Jung bleiben ist Kopfsache - Prof. Dr. med. Bernd Kleine-Gunk - E-Book

Jung bleiben ist Kopfsache E-Book

Prof. Dr. med. Bernd Kleine-Gunk

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Beschreibung

Altern besser verstehen und entscheidend verlangsamen - vom Bestsellerautor und Altersmediziner Altersforschung ist ein Bereich, in dem sich die neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse seit Jahren schier überschlagen, weshalb auch die Big Player aus dem Silicon Valley hier massiv investieren. In diesem Buch nimmt uns Professor Dr. Kleine-Gunk, einer der weltweit führenden Anti-Aging-Mediziner, mit auf die Entdeckungsreise zu den zahllosen Alterungsprozessen, die von unserem Gehirn direkt beeinflusst und gesteuert werden. Er erklärt und gewichtet die neuesten, bahnbrechenden Forschungsergebnissen aus der Wissenschaft ebenso spannend wie unterhaltsam. So erfahren wir etwa, wie unser Denken unseren Hormonhaushalt, aber auch unser Mikrobiom im Darm beeinflusst, warum auch Seele ein Immunsystem besitzt und wie wir dieses stärken. Aber auch, was wir von Superalten lernen können – und, warum auch Glück im Alter vor allem Kopfsache ist - und wie wir es finden. Ein Buch für alle, die die natürlichen Alterungsprozesse besser verstehen und deutlich verlangsamen wollen.

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Seitenzahl: 280

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Impressum

© eBook: 2022 GRÄFE UND UNZER VERLAG GmbH, Postfach 860366, 81630 München

© Printausgabe: 2022 GRÄFE UND UNZER VERLAG GmbH, Postfach 860366, 81630 München

Gräfe und Unzer ist eine eingetragene Marke der GRÄFE UND UNZER VERLAG GmbH, www.gu.de

Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck, auch auszugsweise, sowie Verbreitung durch Bild, Funk, Fernsehen und Internet, durch fotomechanische Wiedergabe, Tonträger und Datenverarbeitungssysteme jeder Art nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlages.

Projektleitung: Reinhard Brendli

Lektorat: Ulrike Auras

Covergestaltung: ki36, München

eBook-Herstellung: Lea Stroetmann

ISBN 978-3-8338-8430-6

1. Auflage 2022

Bildnachweis

Coverabbildung: thenounproject.com

Fotos: privat

Syndication: www.seasons.agency

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VORWORT

»Im Grunde haben die Menschen nur zwei Wünsche: alt zu werden und dabei jung zu bleiben.«

PETER BAMM

Lange Zeit war es Wunschdenken, heute ist es Wirklichkeit. Altern ist kein Schicksal mehr. Altern ist ein gestaltbarer Prozess. Diese Erkenntnis verdanken wir zum einen den zahlreichen Forschern aus dem neuen Fachbereich der Biogerontologie – der Wissenschaft von den biologischen Alterungsvorgängen. Zum anderen aber auch der zunehmenden Zahl der Anti-Aging-Ärzte. Vor wenigen Jahren noch belächelt, gehört heute ihr Fach zu den Schlüsseldisziplinen der Medizin. Allgemein verbreitet haben das aktuelle Wissen zum Thema Altern zahlreiche Anti-Aging-Ratgeber, die inzwischen regelmäßig auf den Beststellerlisten landen.

Ihre Kernbotschaft ist hinreichend bekannt: Eine ausgewogene Ernährung ist die Basis für eine gesunde Lebensführung. Regelmäßige Bewegung hilft uns, auch im Alter fit zu bleiben. Dass wir besser mit dem Fahrrad zur Arbeit fahren und unser Gemüse aufessen sollten, braucht also nicht noch einmal besonders betont zu werden.

So wichtig die Themen Ernährung und Bewegung auch weiterhin sind – sie sind nicht allein entscheidend für unsere Vitalität und eine gesunde Langlebigkeit. Da kommt noch ein weiterer wichtiger Aspekt hinzu, der bisher allerdings nur wenig Beachtung gefunden hat: unser Denken. Nicht nur unser Verdauungssystem und unser Bewegungsapparat tragen zu einem gesunden Altern bei – auch die 85 Milliarden Nervenzellen in unserem Kopf tun dies, und ob Altern gelingt, das ist nicht zuletzt auch eine Frage der richtigen mentalen Einstellung.

In dem vorliegenden Buch wollen wir also der Frage nachgehen, wie »kopfgesteuert« der Alterungsprozess ist und wie wir seine unterschiedlichen Aspekte gezielt aus der Kommandozentrale unseres Gehirns heraus regulieren können. Dabei darf man sich durchaus auf einige Überraschungen gefasst machen. Kann ich meine Hormone bewusst beeinflussen und was haben sie mit dem Gehirn zu tun? Gibt es eine Widerstandskraft der Seele und lässt sie sich trainieren? Wie organisiere ich das Zusammenleben mit Billionen von Bakterien zum gegenseitigen Nutzen? Und lassen sich durch Denken sogar unsere Gene verändern?

Schon diese Fragen zeigen: Es geht in dem vorliegenden Buch auch um völlig neue Themenfelder. Die haben sich erst in den letzten Jahren etabliert, sind aber vor allem für die Anti-Aging-Medizin von größter Bedeutung. Die Mikrobiomforschung etwa hat gezeigt, welch entscheidenden Einfluss die Vielzahl von Bakterien, die in uns und auf uns leben, für unsere Gesundheit haben. Die Entdeckung des Epigenoms – unseres zweiten genetischen Codes – hat unser Bild der Vererbungsprozesse revolutioniert. Und so ist dieses Buch auch ein kleiner Streifzug durch die neuen Wissenschaftszweige, die für die Anti-Aging-Medizin in den letzten Jahren relevant geworden sind.

