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Der Juniband der Märchensammlung von der schwedischen Autorin Larissa Tjärnväg beschreibt das Leben des Tomte Kalle-Nisse als Rahmenhandlung auf einem verlassenen Bauernhof in Dalarna, dessen Einwohner ausgewandert sind. Tomte werden zu den "kleinen Leuten" gezählt, in Deutschland würde man sie als Wichtel oder Heinzelmännchen beschreiben. Im frühen Sommer und durch die Einsamkeit auf einem von den Menschen aufgegebenen Bauernhof bedingt, erzählt der Tomte Kalle-Nisse jeden Abend seinem Kater Felix und einer ebenfalls auf dem verlassenen Bauernhof lebenden Mäusefamilie ein Märchen oder einen seiner Träume. Das Buch ermöglicht so auch einen Einblick in die schwedischen Midsommartage und die Art das Fest zu feiern. Für jeden Abend des Monats Juni steht ein längeres oder kürzeres Märchen bereit. Kalle-Nisse ist aber als schwedischer Wichtel auch mit der alten Religion des Norden verbunden, das gilt ebenso für die Autorin dieser Reihe. Für Larissa Tjärnväg ist es der zweite Märchenband, der in Deutschland veröffentlicht wird.
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Seitenzahl: 500
Veröffentlichungsjahr: 2022
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LarissaTjärnväg
Kalle-Nisses Träume und Erzählungen - Juni -
eBook Ausgabe 01/2022
Der Juniband der Märchensammlung von der schwedischen Autorin Larissa Tjärnväg beschreibt das Leben des Tomte Kalle-Nisse als Rahmenhandlung auf einem verlassenen Bauernhof in Dalarna, dessen Einwohner ausgewandert sind. Tomte werden zu den "kleinen Leuten" gezählt, in Deutschland würde man sie als Wichtel oder Heinzelmännchen beschreiben. Im frühen Sommer und durch die Einsamkeit auf einem von den Menschen aufgegebenen Bauernhof bedingt, erzählt der Tomte Kalle-Nisse jeden Abend seinem Kater Felix und einer ebenfalls auf dem verlassenen Bauernhof lebenden Mäusefamilie ein Märchen oder einen seiner Träume. Das Buch ermöglicht so auch einen Einblick in die schwedischen Midsommartage und die Art das Fest zu feiern. Für jeden Abend des Monats Juni steht ein längeres oder kürzeres Märchen bereit. Kalle-Nisse ist aber als schwedischer Wichtel auch mit der alten Religion des Norden verbunden, das gilt ebenso für die Autorin dieser Reihe. Für Larissa Tjärnväg ist es der zweite Märchenband, der in Deutschland veröffentlicht wird.
Über die Autorin:
Larissa Tjärnväg, 1963 in Mora geboren, lebt seit dieser Zeit in Värmland und Dalarna, also in Mittelschweden. Hier arbeitet sie ziemlich zurückgezogen, da sie die Einsamkeit und Ruhe der Natur zum Schreiben benötigt.
Bislang hat sie hauptsächlich Märchen und Erzählungen geschrieben, die aber in Schweden selbst kaum veröffentlicht wurden.
Tjärnväg, Larissa:
Kalle-Nisses Träume und Erzählungen – Juni -
Ausgabestand 01/2022
Årjäng / Sweden WeyTeCon Förlag (WF), 2016 – 2022
ISBN: Printversion aktuell erschienen als privat Edition ohne ISBN Printversion im WeyTeCon Förlag: Verlagsnummer D22-0013-PA-WA (Paperback)
Umschlaggestaltung & deutsche Bearbeitung:
Lars Weyerstrass
Lektorate:
Klotilda Weyerstrass, Regine Kühn
Grafiken:
entfällt in der eBook-Ausgabe
Satz:
FreeOffice Textmaker 2021
Druck:
Druck durch Lizenznehmer
© Copyright WeyTeCon Förlag / WeyTeCon AB - 2022
WeyTeCon Förlag (WF) – WeyTeCon AB
Ö:a Näs Klockarbacken 1
S-672 91 Årjäng / Sweden
Vertrieb:epubli – ein Service derneopubli GmbH, Berlin
Liebe Leser, hier liegt jetzt der zweite Band der Erzählungen und Träume von Kalle-Nisse in der deutschen Ausgabe vor. Im ersten Band, dem Dezemberband, bestand die Möglichkeit mit Kalle-Nisse und seinem Kater Felix eine schwedische Weihnachtsfeier zu erleben, so wie sie in vielen Häusern des alten Schweden gefeiert wurde.
Aber jetzt ist der Frühling vorbei und der leider viel zu kurze schwedische Sommer ist angebrochen, alles ist noch in der schönsten Blüte. Das Herz der Lebewesen, als auch das der Natur leben auf. Es ist die Zeit des alten Gustavsdagen, der heute als Nationalfeiertag in ganz Schweden am 6. Juni gefeiert wird. Kurz danach folgt Midsommar, das oft als Litha gefeiert wird, obwohl der Begriff in Schweden nicht ganz so geläufig ist, aber ab dem Midsommardagen werden die Tage wieder kürzer.
Unsere Hauptperson der Handlung, der Tomte Kalle-Nisse und damit die Hauptperson dieses Buches, hat gerade einen großen Umbruch erlebt. Jahrelang lebte er mit Familien auf einem Bauernhof in Dalarna zusammen, bevor der Hof, durch das Auswandern seiner Bauernfamilie, für immer verlassen wurde. Da die Tomte an den Hof gebunden sind, bleibt er einsam zurück. Sein Leben wird fortan von dem ebenfalls zurückgelassenen Kater des Bauernhofes bestimmt.
Tomte sind Lebewesen mit mystischem Ursprung, sie verfügen über Zauberkräfte, die ihnen helfen, das Leben nicht so schwer zu nehmen und im Griff zu behalten.
