Kaiser Heinrich II. und Kunigunde - Karin Schneider-Ferber - E-Book

Kaiser Heinrich II. und Kunigunde E-Book

Karin Schneider-Ferber

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Beschreibung

Ihr Leben war reich an Höhen und Tiefen: Kaiser Heinrich II. (973–1024) und seine Gemahlin Kunigunde (975/985–1033) führten vor über 1000 Jahren einen einsamen, aber erfolgreichen Kampf um die Macht im Reich. Sie schafften das, was vorher noch keinem bayerischen Herzogspaar gelungen war: Sie stiegen zum Königtum auf und empfingen sogar 1014 in Rom die Kaiserkrone. Doch zu seiner großen Enttäuschung blieb das Paar kinderlos; mit ihm endete die Dynastie der Ottonen. Heinrich und Kunigunde wandten sich daher mit ganzer Leidenschaft der Kirche zu. Höhepunkt ihres Engagements war die Gründung des Bistums Bamberg mit dem ersten Dom. Das Paar wurde verehrt und geliebt und zuletzt in die Heiligkeit erhoben. Als Könige, Kaiser, Stifter und Heilige sind die beiden bis heute bekannt.

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herausgegeben vonThomas Götz

KARIN SCHNEIDER-FERBER

Kaiser Heinrich II. und Kunigunde

Das heilige Paar

Biografien machen Vergangenheit lebendig: Keine andere literarische Gattung verbindet so anschaulich den Menschen mit seiner Zeit, das Besondere mit dem Allgemeinen, das Bedingte mit dem Bedingenden. So ist Lesen Lernen und Vergnügen zugleich.

Dafür sind gut 100 Seiten genug – also ein Wochenende, eine längere Bahnfahrt, zwei Nachmittage im Café. Wobei klein nicht leichtgewichtig heißt: Die Autoren sind Fachleute, die wissenschaftlich Fundiertes auch für den verständlich machen, der zwar allgemein interessiert, aber nicht speziell vorgebildet ist.

Bayern ist von nahezu einzigartiger Vielfalt: Seine großen Geschichtslandschaften Altbayern, Franken und Schwaben eignen unverwechselbares Profil und historische Tiefenschärfe. Sie prägten ihre Menschen – und wurden geprägt durch die Männer und Frauen, um die es hier geht: Herrscher und Gelehrte, Politiker und Künstler, Geistliche und Unternehmer – und andere mehr.

Das wollen die KLEINEN BAYERISCHEN BIOGRAFIEN: Bekannte Personen neu beleuchten, die unbekannten (wieder) entdecken – und alle zur Diskussion um eine zeitgemäße regionale Identität im Jahrhundert fortschreitender Globalisierung stellen. Eine Aufgabe mit Zukunft.

DR. THOMAS GÖTZ, Herausgeber der Buchreihe, geboren 1965, studierte Geschichte, Germanistik und Philosophie. Er lehrt Neuere und Neueste Geschichte an der Universität Regensburg und legte mehrere Veröffentlichungen, vor allem zu Stadt und Bürgertum in Bayern und Tirol im 18., 19. und 20. Jahrhundert, vor. Darüber hinaus arbeitet er im Museums- und Ausstellungsbereich.

Inhalt

Einleitung: Stifter – Kaiser – Heilige

1Berufen zur Herrschaft: Heinrich und seine Ahnen

Eine streitsüchtige Familie: Das Herrscherhaus der Ottonen / Die Metropole des bayerischen Herzogtums: Regensburg / Reich ohne Verfassung: Wie kürt man einen König? / Heinrichs Kindheit in unruhiger Zeit / Bischof Wolfgang von Regensburg: Ein Heiliger aus Schwaben

2Regieren wie ein König: Herrschaftspraxis in Bayern

Regierungswechsel in Bayern / Die Beschlüsse von Ranshofen / Ein Autor mit nachhaltiger Wirkung: Bischof Thietmar von Merseburg / Neu entdeckte Loyalität

