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»Kabale und Liebe« ist ein bedeutendes Jugenddrama von Friedrich Schiller, in dem zwei Welten aufeinanderprallen, die nicht füreinander gemacht sind. Gegen diese unvereinbaren Gegensätze ist auch die Liebe des adeligen Ferdinand von Walter und der Bürgerstochter Luise Millerin machtlos und wird im Getriebe von Intrigen barbarisch zermalmt. Mit seinem Drama setzt Schiller einen Glanzpunkt für eine Generation von Schriftstellern, die sich mit literarischen Gefühlsexplosionen zugleich gegen die absolutistische Allgewalt des Adelsstandes, gegen die reine Vernunftlehre der bürgerlichen Aufklärung und gegen die geltenden literarischen Konventionen auflehnte.
In »Kabale und Liebe« stürmt Schiller wortgewaltig über die Verhältnisse seiner Zeit hinweg und presst seinen literarischen Finger direkt in die Wunde. Sein Bühnenwerk strotzt vor mundartlichen Redewendungen, französischen Bezeichnungen und poetischer, bilderreicher Sprache, die auch den Charakter seiner Figuren illustrieren. Bei der Lektüre in der Schule aber bleiben viele der Wörter und Sachen heute unverstanden. Die vorliegende Ausgabe bringt daher mit über 900 Wort- und Sacherklärungen Licht in dieses Dunkel und präsentiert diese Erklärungen in unmittelbarer Nähe zur Textstelle, damit der Lesefluss durch allzu häufiges Blättern nicht unnötig gestört wird. Die Ausgabe bietet:
• Erläuterungen von schwäbischen Wörtern und Redewendungen
• Übersetzung und Erklärung von französischen Begriffen und anderen Fremdwörtern
• Erläuterung sprachlicher Bilder
• Hinweise auf Hintergründe verschiedener Ereignisse
• Erklärungen zu veralteter Sprache
• Erläuterungen direkt am Text ohne lästiges Umblättern
• Schiller-Biographie und Werkverzeichnis im Anhang
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Veröffentlichungsjahr: 2019
Friedrich Schiller
Kabale und Liebe
Ein bürgerliches Trauerspiel in fünf Aufzügen
Kommentierte Ausgabe mit über 900 Wort- und Sacherklärungen als Lektüre in der Schule
Herstellung: Karl A. Fiedler
aionas
aionas Verlag, Marstallstr. 1, Weimar
1. Auflage, 2014
ISBN (Print): 978-1503110731
Coverbild: © Fernando Corts – Fotolia.com
Ein bürgerliches Trauerspiel2 in fünf Aufzügen
Präsident4von Walter, am Hof eines deutschen FürstenFerdinand, sein Sohn, Major
Hofmarschall5von Kalb6Lady7Milford, Favoritin8des FürstenWurm9, Haussekretär des Präsidenten
Miller, Stadtmusikant oder, wie man sie an einigen Orten nennt, Kunstpfeifer10Dessen FrauLuise, dessen Tochter
Sophie, Kammerjungfer11der Lady
Ein Kammerdiener des FürstenVerschiedene Nebenpersonen
Zimmer beim Musikus12. Miller steht eben vom Sessel auf und stellt sein Violoncell13auf die Seite. An einem Tisch sitzt Frau Millerin14noch im Nachtgewand und trinkt ihren Kaffee.
MILLERschnell auf und ab gehend. Einmal für allemal15. Der Handel16 wird ernsthaft. Meine Tochter kommt mit dem Baron17 ins Geschrei18. Mein Haus wird verrufen. Der Präsident bekommt Wind, und — kurz und gut, ich biete dem Junker aus19.
FRAU. Du hast ihn nicht in dein Haus geschwatzt — hast ihm deine Tochter nicht nachgeworfen.
MILLER. Hab ihn nicht in mein Haus geschwatzt — hab ihms Mädel nicht nachgeworfen; wer nimmt Notiz davon? — Ich war Herr im Haus. Ich hätt meine Tochter mehr koram nehmen20 sollen. Ich hätt dem Major besser auftrumpfen21 sollen — oder hätt gleich alles Seiner Exzellenz22 dem Herrn Papa stecken23 sollen. Der junge Baron bringts mit einem Wischer hinaus24, das muß ich wissen, und alles Wetter25 kommt über den Geiger.
FRAUschlürft eine Tasse aus. Possen26! Geschwätz! Was kann über dich kommen? Wer kann dir was anhaben? Du gehst deiner Profession27 nach und raffst Scholaren28 zusammen, wo sie zu kriegen sind.