Wenn Altern Kopfsache ist, dann bedeutet das natürlich auch, dass wir das Organ, welches unser Kopf beherbergt, vor Alterung schützen müssen. Neurodegenerative Erkrankungen – allen voran die unterschiedlichen Formen der Demenz – drohen laut Deutschem Ärzteblatt zur »Epidemie des 21. Jahrhunderts« zu werden. Therapeutische Durchbrüche sind hier derzeit leider nicht in Sicht. Wohl aber hat das Wissen über die vielfältigen Möglichkeiten der Prävention zugenommen. Auch diese wird in diesem Buch umfassend dargestellt.

Und schließlich bedeutet »Kopfsache Altern« nicht zuletzt, über das Altern selbst völlig neu nachzudenken. Das ist dringend geboten. Die demografische Entwicklung mit einer immer weiteren Zunahme des älteren Bevölkerungsanteils ist ungebrochen. Die Frage ist, ob dies tatsächlich ein Problem darstellt, wie es in den einschlägigen Szenarien einer überalterten Gesellschaft oder gar eines »Methusalem-Komplotts« beschrieben wird. Denn wenn immer mehr Menschen immer älter werden und – nicht zuletzt dank der Fortschritte der Anti-Aging-Medizin – dabei immer länger gesund bleiben, dann muss das für die Gesellschaft nicht unbedingt eine Bedrohung darstellen. Es kann auch völlig neue Möglichkeiten eröffnen. Jungbleiben ist Kopfsache bedeutet daher nicht zuletzt, Altern einmal aus einer ganz anderen Perspektive zu betrachten.

Prof. Dr. med. Kleine-Gunk

Prof. Dr. med. Bernd Kleine-Gunk zählt zu den weltweit führenden Anti-Aging-Medizinern. Er ist Herausgeber des ersten deutschen Fachbuches zum Thema und Präsident der German Society of Anti-Aging Medicine (GSAAM) – mit 1200 Ärzten die größte Anti-Aging-Gesellschaft Europas. Er veranstaltet auch regelmäßig Kongresse, Seminare und Fortbildungsveranstaltungen dazu im In- und Ausland. In China war er als Berater für »Health Cities« tätig – also von Städten, in deren Bau die neuesten Erkenntnisse der Präventivmedizin einfließen.

HORMONGESTEUERT ODER SELBSTBESTIMMT?

WARUM HORMONE DIE REGISSEURE UNSERES LEBENS SIND, WIR ABER TROTZDEM EINFLUSS AUF SIE HABEN

Thema dieses Buches ist der Einfluss, den unser Gehirn auf unser Befinden, unsere Gesundheit und unseren Alterungsprozess hat. Da ist es zunächst einmal sinnvoll, mit einer einfachen Frage zu beginnen: Wie kommuniziert unser Gehirn eigentlich mit dem Rest unseres Körpers?

Die überragende Bedeutung von Informations- und Kommunikationstechnologien muss man im 21. Jahrhundert nicht mehr besonders betonen. Im »Global Village« sind inzwischen zumindest theoretisch alle mit allen verbunden. Die über sieben Milliarden Menschen auf der Erde nutzen dabei ganz unterschiedliche Technologien, um sich untereinander auszutauschen – vom traditionellen Telefon über den E-Mail-Verkehr bis zum Datentransfer mittels Smartphone. Unser Gehirn mit seinen knapp 100 Milliarden Nervenzellen steht ebenfalls im ständigen Austausch mit den 30 Billionen restlichen Körperzellen. Auch dazu braucht es eine hocheffiziente Kommunikationstechnologie. Unser Gehirn nutzt davon sogar gleich zwei.

Die Hirn-Körper-Kommunikation

Das eine Nachrichtennetz ist unser Nervensystem. Es lässt sich vergleichen mit dem guten, alten Kabelnetz. Ausgehend vom Gehirn als übergeordneter Steuerungszentrale durchzieht es den Organismus mit unzähligen Strängen, die sich bis in die letzten Körperwinkel hinein verzweigen. Und genauso wie im Kabelnetz erfolgt auch die Signalübertragung durch elektrische Impulse.

Das Nervensystem übermittelt Informationen dabei nicht nur in eine Richtung, von der Schaltzentrale in die Peripherie, sondern es erlaubt auch den Informationsfluss zur Zentrale. Das ist vor allem bei der Übermittlung von Sinnes- und Schmerzreizen wichtig. Dass für diese Art von Informationstransfer elektrische Impulse genutzt werden, ist durchaus sinnvoll. Denn Strom hat eine besondere Eigenschaft: Er fließt schnell. Das tut er auch in unseren Nerven. Wer jemals auf eine heiße Herdplatte gefasst hat, weiß es zu schätzen, dass der Befehl »Hand wegziehen« nicht erst nach einigen Minuten erfolgt.

Auf der anderen Seite ist elektrischer Strom aber auch ziemlich eindimensional. Einschalten – ausschalten. Viel mehr Alternativen gibt es nicht. Deshalb leistet sich unser Körper neben der schnellen Nervenbahn noch ein zweites Informationsnetzwerk, das völlig anders arbeitet. In ihm erfolgt die Informationsübertragung durch Moleküle, die von speziellen, den endokrinen, Drüsen abgegeben werden. Als Transportweg dienen dafür nicht die Nervenfasern, sondern vor allem die Blutgefäße. Das macht den Transport zwar sehr viel langsamer, eröffnet aber auch ganz neue Möglichkeiten. Über das Blut können eine Vielzahl von unterschiedlichen Botenstoffen transportiert werden, die wesentlich komplexere Reaktionen ermöglichen als die schnelle, aber relativ einförmige Übertragung mittels Nervenimpuls.

Bekannt sind diese Botenstoffe unter dem Namen Hormone. Sie sind die Kuriere zwischen Kopf und Körper und gleichzeitig die unsichtbaren Regisseure unseres Lebens. Trotz der vielen großartigen Aufgaben, die sie erfüllen, haben Hormone aber häufig eine schlechte Presse.