3Geliebte Gattin und Teilhaberin an der Herrschaft: Kunigunde von Luxemburg

Kunigundes Herkunft und Familie / Herzogin von Bayern / Die persönliche Tragik des Paares

4Gesalbte des Herrn: Heinrich und Kunigunde als Königspaar

Auftakt mit Hindernissen / Die Krönung Heinrichs / Die Krönung Kunigundes / Der Mainzer Krönungsordo / Von Gott beauftragt: Vorstellungen vom Königtum / Stützen der Königsherrschaft: Die Reichsbischöfe

5Die Mühsal des Regierens

Konflikte mit dem Adel / Das Verbot der Nah-Ehen / Der Gegenspieler im Osten: Boleslaw Chrobry / Handlungsspielräume einer Königin / Blick nach Westen: Das Verhältnis zu Frankreich und Burgund / Die heidnischen Elbslawen / Das Basler Antependium

6Schmuck der ganzen Welt: Bamberg

Eine Herzensangelegenheit / Die Burg Babenberg / Der lange Weg zur Bistumsgründung / Der Bamberger Domschatz / Das weite Herz der Königin / Das Kloster Kaufungen / Der »fränkische Vatikan«: Repräsentationsraum Bamberg / Erster Bischof von Bamberg: Eberhard

7Im Glanz der Kaiserkrone

Der Tag von Rom / Die Reichskrone / Die Vorgeschichte: Der erste Italienzug / Das »Fest der Feste« in Bamberg / Der Sternenmantel: Exotisches Geschenk für den Kaiser

8In Sorge um Kirche und Christenheit

Konzilspläne und Synoden / Staatsakt an der Chiers: Kaiser und König im Gipfelgespräch / Förderung der Klöster / Gebetsbünde und Totengedenken

9Ende einer Ära

Der Tod des Kaisers / Regierungsübergabe durch Kunigunde / Die Wahl Konrads II. / Kunigundes Witwenschaft und Tod

10Auf dem Weg in die Ewigkeit

Die Kanonisation Heinrichs II. / Schutzherren der Kirche, Patrone der Reiche: Heilige Könige in Europa / Die jungfräuliche Kaiserin: Kunigundes verschlungene Pfade in die Heiligkeit / Die volkstümliche Heilige / Das heilige Paar in der kultischen Verehrung / Kunigunde: Die Wunderheilerin / Lebendige Erinnerung: Der Bamberger Dom / Der Ekbert-Dom: Neubau auf altem Fundament

Anhang

Zeitleiste / Stammbaum / Quellen- und Literaturverzeichnis / Bildnachweis / Impressum

Einleitung:Stifter – Kaiser – Heilige

Die mittelalterliche Kaisergeschichte kennt viele prägnante Gestalten. Doch in den Rang der Heiligkeit hat es kaum einer von ihnen geschafft. Außer dem Frankenherrscher Karl dem Großen mit seinem für die deutsche Königskrönung so wichtigen Gedächtnisort Aachen schaffte dies nur noch ein einziger Kandidat aus der Reihe der Reichsoberhäupter: der bayerische Herzog, deutsche König und spätere Kaiser Heinrich II. († 1024). Doch während Karl der Große – erst knapp 20 Jahre nach Heinrich und noch dazu durch einen Gegenpapst zur »Ehre der Altäre« erhoben – inzwischen aus dem offiziellen Heiligenkatalog gestrichen wurde, gilt Heinrich auch im 21. Jh. immer noch als verehrungswürdig. Und nicht nur er: Mit ihm wird seine Ehefrau, Mitregentin, gekrönte Königin und Kaiserin Kunigunde († 1033) als Heilige verehrt.