In und mit diesem Buch hast du als Leser die Möglichkeit, den Tomte Kalle-Nisse einen Monat lang zu begleiten und mitzuerleben, wie er den Juni in der Einsamkeit des verlassenen Hofes verbringt, aber ganz alleine ist er dabei nicht. Jeden Tag, oder besser jeden Abend des Juni, erzählt er den verbliebenen Tieren seines Hofes, also seinem Kater und einer Mäusefamilie, ein Märchen oder berichtet über einen seiner Träume, wobei man merkt, dass er aus dem Norden kommt und in der alten Mythologie fest verankert ist.
Wenn dir in der deutschen Ausgabe Namen, Begriffe oder Inhalte spanisch bzw. hier zu schwedisch vorkommen, so schau einfach auf den letzten Seiten dieses Buches nach. Ich hoffe, hier ein paar Erklärungen abgegeben zu haben, die dir vielleicht weiterhelfen.
Jetzt bleibt mir nur noch, dich als Leser dieses Buches in der Welt und auf dem Bauernhof des Tomte Kalle-Nisse zu begrüßen und zu hoffen, dass es eine angenehme Begegnung mit ihm wird!
Larissa Tjärnväg
im Februar 2022
Der Winter war nun endlich vorbei, das Frühjahr hatte sich in diesem Jahr auch schon mit ersten Stürmen angekündigt und schließlich durchgesetzt, danach mit der üblichen Blütenpracht und frischen Düften den frühen Sommer begonnen.
Jetzt konnte man auf einer schönen Wiese, nahe der Ortschaft Mora, auf der das frische Gras schon mehr als kniehoch wuchs, eine rote Mütze zwischen den Blumen hin-und herhuschen, auf-und abspringen sehen. In etwas Abstand folgte der Mütze die gebogene Schwanzspitze einer Katze und wippte dabei im frischen Grün auf und ab. Sah man genauer hin, so erkannte man unter der Mütze den Kopf eines Tomte, also einer Gestalt, die den kleinen Leuten zugerechnet wird, der im Gras hin und her rannte und mit seinem Kater Felix spielte, was auch den aufgerichteten Katzenschwanz im Gras erklärte, der dem Tomte mit seiner Mütze folgte.
450 Jahre alt ist Kalle-Nisse vor wenigen Tagen geworden, noch kein allzu hohes Alter für einen Tomte, aber immerhin doch schon beachtlich. Es war ein ganz besonderes Jahr, nach 420 Jahren war er zum ersten Male alleine auf „seinem” Hof, der vor zwei Monaten verlassen worden war. Ja, er hatte erlebt, wie der erste Baum gefällt wurde, um das Wohnhaus zu errichten, er erinnerte sich noch an die erste Kuh, die in den neugebauten Stall einzog. Die Wiese, über die er jetzt ging, war einst der Acker, auf dem der Bauer Roggen, Gerste, Hafer und auch Weizen angebaut hatte. Jetzt wuchs hier nur noch Gras.
Doch nun war alles seit zwei Monaten leer und verlassen. Nach zwei Sommern mit Schnee und Eisregen wurde der Hof aufgegeben oder verkauft, das wusste er nicht so genau und im späten März, als der Schnee etwas gewichen war, zog der Bauer mit seiner Familie, seiner Kutsche und der großen Reisetruhe für immer weg. Zur Küste wollte man wohl und sich nach Amerika einschiffen, mehr wusste Kalle-Nisse auch nicht. All das Vieh wurde vorher verkauft und der Stall war zum Jahreswechsel schon recht leer. Als dann im März auch noch die letzte Kuh den Hof verließ und die große Reisetruhe gepackt war, wurde Kalle-Nisse sehr traurig. Sehr lange blickte der kleine Tomte dem Wagen hinterher, als das Gatter geschlossen wurde, bis zu dem er noch auf der Reisetruhe hockend unsichtbar mitgefahren war. Nur Felix, sein alter Kater war auf dem Hof geblieben und sorgte dafür, dass die Mäuse nicht allzu frech wurden. Kalle-Nisse war sehr bescheiden und hatte sich auf einer kleinen versteckten Stelle auf dem Acker, mitten auf der heutigen Wiese, seinen eigenen Hafer angebaut, damit er sich gut mit seiner selbst gekochten Grütze in der kommenden kalten Jahreszeit versorgen konnte. Aber jetzt begann erst einmal der Sommer.
Aber was ist eigentlich ein Tomte? Tomte gehören zu den kleinen Menschen, sie leben bis hoch in den Norden und können sich bei Bedarf unsichtbar machen. Auf jedem Bauernhof in Schweden lebt immer nur ein Tomte. Man kann sie mit Wichteln vergleichen, sie werden nicht groß, tragen eine rote Zipfelmütze, haben meistens einen langen weißen Bart und lieben die Tiere ihres Bauernhofes. Jeder Bauer und Hof ist meistens bemüht, sich mit seinem Hoftomte gut zu stellen, ich möchte hier nicht berichten, was passiert, wenn man seinen Tomte schlecht behandelt oder mit seinem Vieh schlecht umgegangen ist. Ein zufällig ausgekipptes Glas mit Reißnägeln auf dem Schlafzimmerboden, in die man morgens hineintappt oder ein stark mit Regenwasser verdünnter Hausschnaps sind das Mindeste, was ein Tomte dann so anstellt. Allerdings wird der Tomte den Schnaps nicht einfach ausgießen, da er sich ja so schon vorher verraten würde...
Der Juni ist genau so wie für die meisten Schweden ein Monat, in dem der Sommer gehörig begrüßt und gefeiert wird. Es wird reichlich gegessen und vor allem auch zu den Feiern getrunken, die es zu Midsommar gibt. Natürlich gehört bei Kalle-Nisse dazu ein Holzlöffel. Tomte hassen Metalle und damit auch Metalllöffel.