Wenn sich niedliche kleine Kinder mit etwa zwölf Jahren in unberechenbare Pubertiere verwandeln, wenn liebenswerte Frauen prämenstruell zu wahren Furien mutieren oder wenn ansonsten rational denkende Männer Entscheidungen treffen, bei denen die Hoden offenbar mehr Einfluss hatten als das Großhirn – immer dann spielen die Hormone eine Rolle. Und selten eine überzeugende. »Das war nicht ich – das waren meine Hormone«, ist die Standardausrede all derjenigen, die für sich – zumindest zeitweise – eine Art endokrine Unzurechnungsfähigkeit in Anspruch nehmen. Hormongesteuert wäre demnach sozusagen das Gegenteil von selbstbestimmt.

Sind wir also tatsächlich das Opfer von Botenstoffen, die uns immer wieder zur Unzeit das Hirn vernebeln? Oder haben wir auch die Möglichkeit, durch den Einsatz unseres Gehirns unsere Hormone gezielt zu beeinflussen? Das wollen wir uns im Folgenden einmal ein wenig genauer anschauen. Und bei dieser Gelegenheit lassen sich dann vielleicht auch gleich einige Vorurteile über Hormone aus dem Weg zu räumen. Zumindest wenn uns die Botenstoffe nicht gerade am klaren Denken hindern.

Der große Unterschied: Wechseljahre

Fangen wir an mit den Geschlechtshormonen. Die sind ja bei Männern und Frauen durchaus unterschiedlich, was nicht zuletzt zur Folge hat, dass eine ganze Reihe von populärwissenschaftlichen Ratgebern geschlechtsspezifisches Verhalten auf hormonelle Besonderheiten zurückführt. Jungs spielen mit Legosteinen, Mädchen mit Barbiepuppen. Die einen tragen Blau, die anderen Pink. Frauen kommen von der Venus und können nicht einparken. Männer stammen vom Mars und hören nicht zu. So weit, so platt.

Abgesehen davon, dass es sich bei vielen dieser Stereotypen eher um gesellschaftliche Konstrukte handelt als um handfeste biologische Unterschiede, ist das mit der Zuordnung der Geschlechtshormone auch gar nicht so eindeutig, wie es auf den ersten Blick erscheint. Frauen produzieren nämlich nicht nur Östrogene und Progesteron. Sie bilden auch männliche Geschlechtshormone. Umgekehrt sind Männer nicht nur testosterongesteuert. In ihrem Blut finden sich nicht unerhebliche Mengen an Östrogen. Hormonell gesehen sind wir also alle Mischwesen, auch wenn es bezüglich der Konzentration der jeweiligen Hormone natürlich Unterschiede zwischen den Geschlechtern gibt.

Unabhängig von der jeweiligen Konzentration der Geschlechtshormone gibt es noch etwas anderes, das Frauen und Männer unterscheidet. Frauen kommen in die Wechseljahre. Die werden zwar Männern auch immer mal wieder nachgesagt. Der Vergleich ist allerdings nicht schlüssig. Die Wechseljahre, die Frauen zumeist ab Beginn des 5. Lebensjahrzehnts erleben, bedeuten in erster Linie, dass die Eierstöcke ihre Funktion aufgeben. Eierstöcke haben vor allem zwei Aufgaben. Die eine ist die Bereitstellung befruchtungsfähiger Eizellen. Die andere ist die Produktion von Geschlechtshormonen.

Werden keine Eizellen mehr gebildet, so bedeutet dies das Ende der Fruchtbarkeit. Für die meisten Frauen ab 50 ist das kein allzu großes Problem. Das Kinderkriegen überlassen sie in diesem Alter gern der nächsten Generation. Der plötzlich einsetzende Hormonmangel macht dagegen doch recht vielen Frauen zu schaffen. Hitzewallungen, Schlafstörungen und depressive Verstimmungen sind die typischen Folgen. Männer verzeichnen zwar in diesem Alter auch ein Nachlassen ihrer Hormonproduktion. Im Gegensatz zu den Eierstöcken geben die Hoden ihre Tätigkeit aber nie ganz auf. Theoretisch bleiben Männer somit bis ins hohe Alter hinein zeugungsfähig. Die Klatschpresse berichtet dann gerne begeistert, wenn Mick Jagger mit 73 oder Anthony Quinn mit über 80 Jahren noch einmal Vater geworden sind. Böse Zungen weisen zwar immer wieder darauf hin, dass man sich bezüglich der Vaterschaft ja nie so ganz sicher sein kann. Aber halten wir an dieser Stelle einfach einmal fest: Biologisch ist das grundsätzlich möglich.

Die Wechseljahre sind also tatsächlich etwas, das Frauen grundsätzlich von Männern unterscheidet. Und noch eine Besonderheit zeichnet die Wechseljahre aus. Andere Säugetiere, zu denen wir ja biologisch gehören, kennen keine Wechseljahre. Weibliche Tiere bleiben im Allgemeinen bis ins hohe Alter hinein fortpflanzungsfähig. Nur Orca-Wale machen da eine Ausnahme. So »natürlich« die Wechseljahre der Frau auch sind – in der Natur kommt dieses Phänomen sonst so gut wie nicht vor. Wieso dann beim Menschen? Das hat vor allem damit zu tun, dass Menschenjunge sehr unreif zur Welt kommen und dann extrem lange für ihre Aufzucht brauchen. Während die meisten Tierjungen nur einige Wochen oder Monate benötigen, um einigermaßen selbstständig durchs Leben zu kommen, braucht ein Menschenjunges dafür 15 bis 18 Jahre. Die vielen Fälle, die nie richtig erwachsen werden, wollen wir hier gar nicht erwähnen.

Insofern ist es also durchaus sinnvoll, dass die Fruchtbarkeit bei Menschenfrauen begrenzt ist, denn nur so ist sichergestellt, dass die zuletzt Geborenen auch noch von der eigenen Mutter großgezogen werden können. Der eigentliche biologische Sinn der Wechseljahre ist also die Beendigung der Fruchtbarkeit. Auch aus diesem Grunde verabschieden sich die Eierstöcke mit Anfang 50 aus dem Arbeitsleben. Dass damit auch die Produktion der Geschlechtshormone versiegt, ist eher ein Nebeneffekt. Allerdings einer, der den meisten Frauen nicht unbedingt gut tut.

