Kaktusfeigen - Anna Castronovo - E-Book
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Kaktusfeigen E-Book

Anna Castronovo

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Beschreibung

Die eine glaubt ans Universum, die andere an Tomatensoße. Eigentlich sind die bodenständige Linda und ihre exzentrische Mutter ein gutes Team. Nur wenn es um Lindas sizilianische Wurzeln geht, fliegen die Fetzen. Um endlich Antworten auf ihre Fragen zu bekommen, fliegt Linda mit ihrer kleinen Tochter kurzerhand nach Sizilien. Dort lernt sie nicht nur den schönen Bademeister Silvo kennen, sondern auch ihre sizilianische Großfamilie. Doch Lindas Vater aufzuspüren, erweist sich als schwierig. Und auch um Lindas Zwillingsschwester, die angeblich bei der Geburt gestorben ist, ranken sich gruselige Geheimnisse. Linda ist überzeugt: Ihre Schwester lebt. Doch was ist damals mit ihr passiert? Auf einer sizilianischen Hochzeit geraten die Dinge endlich ins Rollen. Ein Roman über die Suche nach den eigenen Wurzeln und die Magie von Tomatensoße. „Anna Castronovo schafft es, Mystery, Spannung und jede Menge Witz in einer fesselnden Geschichte zu vereinen – und das mit einer solchen Leichtigkeit, dass man trotz der ernsten Themen immer wieder schmunzeln muss.“ (Sabine Müller)

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Kaktusfeigen
Prolog
Die Magie von Tomatensoße
Lucia
Papierfetzen im See
Flirrender Asphalt
Santa Lucia del Monte
Zio Calzone
Vorhang aus Eis
Die Katze
Die Engelmacherin
Das verwahrloste Grab
Das Mädchen mit den Keksen
Tarantella
Der Arzt
Zwillingsgeburt
Die Einladung
Wilde Brandung
Das beste Stück
Rivalinnen
Meeresgetier
Das Geständnis
Morgendämmerung
Die Kiste
Der letzte Sonnenuntergang
Epilog
Die Geschichte geht weiter
Flüchtlingsboote am Strand
Die Schande Europas
Zia Mimmas Parmigiana
Danke
Die Autorin
Post aus Sizilien
Klosterkind
Fluch der Saline
Dark Way: Die Geschichte eines Suizids
Impressum

 

 

 

 

 

Kaktusfeigen

 

Roman von Anna Castronovo

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

»Zwei Dinge sollten Kinder von ihren Eltern bekommen: Wurzeln und Flügel.« (J.W. Goethe)

 

 

 

Prolog

 

 

Hier unten in der Dunkelheit spüre ich ihre Präsenz so stark wie noch nie. Gleich wird mich eine kalte Kinderhand berühren, ihre tote Haut auf meiner. Die Härchen auf meinen Unterarmen stellen sich auf. Am liebsten würde ich sofort wieder umdrehen, jetzt gleich, kehrtmachen und nichts wie raus hier.

Ich schaue zurück. Der Nachthimmel zeichnet sich dunkelgrau im Türrahmen ab, nur ein paar Schritte entfernt. Aber ich darf nicht davonlaufen. So nah war ich ihr noch nie. Wenn ich jetzt abhaue, war alles umsonst.

Das Geräusch, das mich hergeführt hat, setzt wieder ein. Eine Art Scharren oder Kratzen. Ist sie das? Obwohl es hier unten kühl ist, beginne ich zu schwitzen. Ich versuche, in der Schwärze vor mir etwas zu erkennen.

Das Kratzen wird lauter, es nimmt den ganzen Raum ein und quält mich. Verdammt, was ist das bloß? Fingernägel, die über die raue Wand schrammen? Ein Schauer läuft mir den Rücken hinunter.

Ich hole tief Luft, um mir selbst Mut zu machen, setze zögernd einen Fuß vor den anderen, taste mich weiter hinein in den modrigen Geruch und strecke die Hände vor mir aus, um nicht gegen irgendetwas zu stoßen. Gegen einen weichen, nachgiebigen Körper zum Beispiel. Ich lasse die Arme wieder sinken, kann kaum noch atmen.

Als hätte Lucia mein Zögern gespürt, wird das Geräusch noch lauter. Sie will mich zu sich führen und ich bin auf dem richtigen Weg. Oder stolpere ich gerade direkt in mein Verderben hinein? Keine Ahnung. Alles, was ich weiß ist, dass das hier meine einzige Chance ist.

Die Magie von Tomatensoße

 

 

Da ist er wieder. Silvio Berlusconi mit seinem öligen Siegerlächeln. Die gebleichten Zähne leuchten aus einer dicken Schicht Make-up hervor, er breitet die Arme aus wie Jesus persönlich, streckt dann den Zeigefinger in die Kamera.

»Mei, immer dieser aufgeblasene Sprücheklopfer, rauf und runter, und des scho am frühen Morgen.« Meine Mutter verdreht die Augen und hält die Fernbedienung Richtung Fernseher wie einen Revolver.

»Nicht ausschalten«, sage ich, schnelle vor und reiße ihr die Kommandozentrale unserer WG-Küche aus der Hand. Wer die Fernbedienung hat, hat die Macht.

»Obacht!« Meine Mutter schaut mich empört an, dann schüttelt sie den Kopf. »Dass dir dieser heroperierte Zampano nicht auf die Nerven geht.«

»Mich interessiert halt, was in Italien los ist. Ist ja schließlich mein Geburtsland. Gell?«

Sie reagiert nicht auf meine Spitze, sondern rührt in ihrem Yogi-Tee und verfolgt das Spektakel auf dem Bildschirm. »Mei, der hat ja mehr Haare auf dem Kopf als vor den letzten Wahlen. Wie alt ist er jetzt eigentlich?«, brummelt sie vor sich hin. »Schau dir des mal an. Wenn der so deppert grinst, bleibt seine Visage ganz starr wie so eine Maske. Des ist ja gruselig, wie so eine Horror-Mörderpuppe.« Sie schüttelt sich.

»Hast du dir heute schon einen Joint genehmigt?« Skeptisch beobachte ich, wie sie den Tee in kleinen Schlucken schlürft und dabei die Augenbrauen hochzieht.

»Ach geh! Jetzt sei halt nicht immer so spießig. Ein bisserl mehr Lockerheit würde dir fei nicht schaden.« Sie stellt die Tasse ab. »Aber echt, des ist doch ein richtiger Wiedergänger, oder? Also politisch gesehen, meine ich. Aus wie vielen Skandalen ist der mittlerweile schon auferstanden?«

Ich lache auf. »Verwicklung in Mafia-Attentate, Meineid, Geldwäsche, Bilanzfälschung, Schmiergeldzahlungen, Richterbestechung und illegale Parteifinanzierung. Hab ich was vergessen?«

»Sag ich doch. Alles Verbrecher, diese Italiener. Mit denen bin ich eh fertig.«

»Mitzi!«

»Ist doch wahr.« Meine Mutter schlägt raschelnd die Süddeutsche auf. »Was gibt´s heute zum Mittagessen?«

»Spaghetti mit Tomatensoße.«

»Schon wieder?« Sie schnauft.