Doch in diesem Jahr wurde alles anders, seit zwei Monaten war der Hof nun verlassen und Kalle-Nisse musste sich jetzt selbst versorgen, was ihm gar nicht sonderlich gefiel. „Hier sind auch keine muhenden Kühe, wiehernde Pferde und grunzenden Schweine mehr, die ich striegeln und bürsten kann“, grummelte er unzufrieden, als er jetzt über die Wiese ging und auf dem Weg zum alten Stall war. Mit einem Seufzen zog er seine Stiefel aus, setzte sich auf einen kleinen Hocker, der neben der alten Viehtränke stand, streifte seine roten Wollsocken ab und stellte seine großen Nissefüße in das vermeintlich kalte Wasser der Tränke, das von der kräftigen Sonne eigentlich schon lauwarm war. Seufzend genoss er das kühlende Fußbad. Danach zog er einen Flechtkorb mit zwei versiegelten Dokumentenrollen zu sich heran, den er zuvor aus seiner Tomtewohnung herausgeschleppt hatte: „Endlich einmal Zeit, um die Erzählungen zu lesen, die mir mein Onkel vor mehreren Jahren geschickt hat.“ Aber bevor er dazu kam, hatte er schon seinen Kater Felix auf den Knien liegen, der die Wassertemperatur in der Viehtränke zuvor mit einer Pfote geprüft und sie für sich als eindeutig zu kalt, das Wasser vor allen Dingen als zu nass befunden hatte. Kalle-Nisse kraulte ihn eine Weile, legte seine Hände auf seinen großen Bauch und damit auf seinen wuchtigen, weißen Bart. Danach schloss er die Augen, um die Nachmittagssonne zu genießen. Nach ein paar Seufzern und dem beruhigenden Schnurren seines Katers, begannen beide zu träumen. Der Kater von der netten Katzendame des Nachbarhofes und Kalle-Nisse den ersten Traum des Sommermonats Juni.
Vor langer Zeit gab es in der Nähe von Orsa noch dichte Wälder und in den Wäldern lagen auch vereinzelt Bauernhöfe. Reich waren die Menschen hier nie, sie hatten gerade ihr Auskommen, manche mussten sich aber auch anderweitig verdingen, um ihren Lebensunterhalt verdienen zu können.
In jenen Tagen, in denen unsere Erzählung beginnt, brachen aber sehr schlechte Zeiten für die Bauern an. Die Sommer waren kalt und verregnet, die Feldfrüchte konnten nicht reifen, verfaulten teilweise noch auf den Äckern, und die Menschen fingen an, große Not zu leiden.
Genau so erging es Anders, einem Kleinbauern in einem Wald in der Nähe von Orsa. Er und seine Vorväter hatten ein gutes Stück ihres Waldes gerodet und urbar gemacht. Sie wurden bei der Bestellung der Felder nicht reich, konnten aber von ihren Feldfrüchten leben und hatten ab und zu auch etwas übrig, um mit den Kindern im Herbst den Markt zu besuchen und den tristen Alltag ein wenig zu vergessen.
Anders bewirtschaftete den Hof ganz alleine, es gab keine Knechte und Mägde, dazu war der Hof einfach zu klein und lag auch abgelegen. Seine Frau Lena war schon vor vielen Jahren gestorben, als ihr viertes Kind das Licht der Welt erblicken wollte, eine neue Frau konnte er nicht finden, da es keine Frau gab, die zu ihm an diesen einsamen Hof ziehen wollte, zumal er auch noch drei Kinder hatte. Seine Kinder, es waren drei Töchter, hießen Daglind, die vierzehn Jahre alt war, Leani war zwölf Jahre und Isving neun Jahre alt.
Durch die schlechte Zeit, die gerade anbrach, wanderten viele Schweden aus, Anders konnte das aber alleine ohne eine Frau so nicht machen. Er entschloss sich zu bleiben und auf dem Hof auszuharren. Dabei ging es ihm schlechter und schlechter und so klopfte nach einem Jahr, an dem die Ernte wieder verfault war, der Tod an seine Tür: „Mache dich bereit Anders, ich werde bald kommen und dich abholen!“ Da erschrak er doch sehr, weil er gar nicht damit gerechnet hatte, welcher normale Mensch macht das schon? So überlegte er kurz und erwiderte: „Aber wer kümmert sich um meine Töchter, sie sind zu jung, nicht verheiratet?“ „Ich weiß“, sprach der Tod, „und ich habe auch mit deiner Frau im Jenseits darüber gesprochen. Du wirst morgen Besuch von drei Wesen bekommen, die wie Mönche aussehen, sie werden dir etwas Rat und Trost geben, weise sie nicht ab.“
Da nickte Anders nur und fühlte sich noch schlechter. Der nächste Tag kam und pünktlich zur Mittagszeit, erschienen wirklich drei Mönche, die an seine Hoftür klopften: „Lieber Anders, auf Bitten deiner seligen Frau ist dir aus dem Jenseits eine besondere Gnade zuteil geworden. Es wird dich morgen zwar der Gevatter abholen kommen, aber mache dir keine Sorgen um deine Töchter, der Himmel hat uns geschickt, um für sie zu sorgen, bis die letzte verheiratet ist. Deine Felder werden bestellt werden und alles wird sich zum Guten wenden, das versprechen wir dir.“
Anders nickte nur, bedankte sich bei den drei Mönchen und verabschiedete sich gegen Abend dann auch von seinen Töchtern, die ihm das alles nicht glauben wollten.