Heinrich und Kunigunde, Kaiser und Kaiserin, sind das einzige Herrscherpaar der mittelalterlichen Geschichte, dem die Ehre der Kanonisation zuteilgeworden ist. An ihren Todestagen, dem 13. Juli und dem 3. März, werden im Erzbistum Bamberg fast ein Jahrtausend nach ihrem Ableben noch immer eigene Hochfeste gefeiert und ihrer gemeinsam mit der Gesamtkirche gedacht. In diesem Paar vereinen sich damit höchste irdische und himmlische Würden. Ebernand von Erfurt, Verfasser der ersten volkssprachlichen Lebensbeschreibung »Kaiserlegenden von Heinrich und Kunigunde« (um 1220), hob diese Seltenheit im Prolog seines Werkes hervor: »Gibt es in der Welt Würdigeres als Kaiser und Kaiserin?«, fragte er rhetorisch. »Das waren sie beide, und von da öffnete sich ihnen der Himmel. (…) Hier auf Erden trugen sie die edlen Kaiserkronen, und im Himmel sind sie gleichermaßen mit Kronen geschmückt, sodass wir auf ihren Beistand hoffen dürfen.« Doch worin bestand die Außergewöhnlichkeit des Paares, das auch nach 1000 Jahren noch seine Wirkung entfaltet?

In Erinnerung blieben Heinrich und Kunigunde vor allem wegen ihrer überaus regen, auch für frühmittelalterliche Verhältnisse außergewöhnlich großzügigen Stiftertätigkeit. Vor allem Bamberg, »die liebliche Stadt am klaren Flusslauf der Regnitz« (Ebernand), wurde zu ihrem ureigensten Wirkungsort. Energisch traten sie für die Gründung und Ausstattung des Bistums (1007) ein und initiierten den ersten Dombau. Große Güterübertragungen und Eingriffe in die bereits bestehende Diözesanstruktur waren dafür nötig. Kunigunde musste sogar auf ihre Witwenausstattung verzichten, um das Lieblingsprojekt Wirklichkeit werden zu lassen. Doch sie ließen sich nicht beirren: Mit aller Kraft machten sie Bamberg, die Stadt auf den sieben Hügeln, zu einem kulturellen und religiösen Zentrum ihrer Herrschaft – reich bedacht mit Geschenken an wertvollen Büchern, liturgischen Geräten und Reliquien. Selbst ein Papst weilte 1020 an dem aufblühenden Ort in Oberfranken. Ohne die Initiative des heiligen Paares wären Stadt und Bistum Bamberg nicht das, was sie heute sind.

Hervorstechend selbst für die Zeitgenossen war auch die persönliche Frömmigkeit des Paares, dessen ganze Aufmerksamkeit darauf ausgerichtet war, den inneren und äußeren Frieden im Reich als dem ideellen »Haus Gottes« sicherzustellen und die Reichskirche als Stütze der Königsmacht zu fördern. Bistümer und Klöster im ganzen Reichsgebiet erfreuten sich der Gunst des Paares. Kunigunde selbst stiftete das großzügig ausgestattete Kloster Kaufungen bei Kassel als ihren Altersruhesitz. Heinrich bemühte sich zeitlebens um eine Reform der Kirche und der Klöster durch die Erneuerung der Disziplin und die genaue Beachtung der Benediktsregel. Er galt als »Bruder der Mönche«.

Nicht zuletzt ließ sich das Paar dabei von einer sehr persönlichen Tragik leiten: Ihre Ehe blieb kinderlos. Erben waren Heinrich und Kunigunde versagt; die dynastische Linie der Liudolfinger endete mit ihnen unweigerlich. Das Paar musste sich daher um seine »Memoria«, sein Andenken nach dem Tod, das in der Regel von den leiblichen Nachfahren gesichert wurde, selbst kümmern. Aber gerade diese aus dynastischer Sicht größte Katastrophe, die ein Herrscherpaar treffen konnte, wurde zum Ausgangspunkt für die Legendenbildung. Hatte das Paar freiwillig und aus Gottesfurcht auf Nachkommen verzichtet? Hatten sie eine Josephsehe geführt, um Keuschheit zu bewahren? Obwohl nichts in den Quellen darauf schließen lässt, dass das Paar keine »normale« Ehe geführt hätte, beschäftigte der Umstand der Kinderlosigkeit die Nachwelt in besonderem Maße. Gerade Kunigunde wurde im Hochmittelalter als jungfräuliche Königin gedeutet und nahm in der kultischen Verehrung mariengleiche Züge an.