Die Neuronenschützer Östrogen und Progesteron

Bekanntermaßen führen die Wechseljahre zu typischen psychovegetativen Beschwerden wie Hitzewallungen, Schlafstörungen und depressiven Verstimmungen. Diese Beschwerden sind jedoch nur die eine Seite der Medaille. Auf der anderen Seite stehen organische Veränderungen. Östrogene sind Schutzhormone für Knochen und Blutgefäße. Ihr Mangel begünstigt das Auftreten einer Osteoporose oder von Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Insbesondere Studien der letzten Jahre zeigen darüber hinaus: Östrogene schützen auch das weibliche Gehirn. Fehlen sie, so führt das zu einer Häufung von neurodegenerativen Erkrankungen. Von denen sind Frauen in ganz besonderer Weise betroffen. Nach aktuellen Statistiken sind zwei von drei Alzheimer-Patienten Frauen.1 Lange Zeit hat man das damit erklärt, dass Frauen eine höhere Lebenserwartung aufweisen als Männer. Damit haben sie natürlich auch ein größeres Risiko, an altersassoziierten Erkrankungen wie dem Morbus Alzheimer zu erkranken. Aber so einfach ist die Sache offensichtlich nicht. Vergleichen wir tausend 80-jährige Frauen mit tausend 80-jährigen Männern, so ist die Demenzrate in der Frauengruppe deutlich höher. Das Risiko einer 45-jährigen Frau, im weiteren Verlauf ihres Lebens einen Morbus Alzheimer zu entwickeln, beträgt 20 Prozent. Für einen gleichaltrigen Mann sind es lediglich zehn Prozent.

Auch im Zusammenhang mit anderen Erkrankungen sind die Zahlen erschreckend. Für eine Frau über 60 ist das Risiko, an Alzheimer zu erkranken, doppelt so hoch wie das Risiko, einen Brustkrebs zu bekommen.2

Vieles deutet darauf hin, dass es tatsächlich der Östrogenmangel ist, der dafür im Wesentlichen verantwortlich ist. Denn Östrogene sind eine Art »Masterregulator« für das weibliche Gehirn. Ihre neuroprotektiven (nervenzellschützenden) Wirkungen erstrecken sich dabei auf viele Gebiete.3 Das beginnt bereits bei der Durchblutung. Östrogene sind Vasodilatatoren, also Substanzen, welche die Blutgefäße erweitern und damit zu einer besseren Durchblutung führen. Kein anderes Organ in unserem Körper wird derart intensiv durchblutet wie unser Gehirn. Keines hat auch einen derart intensiven Energie- und Nährstoffbedarf. Unser Gehirn macht zwar nur etwa zwei Prozent unseres Körpergewichtes aus, verbraucht aber etwa 20 Prozent der täglich zugeführten Energie. In der Autobranche würde man von einem echten »Spritfresser« sprechen. Der benötigte Treibstoff kommt dabei über die Blutbahn ins Gehirn.

Östrogene fördern darüber hinaus die Ausbildung neuer Verbindungen zwischen den Nervenzellen. Wie entscheidend diese sogenannte Neuroplastizität ist, werde ich im Kapitel »Gegen das Vergessen« (ab >) noch ausführlich beschreiben. Und schließlich sind Östrogene auch so etwas wie ein natürliches Antidepressivum, das Einfluss nimmt auf eine Vielzahl von Neurotransmittern, die Botenstoffe in unserem Gehirn.4

Neuroprotektiv wirkt dabei im Übrigen auch das zweite weibliche Geschlechtshormon, das Progesteron oder Gelbkörperhormon. Es bindet vor allem an die Rezeptoren für Gammaaminobuttersäure (GABA), was einen beruhigenden und schlaffördernden Effekt hat. Progesteron ist so etwas wie das körpereigene Valium. Die gefürchteten Schlafstörungen in den Wechseljahren sind meistens Folge des Progesteronmangels. Während Östrogene hauptsächlich die Nervenzellen selbst schützen, regeneriert Progesteron vor allem die Myelinscheiden, also die schützenden Membranen, welche die Nervenzellen ummanteln. Auch das beugt neurodegenerativen Erkrankungen vor.5

Was Frau beeinflussen kann und was nicht

Beide weiblichen Geschlechtshormone – Östrogen und Progesteron – schützen also das Gehirn. Die Empfehlung, bei Frauen, denen die Gebärmutter entfernt wurde, eine Hormonersatztherapie ausschließlich mit Östrogenen durchzuführen, ist vor diesem Hintergrund alles andere als sinnvoll. Hinter solchen Empfehlungen steckt im Wesentlichen das Konzept, dass Gelbkörperhormon vor allem dazu da ist, die Gebärmutterschleimhaut vor einer übermäßigen Stimulation durch das Östrogen zu schützen. Ist keine Gebärmutter mehr vorhanden, wäre ein solcher Schutz also auch nicht mehr nötig. Progesteron ist aber wesentlich mehr als nur ein Gebärmutterschutzhormon. Es wirkt sich, wie oben dargelegt, auch schützend auf das weibliche Gehirn aus. Wer Hormone nur auf einen einzelnen Faktor reduziert, der verkennt ihre einzigartige Komplexität. Wer Frauen nur auf ihre Fortpflanzungsorgane reduziert, der tut das Gleiche.

Die Wechseljahre möglichst lange hinauszuschieben beziehungsweise die Hormonproduktion auch danach aufrechtzuerhalten, wäre also eine durchaus sinnvolle Maßnahme. Da stellt sich die Frage: Kann ich als Frau durch meinen Lebensstil, die Ernährung oder mentale Techniken die Produktion meiner Geschlechtshormone tatsächlich wieder ankurbeln? Die Antwort lautet: Leider nein. Oder zumindest nur sehr bedingt. Zwar gibt es Faktoren, die sich vermeiden lassen, um verfrüht in die Wechseljahre zu kommen. Hier steht das Rauchen wieder einmal ganz oben auf der Liste. Nikotin schädigt bekanntermaßen unsere Blutgefäße. Ein schlechter durchblutetes Gewebe ist weniger leistungsfähig. Für die Eierstöcke bedeutet das: Bei Raucherinnen verabschieden sie sich durchschnittlich zwei bis drei Jahre früher in den Ruhestand als bei Nichtraucherinnen.6 Wem also immer noch ein Argument fehlt, endlich mit dem Rauchen aufzuhören – hier ist es.