»Kannst ja selber kochen.«

Sie grummelt und vergräbt sich in ihre Zeitung.

Ich zeige auf unseren Kochplan, der am Kühlschrank hängt. Er wird von meiner Mutter erstellt und verwaltet, und irgendwie steht sie selbst immer ein bisschen seltener drauf als ich. »Eigentlich war ich nämlich schon letzte Woche dran.«

Sie schaut nicht mal von der Süddeutschen auf. »Weißt, wir leben nicht um zu glauben, sondern um zu handeln. Des ist fei vom Dalai Lama.«

»Lernen«, korrigiere ich sie. »Es heißt, wir leben nicht um zu glauben, sondern um zu lernen.«

»Mei, dass du immer alles besser wissen musst. Dann lernst du halt. Des ist doch fast dasselbe. Wenn man handelt, lernt man doch automatisch.«

»Soll ich etwa vom Dalai Lama kochen lernen, oder was?«

Jetzt schaut sie doch auf und rückt ihren Schal zurecht, den ich ihr als Kind gebatikt habe. Das Lila beißt sich mit dem Rot ihrer Haare, aber das ist ihr egal. Selbstgemachte Geschenke von Kindern sind heilig, sagt sie immer. Sie seufzt mitleidig. »Mei Linda, des verstehst du doch eh nicht.«

Ich schnappe nach Luft. »Was ich verstehe ist, dass ich doppelt so oft kochen muss wie du, und dass du dann auch noch über mein Essen meckerst.«

»Mein Gott, bist du stur. Jetzt nimm die Dinge doch einfach mal so hin, wie sie sind. Und außerdem lasse ich mir von niemandem vorschreiben, wie oft ich kochen soll, dass des fei klar ist. Des wäre ja noch schöner.«

»Aber ...« Ich breche ab. Eigentlich will ich ihr sagen, dass sie diejenige ist, die mir gerade Vorschriften macht, und zwar ziemlich ungerechte, aber ich will jetzt keinen Streit anzetteln. Dann koche ich eben auch heute, um des lieben Friedens willen. So ist das eben, wenn man mit fünfundzwanzig noch bei seiner Mutter wohnt. Ich setze mich hin, greife nach dem Müsli und verfolge weiter die Neun-Uhr-Nachrichten.

Seit Wochen schon echauffiert Berlusconi gut gelaunt die Weltpolitik. Und jedes Mal, wenn er mich aus dem Bildschirm heraus angrinst, erinnert er mich daran, dass ich nicht weiß, wer ich bin. Ob mein Vater auch so ist wie er? So narzisstisch und gänzlich ohne Manieren? Vielleicht ein ganz kleines bisschen? Ich zerbeiße eine Haselnuss. Das kann nicht sein. Mein Vater ist bestimmt ganz anders. Zum Beispiel der Typ verträumter Fischer, der im Morgendunst mit seinem Boot aufs Meer hinausfährt und sich seufzend fragt, was wohl aus seiner Tochter im fernen Deutschland geworden ist. Dieses Bild gefällt mir viel besser. Aber ich fürchte, das ist eher unwahrscheinlich. Die wenigen Informationen über ihn, die ich meiner Mutter in explosiven Momenten entlocken konnte, sprechen nicht wirklich für ihn.

Jedenfalls pflanzt Silvio Berlusconi den Gedanken an meinen Vater hinterrücks in meinen Alltag ein. Seit in Italien Wahlkampf ist, ist mein Geburtsland in unserer Küche omnipräsent. Genau wie der Geruch von Tomatensoße, der tagelang festhängt und jedes Mal, wenn man reinkommt, Lust auf noch mehr Tomatensoße macht. Ich bin süchtig danach. Wenn ich nur ein Gericht auf eine einsame Insel mitnehmen könnte, von dem ich mich den Rest meines Lebens ernähren müsste, wären es Spaghetti mit Tomatensoße, weil die gegen Einsamkeit, Fernweh, Erschöpfung und Kopfschmerzen helfen. Einfach gegen alles. Ein großer Teller Nudeln, ordentlich Soße drauf und ein Berg Käse, der schmilzt und Fäden zieht. Dann ist die Welt gleich wieder ein bisschen schöner.

Seit Wahlkampf ist, denke ich sogar an meinen Vater, wenn ich das Geschirr spüle. Ob ich wohl spüle wie eine richtige Sizilianerin? Und wenn ich unter der Dusche singe, nämlich immer Ti amo, weil es das einzige italienische Lied ist, dessen Refrain ich kann – ti amooo, ti amo, ti amooo, ti amo und so weiter. Auch wenn ich koche, natürlich sizilianische Rezepte, oder wenn ich meiner Tochter Hanna in ihre dunkelbraunen Rehaugen schaue. Die hat sie von mir, und ich habe sie, ist ja klar, von meinem südländischen Vater. Überhaupt fühle ich mich unglaublich sizilianisch.

Die Wahrheit ist, dass ich zwar seit Jahren heimlich Italienischkurse besuche und literweise Tomatensoße koche, aber Sizilien noch nie gesehen habe. Und über meinen Vater weiß ich nichts außer seinen Namen, und das auch nur, weil er in meiner Geburtsurkunde steht. Gaetano Inguanta. Das klingt wie Musik.

»Du, Mitzi?«, frage ich über den Tisch.

»Hm«, macht meine Mutter und liest weiter.

»Ist mein Vater auch so ein Zampano?«

Jetzt schnellt ihr Kopf doch nach oben und ihre Augen funkeln. »Ha!«, ruft sie. »Der war sogar noch schlimmer als der Berlusconi! Ein elendiger Grattler war der, ein hinterfotziger Hallodri, der war nicht nur ein Depp, sondern ein ganzer Deppenhaufen.«

Ich seufze. Es ist jedes Mal das Gleiche. Außer Schimpfwörtern bekomme ich nichts aus ihr heraus. »Musst du immer so giftig sein?«, raunze ich sie an. »Er ist immerhin mein Vater. Ich will ihn so gerne mal kennenlernen. Ich will wissen, wie viel Sizilien in mir steckt.«

»Wie viel Sizilien in mir steckt«, äfft sie mich nach. »Tu doch nicht so theatralisch. Du bist besser ohne diesen sizilianischen Süßholzraspler dran, des kannst du mir fei glauben.« Sie senkt den Kopf wieder und raschelt unmissverständlich mit der Zeitung. Thema beendet.

Ich schaue auf den Bildschirm. Da ist er schon wieder, der Kasperl mit dem Dauergrinsen. Nein, nicht mein Vater, sondern Berlusconi. Er jubelt, als hätte er gerade das böse Krokodil niedergerungen. Die Bilder sind mit der Stimme des Nachrichtensprechers unterlegt: »Silvio Berlusconi hat die Parlamentswahlen mit großer Mehrheit gewonnen und wird zum dritten Mal Ministerpräsident Italiens.« Er klingt so, als würde er selbst nicht glauben, was er da sagt.