Die Stifter des Bistums Bamberg, Heinrich II. und Kunigunde, begrüßen den Besucher am Eingang ihres Domes: Elegant, zeitlos schön und ganz aufeinander bezogen stehen sie als Gewändefiguren im Stil der französischen Gotik am Adamsportal.

In guter Erinnerung sind Heinrich und Kunigunde über die Jahrhunderte hinweg immer geblieben: Noch im Bombenhagel des Zweiten Weltkriegs schrieb man den Schutz Bambergs vor feindlichen Luftangriffen dem »Schleier der Kunigunde«, dem Nebel, zu. Große Ausstellungen zum Thema Heinrich und Kunigunde – wie zuletzt die bayerische Landesausstellung von 2002 oder diverse Schauen des Diözesanmuseums Bamberg – bewegten bis in die jüngste Vergangenheit hinein Tausende von Besuchern, sich mit den Heiligen aus ferner Zeit auseinanderzusetzen. Eine Reihe begleitender Publikationen durchleuchtete verschiedene Aspekte ihrer Politik, ihrer Frömmigkeitspraxis und ihrer Erinnerungskultur. Mit seiner Biografie »Heinrich II. Herrscher am Ende der Zeiten« legte Stefan Weinfurter 1999 ein grundlegendes Werk zum letzten Kaiser aus dem Hause der Ottonen vor, während Ingrid Baumgärtner »Kunigunde – eine Kaiserin an der Jahrtausendwende« 1997 dem Vergessen entriss und damit ein neues Interesse an der mittelalterlichen Herrscherin auslöste, die mit der Paderborner Ausstellung anlässlich des Jahrestags ihrer Krönung 2002 einen weiteren Schub erhielt.

Stifter – Kaiser – Heilige: Heinrich und Kunigunde sind auch im Abstand eines Millenniums ein erstaunlich präsentes Paar. Ihre Faszination besteht nicht zuletzt darin, dass sie als »politische Heilige« im Spannungsfeld zwischen Macht und religiösem Ethos ihren eigenen Weg hin zur Erfüllung suchten. Nur der Kontemplation und dem religiösen Seelenfrieden konnten sie sich nicht hingeben, schließlich standen sie an der Spitze der sozialen Hierarchie, lenkten als Reichsoberhäupter die Politik, waren mit Konflikten, Gewalt und Krieg konfrontiert. Wie konnten sie unter diesen Umständen ihre christlichen Ideale leben? Die Deutung ihres Lebenswerkes fällt zwangsläufig ambivalent aus; dennoch überwogen in der Rückschau die positiven Aspekte.

1Berufen zur Herrschaft: Heinrich und seine Ahnen

EINE STREITSÜCHTIGE FAMILIE: DAS HERRSCHERHAUS DER OTTONEN

Zum Herrschen fühlte sich Heinrich II. von Kindesbeinen an berufen, obwohl seiner Familie – einer Nebenlinie des ottonischen Herrscherhauses – stets das Quäntchen Glück gefehlt hatte, die begehrte Königs- und Kaiserkrone zu ergattern. Wie so häufig bei Familienzwisten ging es auch hier ums Erbe und um die Frage, wer das größte Stück vom Kuchen abbekam. Heinrich I. (reg. 919–936), der erste Vertreter der sächsischen Liudolfinger auf dem Königsthron, hatte die Gepflogenheit eingeführt, die Krone jeweils an den erstgeborenen Sohn weiterzugeben – sodass in der Vater-Sohn-Folge nacheinander Otto der Große (reg. 936–973), Otto II. (reg. 973–983) und Otto III. (reg. 983–1002) an die Macht kamen. Die jüngere Linie der neuen Königsdynastie, zurückgehend auf den jüngeren Bruder Ottos des Großen mit dem Leitnamen Heinrich, war dabei stets leer ausgegangen, was bei diesem Teil der Verwandtschaft für Verdruss und viel Erbitterung sorgte.