Abgesehen davon gibt es aber so gut wie keine Möglichkeit, die eigenen Eierstöcke wieder zu revitalisieren, wenn diese sich im Rahmen der Wechseljahre in den Ruhestand verabschiedet haben. Angeboten wird hier zwar einiges. Hormonyoga etwa erfreut sich großer Beliebtheit, Akupunktur und anthroposophische Verfahren sind ebenfalls populär. Es ist auch durchaus nicht so, dass diese Behandlungen keinerlei Wirkung zeigen. Allerdings sollte man bei der Beurteilung etwas vermeiden, das man in der Philosophie einen Kategorienfehler nennt. Wechseljahre sind etwas anderes als Wechseljahrsbeschwerden. Der Begriff Wechseljahre bezieht sich auf das Versiegen der Hormonproduktion. Wechseljahrsbeschwerden wiederum nennt man die sich daraus häufig ergebenden körperlichen und psychovegetativen Störungen.

Durch Hormonyoga und ähnliche Verfahren lassen sich die lästigen Hitzewallungen durchaus reduzieren. Entspannungstechniken, die im nächsten Kapitel ausführlich beschrieben werden, können helfen, Einschlafstörungen oder auch depressive Verstimmungen positiv zu beeinflussen. Die Hormonproduktion selbst wird dadurch allerdings nicht wieder angekurbelt. Die Östrogenspiegel bleiben nach den Wechseljahren dauerhaft niedrig. Das bedeutet, dass vor allem die hormonmangelbedingten Organerkrankungen durch diese Methoden kaum beeinflusst werden. Die Knochendichte nimmt weiterhin ab. Das Arterioskleroserisiko steigt weiter an. Und die Gefahr einer Demenz im Alter wächst. Diese Risiken lassen sich eigentlich nur durch eine einzige Maßnahme beeinflussen, nämlich durch den Ersatz der fehlenden Hormone.

Hormonersatztherapie – Schrecken oder Segen?

Die sogenannte Hormonersatztherapie wird seit mehr als 50 Jahren praktiziert. Allerdings ist ihre Geschichte so wechselhaft wie die Wechseljahre selber. Galt der Ersatz der fehlenden Hormone in den 1980er- und 1990er-Jahren noch als eine Art »endokriner Jungbrunnen«, so geriet die Therapie Anfang des neuen Jahrtausends in Verruf. Eine große amerikanische Untersuchung, die sogenannte WHI-Studie (Womens Health Initiative), hatte gezeigt, dass der Hormonersatz mit nicht unerheblichen Risiken verbunden ist. Vor allem Brustkrebs und Thrombosen traten gehäuft auf.7 Die Studie war für viele Frauen ein Schock. Und für die Frauenärzte nicht minder. Die Konsequenz lautete fortan: Lieber schwitzen als an Brustkrebs erkranken. Die Verordnung der Hormonersatzpräparate brach weltweit ein.

Seitdem sind jedoch mehr als 20 Jahre vergangen. Und das Schöne an wissenschaftlicher Medizin ist ja: Sie entwickelt sich weiter. Das gilt auch für das Konzept der Hormonersatztherapie. Die wird inzwischen ganz anders durchgeführt als noch vor 20 Jahren. Statt künstlicher, also chemisch veränderter Hormone kommen nun bioidentische Hormone zum Einsatz. Dadurch sinkt das Brustkrebsrisiko. Statt die Östrogene in Tablettenform zu geben, werden sie als Spray beziehungsweise als Gel auf die Haut aufgetragen. Das minimiert das Thromboserisiko. Und insgesamt verwendet man heute deutlich geringere Dosierungen als noch vor 30 Jahren. Gleichwohl gilt: Die Angst sitzt weiterhin tief. Viele Frauen stehen einer Hormonersatztherapie auch weiterhin kritisch gegenüber. Die »Blockade im Kopf« ist nach wie vor vorhanden.

Deshalb hier noch einmal die Kernbotschaften, die in diesem Zusammenhang wichtig sind. Wechseljahrsbeschwerden sind eben nicht nur die allseits bekannten psychovegetativen Symptome wie Hitzewallungen und Co. Zu den Folgen der Wechseljahre gehören langfristig auch organische Veränderungen – bis hin zu einem deutlich erhöhten Demenzrisiko.

Psychovegetative Beschwerden lassen sich mit den unterschiedlichsten Therapien behandeln. Sie sind vor allem Ausdruck der hormonellen Umstellung, was bedeutet: In vielen Fällen bessern sie sich auch von selbst. Hormonmangelbedingte Organerkrankungen sind dagegen nicht Folge der hormonellen Umstellung, sondern Konsequenz des dauerhaften hormonellen Mangels. Von daher werden sie auch nicht mit der Zeit besser. Im Gegenteil. Sie verschlechtern sich weiter, je länger der Mangel besteht. Akupunktur und Hormonyoga helfen da so gut wie gar nicht. Hormonmangelbedingten Organerkrankungen beugt man am besten durch den Ersatz der fehlenden Hormone vor.

Das lässt sich inzwischen durch eine Vielzahl von Studien belegen. Diese einzeln aufzuführen würde den Umfang dieses Buches sprengen. Interessierte Leserinnen seien hier auf den Ratgeber »Entspannt durch die Wechseljahre« verwiesen. Eine Studie sei allerdings dennoch erwähnt. Sie zeigt, wie sehr auch die Entscheidung bezüglich einer solchen Therapieform letztendlich Kopfsache ist. In der Allgemeinbevölkerung nutzen nur knapp 30 Prozent aller Frauen in und nach den Wechseljahren die Möglichkeit einer Hormonersatztherapie. Unter den Gynäkologinnen, also in einer weiblichen Bevölkerungsgruppe, die sich hauptberuflich mit diesem Thema auseinandersetzt, liegt dieser Prozentsatz bei sage und schreibe 96 Prozent.8 Wer sich also fundiert mit einem Thema beschäftigt, kommt dann häufig doch zu anderen Schlüssen, als diejenigen, die ihr Wissen hauptsächlich aus der Laienpresse oder von Instagram-Influencerinnen beziehen.