Meine Mutter faltet geräuschvoll ihre Süddeutsche zusammen. »Ja gehst du her! Mit siebenundvierzig Komma drei Prozent der Stimmen. Des kann doch gar nicht sein, dass die Italiener diesen aufgeblasenen Gockel schon wieder wählen.« Sie winkelt die Arme ab wie zwei Flügel und imitiert einen Hahn. »Gock, gock, gock, kikerikiii.« Dann zuckt sie die Schultern. »Aber mei, jedes Volk hat halt die Regierung, die es verdient.«

»Mitzi!«

»Ist doch wahr.«

Es folgen Bilder von Berlusconi, der Schampus über seine zukünftigen Minister gießt, vor allem in den Ausschnitt einer spindeldürren Frau mit kurzen Haaren, die neben ihm steht. Irgendwie kommt sie mir bekannt vor. »Das ist doch dieses Nacktmodell, oder?«, frage ich meine Mutter. »Hat er der nicht letztes Jahr zugeflüstert, er würde sie sofort zur Frau nehmen, wenn er nicht schon verheiratet wäre? Dann musste er sich öffentlich in der Zeitung dafür entschuldigen, weißt du noch?« Ich zeige mit dem Löffel auf den Fernseher. »Und jetzt will er ausgerechnet die zu seiner Gleichstellungsbeauftragten machen? Im Jahr zweitausendacht? Ich fasse es nicht. Dabei hat er vor ein paar Tagen noch gesagt, die spanische Regierung mit neun Ministerinnen sei ihm zu rosa.«

Meine Mutter seufzt. »Mei, jetzt reg dich halt nicht gleich so auf. Des ist doch ein Zeichen von Fortschritt, dass ein Showgirl heutzutage Ministerin werden kann.«

»Was?«

Sie schaut mich über die Ränder ihrer Lesebrille hinweg an. »Oder willst du einer Frau gleich alle ihre Qualifikationen absprechen, nur weil sie sich mal vor der Kamera ausgezogen hat? Die ist fei Juristin. Da brauchst du mit deinem abgebrochenen Studium gar nicht so schlau daherreden.«

Touché.

Sie blättert auf die nächste Seite der Süddeutschen.

Das Krokodil ist jetzt jedenfalls endgültig weg vom Fenster, der Kasperl hat gewonnen und ich habe schlechte Laune. Ich mache den Fernseher aus, stelle die Kaffeetasse ab und gehe aufs Klo.

»Maaamaaa!«

Hanna hat einen Instinkt dafür, immer dann nach mir zu rufen, wenn ich auf der Schüssel sitze.

»Ja gleich!«, sage ich durch die geschlossene Tür.

»Maaamaaa!«

»Ich sitz auf dem Klo!«

»Maaamaaa!«

Ich seufze und ziehe die Unterhose hoch.

»Maaamaaa!«

Als ich die Tür öffne, steht Hanna im Schlafanzug vor mir, die Hände in die Hüften gestemmt, die weichen Haare zu einem Nest auf ihrem Hinterkopf verzwirbelt.

»Gestern war im Kindergarten Opa-Tag. Alle Kinder hatten einen, nur ich nicht. Warum habe ich keinen Opa?«

»Was?« Ich huste.

»Hast du dir überhaupt die Hände gewaschen?« Hanna schaut mich skeptisch an.

»Ja«, lüge ich, und sie nickt zufrieden.

»Warum habe ich keinen Opa?«, fragt sie noch mal.

»Äh ... Klar hast du einen Opa. Den Opa Ludwig.«

»Der ist tot. Ich meine den anderen, von dir. Die anderen Kinder haben alle zwei Opas. Einen von der Mama und einen vom Papa.«

»Jeder hat zwei Opas. Du kennst den anderen nur nicht.«

»Und warum?«

»Weil ich ihn auch nicht kenne.«

Hanna zieht ihre dichten Augenbrauen zusammen, sodass sich über ihrer Nasenwurzel ein winziges Fältchen bildet, das ihr mit ihren fünf Jahren einen putzigen Ernst verleiht. »Aber mein Opa ist doch dein Papa. Und den kennst du nicht?«

Ich schüttele den Kopf.

»Ich wäre aber traurig, wenn ich meinen Papa nicht kennen würde.«

Ich schlucke und presse die Lippen zusammen.

»Aber die Oma muss ihn doch kennen.«

»Klar.«

»Warum fragst du sie nicht?«

»Hab ich.«

»Und?«

»Sie will es mir nicht sagen.«

Hanna wechselt ihren zerknautschten Stoffhasen von der rechten in die linke Hand. »Aber ich will´s wissen.«

»Ich auch.«

»Dann frag ich sie.«

Ich küsse sie auf die Stirn, sie riecht süß nach Schlaf und ich drücke sie an mich. »Mach das, aber nicht jetzt. Papa holt dich gleich ab. Zieh dich mal an.«

Sie flitzt die Treppe nach oben.

Meine Tochter heißt Johanna, aber ich nenne sie entweder Hanna oder Mucki. Ich hätte ihr gerne einen italienischen Namen gegeben, doch das wollte mein damaliger Freund nicht. Und ich blöde Nuss habe auf ihn gehört, schließlich war er ja der Vater. Jetzt nenne ich ihn nur noch den Erzeuger. Er verschwand kurz nach Hannas Geburt aus meinem Leben, dieses Familiending sei einfach nicht seins, hat er gesagt. Er müsse sich noch ausleben, verwirklichen, der ganze Kram eben. Verwirklichen! Dass ich nicht lache. Er ist der Typ, der das Auto so besetzt, dass die Reifen gleichmäßig abgefahren werden. Und sein wildestes Abenteuer ist es, am Samstagvormittag mit dem Aufsitztraktor durch den Garten zu tuckern.

Eine Hupe ertönt, ich zucke zusammen, schaue aus dem Fenster und mir schießt direkt das Blut in den Kopf. Natürlich ist er das. Wer sonst würde am Sonntagmorgen einfach in der Gegend rumhupen?

»Hanna, dein Papa ist da!«, rufe ich nach oben.

Sie kommt die Treppe herunter, und bevor ich noch die Haustür öffnen kann, plingt schon mein Handy. Eine SMS von ihm:

 

Warum ist Hanna noch nicht fertig?!?

 

Meine Güte. Ich verdrehe die Augen. Dann begleite ich Hanna vor bis zur Straße, zwischen blühenden Pfingstrosen, Akelei und viel zu hohem Gras durch, das der Erzeuger bestimmt abfällig gemustert hat. Wortlose Übergabe, ich drücke Hanna noch einen Kuss auf den Scheitel. Er bleibt die ganze Zeit über in seinem blank geputzten SUV sitzen, schaut absichtlich nach vorne und wartet, bis ich endlich die Autotür zuwerfe.

Als ich zurück ins Haus komme, steht meine Mutter am Fester. »Alles Hosenbiesler, diese Mannsbilder«, knurrt sie. »Erst halten sie ihren Schwanz überall rein, und wenn´s ernst wird, schrumpelt er ihnen ganz schnell zusammen, bis er sooo winzig ist.« Sie zeigt mit Daumen und Zeigefinger die Größe einer Ameise an. »Und dann sind sie weg. Mit einer ganz, ganz leeren Hosen.«

»Mitzi!«

»Ist doch wahr. Aber wir Frauen halten zam, wir kriegen die Hanna schon groß. Und dein Studium holst du halt nach. Wie schaut´s denn damit eigentlich aus?«

Ich antworte nicht. Warum kommt heute bloß jedes unangenehme Thema auf den Tisch, das es in meinem Leben gibt, aber auch wirklich jedes?