Schon Otto der Große hatte seine liebe Not mit dem rebellischen Bruder. Zweimal griff der sich benachteiligt wähnende Heinrich mit Gewalt nach der Königskrone und brachte Otto I. damit in echte Bedrängnis. Nur mit Mühe und Not konnte dieser dem bewaffneten Aufstand seines jugendlichen Widersachers Herr werden und in den Schlachten von Birten bei Xanten und Andernach 939 seine Krone retten. Wenig später sah er sich einem erneuten Mordkomplott seines jüngeren Bruders ausgesetzt, bevor dieser sich an Weihnachten 941 im Büßergewand in der Pfalz von Frankfurt endlich zu seinen Füßen warf.

Danach suchte und fand die gespaltene Familie einen Kompromiss: der rebellische Heinrich, verheiratet mit Judith, einer Tochter des Bayernherzogs Arnulf, bekam nach Freiwerden des Herzogtums Bayern durch den Tod von Judiths Onkel Berthold 948 dasselbe übertragen. Das war eine ordentliche Kompensation für die entgangene Königskrone, besaßen die Herzöge von Bayern doch traditionell eine starke Stellung und konnten in ihrem Herrschaftsbereich weitestgehend schalten und walten, wie ihnen beliebte. Mit Regensburg erhielt Heinrich zudem eine glanzvolle Metropole, die schon unter Karl dem Großen und dessen Nachfolgern große Bedeutung als Residenz und Zentralort königlicher Macht besessen hatte. Dort durfte er sich fühlen wie ein ungekrönter König. Zu diesem ansehnlichen bayerischen Besitz bekam Heinrich 950 noch die Oberhoheit über Böhmen und 952 die Markgrafschaften Verona, Friaul und Istrien übertragen. Damit war der Grundstein für eine stattliche, über die Alpen bis zur Adria ausgreifende Herrschaft gelegt. Beklagen konnte er sich eigentlich nicht. Doch das zügelte keineswegs die Ambitionen der ehrgeizigen »Heinriche« – ganz im Gegenteil.

Auch Heinrichs Sohn und Nachfolger Heinrich der Zänker (reg. 955–995), der Vater des späteren Kaisers Heinrich II., wollte sich nicht mit Bayern begnügen. Verheiratet mit der burgundischen Königstochter Gisela, fühlte er sich durchaus berufen, eine Königskrone zu tragen. Nach dem Thronwechsel von Otto dem Großen zu Otto II. verbündete er sich mit den Herzögen von Polen und Böhmen und probte den Aufstand. Allerdings wurde er noch 974 gefangengenommen und in Ingelheim festgesetzt. 976 gelang ihm die Flucht, doch scheiterte auch sein zweiter Versuch, eine Revolte anzuzetteln. Noch im selben Jahr musste Heinrich der Zänker an den Hof des Böhmenherzogs ausweichen, während Otto II. in seine bayerische Hauptstadt Regensburg einzog. Danach ereilte ihn die maximale Katastrophe: Otto II. entzog ihm das bayerische Herzogtum und vergab es in verkleinertem Zuschnitt neu an andere Gefolgsleute. Die Markgrafschaften Verona und Friaul wurden zusammen mit Kärnten gar zu einem gänzlich neugeschaffenen Herzogtum Kärnten zusammengefügt und vergeben. Heinrich der Zänker stand land- und machtlos völlig im Abseits. Von Böhmen aus setzte er alle Hebel in Bewegung, um seine Machtbasis zurückzuerobern. Schwere Kämpfe tobten. 978 unterlag er erneut Otto II., wurde durch ein kaiserliches Gericht verurteilt und in Utrecht bei Bischof Folkmar auf unbestimmte Zeit in Haft gegeben.

In Regensburg schlug das Herz des bayerischen Herzogtums in früh- und hochmittelalterlicher Zeit. Die Gründung des Bistums ging auf den Missionsbischof und »Apostel der Deutschen“ Bonifatius zurück. Ein erster Dombau ist für das 8. Jh. überliefert.