Der Gevatter kam tatsächlich in der Nacht, um Anders zu holen und flüsterte den Töchtern Daglind, Leani und Isving etwas ins Ohr. Zu Anders sagte er nur: „Ich habe sie etwas getröstet, damit der Kummer nicht zu groß wird und sie Hoffnung schöpfen. Ihr werdet euch ja auch alle eines Tages wiedersehen.“ Danach hielt er Anders die Tür auf und geleitete ihn zu seiner Kutsche, bei der sie gemeinsam auf den Kutschbock stiegen. Der Gevatter befahl seinen dunklen Rössern nur: „Hüh“ und die unheimliche Fahrt ging los. Anders konnte noch einen letzten Blick von der Kutsche aus in das Fenster hineinwerfen und sah zuerst seine Töchter, aber zu seinem Erstaunen sich selbst schlafend im Bett liegen.
Der nächste Morgen kam und die drei Schwestern erschraken, als sie ihren Vater leblos im Bett liegen sahen. Daglind stellte weinend fest: „Da hat er uns doch die Wahrheit gesagt und wir wollten es nicht glauben.“
Nachdem der Vater neben ihrer Mutter begraben war, standen sie alleine am Grab ihres geliebten Menschen, keiner der Nachbarn war bei ihnen geblieben oder hatte gefragt, wie ihnen geholfen würde. Da kamen zwei vertraute Stimmen aus dem Grab, es war zuerst die Stimme ihrer Mutter: „Kinder sorgt euch nicht, man wird sich um euch kümmern!“, danach die Stimme ihres Vaters: „Geht jetzt nach Hause und wartet ab.“
So ging das kalte und weiterhin verregnete Frühjahr zu Ende und auch ihre Vorräte wurden weniger. Da entschlossen sie sich, ihren alten Ochsen anzuspannen, um die schwere Erde umzugraben und mit der Aussaat zu beginnen. Es würde eine sehr, sehr schwere Arbeit für so junge Mädchen werden. Aber kaum hatten sie sich angezogen, um nach draußen zu gehen, als sie eine Glocke hörten. Als sie hinaus sahen, stand da ein Mönch, der eine kleine Glocke an seiner Kutte befestigt hatte, die bei jedem Schritt läutete. Er stützte sich auf einen Wanderstab, der oben einen kleineren, waagerechten Stock als Abschluss hatte. Außerdem wurde er von sieben kleinen Schweinen begleitet. „Mädchen, bleibt im Haus, der Himmel kümmert sich um euch“, sprach er.
Danach klatschte er in die Hände und die sieben Schweine begannen, den Acker umzupflügen. Jetzt meint man immer, dass Schweine einen Acker nur zerwühlen können, aber nein, diese Schweine konnten ihn wirklich nach den Regeln der Kunst pflügen. Als sie am Abend fertig waren, ging der Mönch über den Acker und säte etwas aus. Er schaffte es tatsächlich, über den ganzen gepflügten Acker zu gehen und die Aussaat auszubringen. Danach segnete er die Aussaat noch und war auf einmal spurlos verschwunden.
Der Sommer kam und die gesäte Gerste begann zu sprießen. Während in ganz Dalarna und auch in Südschweden wieder die halbe Ernte verdarb, so schien das Wetter der Aussaat der drei Schwestern einfach nichts anhaben zu können. Wenn sie gefragt wurden: „Was habt ihr nur gemacht, dass es bei euch wächst und nichts verfault?“, antworten sie nur wahrheitsgemäß: „Ein Mönch war hier und hat die Aussaat gesegnet!“, was ja auch stimmte. So kam der Spätsommer und die Erntezeit würde bald beginnen, als es wieder an die Tür klopfte. Es war wieder ein Mönch, aber der war grausam anzuschauen. Er schien im ganzen Gesicht überhaupt keine Haut zu haben und nur aus Muskeln zu bestehen. Als sie genauer hinsahen, hielt er eine ganze menschliche Haut in seinem linken Arm und ein großes Messer in seiner rechten Hand: „Mädchen erschreckt nicht, der Himmel wird euch wieder helfen!“ Sehr gern wollten sie sich den Anblick ersparen und so blieben sie den ganzen Tag im Haus. Tatsächlich hatte der Mönch bis zum Abend das Getreide geschnitten und zu Garben zusammengebunden. Auch er segnete die Ernte, klopfte an das Küchenfenster und nickte den immer noch erschrockenen Schwestern zu. Bevor sie noch irgendetwas sagen konnten, war auch er spurlos verschwunden. Wenig später erschien ein dritter Mönch, der allerdings auf einem weißen Ross angeritten kam, eine Lanze in der Hand hielt und scheinbar unter der Kutte eine Ritterrüstung trug.
Sobald er die Mädchen begrüßt hatte, geschah ein seltsamer Wandel. Er zog die Kutte aus und hatte tatsächlich eine Rüstung an. Danach ergriff er sich einen Dreschflegel und bis zum Abend war das ganze Getreide gedroschen und in Säcke gefüllt. Das hätte ihr Vater, der Bauer Anders, nie in dieser Zeit geschafft.
Als er fertig war, sprach er noch mit den Mädchen: „Nehmt so viel von dem Getreide, wie ihr zum Leben braucht, verkauft einen Teil auf dem Markt, ihr werdet einen guten Preis erhalten. Jeder zehnte Sack ist aber für die Armen, die an eure Tür klopfen werden.“
Danach setzte er sich auf sein Ross und ritt geradewegs in die Wolken, wobei die drei Schwestern im ungläubig hinterher blickten. Die Geschwister hielten sich an den Rat, sie hatten durch die schlechten Ernten in ganz Schweden ein gutes Einkommen und auch die Armen waren ihnen sehr dankbar. Nur alle fragten sich, wie sie es geschafft hatten, einen nicht gerade ganz kleinen Acker zu bestellen und in so schlechten Zeiten trotzdem so viel zu ernten. Für ihre Antwort: „Das hat uns der Himmel geschenkt“, wurden sie aber von allen nur belächelt.