»Ich meine, die Hanna ist doch vormittags im Kindergarten, und am Nachmittag könnte ich auf sie aufpassen. Ich baue mit ihr Staudämme und wir malen zusammen die Fenster mit Fingerfarben an. Des wär doch schön. Und du könntest in Ruhe studieren.«

»Und meine Arbeit als Fotografin?«

»Arbeit!«, äfft sie mich nach. »Des ist doch nur ein Hobby.«

»Und mein Job in der Eisdiele?«

Sie verdreht die Augen. »Kellnerin. Und dann mitten unter diesem ... diesem ganzen Gschwerl.«

»Vergiss nicht, dass ich Halbitalienerin bin.«

Sie winkt ab. »Du könntest viel mehr aus deinem Leben machen.«

»Da spricht die Richtige.«

»Wie meinst du jetzt des?«

»Hallo? Malerin und Großerbin? Sehr anstrengender Job. Du hast doch noch nie wirklich arbeiten müssen. Nicht mal in einer Eisdiele.«

Sie stemmt die Hände in die Hüften. »Des ist etwas ganz anderes. Ich bin schließlich eine Künstlerin.«

»Ich auch.«

»Aber ich verdiene Geld mit meinen Bildern.«

Peng, Treffer, versenkt.

Am liebsten würde ich mit dem Fuß aufstampfen, aber ich höre mich sowieso schon an, wie ein trotziges Kind. Also knurre ich nur: »Ich gehe jetzt fotografieren. Wirst schon sehen, dass ich meine Bilder irgendwann verkaufen kann.«

Mit hoch erhobenem Kopf rausche ich aus der Küche.

Lucia

 

 

Die Alpenkette hebt sich glasklar vom Himmel ab, der Föhn schärft alle Konturen und es ist viel zu warm für Ende Mai. Migränewetter. Aber ein irres Licht. Ich spüre ein feines Ziehen hinter meinen Schläfen. Bitte nicht auch noch Kopfschmerzen. Das hätte mir gerade noch gefehlt, ich muss nachher in die Eisdiele. Sonntagnachmittag bei schönem Wetter, da steppt der Bär, und Mario braucht Unterstützung auf der Terrasse.

Ich suche das Weitwinkel-Objektiv aus meiner Fototasche und schraube es auf die Kamera. Dann lasse ich meinen Blick schweifen, um ein Motiv zu finden. Meine Augen wandern über das dunkle Wasser des Ammersees. Was ist das? Ich starre auf die Wasseroberfläche, kneife die Augen zusammen. Da ist doch was. Mein Blick verschwimmt. Die kleinen, hektischen Wellen des Sees werden zu großen, sanften Wogen. Das sizilianische Meer.

Da ist sie. Erst gleiten ihre Umrisse unter der Oberfläche entlang, dann bricht ihr Kopf mit den langen dunklen Haaren durch das Wasser. Sie schwimmt auf mich zu, schließlich steht sie auf. Das Wasser reicht ihr bis zum Bauch und an ihrem Körper klebt das weiße Nachthemd, das ich als Kind hatte. Das trägt sie immer noch, obwohl sie auch fünfundzwanzig ist.

Ciao Lucia, flüstere ich in Gedanken, setze mich im Schneidersitz auf die Kieselsteine und lege die Kamera in meinen Schoß. So ein Scheißtag. Sie schaut mich an, mit ihrem milden Blick und lächelt. Sie sieht genauso aus wie ich, bis auf die Haare. Mitzi ist mal wieder in Hochform, Berlusconi wurde wiedergewählt und der Erzeuger ist sowieso ein Arsch. Ich seufze. Außerdem hat Hanna nach ihrem Opa gefragt. Weißt du, ich würde ihn so gerne kennenlernen. Manchmal frage ich mich, ob du unseren Vater kennst. Nickt sie, oder bilde ich mir das ein? Vielleicht lebst du ja sogar bei ihm. Ich beobachte ihr Gesicht genau, aber sie lächelt nur immer weiter ihr sanftes Lächeln, dann verblasst sie und ist weg.

Ich weiß, dass sie nicht tot ist. Lucia ist ein Teil von mir. Ich sehe sie oft, in meinen Träumen, aber auch tagsüber, wenn es mir nicht gut geht. So wie jetzt. Dann kommt sie zu mir. Ich weiß nicht genau, wie sie das macht. Sie taucht einfach in meinem Kopf auf und ich sehe sie, ohne sie zu sehen, und höre sie, ohne sie zu hören. Ich glaube, das ist so ein Zwillingsding.

Als ich klein war, habe ich meiner Mutter ein paar Mal davon erzählt, aber sie ist jedes Mal traurig geworden, also habe ich damit aufgehört. Wenn es um Lucias Tod geht, ist sie noch schweigsamer als bei meinem Vater. Da flucht sie nicht mal mehr, da herrscht nur noch eine Stille, die die ganze Luft um sie herum einsaugt wie ein Vakuum. Manchmal glaube ich, meine Mutter erstickt an ihrer eigenen Einsamkeit.

Sonst weiß niemand davon, dass ich Lucia sehe, sie ist mein Geheimnis. Die Leute würden mich für verrückt erklären, wenn ich ihnen erzähle, dass ich so eine Art telepathischen Kontakt zu meiner Schwester habe. Aber ich habe viel über Zwillingsforschung gelesen und es ist nun mal so, dass getrennt lebende, eineiige Zwillinge genauso viele Übereinstimmungen haben wie solche, die zusammen aufgewachsen sind. Es gibt da diesen verrückten Fall aus Ohio. Jim Lewis und Jim Springer, Zwillingsbrüder, die wenige Wochen nach ihrer Geburt von unterschiedlichen Paaren adoptiert wurden, haben neununddreißig Jahre lang nichts voneinander gewusst. Als sie sich wiedertrafen, stellten sie fest, dass beide die gleiche Zigarettenmarke rauchten, das gleiche Bier tranken und den gleichen Wagen fuhren. Sie hatten beide zwei Mal geheiratet, und zwar jeweils erst eine Linda und dann jeder eine Betty. Ihre Söhne hießen Alan und James Allan, ihre Hunde hießen beide Toy. Im Nebenberuf arbeiteten die Brüder als Hilfssheriffs und in ihren Gärten stand jeweils ein Baum auf dem Rasen, und darunter eine weiße Bank.

Da kann mir doch niemand erzählen, dass es keine besondere Verbindung zwischen Zwillingen gibt. Welche Gemeinsamkeiten haben wohl Lucia und ich? Vielleicht hat sie auch eine Tochter, die Hanna heißt? Eher unwahrscheinlich in Italien, aber Anna könnte zum Beispiel sein.

Ich streiche mir mit der flachen Hand über das Gesicht, nehme die Kamera aus meinem Schoß und stehe auf. Lucia ist weg, und das Licht auch. Die einzigen fünf Schäfchenwolken am Himmel haben sich genau vor der Sonne gruppiert. Heute ist wirklich ein Scheißtag.