MILLER. Aber, sag mir doch, was wird bei dem ganzen Kommerz29 auch herauskommen? — Nehmen30 kann er das Mädel nicht — Vom Nehmen ist gar die Rede nicht, und zu einer daß Gott erbarm31? — Guten Morgen! — Gelt, wenn so ein Musje von32 sich da und dort, und dort und hier schon herumbeholfen33 hat, wenn er, der Henker weiß was als?34 gelöst35 hat, schmeckts meinem guten Schlucker freilich, einmal auf süß Wasser36 zu graben. Gib du acht! gib du acht! und wenn du aus jedem Astloch37 ein Auge strecktest und vor jedem Blutstropfen Schildwache ständest, er wird sie, dir auf der Nase38, beschwatzen, dem Mädel eins hinsetzen39 und führt sich ab40, und das Mädel ist verschimpfiert41 auf ihr Leben lang, bleibt sitzen, oder hats Handwerk verschmeckt42, treibts fort. Die Faust vor die Stirn. Jesus Christus!
FRAU. Gott behüt uns in Gnaden!
MILLER. Es hat sich zu behüten43. Worauf kann so ein Windfuß44 wohl sonst sein Absehen45 richten? — Das Mädel ist schön — schlank — führt seinen netten Fuß46. Unterm Dach mags aussehen, wies will. Darüber guckt man bei euch Weibsleuten weg, wenns nur der liebe Gott parterre47 nicht hat fehlen lassen — Stöbert mein Springinsfeld48 erst noch dieses Kapitel aus — heh da! geht ihm ein Licht auf, wie meinem Rodney49, wenn er die Witterung eines Franzosen kriegt, und nun müssen alle Segel dran50, und drauflos, und — ich verdenks ihm gar nicht. Mensch ist Mensch. Das muß ich wissen.
FRAU. Solltest nur die wunderhübsche Billetter51 auch lesen, die der gnädige Herr an deine Tochter als52 schreiben tut. Guter Gott! Da sieht mans ja sonnenklar, wie es ihm pur um ihre schöne Seele zu tun ist.
MILLER. Das ist die rechte Höhe! Auf den Sack schlagt53 man; den Esel meint man. Wer einen Gruß an das liebe Fleisch zu bestellen hat, darf nur das gute Herz Boten gehen lassen54. Wie hab ichs gemacht? Hat mans nur erst so weit im reinen, daß die Gemüter topp machen55, wutsch! nehmen die Körper ein Exempel; das Gesind machts der Herrschaft nach und der silberne Mond56 ist am End nur der Kuppler gewesen.
FRAU. Sieh doch nur erst die prächtigen Bücher an, die der Herr Major ins Haus geschafft haben57. Deine Tochter betet auch immer draus.
MILLERpfeift. Hui da! Betet! Du hast den Witz davon58. Die rohe Kraftbrühen der Natur59 sind Ihro Gnaden zartem Makronenmagen noch zu hart. — Er muß sie erst in der höllischen Pestilenzküche60 der Bellatristen61 künstlich aufkochen lassen. Ins Feuer mit dem Quark62. Da saugt mir das Mädel — weiß Gott was als für? — überhimmlische Alfanzereien63 ein, das läuft dann wie spanische Mucken64 ins Blut und wirft mir die Handvoll Christentum noch gar auseinander, die der Vater mit knapper Not so so65 noch zusammenhielt. Ins Feuer sag ich. Das Mädel setzt sich alles Teufelsgezeug in den Kopf; über all dem Herumschwänzen in der Schlaraffenwelt findets zuletzt seine Heimat nicht mehr, vergißt, schämt sich, daß sein Vater Miller der Geiger ist, und verschlägt66 mir am End einen wackern ehrbaren Schwiegersohn, der sich so warm in meine Kundschaft hinein gesetzt hätte — — Nein! Gott verdamm mich. Er springt auf, hitzig. Gleich muß die Pastete auf den Herd67, und dem Major — ja ja dem Major will ich weisen, wo Meister Zimmermann das Loch gemacht hat68. Er will fort.