Das Gleiche wiederholte sich jetzt Jahr für Jahr. Durch ihre guten Ernten und die Missernten in Schweden kamen sie langsam zu einem kleinen Wohlstand. Als Daglind 19 wurde und heiratete, brachte ihr der erste Mönch einen kleinen Ring, der einen schönen Bergkristall gefasst hielt und sagte nur: „Es ist ein Geschenk von deinen Eltern zu deiner Hochzeit“
Ja, es war wirklich ein wundersames Schmuckstück. Immer wenn Daglind in den Ring blickte, meinte sie, ihre Eltern von Wolken umgeben in dem Ring zu sehen.
Leani heiratete mit 18. Sie bekam von den Mönchen einen bronzenen Gürtel geschenkt. Wenn sie ihn trug meinte sie, sie würde sich in einer anderen Welt bewegen und hier auf der Erde nur schweben.
Als Isving schließlich mit 16 heiratete, kamen alle drei Mönche sie auf einmal besuchen. Sie erhielt einen schönen Bernsteinanhänger geschenkt, der auch eine Eigenart hatte: Wenn man durch äußere Kälte fror, wurde es einem warm, sobald man ihn berührte. War einem innerlich kalt oder man hatte Herzschmerzen, wie man damals den Kummer noch nannte, so verflog der Schmerz im Nu und es wurde einem wieder warm ums Herz. Die Mönche meinten nur: „Es ist von deiner Mutter, da du deine Eltern nur eine so kurze Lebenszeit um dich hattest.“
Was es mit den drei Geschenken und den heimlichen, noch nicht entdeckten Eigenschaften auf sich hatte, ist eine andere Geschichte, die hier jetzt nicht erzählt wird.
Jedenfalls sahen sich die drei Mönche auf dem Hof um und nickten zufrieden: „Kleine Isving, du bist die Letzte von euch Dreien auf diesem Hof und du wirst ihn zusammen mit deinem Ehemann bewirtschaften. Es wird euch, deiner neuen Familie, deinen zukünftigen Kindern, von diesem Tag an immer gut gehen, solange ihr weiterhin jeden zehnten Sack einer Ernte an die Armen abgebt. Unsere Aufgabe und das Versprechen, das der Gevatter deinem Vater Anders und auch wir abgegeben haben, ist erfüllt. Wir werden jetzt nicht mehr wiederkommen. Aber vergiss uns nicht, du selbst und auch deine beiden Schwestern werden uns erst in der Ewigkeit wiedersehen.“
Danach machten sich die Drei auf und gingen auf die lange Straße, die nach Orsa führte, wobei sie Psalmen anzustimmen begannen. Als sie schon lange aus Isvings Gesichtsfeld verschwunden waren, konnte man sie dennoch singen hören. Immer wenn ein Psalm beendet war, hörte man das kleine Glöckchen des ersten Mönches klingeln. Wenn Isving in ihrem späteren Leben traurig war, ging sie kurz vor die Tür und sie vermeinte immer noch im Wind den Gesang der drei davon schreitenden Mönche, vor allem aber den Klang des kleinen Glöckchens, zu hören, das der erste Mönch bei sich trug. Aber so unrecht hatte sie damit nicht.
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Mit einem Niesen wurde Kalle-Nisse wieder wach, der eingeschlafene Kater sprang vor Schrecken auch von seinem Bauch. „Ja, das war ein schöner Traum, Felix“, meinte er, die Sonne kitzelte ihn dabei an der Nasenspitze: „Aber leider haben wir keine Erntehelfer, die Daglind, Leani oder Isving besucht haben.“ Seufzend fügte er hinzu: „Da müssen wir also selbst pflügen, eggen und säen. Aber wir leben ja auch nicht in Orsa.“ In den ersten Junitagen wird es abends noch empfindlich kühl und so entschloss sich der Tomte, wieder in seine kleine Wohnung unter dem Bauernhaus zurückzukehren. Hier lebte er schon, seitdem das Bauernhaus gebaut worden war. Bald hatte er seinen kleinen Ofen in der Küche angeheizt und sein Abendessen, das meistens aus Hafergrütze bestand, blubberte auf der Herdplatte. „Bald wird ja auch mein Neffe, Tore Ljung, vom Nachbarhof eintreffen, damit wir einen schönen Gustavstag feiern können. Meistens bringt er uns auch ein Fässchen Bier und Butter aus den Vorräten „seines“ Bauern mit, aber wir werden sicher noch etwas Selbstgebranntes herstellen“, murmelte er vor sich hin, als er sich seinen Brei auffüllte. Mit diesen Gedanken schlurfte er dann in sein warmes Tomtebett und schnarchte bald so laut, dass die Fliegen an seinem Fenster vor Angst mit den Flügeln zitterten. Für seinen Kater Felix war es aber auch der Moment, auf den er den ganzen Abend schon gewartet hatte. Schnell verließ der sein Katzenkörbchen und schlüpfte unter Kalle-Nisses Bettdecke. Bevor auch Felix seinen Katzentraum anfing, dachte der alte Kater noch: „Recht hat Kalle, im Juni ist es wirklich noch manchmal kalt, aber dafür habe ich ja meinen Tomte mit seinen warmen Füssen.“
***
Als Kalle-Nisse am nächsten Morgen wach wurde, hatte er kalte Füße. Sein Kater Felix hatte nämlich, nachdem er sich gewärmt hatte, die halbe Bettdecke für sich beansprucht, allerdings, um sich komplett darin einzurollen, in seinen Katerträumen und einer schönen warmen Höhle weiterzuschlummern.