Damit wäre das Wichtigste zu den weiblichen Hormonen beziehungsweise zu dem, was sie mit dem gesunden Älterwerden zu tun haben, gesagt. Schauen wir uns nun die Männer an.

Länger und besser leben durch Testosteron?

Inzwischen ist es schon fast 40 Jahre her, dass Herbert Grönemeyer in einem berühmten Song die Frage stellte: »Wann ist man ein Mann?« Zumindest die Endokrinologen – das sind die Hormonspezialisten – haben darauf eine ziemlich präzise Antwort: Sobald seine Hoden anfangen, Testosteron zu produzieren. Testosteron ist tatsächlich das Hormon, das aus Jungens Männer macht. Es lässt die Körperbehaarung sprießen, baut Muskeln auf und sorgt für maskuline Züge. Und selbstverständlich ist es verantwortlich für die Spermienproduktion und das sexuelle Verlangen. Wie entscheidend das Testosteron für die Geschlechtsentwicklung ist, lässt sich im Übrigen eindrucksvoll an einem seltenen Krankheitsbild demonstrieren. Bei der »Testikulären Feminisierung« sind die betroffenen Patienten genetisch eindeutig männlich. Sie produzieren sogar in ihren Hoden normale Mengen an Testosteron. Allerdings kann dieses aufgrund eines genetischen Defektes an den zuständigen Rezeptoren seine entsprechende Wirkung nicht entfalten. Die Folge ist: Diese Männer entwickeln sich wie Frauen und haben so gut wie keine Körperbehaarung (Hairless Women Syndrome). Ein Beleg für die Tatsache: Die Natur bevorzugt das Weibliche. Denn die Natur interessiert sich vor allem für die Fortpflanzung der eigenen Art und zu der tragen Frauen nun einmal deutlich mehr bei. Um zu einem Mann zu werden, bedarf es einer besonderen Anstrengung. Beziehungsweise besonderer Hormone.

Testosteron ist also für die Mannwerdung wichtig. Aber ist es auch ein »Anti-Aging-Hormon«, wie oft behauptet wurde? Daran gibt es immer wieder Zweifel. Aus der Veterinärmedizin wissen wir etwa: Eine frühzeitige Kastration männlicher Tiere führt nicht zu einer verkürzten Lebenserwartung. Im Gegenteil: Ein Ochse lebt länger als ein Stier, ein Wallach lebt länger als ein Hengst. Beim Menschen sind entsprechende Untersuchungen aus naheliegenden Gründen schwierig. Die frühzeitige Kastration ist in letzter Zeit doch ein wenig aus der Mode geraten. Sie war aber lange Zeit an manchen Orten der Welt durchaus üblich. Zum Beispiel wurde sie über mehrere Jahrhunderte hinweg am koreanischen Königshof praktiziert. Und anhand der dortigen Aufzeichnungen lässt sich nachrechnen, dass die Lebenserwartung der Hofeunuchen gegenüber desjenigen der anderen dort lebenden Männer ebenfalls nicht verkürzt war. Die Eunuchen lebten sogar zwölf Jahre länger.9 Bevor Sie nun – vorausgesetzt, Sie sind ein männlicher Leser – gleich beim nächsten Krankenhaus anrufen, um einen entsprechenden Operationstermin zu vereinbaren, lassen Sie mich noch kurz ein paar neuere Studien anführen. So kam zum Beispiel eine aktuelle Metaanalyse, also eine Auswertung gleich mehrerer Untersuchungen, zu dem Ergebnis, dass Männer mit niedrigem Testosteronspiegel ein erhöhtes Risiko für Herz- und Gefäßerkrankungen aufweisen.10 Die niedrigste Sterblichkeitsrate fand sich dagegen bei Männern mit der höchsten Konzentration von Testosteron im Blut.

Wie das mit dem längeren Leben und dem Testosteron auch sein mag – es geht in diesem Zusammenhang ja nicht nur um die statistische Lebenserwartung, sondern auch um die individuelle Lebensqualität. Und zu der trägt Testosteron ohne Frage einiges bei.

Den Sex habe ich schon genannt. Testosteron ist das Hormon für sexuelles Verlangen schlechthin. Das gilt übrigens für Männer wie für Frauen. Androgene – Sammelbegriff für alle männlichen Geschlechtshormone – bringen aber auch ansonsten Schwung ins Leben. Wenn Männer vom Sofa nicht mehr runter- und aus der Strickjacke nicht mehr rauskommen, ist das ein ziemlich sicheres Zeichen für einen Androgenmangel. Dass männliche Hormone Muskeln auf- und Fett abbauen, ist in den meisten Fällen auch nicht gerade ein unerwünschter Effekt. Nicht zuletzt ist es einer der Gründe, warum sich Testosteron bei Sportlern und Bodybuildern großer Beliebtheit erfreut. Neben dem Wachstumshormon, auf das ich später noch komme, ist es das wirkungsvollste hormonelle Anabolikum überhaupt.

Ob das Leben mit Testosteron nun länger dauert, mag noch nicht abschließend geklärt sein. Dass es einem ohne Testosteron länger vorkommt, weil es einfach langweiliger ist, kann allerdings als gesichert gelten. Gute Gründe also, auch im Alter auf seinen Testosteronspiegel zu achten.