FRAU. Sei artig, Miller. Wie manchen schönen Groschen69 haben uns nur die Präsenter70 — —
MILLERkommt zurück und bleibt vor ihr stehen. Das Blutgeld71 meiner Tochter? — Schier dich72 zum Satan, infame73 Kupplerin! — Eh will ich mit meiner Geig auf den Bettel herumziehen74, und das Konzert um was Warmes75 geben — eh will ich mein Violonzello zerschlagen, und Mist im Sonanzboden76 führen, eh ich mirs schmecken laß von dem Geld, das mein einziges Kind mit Seel und Seligkeit abverdient. — Stell den vermaledeiten Kaffee ein77, und das Tobakschnupfen, so brauchst du deiner Tochter Gesicht nicht zu Markt zu treiben78. Ich hab mich satt gefressen, und immer ein gutes Hemd auf dem Leib gehabt, eh so ein vertrackter Tausendsasa79 in meine Stube geschmeckt80 hat.
FRAU. Nur nicht gleich mit der Tür ins Haus. Wie du doch den Augenblick in Feuer und Flammen stehst! Ich sprech ja nur, man müss den Herrn Major nicht disguschtüren81, weil Sie des Präsidenten Sohn sind.
MILLER. Da liegt der Has im Pfeffer.82 Darum, just eben darum, muß die Sach noch heut auseinander. Der Präsident muß es mir Dank wissen, wenn er ein rechtschaffener Vater ist. Du wirst mir meinen roten plüschenen83 Rock ausbürsten, und ich werde mich bei Seiner Exzellenz anmelden lassen. Ich werde sprechen zu Seiner Exzellenz: Dero84 Herr Sohn haben ein Aug auf meine Tochter; meine Tochter ist zu schlecht zu Dero Herrn Sohnes Frau, aber zu Dero Herrn Sohnes Hure ist meine Tochter zu kostbar, und damit basta85! — Ich heiße Miller.
Sekretär Wurm. Die Vorigen.
FRAU. Ah guten Morgen, Herr Sekertare86. Hat man auch einmal wieder das Vergnügen von Ihnen87?
WURM. Meinerseits, meinerseits, Frau Base88. Wo eine Kavaliersgnade89 einspricht90, kommt mein bürgerliches Vergnügen in gar keine Rechnung.
FRAU. Was Sie nicht sagen, Herr Sekertare! Des Herrn Majors von Walter hohe Gnaden machen uns wohl je und je91 das Bläsier92, doch verachten wir darum niemand.
MILLERverdrüßlich93. Dem Herrn einen Sessel, Frau. Wollens ablegen, Herr Landsmann94?
WURMlegt Hut und Stock weg, setzt sich. Nun! Nun! und wie befindet sich denn meine Zukünftige — oder Gewesene? — Ich will doch nicht hoffen95 — kriegt man sie nicht zu sehen — Mamsell96 Luisen?
FRAU. Danken der Nachfrage, Herr Sekertare. Aber meine Tochter ist doch gar nicht hochmütig.
MILLERärgerlich, stößt sie mit dem Ellnbogen. Weib!
FRAU. Bedauerns nur, daß sie die Ehre nicht haben kann97 vom Herrn Sekertare. Sie ist eben in die Mess98, meine Tochter.
WURM. Das freut mich, freut mich. Ich werd einmal eine fromme christliche Frau an ihr haben.99
FRAUlächelt dumm-vornehm. Ja — aber, Herr Sekertare —
MILLERin sichtbarer Verlegenheit kneipt100sie in die Ohren. Weib!
FRAU. Wenn Ihnen unser Haus sonst irgendwo dienen kann — Mit allem Vergnügen, Herr Sekertare —
WURMmacht falsche Augen101. Sonst irgendwo! Schönen Dank! Schönen Dank — Hem! hem! hem!
FRAU. Aber — wie der Herr Sekertare selber die Einsicht werden haben —
MILLERvoll Zorn seine Frau vor den Hintern stoßend. Weib!
FRAU. Gut ist gut, und besser ist besser, und einem einzigen Kind mag man doch auch nicht vor seinem Glück sein102. Bäurisch-stolz. Sie werden mich je doch wohl merken103, Herr Sekertare?
WURMrückt unruhig im Sessel, kratzt hinter den Ohren und zupft an Manschetten104und Jabot105. Merken? Nicht doch — O ja — wie meinen sie denn?
FRAU. Nu — nu — ich dächte nur — ich meine Hustet. weil eben halt der liebe Gott meine Tochter barrdu106 zur gnädigen Madam will haben —
WURMfährt vom Stuhl. Was sagen Sie da? Was?
MILLER. Bleiben sitzen107! Bleiben sitzen, Herr Sekretarius! Das Weib ist eine alberne Gans. Wo soll eine gnädige Madam herkommen? Was für ein Esel streckt sein Langohr aus diesem Geschwätze?108
FRAU. Schmäl109 du, solang du willst. Was ich weiß, weiß ich — und was der Herr Major gesagt hat, das hat er gesagt.