Meine Schuhe knirschen im Kies. Ich schlendere am Ufer entlang, betrachte die moosigen Baumwurzeln, die in den See hineinwachsen. Ein spannungsreiches Motiv. Die Verbindung von Land und Wasser, von Bewusstsein und Unterbewusstsein, von Lucia und mir. Ich knie mich hin, fotografiere von unten. Dann klettere ich auf den ersten Ast und mache Bilder von oben.

Mein Handy plingt und ich springe vom Baum herunter. Mist. Ich habe völlig die Zeit vergessen. Mario hat mir geschrieben.

 

Dove sei? Wo bist du?

 

Ich jogge los. Zum Glück ist es nicht weit bis zur Eisdiele. Alle Tische sind besetzt und Mario jongliert hohe, bunte Eisbecher zwischen den Gästen herum. Ich winke ihm zu und laufe hinein, um mir die Schürze mit der Aufschrift Gelateria al Lago umzubinden.

»Ciao Linda, super, dass du heute helfen kannst«, ruft Maria hinter der Kaffeemaschine hervor. Eine Haarsträhne klebt ihr in der Stirn. Ihr Gesicht ist ganz rot, aber sie strahlt. Aus dem CD-Player dudeln italienische Schlager, die Gäste lachen, die Sonne funkelt auf dem See. Die gelateria ist mein kleines, privates Italien und für ein paar Stunden bin ich glücklich.

Erst abends, als der Erzeuger mich wieder zur wortlosen Übergabe herhupt, kehrt der Klumpen aus Ärger und Traurigkeit zurück, den ich schon heute Vormittag in meiner Brust hatte. Er wartet, bis ich Hanna die Tür geöffnet habe, dann heult der Motor auf und die Rücklichter seines Autos hinterlassen eine rote Spur auf meinem Herzen.

Was ist heute nur los mit mir? Sogar der Erzeuger macht mich sentimental. Dabei hatte ich mich doch so gut damit arrangiert, dass es in meinem Leben keinen Vater, keinen Ehemann und nur eine telepathische Schwester gibt. Uns geht es doch gut in unserer Frauen-WG.

Ich umarme Hanna. »Wie war´s?«

»Toll«, ruft sie. »Wir waren in München im Tierpark. Da gibt es ein Affenbaby.« Sie rennt an mir vorbei ins Haus.

Ich seufze. Erst der Berlusconi, und dann auch noch Hanna mit der Frage nach ihrem Opa. Mit einem Ratsch hat sie die alte Kruste abgerissen, auf der all die Jahre dickes Pflaster geklebt hat und ich fühle die Schrammen und Kratzer auf meiner Seele wieder. Gleichzeitig füllt sie mit ihren roten Backen und dem nussigen Duft ihrer Haare meine Leerräume mit Glück auf, mit Geborgenheit und Familie, und ich will immer mehr davon. Das ist genau wie mit Tomatensoße. Ich nehme noch einen Teller, obwohl ich schon satt bin, und ich will ein noch wärmeres Nest, in dem ich meine Brut vollglucken kann.

»Hast du Hunger?«, frage ich sie. »Es gibt Nudeln.«

»Lecker!«

 

Nach dem Abendessen lade ich die Fotos vom See auf den Computer. Sie sind besser geworden, als ich dachte. Das Schäfchenwolkenlicht hat die scharfen Umrisse abgemildert, sie sehen weicher aus, und die Wölkchen spiegeln sich im Wasser. Ein Poltern reißt mich aus meiner Arbeit, ich fahre vom Schreibtisch hoch und drehe mich um.

»Was fällt dir ein, die Hanna da mit reinzuziehen?« Meine Mutter hat sich nicht die Mühe gemacht anzuklopfen. Sie steht schon mitten im Raum, rote Flecken überziehen ihren Hals und ihre Leinenbluse zittert über dem mächtigen Busen.

»Ehm ... Hallo?«

»Über diesen ... diesen Saukrüppel verliere ich kein Wort, dass des fei klar ist!«

Alles klar. Hanna hat sie also nach ihrem Opa gefragt.

»Ein Unhold ist er, ein Wüstling, ein Schwerenöter«, keift Mitzi weiter. »Dass du dich nicht schämst. Deine Tochter vorzuschicken, weil du dich selber nicht traust.«

»Spinnst du? Sie hat mich nur nach ihrem Opa gefragt, und da hab ich ihr halt gesagt, dass ich nichts über ihn weiß. Wahrheitsgemäß.«

»Warum hast du des gesagt?«

»Weil es stimmt?« Ich hebe die Hände. »Du sagst doch immer, man muss über alles reden, das einen umtreibt, weil man Bauchweh und Blähungen bekommt, wenn man etwas Schlechtes in sich reinfrisst. Jetzt lass uns halt mal ...«

»Darüber nicht! Da kommt das Bauchweh erst, wenn man drüber redet, und Bauchweh hab ich schon genug gehabt, wegen diesem ... diesem glutäugigen Witwentröster!«

»Glutäugiger Witwentröster?« Ich muss grinsen.

»Brauchst gar nicht so deppert lachen.«

»Aber Hanna hat ein Recht darauf ...«

»Jetzt schiebst du sie schon wieder vor.«

»Okay, also ich habe ein Recht darauf ...«

»Recht, Recht ... Des ist wie bei deinem Berlusconi.«

»Meinem Berlusconi?« Ich stehe auf und stemme die Hände in die Hüften. »Was soll jetzt das heißen?«

Sie winkt ab. »Des verstehst du eh nicht. Und überhaupt. Schweigen ist manchmal die beste Antwort. Des hat fei der Dalai Lama gesagt.«

»Aber Hanna ...«

»Obacht! Lass mir bloß die Hanna aus dem Spiel!«

»Sag mir wenigstens, ob er noch lebt.«

»Keine Ahnung.« Sie hebt die Hände. »Und ich will des auch gar nicht wissen. Wegen mir kann er in der Hölle schmoren, oder im rülpsenden und furzenden Krater des Ätna. Und zwar qualvoll!«

»Mitzi!«

»Ist doch wahr. Aber des Universum vergisst nichts, des sag ich dir fei, und er wird seine gerechte Strafe schon noch bekommen, weil der nämlich ein ganz beschissenes Karma hat!« Mit wehendem Schal verlässt sie den Raum.

»Kann es sein, dass du gerade davonläufst? Immer alles zu Ende diskutieren und so?«, rufe ich ihr hinterher.

Sie knallt die Tür.

»Ich habe aber Bauchweh!«, schreie ich die Wand an.

Ich tigere durchs Zimmer. Es ist immer dasselbe, ich bekomme einfach nichts aus ihr heraus. Um mich abzulenken, schalte ich den Fernseher an. Werbung. In den Spots sind die Menschen immer dünn und können backen. Ich hasse backen, und dünn bin ich auch nicht. Ich zappe weiter. Ah, das ist besser. Ein bisschen Reality-Trash. Da habe ich gleich das Gefühl, dass mein Leben doch ganz schön ist, auch als vaterlose Alleinerziehende, die sich mit fünfundzwanzig Jahren noch von ihrer Mutter drangsalieren lässt. Trash funktioniert immer. Schon wieder Werbeunterbrechung. Jetzt bloß keine Hausfrauen, die glücklich über ihr neues Putzmittel sind. Lieber weiterschalten. Eine Doku über Flüchtlinge. Auch das noch. Ich bin heute eh dünnhäutig, das ertrage ich jetzt nicht. Mein Zeigefinger liegt schon auf der Channel-Taste, da halte ich inne. Es geht um Sizilien.