Erst der frühe Tod Ottos II. 983 erlöste den Zänker aus diesem Unglück. Noch einmal setzte er alles auf eine Karte, als er den erst dreijährigen Otto III., der bereits zum König gesalbt war, mit Verweis auf seine Vormundschaftsrechte in seine Hand brachte, sich kurz darauf aber in Quedlinburg selbst zum König ausriefen ließ. Wiederum hatte er die Herzöge von Polen und Böhmen als Verbündete mit ins Boot geholt, ebenso den Obodritenfürsten Mitsui und König Lothar von Frankreich sowie etliche einheimische Große, denen die Herrschaft eines minderjährigen Königs zu unsicher erschien. Doch erneut zog er den Kürzeren, weil die Kaiserinnen Theophanu und Adelheid, Mutter und Großmutter Ottos III., im Bunde mit hochrangigen Bischöfen und Adligen unnachgiebig auf die Herausgabe des königlichen Kindes bestanden.

Die Metropole des bayerischen Herzogtums: Regensburg

Unbestrittener Mittelpunkt des bayerischen Herzogtums war die aus dem römischen Legionslager Castra Regina (gegründet 179 n. Chr.) hervorgegangene Donaustadt Regensburg. Schon im Frühmittelalter hatten die ersten, von den Frankenkönigen eingesetzten Herzöge aus dem Geschlecht der Agilolfinger den Schutz der festen Legionsmauern gesucht und den Ort zu ihrer Residenz gemacht. 739 vom Missionsbischof Bonifatius zum Bischofssitz erhoben, verlor Regensburg selbst nach der Entmachtung des Agilolfingerhauses durch Karl den Großen durch einen Hochverratsprozess gegen Tassilo III. 788 nicht seine Bedeutung. Es blieb ein gewichtiges Zentrum des ostfränkischen Reiches auch unter den letzten karolingischen Königen, die hier eigene Pfalzbauten unterhielten.

Regensburg wird in den Quellen als »urbs regia«, königliche Stadt, bezeichnet. Entsprechend fiel seine bauliche Verschönerung aus: Immer mehr repräsentative Steinbauten wuchsen in die Höhe. Es entstanden die von den Königen genutzten Pfalzgebäude am Alten Kornmarkt und bei St. Emmeram, die Alte Kapelle als Pfalzkapelle und das Damenstift Niedermünster, das als Grablege besonders stark mit dem Herzogshaus verbunden war.

Im Schutz der Mauern blühten ebenso Handel und Wirtschaft. Die günstig an der Donau sowie am Schnittpunkt mehrerer Königs- und Heerstraßen gelegene Stadt entwickelte sich allmählich zur Fernhandelsmetropole. Regensburger Kaufleute stießen nach Kiew und Russland vor, erreichten über Donau und Inn den Alpenraum und Italien. Die Anwesenheit jüdischer Fernhändler ist seit 981 belegt. Ein Händlerviertel mit Markt und ein rege besuchter Donauhafen entstanden. Der Bayernherzog Arnulf (reg. 907–937) umfasste das vor der Römermauer gelegene, lebendige neue Viertel mit seinen Wohn- und Stapelhäusern aus Holz um 920 mit einer großen Befestigungsanlage, um es vor Angriffen zu schützen.

Dass man sich in Regensburg am »Nabel der Macht« wähnte, bewiesen die vielen Stadthöfe, die hochrangige bayerische Bischöfe, Äbte und Adlige hier unterhielten, um Zugang zum Herzogshof zu bekommen.

Zentraler kirchlicher Mittelpunkt Regensburgs war der noch vor Mitte des 9. Jhs. neu errichtete karolingische Dom mit dem angrenzenden Bischofshof an der Porta Praetoria sowie der Taufkirche St. Johannes. Die Damenstifte Ober- und Niedermünster ergänzten das sakrale Ensemble.

In der Kirche von Niedermünster in unmittelbarer Nähe zur Herzogs- und Königspfalz fand Herzog Heinrich I. seine letzte Ruhe, sodass sich an diesem Ort das offizielle Gebetsgedenken an die ottonische Heinrichslinie konzentrierte. Heinrichs Witwe Judith trat in das Damenstift ein und übernahm dessen Leitung.