MILLERaufgebracht, springt nach der Geige. Willst du dein Maul halten? Willst das Violonzello am Hirnkasten wissen? — Was kannst du wissen? Was kann er gesagt haben? — Kehren sich an das Geklatsch110 nicht, Herr Vetter111 — Marsch du in deine Küche — Werden mich doch nicht für des Dummkopfs leiblichen Schwager halten, daß ich obenaus112 woll mit dem Mädel? Werden doch das nicht von mir denken, Herr Sekretarius?
WURM. Auch hab ich es nicht um Sie verdient, Herr Musikmeister. Sie haben mich jederzeit den Mann von Wort sehen lassen113, und meine Ansprüche auf Ihre Tochter waren so gut als unterschrieben114. Ich habe ein Amt, das seinen guten Haushälter115 nähren kann, der Präsident ist mir gewogen, an Empfehlungen kanns nicht fehlen, wenn ich mich höher poussieren116 will. Sie sehen, daß meine Absichten auf Mamsell Luisen ernsthaft sind, wenn sie vielleicht von einem adeligen Windbeutel117 herumgeholt — —
FRAU. Herr Sekertare Wurm! Mehr Respekt, wenn man bitten darf —
MILLER. Halt du dein Maul, sag ich — Lassen Sie es gut sein, Herr Vetter. Es bleibt beim alten. Was ich Ihnen verwichenen118 Herbst zum Bescheid gab, bring ich heut wieder. Ich zwinge meine Tochter nicht.119 Stehen Sie ihr an — wohl und gut, so mag sie zusehen, wie sie glücklich mit Ihnen wird. Schüttelt sie den Kopf — noch besser — — in Gottes Namen wollt ich sagen — — so stecken Sie den Korb ein, und trinken eine Bouteille120 mit dem Vater — Das Mädel muß mit Ihnen leben — ich nicht — warum soll ich ihr einen Mann, den sie nicht schmecken121 kann, aus purem klarem Eigensinn an den Hals werfen? — Daß mich der böse Feind122 in meinen eisgrauen Tagen noch wie sein Wildbret123 herumhetze — daß ichs in jedem Glas Wein zu saufen — in jeder Suppe zu fressen kriege: Du bist der Spitzbube124, der sein Kind ruiniert hat!
FRAU. Und kurz und gut — ich geb meinen Konsens125 absolut nicht; meine Tochter ist zu was Hohem gemünzt126, und ich lauf in die Gerichte, wenn mein Mann sich beschwatzen läßt.
MILLER. Willst du Arm und Bein entzwei haben, Wettermaul127?
WURMzu Millern. Ein väterlicher Rat vermag bei der Tochter viel, und hoffentlich werden Sie mich kennen, Herr Miller?
MILLER. Daß dich alle Hagel128! 's Mädel muß Sie kennen129. Was ich alter Knasterbart130 an Ihnen abgucke, ist just kein Fressen fürs junge naschhafte Mädel. Ich will Ihnen aufs Haar hin sagen, ob Sie ein Mann fürs Orchester sind — aber eine Weiberseel ist auch für einen Kapellmeister zu spitzig131. — Und dann von der Brust weg132, Herr Vetter — ich bin halt ein plumper gerader teutscher133 Kerl — für meinen Rat würden Sie sich zuletzt wenig bedanken. Ich rate meiner Tochter zu keinem — aber Sie mißrat ich meiner Tochter, Herr Sekretarius. Lassen mich ausreden. Einem Liebhaber, der den Vater zu Hilfe ruft, trau ich — erlauben Sie, — keine hohle Haselnuß zu134. Ist er was, so wird er sich schämen, seine Talente durch diesen altmodischen Kanal135 vor seine Liebste zu bringen — Hat er‘s Courage nicht136, so ist er ein Hasenfuß137, und für den sind keine Luisen gewachsen — — Da! hinter dem Rücken des Vaters muß er sein Gewerb138 an die Tochter bestellen. Machen muß er, daß das Mädel lieber Vater und Mutter zum Teufel wünscht, als ihn fahren läßt — oder selber kommt, dem Vater zu Füßen sich wirft und sich um Gottes willen den schwarzen gelben Tod139 oder den Herzeinzigen ausbittet. — Das nenn ich einen Kerl! Das heißt lieben! — und wers bei dem Weibsvolk nicht so weit bringt, der soll — — auf seinem Gänsekiel reiten140.