Nun mag niemand gerne kalte Füße, auch kein Tomte und so begann der Tag für Kalle-Nisse mit einer Verstimmung. Seine Laune wurde erst besser, als er sich seinen frisch aufgebrühten Kaffee auf den Tisch stellte, seine Hafergrütze vom Herd nahm und einen angenehmen Grützegeruch durch die Tomtebehausung ziehen ließ. Seine Grütze verfeinerte er manchmal auch mit Butter, Apfelmus oder auch mit Preiselbeersylt, wobei sein Kater das Apfelmus bevorzugte, wenn Kalle-Nisse nicht hinsah. Felix saß neben ihm am Tisch und blickte ihn unschuldig an, immerhin hatte er eine angenehme Nacht verbracht und so schön geträumt. Nun irgendwie konnte Kalle-Nisse seinem Kater auch nicht länger böse sein. So ergatterte Felix natürlich etwas von Kalle-Nisses Frühstück, obwohl er lieber etwas von dem Fisch abbekommen hätte, den Kalle-Nisse noch im Backofen stehen hatte. Der Tag verlief vollkommen ruhig. Natürlich hatte Kalle-Nisse den Fisch nicht vergessen und so gab es für Felix am Abend noch einen großen Happen des Barsches, den Kalle-Nisse Ende Mai gefangen und geräuchert hatte. Danach trug er seinen kleinen Sessel aus seiner Tomtewohnung vor die Tür und setzte sich etwas in die Abendsonne: „Ja, mein kleiner Felix, jetzt hast du einen leckeren Fisch bekommen, aber wenn ich an die Erzählung von Svearike denke, dann ist es manchmal auch umgekehrt, da kümmert sich die Katze Zima um ihre Svearike, so etwas könnten wir doch einmal ausprobieren?“ Felix sah Kalle-Nisse nur fragend an, wackelte mit dem Schwanz, miaute und sprang auf seinen Schoss. „Nun gut, so werde ich dir die Geschichte wohl erzählen müssen“, grummelte Kalle-Nisse. Nach wenigen Minuten und nachdem er ein paar Streicheleinheiten erhalten hatte, streckte er sich etwas und machte es sich bequem. Kalle-Nisse begann zu erzählen.
Einst, als es noch wundersame Dinge auf der Welt gab, manche Tiere auch sprechen konnten, da lebte in Sala, im Västmanland, eine Frau mit ihren drei Töchtern. Die Frau war sehr arm, denn es gab auch keinen Mann mehr im Haus, der sie unterstützen konnte. Als sie merkte, dass ihre Stunde bald gekommen war und sie ihre Töchter alleine auf der Welt zurücklassen musste, wurde sie sehr traurig, denn sie wusste nicht, was aus allen werden sollte. So rief sie alle drei zusammen: „Du, Linnea, bist meine älteste Tochter und du sollst meinen Webstuhl haben. Er hat aber magische Eigenschaften. Wenn du abends Woll-oder Flachsgarn auf ihn legst und zu ihm: >>Schiffchen sause und Webstuhl webe<< sagst, dann webt er dir über Nacht die schönsten Stoffe. Du, Ingvild, bist meine mittlere Tochter und du sollst mein Spinnrad haben. Auch das Spinnrad hat magische Eigenschaften. Wenn du abends einen Korb mit ungesponnener Wolle oder Flachs davorstellst und: >>Spinnrad dreh dich, Spindel füll dich<< sagst, dann findest du am nächsten Morgen volle Spindeln daneben. Nun zu dir, Svearike, du bekommst meine kleine Katze, passe gut auf sie auf.“ Danach lächelte sie ihre drei Töchter noch einmal an, ging zu Bett und wurde in der Ewigkeit wieder wach.
Nachdem die drei Töchter ihre Mutter begraben hatten, wurde aber alles anders im Haus. Linnea, oder besser der Webstuhl, begann die schönsten Stoffe zu weben und Ingvilds Spinnrad spann die Garne dazu. Am Anfang kauften die Nachbarn alles auf, da sie den drei Mädchen helfen wollten. Aber bald besuchten die drei Waisen Wochenmärkte und die Herbstmärkte. So kam durch ihren Tuchhandel etwas Geld herein und sie konnten sich auch versorgen. Nur ihrer jüngeren Schwester Svearike gaben sie nichts ab. Wenn sie Glück hatte, bekam sie die Reste aus der Küche: „Spiele doch mit deiner Katze“, riefen sie, „vielleicht kauft sie für dich auf dem Markt ein und backt dein Brot.“
Da wurde Svearike sehr traurig, aber wenn sie darüber nachdachte, dann hatte ihre Mutter ja nichts anderes mehr gehabt, was sie ihren Töchtern hätte geben können.
Das merkte auch die kleine Katze und es geschah etwas Wunderbares, denn die kleine Zima konnte auf einmal sprechen: „Mache dir keine Sorgen Svearike, ich werde schon für dich sorgen, damit du nicht verhungerst. Jetzt besorge etwas Tuch von Linnea und nähe mir einen kleinen Rucksack.“ Das war gar nicht so einfach, Linnea wollte ihr nichts abgeben, aber schließlich bekam sie ein paar Reste, die sie mühsam zu einem Rucksack zusammennähen konnte.
Sobald Zima den Rucksack auf dem Rücken hatte, zog sie los, um etwas Essbares für Svearike zu finden. Am ersten Tag brachte Zima nicht allzu viel mit, sie hatte beim Bäcker und auf dem Markt kaum etwas für Svearike gefunden. Svearike wollte lieber nicht wissen, wie die kleine Katze an ein Brot, Eier und Pilze gekommen war.
Am nächsten Tag hatte Zima dann schon eine bessere Ausbeute. Sie legte sich an den Rand eines Kohlackers, stellte sich ruhig und tot. Das können Katzen ja wirklich. Als ein Hase vorbeikam und sie beschnupperte, hatte seine letzte Stunde geschlagen. Jetzt hätte man ja erwarten können, dass Zima ihre Jagdbeute mit nach Hause bringen würde, aber dem war nicht so. Die kleine Katze stopfte den Hasen in ihren Rucksack, sprang auf ein Fuhrwerk, das nach Stockholm unterwegs war, und sie kam dort auch schnell an.