Was »Testosteronmangel« genau bedeutet …

Dass Männer nicht wie Frauen in die Wechseljahre kommen, habe ich bereits erwähnt. Begriffe wie Andropause (das männliche Pendant zur Menopause) oder Klimakterium virile (als Entsprechung zum weiblichen Klimakterium) sollte man daher aus dem Vokabular streichen. Sie sind einfach unrichtig. Die Hoden bleiben – im Gegensatz zu den Eierstöcken – ein Leben lang aktiv. Allerdings lässt ihre Aktivität mit dem Alter doch nach. Ab dem 40. Lebensjahr sinkt die Produktion von Testosteron um 0,5 bis 1 Prozent pro Jahr. Das kann – da haben wir dann doch eine gewisse Parallele zu den weiblichen Wechseljahren – ebenfalls zu Beschwerden führen. Libidoverlust, Antriebsarmut, Schlafstörungen und depressive Verstimmungen gehören zu den klassischen Symptomen. Auch Hitzewallungen, die typischen Beschwerden der Wechseljahre bei Frauen, können auftreten.

Wie man das Ganze korrekt benennt, darüber herrscht noch keine Einigkeit im medizinischen Bereich. Urologen sprechen gerne vom Altershypogonadismus beziehungsweise vom »Late onset Hypogonadismus«, um damit eine Parallele zum eindeutig definierten Krankheitsbild einer Unterfunktion der Hoden (Hypogonadismus) bei jüngeren Männern zu ziehen. Eine recht treffende und auch lautmalerisch ansprechende Bezeichnung ist das Kürzel PADAM für das »Partielle Androgendefizit des alternden Mannes«. Das lässt sich sogar relativ exakt messen. Bei Testosteronwerten unter zwölf Nanomol pro Liter kann man von einem Mangel ausgehen. Spätestens bei Werten unter acht Nanomol pro Liter ist eine kritische Grenze unterschritten. Wobei tatsächlicher Handlungsbedarf immer nur dann besteht, wenn folgende zwei Dinge zusammenkommen:

>> die klinischen Symptome, die ich oben aufgeführt habe, sowie >> ein laborchemisch nachgewiesener Testosteronmangel.

So klar definiert wie die Grenzen der Testosteronspiegel inzwischen sind – Experten hätten es gerne noch etwas präziser. Die Testosteronspiegel von Männern im Jugendalter weichen nämlich deutlich voneinander ab. Und an denen sollte sich eigentlich der »individuelle Normwert« orientieren. Allerdings – wer weiß schon, wie seine Testosteronwerte im jungen Erwachsenenalter waren? Da freute man sich einfach, dass alles so gut funktionierte, und kam gar nicht auf die Idee, die Hormone irgendwann messen zu lassen. Für künftige Generationen ist dies aber doch eine ganz gute Anregung. Wenn die Grenzwerte nicht mehr vom Gemeinschaftslabor, sondern von der individuellen Vorgeschichte der Einzelnen bestimmt werden, ist das sicher ein wichtiger Schritt in Richtung einer personalisierten Medizin. Also einer Medizin, die bei der Behandlung von Krankheiten die individuellen Gegebenheiten der Patienten stark berücksichtigt und so zu passgenaueren Behandlungen kommt.

… und was Mann dagegen tun kann

Was also tun, wenn die Testosteronwerte im Alter zu niedrig werden? Da gibt es zunächst einmal eine gute Nachricht: Männer haben nämlich sehr viel mehr Möglichkeiten, ihre Hormonspiegel zu beeinflussen, als Frauen. Wohlgemerkt – wir sprechen hier über die Hormone selber, nicht über die hormonmangelbedingten Beschwerden.

Die mit Abstand wichtigste Maßnahme, seine Testosteronspiegel vor dem Absinken zu schützen, lautet: Vermeiden Sie Übergewicht. Beziehungsweise wird es in den meisten Fällen wohl eher darum gehen, Übergewicht zu reduzieren.

Warum aber ist Fettgewebe ein Testosteronkiller? Vor allem, weil sich dort ein spezielles Enzym befindet, nämlich die sogenannte Fettgewebsaromatase. Die hat eine ganz besondere Eigenschaft: Sie verstoffwechselt Testosteron zu Östrogen. Das ist an sich nichts Schlechtes. Testosteron erfüllt viele seiner Wirkungen nicht selber, sondern über Metabolite (Zwischenprodukte bei Stoffwechselvorgängen), zu denen es umgewandelt wird. Das ist zum einen

>> das Dihydrotestosteron (DHT), eine Art Superandrogen, das deutlich stärker wirkt als das Testosteron und auch die Abnahme der Kopfhaare bewirkt, und zum anderen >> das Östrogen, das zum Beispiel auf das Skelettsystem und das Gehirn Einfluss nimmt.

Wer sich bei den vorangegangenen Seiten über die Östrogenmangelkrankheiten Osteoporose und Demenz gefragt hat, warum daran vor allem Frauen erkranken, wo die Männer doch sehr viel weniger Östrogene produzieren – hier ist die Antwort. Männer wandeln einen Teil ihres Testosterons in Östrogen um und leiden daher im Alter deutlich weniger unter diesen Krankheiten. Ein 60-jähriger Mann verfügt im Allgemeinen über einen höheren Östrogenspiegel als eine 60-jährige Frau, die keine Hormonersatzpräparate einnimmt. Das ist sicherlich noch ein weiterer Aspekt für Frauen, über das Thema Hormonsubstitution nach den Wechseljahren noch einmal nachzudenken.

Doch zurück zur Fettgewebsaromatase. Die verstoffwechselt also das Testosteron zu Östrogen. Wir haben gesehen, dass dies für Männer unter dem Aspekt Alterserkrankungen durchaus nützlich ist. Ist das Fettgewebe allerdings allzu reichlich angelegt – und das ist ja leider bei nicht wenigen älteren Männern der Fall – dann ist eben auch die Fettgewebsaromatase übermäßig aktiv. Anders ausgedrückt: Das von den Hoden immer weniger produzierte Testosteron wird im Fettgewebe immer mehr in Östrogen verwandelt. PADAM klopft nachdrücklich an die Tür.

Gewichtsreduktion ist also der erste und wichtigste Schritt, wenn Männer das Ziel haben, das körpereigene Testosteron zu retten.11 Jeder Bauer weiß: Ein guter Hahn wird nicht fett. Endokrinologen können inzwischen erklären, warum das so ist.