»Bis Mai sind bereits über zehntausend Bootsflüchtlinge in Süditalien angekommen«, sagt der Sprecher. »Und für die Sommermonate werden noch deutlich mehr Boote erwartet. Im letzten Jahr sind fast zweihunderttausend Menschen illegal aus Nordafrika übergesetzt.«

Zweihunderttausend Menschen! Das sind zehn Mal alle Einwohner von Dießen. Bilder von zusammengedrängten Menschen flackern über den Bildschirm, viel zu viele Leute für die Holzboote, die nicht wirklich seetüchtig aussehen. Die Decks quellen über. Da sind auch Kinder dabei, die von ihren Eltern allein auf die Reise geschickt werden, sagt der Sprecher. In meinem Hals bildet sich ein Klumpen, der sich nicht wegschlucken lässt. Das ist mir jetzt eindeutig zu viel Reality. Vielleicht sollte ich doch lieber umschalten. Aber ich schaffe es nicht. Wie groß muss die Verzweiflung dieser Eltern sein, damit sie ihre Kinder auf so einem wackeligen Kahn hinaus aufs Meer schicken? Ich stelle mir vor, wie ich Hanna in ein solches Boot setze, und wische mir eine Träne von der Wange. Diese Kinder werden ihre Eltern nie wiedersehen.

Und wie ich so auf den Bildschirm starre, wird mir etwas klar. Die Menschen auf diesem Boot haben keine andere Chance. Ich hingegen kann einfach in ein Flugzeug steigen, nach Sizilien fliegen und meinen Vater suchen. Ich meine, nicht nur halbherzig im Internet herumrecherchieren, sondern richtig suchen. So, dass ich ihn auch finde.

Die Wahrheit ist, ich habe es so verdammt viel besser als diese Leute, und ich mache nichts daraus. Rein gar nichts. Ich sitze nur rum, jammere über mein verkorkstes Leben, streite mit meiner Mutter und dem Erzeuger und mache irgendwelche Fotos, die keiner sehen will. Manchmal kann ich mich selbst nicht ausstehen. Echt nicht.

Ich schalte den Fernseher aus und schaue auf den See. Und wenn ich es einfach tue? Mein Magen beginnt zu kribbeln. Das kann doch nicht so schwer sein. Ich muss nur endlich herausfinden, in welchem Ort mein Vater wohnt. Verdammt noch mal, ich ziehe das jetzt durch. Hanna ist im Kindergarten und meine Mutter wollte mit ihren Freundinnen auf einen Prosecco. Das ist die Gelegenheit. Sie muss doch irgendwelche Unterlagen über ihre Zeit in Sizilien, über meinen Vater oder über meine Geburt haben. Und die werde ich jetzt finden.

Zur Sicherheit rufe ich in den Flur hinein: »Mitzi?« Keine Antwort. Auch im Wohnzimmer ist sie nicht. Ich steige die Treppe zu ihrem Atelier hoch und klopfe. »Mitzi?« Nichts. Die Luft ist rein.

Ich öffne die Tür und betrete ihr Zimmer. Obwohl ich allein bin, schleiche ich auf Zehenspitzen. Blöd eigentlich. Wahrscheinlich, weil ich weiß, dass es das Schlimmste ist, was ich meiner Mutter antun kann, wenn ich heimlich in ihrer Privatsphäre rumschnüffle. Vertrauensbasis und so.

Mein Mund ist trocken. Auf dem Tisch steht eine Weinflasche, ich nehme sie hoch, aber sie ist leer. Dann ziehe ich die erste Schreibtischschublade auf, erst zögerlich, doch sobald die Hemmschwelle einmal überwunden ist, krame ich hektisch drauf los. Nur Rechnungen und Papierkram. Ein Tütchen mit irgendwelchen Kräutern. Ich rieche hinein und verziehe das Gesicht. Marihuana. Und da sind auch Tabak, Filter und Papierchen. Aber keine Unterlagen über mich. Ist eigentlich klar. Natürlich lässt meine Mutter ihre Geheimnisse, die sie seit Jahrzehnten vor mir versteckt, nicht in der erstbesten Schublade herumliegen.

Ich sehe mich um. Öffne ihren Kleiderschrank, schiebe die Leinenblusen und die bunten Kaftane auseinander. Dann hüpfe ich ein paar Mal hintereinander hoch, um einen Blick auf das oberste Fach zu erhaschen. Ganz hinten sehe ich eine Schachtel. Ich springe, so hoch ich kann und versuche, danach zu greifen, erreiche sie aber nicht.

Unten geht die Tür auf. Ich höre den Schlüssel klappern. Scheiße. Soll ich meine Suche abbrechen? Nein, auf keinen Fall. Wenn sie merkt, dass ich in ihrem Zimmer war, wird sie sämtliche Unterlagen, die es vielleicht noch gibt, vernichten. Ich muss etwas finden, und zwar jetzt.

Ich hole einen Stuhl, klettere hinauf, fast stürze ich in der Eile wieder ab, fange mich gerade noch. Dann zerre ich an der Schachtel. Als sie mir endlich entgegenkommt, springe ich damit vom Stuhl und reiße den Deckel auf. Schnell jetzt.

Ich höre, wie meine Mutter unten herumläuft und summt. In der Küche gurgelt die Kaffeemaschine los. Fotos. Briefe. Ich krame hektisch, ziehe von ganz unten ein Kuvert heraus. Absender: Gaetano Inguanta. Mein Herz beginnt zu hämmern. Ein Brief von meinem Vater. Er ist adressiert an Carmelinda Inguanta. Das bin ich.

»Himmiherrschaftszeitensakramentfixhallelujanochamal!«

Ich fahre herum.

»Was tust du da?«

Meine Mutter steht im Türrahmen wie ein dystopischer Racheengel mit Feuerkranz um den Kopf, und die Wut lodert nur so aus ihrem Gesicht. Sie stürmt auf mich zu und reißt mir den Brief aus der Hand.

Papierfetzen im See

 

 

»Was hast du in meinen Sachen zu suchen?« Die Wutflammen lodern immer wilder um Mitzis Kopf.

Jetzt geht es nur noch vorwärts, mit dem Kopf durch die Wand, um sie endlich aus der Reserve zu locken. »Ich habe gerade Flugtickets nach Sizilien gekauft, für Hanna und mich.« Eiskalt gelogen. Aber die Worte verfehlen ihre Wirkung nicht.