In Stockholm angekommen, lief Zima zum Hof und fragte die Bediensteten, ob sie den König sprechen könne. Da redende Katzen ja nicht so häufig vorkommen, wurde sie auch tatsächlich zum König vorgelassen. Dem König machte sie den Hasen gleich zum Geschenk, der ihre Beute auch annahm und fragte, woher ihr Fang denn kommt. „Das lässt meine Svearike euch senden, lieber König“, war prompt die Antwort. Da wurde der König gleich neugierig und es folgte die Frage: „Wer ist denn diese Svearike?“ Auf diese Frage hatte sich Zima natürlich gut vorbereitet, und so begann sie mit Lobeshymnen auf Svearike: „Es ist die hübscheste junge Frau aus Sala, vielleicht im ganzen Umfeld von Stockholm, ja, vielleicht sogar von ganz Schweden. In ihrer Macht kommt sie fast gleich nach dir“, prahlte Zima herum. Der König runzelte erst die Stirn, lächelte dann und befahl, Zima in den Speisesaal zu bringen, sie zu bewirten, da sie ja bestimmt von der Reise von Sala nach Stockholm hungrig geworden sei. Natürlich aß sich Zima an der Tafel des Königs erst einmal satt, stopfte im Anschluss auch noch genug der Köstlichkeiten der höfischen Tafel in den Rucksack, den Svearike genäht hatte, wenn sie gerade nicht beobachtet wurde.
Den Rucksack brachte sie nach Hause und so konnte Svearike die Köstlichkeiten der königlichen Tafel nicht nur probieren, nein, sie konnte sich einmal richtig satt essen. Das bekamen natürlich auch Linnea und Ingvild mit, die sich nur zu gern auf die Leckereien gestürzt hätten, aber jetzt bekamen sie die richtige Antwort von Svearike zu hören: „Webt doch Tuch auf eurem Webstuhl und spinnt doch euer Garn mit der Spindel, vielleicht könnt ihr euch es dann auch leisten?“
Die beiden platzten fast vor Wut und Neid.
Es geschah aber noch mehr. Jeden Abend, wenn Svearike in ihr Bett kroch, dann kam Zima zu ihr und leckte ihre Hände und ihr Gesicht ab. Tatsächlich wurde ihre Haut dadurch zarter und auch ihr Gesicht immer lieblicher.
So ging es jetzt fast jeden Tag. Immer wieder fing Zima etwas für den König oder sammelte etwas im Wald. Mal waren es frische Pilze, mal ein Hase oder auch frische Fische, die sie aus Bachläufen oder von Seeufern aus fing. Jedes Mal bekam sie dafür Köstlichkeiten von der Tafel des Königs ab. Natürlich war Zima vorsichtig, sie wusste auch, dass sich diese Gnaden und Vorzüge bei Hofe schnell ändern könnten, zum einen durch den König selbst, zum anderen aber durch die Bediensteten. So dachte sie sich einen neuen Plan aus, den sie aber erst mit Svearike abstimmen wollte. So fragte Zima dann Svearike eines Abends: „Möchtest du eigentlich reich und berühmt werden oder willst du so weiterleben?“ Natürlich wollte sie nicht so weiterleben, denn sie ahnte, dass diese Speisekammerfüllungen, die Zima mitbrachte, auch nicht ewig so garantiert sein würden. „Gut“, schnurrte die kleine Katze da, „dann komm morgen mit nach Stockholm, der König wird morgen ausreiten und ich zeige dir einen Strand, an dem du schwimmen gehen wirst, allerdings nackt. Um den Rest kümmere ich mich.“
Svearike folgte Zima mit nach Stockholm, die schon einen schönen Badeplatz ausgesucht hatte.
Zima spitzte die Ohren und als sie die Pferde des Königs nahen hörte, rief sie zu Svearike: „Jetzt schnell ins Wasser mit dir.“ Einen Augenblick später warf Zima alle ihre Kleider hinterher und begann zu schreien: „Hilfe, helft uns doch, wir sind überfallen worden.“ Der König kannte die Stimme natürlich wieder, denn Zima war ja in der letzten Zeit oft bei ihm im Schloss gewesen. Natürlich ließ er Svearike retten und neue Kleider aus dem Schloss für sie holen. Als sie nackt aus dem Wasser stieg, konnte er sich gar nicht an ihr satt sehen, denn sie hatte durch Zimas abendliche Ableckerei eine Haut wie Seide bekommen. Da erklärte Zima dem König: „Ja, wir waren auf dem Weg zu dir und nachdem ich so oft an deinem Hofe war, wollte auch Svearike, meine Herrin, dir ein Geschenk machen. Leider haben das auch Räuber mitbekommen. Hier am Strand wurden wir ausgeraubt und haben nur unser Leben retten können.
Da er hörte, dass sie reich sei und jetzt wegen eines Geschenkes an ihn so viele Verluste erlitten hatte, sie zudem auch sehr hübsch war, eine so schöne glatte Haut hatte, wie sie normalerweise nur adlige Damen haben, beschloss er, dass sein Sohn Svearike heiraten solle. Da wandte sich der König nochmals mit vorgehaltener Hand an Zima: „Sag mir doch, ist es die Svearike, von der du mir immer erzählt hast? Dass sie aus Sala ist, weiß ich ja schon.“ Zima schnurrte nur: „Habt ihr sie denn nicht erkannt? Es ist meine Svearike, sie ist die Grubenbesitzerin der Silbergrube von Sala.“ Der König hatte in der Tat noch nichts von ihr gehört, wie sollte er auch und so nickte er nur.
Für das richtige Aufgebot wollte er aber mit seinem Sohn persönlich einen Tag später nach Sala reiten, um Svearike dort als Braut abzuholen.