WURMgreift nach Hut und Stock, und zum Zimmer hinaus. Obligation141, Herr Miller.
MILLERgeht ihm langsam nach. Für was? Für was? Haben Sie ja doch nichts genossen, Herr Sekretarius. Zurückkommend. nichts hört er und hin zieht er — — Ist mirs doch wie Gift und Operment142, wenn ich den Federnfuchser143 zu Gesichte krieg. Ein konfiszierter144 widriger Kerl, als hätt ihn irgendein Schleichhändler145 in die Welt meines Herrgotts hineingeschachert146 — Die kleinen tückischen Mausaugen — die Haare brandrot — das Kinn herausgequollen, gerade als wenn die Natur für purem Gift147 über das verhunzte148 Stück Arbeit meinen Schlingel149 da angefaßt, und in irgendeine Ecke geworfen hätte — Nein! Eh ich meine Tochter an so einen Schuft wegwerfe, lieber soll sie mir — Gott verzeih mirs —
FRAUspuckt aus, giftig. Der Hund! — Aber man wird dirs Maul sauber halten150.
MILLER. Du aber auch mit deinem pestilenzialischen151 Junker152 — Hast mich vorhin auch so in Harnisch gebracht153 — Bist doch nie dummer, als wenn du um Gottes willen gescheit sein solltest. Was hat das Geträtsch154 von einer gnädigen Madam und deiner Tochter da vorstellen sollen? Das ist mir der Alte155. Dem muß man so was an die Nase heften, wenns morgen am Marktbrunnen ausgeschellt sein soll156. Das ist just so ein Musje157, wie sie in der Leute Häusern herumriechen, über Keller und Koch räsonnieren158, und springt einem ein nasenweises159 Wort übers Maul160 — Bumbs! habens Fürst und Matress161 und Präsident, und du hast das siedende Donnerwetter am Halse.
Luise Millerin kommt, ein Buch in der Hand. Vorige.
LUISElegt das Buch nieder, geht zu Millern und druckt ihm die Hand. Guten Morgen, lieber Vater.
MILLERwarm. Brav, meine Luise — Freut mich, daß du so fleißig an deinen Schöpfer denkst. Bleib immer so, und sein Arm wird dich halten.
LUISE. O ich bin eine schwere Sünderin, Vater — War er da, Mutter?
FRAU. Wer, mein Kind?
LUISE. Ah! ich vergaß, daß es noch außer ihm Menschen gibt — Mein Kopf ist so wüste162 — Er war nicht da? Walter?
MILLERtraurig und ernsthaft. Ich dachte, meine Luise hätte den Namen in der Kirche gelassen?
LUISEnachdem sie ihn eine Zeitlang starr angesehen. Ich versteh Ihn163, Vater — fühle das Messer, das Er in mein Gewissen stößt; aber es kommt zu spät. — Ich hab keine Andacht mehr, Vater — der Himmel und Ferdinand reißen an meiner blutenden Seele, und ich fürchte — ich fürchte — Nach einer Pause. Doch nein, guter Vater. Wenn wir ihn über dem Gemälde164 vernachlässigen, findet sich ja der Künstler am feinsten165 gelobt. — Wenn meine Freude über sein Meisterstück mich ihn selbst übersehen macht, Vater, muß das Gott nicht ergötzen?
MILLERwirft sich unmutig in den Stuhl. Da haben wirs! Das ist die Frucht von dem gottlosen Lesen166.
LUISEtritt unruhig an ein Fenster. Wo er wohl jetzt ist? — Die vornehmen Fräulein, die ihn sehen — ihn hören — — ich bin ein schlechtes167 vergessenes Mädchen. Erschrickt an dem Wort und stürzt ihrem Vater zu. Doch nein! nein! verzeih Er mir. Ich beweine mein Schicksal nicht. Ich will ja nur wenig — — an ihn denken — das kostet ja nichts. Dies bißchen Leben — dürft ich es hinhauchen in ein leises schmeichelndes Lüftchen, sein Gesicht abzukühlen! — Dies Blümchen Jugend — wär es ein Veilchen168, und er träte drauf, und es dürfte bescheiden unter ihm sterben! — Damit genügte mir169, Vater. Wenn die Mücke in ihren Strahlen sich sonnt — kann sie das strafen, die stolze majestätische Sonne?
MILLERbeugt sich gerührt an die Lehne des Stuhls und bedeckt das Gesicht. Höre, Luise — das bissel Bodensatz meiner Jahre170, ich gäb es hin, hättest du den Major nie gesehen.