»Du hast was?« Das Feuer brennt lichterloh. »Auf keinen Fall. Du wirst Hanna nicht in diesen Mafiapfuhl verschleppen.«

»Mafiapfuhl? Spinnst du?«

»Ich weiß fei, wie es ist, ein Kind zu verlieren, und ich weiß auch, wie schnell des in Sizilien geht.«

Ich starre sie an. »Was soll das heißen?«

Sie presst den Brief an die Brust, das Papier ist schon ganz verknittert. »Nix.«

»Ich dachte, Lucia ist bei meiner Geburt gestorben?«

»Ist sie auch.«

»Ich glaub dir kein Wort.«

»Du fliegst nicht dort hin, und Hanna schon gleich dreimal nicht.«

»Dort! Du kannst nicht mal den Namen aussprechen. Sizilien. Da bin ich geboren, verstehst du? Das sind meine Wurzeln. Und dort«, mein Zeigefinger schnellt vor, »dort werde ich jetzt meinen Vater suchen. Und meine Schwester. Ob es dir passt oder nicht. Besuche jedes Jahr einen Ort, den du noch nicht kennst. Das ist auch vom Dalai Lama. Und du sagst mir jetzt, wo mein Vater lebt.«

»Mei, in irgendsoeinem ausgeglühten Kaff halt.«

»Den Namen!«

»Nein.«

»Gib mir den Brief. Das ist meiner. Er ist an mich adressiert.«

»Niemals!« Sie reißt das Papier einmal in der Mitte durch, und dann noch einmal.

»Spinnst du?« Ich springe auf sie zu und versuche, ihr die vier Stücke zu entreißen, doch sie ist schneller, hechtet zum Fenster und wirft die Papierfetzen hinaus. Fassungslos sehe ich zu, wie der Föhnwind die Schnipsel meiner Identität fortträgt und sie sanft auf der Oberfläche des Sees landen. »Du!« Mehr fällt mir nicht ein. Meine Arme hängen nutzlos an mir herab und ich schnappe nach Luft. »Ich packe jetzt.«

»Ach geh, du kannst ja nicht mal Italienisch!«

»Kann ich wohl! Ich mache seit Jahren Italienischkurse und schaue jeden italienischen Film an, den ich im Original kriegen kann. Das weißt du nur nicht, weil ich dir so was nämlich nicht sage. Außerdem haben sie mich in der Eisdiele nur genommen, weil ich Italienisch kann. Und ich fliege sehr wohl nach Sizilien. Nur dass du´s weißt.« Dann stürme ich an ihr vorbei.

»Des kriegst du doch gar nicht auf die Reihe!«, schreit sie mir hinterher.

Diesmal knalle ich die Tür.

Vor der Kommode im Flur halte ich inne. So. Jetzt reicht es mir. Endgültig. Ich bin erwachsen, ich muss mich nicht mehr von meiner Mutter herumkommandieren lassen. Und ich werde ihr jetzt beweisen, dass ich das sehr wohl auf die Reihe kriege. Ich blättere in dem zerfledderten Branchenbuch, das Mitzi dort hütet, seit ich denken kann. Nichts geht über regionale Unternehmen und persönliche Kontakte, sagt sie immer. Ich habe noch nie einen Flug gebucht, besser ich rufe im Reisebüro an. Ich nehme den Telefonhörer ab, meine Hand zittert vor Wut, und ein bisschen auch vor Angst.

»Hier ist der automatische Anrufbeantworter ...«

Scheiße, es ist ja Sonntag.

»Guten Tag, Linda Reimann hier, ich möchte einen Flug nach Sizilien buchen. So bald wie möglich. Meine Nummer ist ...«

Ich lege auf, atme tief durch und nehme eine angebrochene Flasche Prosecco aus dem Kühlschrank. Er schmeckt abgestanden, beruhigt mich aber trotzdem ein wenig.

Ich tue es jetzt einfach.

Als dieser Gedanke klar hinter meiner Stirn steht, löst sich meine Wut langsam auf und macht Platz für eine kribbelige Aufregung. Ich schenke mir noch ein Glas ein, schaue auf den See und träume ein wenig vor mich hin, von bunten Häuschen, die sich an einer mit Kaktusfeigen bestandenen Küste drängen, vom funkelnden Sternenhimmel und dem Mondlicht, das sich auf den Wellen bricht. Ja, so stelle ich mir Sizilien vor. Ich werde sie beide finden, Lucia und meinen Vater. Und meinen Entschluss habe ich einem ganz bestimmten Menschen zu verdanken. »Danke, Silvio.« Ich proste dem Fernseher zu.

 

Er ruft gleich am nächsten Morgen an. Der Typ vom Reisebüro natürlich, nicht Silvio Berlusconi.

»Frau Reimann?«

»Ja, Linda Reimann.«

»Sind Sie etwa mit der Reimann verwandt? Mit der berühmten Malerin?«

»Das ist meine Mutter.«

»Toll! Und Sie wollen nach Sizilien fliegen?«

»Ja.«

»Zu zweit?«

»Genau. Ein fünfjähriges Kind und ich.«

»Und Ihre Mutter?«

»Nein, ohne meine Mutter.«

»Oh, ach so. Verstehe.« Er seufzt enttäuscht. »Palermo oder Catania?«

»Egal.«

»Welcher Flughafen liegt näher an Ihrem Urlaubsort? Wo wollen Sie denn hin?«

»Ich weiß nicht ...«

»Ich hätte da ein tolles Angebot in einem Club in Taormina, mit Pool und Kinderbetreuung.«

»Ich mache eine Individualreise.«

»Na gut.« Er überlegt kurz. »Ich buche Ihnen Catania.«

Nicht noch einer, der mir sagt, was ich tun soll. »Ich nehme Palermo.«

Er seufzt. »Und wann wollen Sie fliegen?«

Jetzt wird es ernst. Ich hole tief Luft und kneife die Augen zusammen. »So bald wie möglich.«

»Warten Sie ...« Ich höre ihn auf der Tastatur seines Computers herumtippen und in den Hörer schnaufen. »Am Dienstag um 9 Uhr wären noch zwei Plätze im Flugzeug frei.«

»Aber das ist ja schon ...«

»Morgen.«

Plötzlich fühle ich mich doch nicht mehr so sicher. Will ich das wirklich? Allein mit Hanna? Ohne irgendeinen Anhaltspunkt? Ohne zu wissen, was uns dort erwartet? Wen oder was wir in Sizilien finden? Und ob überhaupt?

»Ich nehme den Flug!«

Er seufzt wieder. »Na gut. Und wann geht´s zurück?«

»Keine Ahnung. Hören Sie, buchen Sie mir einfach den Flug, okay?«

Kurze Stille in der Leitung. Dann: »Brauchen Sie auch einen Mietwagen?«

Stimmt, darüber habe ich noch gar nicht nachgedacht. »Ja.«

»Für wie lange?«

Der Typ geht mir gehörig auf die Nerven. »Ich hab doch schon gesagt, ich weiß es nicht. Ein einfacher Flug. Ohne Rückflug. Das kann doch nicht so schwer sein.«

Der Mann seufzt wieder, und so langsam frage ich mich, ob er überhaupt noch Luft in sich drin hat, so viel wie er ausseufzt. »Also gut, ich buche Ihnen den Mietwagen jetzt mal für eine Woche. Sie können ihn direkt vor Ort verlängern. Und Sie können die Tickets heute noch abholen.«

»Na also.«

Dann rufe ich in der Eisdiele an und berichte Maria von meinem Plan.