Vor den Toren der einstigen Römermauer entstand als zweites großes geistliches Zentrum das Benediktinerkloster St. Emmeram, das schon im 8. Jh. über dem Grab des als Märtyrer verehrten fränkischen Wanderbischofs Emmeram gegründet worden war. Kaiser Arnulf von Kärnten (reg. 887–899) hatte Emmeram zum Patron des ostfränkischen Reiches gemacht und seine Pfalz hierher verlegt, um dem Heiligen möglichst nahe zu sein.

Über ein Jahrtausend lang entfaltete das Kloster St. Emmeram seine geistige und kulturelle Strahlkraft auf vielen Gebieten: in der Theologie, Philosophie, Mathematik oder Kunst. Reorganisiert durch den Reformabt Ramwold erreichte es im 11. Jh. seine erste Blüte. In seinem Skriptorium entstanden Meisterwerke der Buchmalerei; die Bibliothek galt als eine der am besten ausgestatteten ihrer Zeit.

Um eine militärische Auseinandersetzung zu vermeiden, einigte man sich erneut auf einen Kompromiss: Heinrich der Zänker bekam nach einer förmlichen Unterwerfung 985 in Frankfurt sein bayerisches Herzogtum zurück. Die Familie wollte angesichts des minderjährigen Kindkönigs eine tragfähige Lösung. Einige Jahre später fielen auch das Herzogtum Kärnten sowie die Markgrafschaften Verona und Friaul an Heinrich zurück, womit er den Status quo vor seinen Streitereien wieder erreicht hatte.

Bis zu seinem Tod 995 hielt der zänkische Herzog seine Füße still, zeigte sich Otto III. gegenüber loyal und widmete sich ganz der Verwaltung Bayerns. Ob er damit zufrieden war, ist ungewiss. Der Spott seiner Umgebung dürfte ihn jedenfalls hart getroffen haben: »Herzog Heinrich wollt’ regieren, Gott der Herr wollt’s leider nicht!«, sang man recht boshaft im ganzen Land. Heinrich hatte hoch gepokert und nichts gewonnen – eine schwärende Wunde im Herzen seines Familienverbandes hinterlassend.

REICH OHNE VERFASSUNG: WIE KÜRT MAN EINEN KÖNIG?

Man darf es den bayerischen Herzögen andererseits nicht verdenken, dass sie immer wieder nach der Königskrone griffen. Heinrich der Zänker erhielt seinen schnöden Beinamen erst in viel späterer Zeit durch den Historiker Aventinus (1477–1534). Im 10. Jh., als es noch kein geregeltes Verfahren zur Königserhebung gab, erschienen seine Ansprüche keineswegs aus der Luft gegriffen und er selbst nicht zänkischer als andere hochrangige Adlige. Die Karolinger hatten ihr Imperium traditionell geteilt, um alle Söhne an Erbe und Herrschaft zu beteiligen. Jeder als legitim anerkannte Königssohn erhielt ein eigenes Königreich. Doch die ständigen Teilungen und inneren Fehden sowie der Zerfall einer starken Zentralmacht hatten das Frankenreich am Ausgang des 9. Jhs. geschwächt und gegenüber äußeren Feinden unflexibel gemacht. In den einzelnen Teilreichen strebten immer stärker hochrangige, bislang nichtkönigliche Adelsfamilien zur Macht, die sich in der Gefahrenabwehr bewährt hatten. Im West- wie im Ostfrankenreich, in Burgund und Italien stiegen Angehörige des hohen Reichsadels zum Königtum auf, während sich eine Ebene darunter neue Mittelgewalten etablierten, die Herzogtümer, in denen ebenfalls neue Familien zur Macht kamen. In Bayern waren dies seit 896 die Liutpoldinger.

Als 911 der letzte ostfränkische Karolinger Ludwig das Kind starb, wählten Vertreter der Stämme der Franken, Sachsen, Schwaben und Bayern in Forchheim daher erstmals einen Nicht-Karolinger, wenn auch einen engen Mitarbeiter der letzten karolingischen Administration, zum König: den Franken Konrad I. (reg. 911–918). Über die genauen Wahlvorgänge und den Wahlakt ist nichts bekannt, doch gab es vor der Zusammenkunft in Forchheim ausführliche Gespräche, da man auch dem Herzog von Sachsen, Otto dem Erlauchten, zunächst die Krone anbot, der aber aus Altersgründen abwinkte.

