hinter ihrer Arbeit versteckt. Ihre Angst hatte gewonnen.

„Es tut mir leid“, wiederholte sie leise.

„Kannst du mir jemals verzeihen, Lilley?“, flüsterte Nadia.

Lilley versuchte zu lächeln. „Vielleicht, wenn du für den Rest des Monats den Abwasch übernimmst.“

„Das werde ich. Zwei Monate. Drei!“

„Und mir tut es leid, dass es mit der Boutique nicht geklappt hat.“ Jeremy fuhr sich verlegen durch das sandfarbene Haar. „Ich finde deinen Schmuck fantastisch. Nur du bist wohl noch nicht bereit für das große Wagnis. Aber vielleicht eines Tages …“

„Vielleicht.“ Lilley wusste, es war eine Lüge. „Eines Tages.“

Tränen liefen über Nadias Gesicht. Sie nahm ihre Freundin in den Arm. „Danke.“

Lilleys Kehle schmerzte, als sie den beiden hinterhersah, bis sie in der Menge verschwunden waren.

„Sie haben den beiden nichts von mir erzählt.“

Sie wirbelte herum. „Alessandro!“

Mit der Geschmeidigkeit eines Panthers kam er auf sie zu. „Ich wollte mir Ihre Rache anschauen.“ Er reichte ihr ein Champagnerglas. „Warum haben Sie ihnen nichts gesagt?“

„Weil Jeremy recht hat. Ich habe ihn nie gewollt. Nicht wirklich.“ Sie nahm das Glas aus seiner Hand. „Wenn ich nicht den Mut aufbringen kann, meine Träume zu verwirklichen, habe ich nicht das Recht, deshalb auf andere wütend zu sein.“

„Sie hätten sie leiden lassen können!“ Verwundert schüttelte er den Kopf. „Ich verstehe Sie nicht.“

„Dann sind wir schon zu zweit.“ Sie nahm einen großen Schluck Champagner und wartete darauf, dass die Wirkung des Alkohols einsetzte. Sie wollte nur noch vergessen. Aus Angst zu scheitern, hatte sie sich alles selbst zerstört.

„Sie weinen!“ Alessandro klang bestürzt.

Lilley wischte über ihre Augen. „Nein.“

„Ich habe sein Gesicht gesehen, als er sie angeschaut hat. Wenn Sie wollten, könnten Sie ihn immer noch jederzeit haben.“

Nie, nicht für eine Sekunde hatte Lilley auch nur einen Funken körperliche Anziehung für Jeremy empfunden. Bis zu diesem Abend – bis Alessandro diese nie gekannte Leidenschaft in ihr geweckt hatte – war es ihr nicht einmal aufgefallen.

Sie schüttelte den Kopf. „Ich wünsche den beiden alles Gute.“

„Gott, sind Sie nett!“ Er strich ihr sanft eine wellige Haarsträhne aus dem Gesicht. „Wie können Sie so … gnädig sein?“

Sie zuckte zusammen. Noch ein Mann, der sie nett nannte. Das war doch nur ein anderes Wort für ängstlich oder feige. Kein Wunder, dass Alessandro kleine Maus zu ihr sagte. „Halten Sie mich für einen Feigling?“, wisperte sie.

„Wovon reden Sie?“ Er nahm ihr das leere Glas aus der Hand und gab ihr sein eigenes, volles. „Hier, trinken Sie das.“

Ungeweinte Tränen schimmerten in ihren Augen, als sie ihn anschaute. „Das hätte ich nicht laut aussprechen sollen. Sie müssen denken …“