»Che bello!«, ruft sie ins Telefon. »Du musst unbedingt deine italienische Familie kennenlernen. Klar kriegst du Urlaub.«

Auch Hanna ist begeistert. »Echt? Wir besuchen meinen Opa?« Ich habe sie gerade aus dem Kindergarten abgeholt und sie hüpft durch die Küche. Dann setzt sie sich hin und schaufelt ihre Spaghetti in sich hinein. »Jeden Tag Nudeln?«

Ich lache. »Jeden Tag.« Möglicherweise habe ich sie in Sachen Pasta ein wenig geprägt.

Nach dem Essen packen wir gemeinsam unsere Reisetaschen. Der rosa Stoffhase mit dem einfallsreichen Namen Hasi muss natürlich auch mit.

»Und, welche italienischen Wörter kannst du alle?«, frage ich sie. Seit sie klein ist, lasse ich sie immer italienische DVDs gucken und rede oft Italienisch mit ihr, aber nur, wenn wir allein sind. Meine Mutter will davon nichts hören. »Diese saugreislige Sprache«, hat sie einmal gefaucht, »lass doch wenigstens des Kind damit in Ruh.« Aber ich habe nicht lockergelassen, und jetzt zählt mir Hanna auf: »Buon giorno, buona sera, grazie, prego,bello.«

»Du bist schon eine richtige kleine Sizilianerin«, sage ich zu ihr und sie strahlt mich an.

Meine Mutter lässt sich den ganzen Tag nicht blicken. Bestimmt hat sie sich in ihrem Atelier eingeschlossen und hofft, dass ich nach ihr sehe. Doch darauf kann sie lange warten. Ich brauche sie nicht. Irgendwie werde ich meinen Vater schon finden. In meinem Ausweis steht als Geburtsort Agrigent, dort fange ich mit meiner Suche an. Wahrscheinlich lebt mein Vater in irgendeinem Dorf dort in der Nähe. Heißt es nicht, dass in Sizilien jeder jeden kennt? Das wird schon klappen. Irgendwie.

 

Lucia steht im Dunklen an einem Strand und schaut aufs Meer, schlendert im weißen Nachthemd durch die Brandung. Der Stoff saugt sich voll, das Gewand wird immer länger und ihre Schritte schwerer. Ihre Haare wehen im Wind. Sie kann doch jetzt nicht ins Meer gehen. Gerade jetzt, wo ich komme, um sie zu suchen. Ich will nach ihr rufen, doch ich bringe keinen Ton heraus. Ich kann auch nicht zu ihr laufen, denn ich bin nicht mit ihr an dem Strand, ich liege in meinem Bett in Bayern. Sie hat mich aber auch gespürt, denn sie dreht sich zu mir um, kommt wieder zurück auf den Strand und winkt. Dann wache ich auf. Ich komme zu dir, denke ich, als mein Bewusstsein wieder aus dem Traum auftaucht. Er hat ein warmes Gefühl in meinem Bauch hinterlassen. Jetzt weiß ich, dass es richtig ist, nach Sizilien zu reisen. Mit dem sicheren Gefühl, dass ich meine Schwester bald finden werde, drehe ich mich um, rolle mich unter der Decke ganz klein zusammen und döse wieder weg.

 

Am nächsten Morgen erscheint meine Mutter nicht zum Frühstück. Aber das schlechte Gewissen hat sie wohl umgetrieben, denn sie hat mir auf dem Küchentisch eine Überraschung hinterlassen. Auf meinem Platz klebt ein Post-it.

 

Santa Lucia del Monte

 

Das muss der Name des Ortes sein, in dem mein Vater lebt. Ich schiebe den gelben Zettel in die Rücktasche meiner Jeans. Meine Hand zittert, und mein Herz auch.

 

Flirrender Asphalt

 

 

Unter uns taucht eine von Bergen umrahmte, goldschimmernde Bucht auf. Die Spielzeughäuschen werden größer und schließlich fliegen wir auf eine Großstadt aus zusammengewürfelten Wohnblocks zu. Je näher wir Palermo kommen, desto hässlicher wird die Stadt. Im Hafen liegen rostige Containerschiffe. Baukräne ragen in den Himmel. Trotzdem sagt Hanna »bello« und drückt sich die Nase an dem kleinen Fenster platt.

Das Flugzeug sinkt, fliegt aber immer noch über dem Meer. Jetzt kann ich den Flughafen erkennen. Endlich haben wir auch Boden unter uns und kein Wasser mehr. Die Landebahn sieht allerdings verdammt kurz aus. Der Flieger kommt schief auf, macht zwei, drei Sätze, bis der Pilot bremst, was das Zeug hält. Ich greife nach Hannas Hand, halte die Luft an, die Bremsen kreischen und es stinkt nach verbranntem Gummi. Das Flugzeug schlingert, wird langsamer und rollt über die Landebahn. Ich atme auf. Die Passagiere brechen in Applaus aus und pfeifen, auch Hanna klatscht in die Hände und lacht. Die ganze Anspannung fällt von mir ab und ein freudiges Kribbeln macht sich in meinem Magen breit.

»Willkommen in Sizilien, Mucki.« Ich küsse sie auf den Scheitel.

Als wir auf die Treppe hinaus treten, blendet mich die helle Mittagssonne. Ich atme heißen Wind ein. Erst denke ich, er kommt aus den Turbinen, doch dann merke ich, dass er nach Salz schmeckt. Das Meer glitzert royalblau. Ich würde gerne innehalten, um Sizilien noch etwas tiefer einzuatmen, doch die anderen Passagiere drängen mich weiter. Zu Fuß gehen wir über das Rollfeld, der Asphalt flirrt.

»Mama, hier sind hundert Grad«, sagt Hanna und schirmt die Augen gegen das gleißende Licht ab.

Auf dem weißen, einstöckigen Gebäude prangt die Aufschrift Aereoporto Internazionale di Palermo – Falcone e Borsellino. Da klingelt etwas. Mafiapfuhl hat meine Mutter gesagt. Ja genau, das böse M-Wort. Über Giovanni Falcone und Paolo Borsellino haben wir im Italienischkurs geredet, ich glaube, es waren zwei Richter aus Palermo, die in den Achtzigerjahren gegen die Mafia gekämpft haben und durch Bomben-Attentate getötet wurden. Mafia rauf, Mafia runter, das ist das Einzige, was wir über Sizilien gelernt haben. Ich schlucke und halte Hannas Hand gleich noch etwas fester.

Wir gehen durch die Ankunftshalle, bis wir das Gepäckband finden, über dem in orangefarbenen Lettern blinkt: Monaco - Munich – Monaco. Es steht noch still. Ich schalte mein Handy an. Siebenundzwanzig Anrufe vom Erzeuger, und drei Nachrichten.

 

Wo seid ihr??? Der Kindergarten hat angerufen!!! Hanna ist nicht gekommen, und du bist nicht erreichbar!!!

 

Oh verdammt, ich habe in der ganzen Aufregung vergessen, Hanna abzumelden. Ich suche den Kontakt in meinem Handy und rufe an.

»Tut mir total leid, wir sind spontan nach Sizilien geflogen, ich habe vergessen, Bescheid zu geben ...«

»Das geht so aber nicht, Frau Reimann«, sagt die Erzieherin. »Sie müssen Hanna abmelden, wenn sie nicht kommt.

---ENDE DER LESEPROBE---