Neben der Gewichtsreduktion kommt auch dem Sport eine besondere Bedeutung zu. Auch der hebt die Testosteronspiegel nachweisbar an. Allerdings tut das nicht jede Sportart in gleicher Weise. Kraftsport ist hier besonders effektiv. Wer Muskeln aktiviert, der stimuliert auch sein Testosteron. Wer eher Ausdauertraining bevorzugt, der sollte gezielt kurze Phasen maximaler Belastung (high intensity interval training – HIIT) einbauen. Es ist offensichtlich dieses Erreichen der Belastungsgrenze (beziehungsweise auch deren kurzes Überschreiten), das die Androgene besonders intensiv stimuliert. Reines Jogging über lange Strecken scheint dagegen für das Testosteron eher kontraproduktiv. Marathonlaufen mögen männliche Geschlechtshormone eher nicht so gerne.

Ein echter Lust- und Hormonkiller ist auch der Stress. Cortisol – das hauptsächliche Stresshormon – kann geradezu als ein direkter Gegenspieler des Testosterons angesehen werden. Ich werde darauf im folgenden Kapitel noch genauer eingehen. Für jetzt gilt: Neben der Reduktion von Übergewicht und dem Kraftsport sind Stressreduktion und ausreichender Schlaf die wichtigsten Maßnahmen, die wir Männer gezielt nutzen können, um unseren Androgenen etwas Gutes zu tun.

Bei der Ernährung wird der Effekt dagegen häufig überschätzt. Hyperkalorische Ernährung führt natürlich zu Übergewicht und sollte vermieden werden. Die Hoffnung, mit speziellen Lebensmitteln die männlichen Geschlechtshormone gezielt zu erhöhen, hat sich allerdings nicht erfüllt. Da gibt es zwar viele Empfehlungen. In wissenschaftlichen Studien konnte jedoch keines der pflanzlichen »Aphrodisiaka« seine Wirksamkeit unter Beweis stellen.12 Aber es gibt ja immer noch den Placeboeffekt. Und der ist, wenn es um die Sexualität geht, sogar ganz besonders ausgeprägt. Also nutzen Sie auch weiterhin die Spargelsaison intensiv. Zumindest kulinarisch führt das Gemüse ja tatsächlich zum Genuss.

Für eine Substanz konnten allerdings doch leicht positive Effekte nachgewiesen werden, nämlich Zink. Dieses Spurenelement fehlt uns häufig und ist bekanntermaßen von großer Bedeutung für das Immunsystem. Dass es sich auch positiv auf den Testosteronspiegel auswirkt, lässt sich mit dem Wissen, das wir inzwischen erworben haben, sogar schlüssig begründen. Zink ist nämlich ein sogenannter Aromatasehemmer. Anders ausgedrückt: Es hemmt genau jenes Enzym im Fettgewebe, das wir soeben als dasjenige identifiziert haben, welches Testosteron zu Östrogen weiterverstoffwechselt. Das Lebensmittel mit der höchsten Zinkkonzentration sind übrigens Austern. Casanova wusste definitiv, was er tat, wenn er vor jedem Liebesabenteuer erst einmal eine große Platte Austern verputzte.

Wenn es weder mit dem Abnehmen noch mit den Austern klappt, besteht natürlich auch die Möglichkeit, das fehlende Testosteron im Rahmen einer Hormonbehandlung zu ersetzen. Ähnlich wie das Östrogen bei Frauen lässt sich Testosteron recht elegant und individuell dosiert als Gel über die Haut zuführen. Eine andere Möglichkeit der Substitution besteht in Depotspritzen, die alle drei Monate verabreicht werden. Eine solche Therapieform gehört allerdings definitiv in die Hand eines Facharztes. Und immer gilt dabei der Grundsatz: Hormonersatz bedeutet die Wiederherstellung des normalen Hormonspiegels. Alles, was darüber hinausgeht, ist Doping.

Wachstumshormon statt Muckibude – keine gute Idee

Doping – eine gute Überleitung zu unserem nächsten Hormon. Es geht um das Wachstumshormon, englisch: Human Growth Hormone (HGH). Das heißt so, weil es in der Kindheit und Jugend tatsächlich für den allgemeinen Wachstumsprozess verantwortlich ist. Aber auch bei Erwachsenen kann es noch zum Wachstum beitragen, vor allem wenn es um die Muskulatur geht. In Bodybuilding-Studios wird HGH daher seit Langem illegal unter der Ladentheke gehandelt. Und wenn Action-Stars wie Arnold Schwarzenegger oder Silvester Stallone im gereiften Alter noch einmal für Terminator 5 oder Rambo 6 mit nacktem Oberkörper vor der Kamera stehen müssen, dann ist es auch kein Geheimnis, dass sie dem Muskelaufbau gerne einmal mit ein wenig Wachstumshormon nachhelfen. Oder sogar auch mit ziemlich viel.

Die Tatsache, dass HGH ein äußerst wirksames Anabolikum ist, steht außer Zweifel. Aber ist es damit auch ein Anti-Aging-Hormon? Aber hallo, lautete dazu die Antwort vor allem der amerikanischen Anti-Aging-Ärzte in den 1990er-Jahren. Die erklärten HGH sogar geschwind zum »Königshormon der Anti-Aging-Medizin«. Kliniken, die sich auf die Gabe von Wachstumshormon spezialisierten, sprossen wie Pilze aus dem Boden. Inzwischen hat sich die Begeisterung ziemlich gelegt. Zum einen ist die Therapie aufwendig und teuer. HGH ist – ähnlich wie Insulin – ein langkettiges Eiweißhormon. Das bedeutet: Es muss täglich unter die Haut gespritzt werden. Gelangt es in den Magen, so wird es wie jedes andere Eiweiß auch gnadenlos in seine Aminosäuren zerlegt. Sollte Ihnen also jemand »orales HGH« andrehen wollen, wissen Sie spätestens jetzt: Es handelt sich um einen Scharlatan.