Da Konrad keine glückliche Hand gegenüber den selbstbewusst auftretenden Stammesherzögen bewies, konnte er bei seinem Tod die Krone nicht in seiner eigenen Familie halten. Eine Dynastiebildung blieb aus. Er designierte aus Einsicht in die Machtverhältnisse nun doch den stärksten Mann im Land, den Herzog von Sachsen, zu seinem Nachfolger. Hinsichtlich der (ostfränkischen) Königskrone zog damit die sächsische Adelsfamilie der Liudolfinger das große Los. 919 kürten Franken und Sachsen auf einer Versammlung in Fritzlar Heinrich I., den Sohn Ottos des Erlauchten, zum König.

Er war klug genug, sich seine allgemeine Anerkennung durch weitreichende Zugeständnisse an die Herzöge von Schwaben und Bayern zu verschaffen und überhaupt eine einigermaßen gedeihliche Zusammenarbeit sicherzustellen. Um die Macht für sein Haus aber langfristig zu erhalten, musste sich Heinrich etwas einfallen lassen. Zehn Jahre nach seiner Königswahl entschloss er sich zu einer unkonventionellen Regelung seiner Nachfolge: Er brach mit der karolingischen Teilungstradition und bestimmte mit seiner Hausordnung (929) noch zu Lebzeiten allein seinen ältesten Sohn Otto den Großen zum Thronerben. Der Gedanke an die Unteilbarkeit des Reiches und die Nachfolge allein durch den ältesten Sohn (Primogenitur) bedeutete einen Bruch der bisherigen Erbfolgeordnung. Heinrich erlangte für seine Nachfolgeregelung dennoch die Zustimmung der Herzöge, sodass Otto der Große nach dem Tod des Vaters 936 reibungslos in die Herrschaft eintreten konnte und in Aachen zum König ausgerufen wurde.

Erkennbar sind unterschiedliche Elemente, die für eine Königserhebung im 10. Jh. ausschlaggebend waren: Erbrecht bzw. Designation durch den Vorgänger, Zustimmung bzw. Wahl durch die hochrangigen Vertreter der Stämme sowie gegebenenfalls die Krönung und Salbung durch die Kirche, die jedoch nicht in jedem Fall eingeholt wurde – wie das Beispiel Heinrichs I. beweist, der eine Salbung durch den Erzbischof von Mainz ausdrücklich ablehnte, um die eigenwilligen Herzöge nicht zu »verprellen«.

Andere Vorstellungen von der Weitergabe des Erbes und der Macht blieben jedoch daneben gültig. Schon die Vater-Sohn-Folge erschien angesichts karolingischer Traditionen nicht festgefügt. Anwartschaften auf das Erbe konnten zu fränkischer Zeit genauso gut die Brüder oder andere männliche Verwandte eines Erblassers stellen, wenn sie eine höhere Autorität oder eine stärkere Machtposition genossen als nähere, aber womöglich jüngere oder bedeutungslosere Verwandte. Ebenso unüblich war die Begünstigung allein des ältesten Sohnes. So konnte der jüngere, in der Hausordnung übergangene Heinrich, der obendrein der Liebling seiner Mutter Mathilde war, geltend machen, dass er »auf dem königlichen Thron« geboren worden sei – also zu einem Zeitpunkt, als sein Vater bereits König geworden war, während Otto der Große noch als Sohn des Sachsenherzogs das Licht der Welt erblickt hatte. Dieses Argument war nicht von der Hand zu weisen, denn auch im oströmischen Byzanz nahm man die Unterscheidung vor, ob jemand »purpurgeboren« war oder nicht. Das Alter allein begründete keinen Vorrang. So fanden die jüngeren Heinriche, gut vernetzt in der eigenen Familie wie im Hochadel, stets genügend Anhang, um für die Krone zu kämpfen.