Als Zima das mitbekam, raste sie nach Sala, als ob der Leibhaftige hinter ihr her sei. Dort rannte sie sofort zur Grubenverwaltung, bei der gerade der Grubeneigentümer mit seinem Buchhalter über den Büchern saßen und dafür sorgten, dass die Krone nicht zu viele Steuern aus dem geförderten Silber abbekam. „Schnell flieht von hier, der König hat mitbekommen, das eure Bücher nicht stimmen, er kommt persönlich mit seinem Gefolge und dem Kronvogt, um euch festzusetzen“, rief Zima. Bei diesen Worten wurde der Buchhalter zusammen mit dem Grubenbesitzer ganz blass und beide fragten sich, was sie jetzt so schnell unternehmen sollten. Da schnurrte Zima zum Grubenbesitzer: „An deiner Stelle würde ich fliehen, solange es noch geht!“ Was der dann auch sofort tat. Direkt nach der Flucht wandte sich die Katze an den Buchhalter: „Wenn dich jemand fragt, dann sagst du einfach, die Grube und alles was dazugehört, gehört der edlen Svearike von Sala, ich garantiere dir, dass du so keine Probleme haben wirst.“
Nach ihrem Besuch in der Grubenverwaltung lief die kleine Katze so schnell sie konnte weiter zu Svearike: „Zieh dein Kleid an, das der König dir geschenkt hat, komme sofort zur Grube und sage aber nichts.“ Natürlich kannte jeder in Sala die Grube und so zog sich Svearike schnell um und lief dort hin.
Der König war mittlerweile an der Silbergrube angekommen und ging gerade in das Verwaltungsgebäude. Der Buchhalter dachte nur: „Da hat die kleine Katze wohl doch recht gehabt, gut, dass sie uns gewarnt hat!“ Kurz nach der Frage des Königs: „Wem gehört denn die Grube mit ihrem stattlichen Schachtgebäude und alles, was ich hier sehe?“ „Der edlen Svearike von Sala!“, war die einhellige Meinung aller anwesenden Buchhalter.
Gerade in dem Moment trat Svearike noch etwas außer Atem und sehr aufgeregt in den Raum. Ehe sie noch ein Wort sagen konnte, begrüßte der König sie mit den Worten: „Liebe Svearike von Sala, ab heute dürft ihr euch auch Svearike, Herzogin von Västmanland, nennen, mein Sohn muss schließlich standesgemäß heiraten.“
Da war Svearike wirklich für ein paar Momente sprachlos, wusste gar nicht wie ihr geschah, bis ihr eine kleine Katze um die Beine herumstrich.
Natürlich wurde eine prunkvolle und standesgemäße Hochzeit abgehalten, die kleine Zima hatte seitdem einen Ehrenplatz an der Tafel des Königs, auch ohne ihren Rucksack. Die Grube und ihren neuen Titel hat ihr keiner mehr strittig gemacht und so lebten alle bis an ihr seliges Ende.
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So verging der Abend und die Geschichte von Svearike war bald erzählt, allerdings war Felix eingeschlafen. Bei den letzten Worten von Kalle-Nisse sprang er wieder von dessen Schoss, um im Haus weiterzuschlafen, denn auch dieser Abend war etwas kühl. Die Sonne ging um diese Jahreszeit zwar nicht mehr unter, aber der Winter war noch nicht ganz besiegt und so wurde es in der Nacht oftmals noch kühl und klamm, was am Morgen in frisch fallendem Tau auf den Wiesen, Blumen und Bäumen endete. Kalle-Nisse stellte seinen Sessel wieder ins Haus zurück und kroch auch recht bald wieder in sein Tomtebett. Felix blinzelte etwas und schien schon wieder auf den passenden Moment zu warten, in dem Kalle-Nisse zu träumen begann. Vielleicht hatte er ja ein schlechtes Gewissen, aber an diesem Abend kroch er etwas vorsichtiger neben seinen Kalle-Nisse und rollte sich an diesem Abend nicht in der Decke ein.
***
Den nächsten Morgen verschlief Kalle-Nisse glatt, nun gut, er musste sich ja um kein Vieh mehr kümmern, da der Hof verlassen war. Aber irgendwann wollte Felix natürlich ins Freie und außerdem pochte Kalle-Nisses Neffe am späten Vormittag an die Tür der Tomtebehausung. Kalle-Nisse freute sich immer, wenn er seinen Neffen Tore Ljung wiedersah. Tore war der Tomte des Nachbarhofes und so auch mit Kalle-Nisse verwandt. Jetzt stand er grinsend vor der Tür und rollte ein Bierfass heran: „Das hat mein Bauer übrig“, meinte er nur. Nun trank der Bauer des Nachbarhofes sein Bier schon gern selbst, aber er wollte es sich mit seinem Hoftomte nicht ganz verderben, wenn der schon einmal zu Weihnachten oder Midsommar ein Fässchen abzwackte. Da sein Bauer an diesem Morgen eh die Strecke über den Hof von Kalle-Nisse nahm, sprang Tore mit seinem Fässchen einfach auf die Kutsche auf und bei der Vorbeifahrt an Kalle-Nisses Hof wieder ab. Außerdem hatte er einen gut gefüllten Honigtopf dabei. Kalle-Nisse und Tore Ljung grinsten sich nur an, denn beide wussten sehr genau, wozu der Honig diente: Nämlich den merkwürdigen Geschmack, den selbst gebrannter Schnaps schon einmal haben konnte, mit Honig zu verfeinern. An einem nahe gelegenen See, in dem Kalle-Nisse auch angeln ging, hatte der Bauer nämlich seine Brennblase und das Zubehör in einem alten Bootshaus versteckt, da er sie nicht in Hausnähe des Wohnhauses lagern und mit auf das Auswandererschiff nehmen wollte und konnte. Das kam jetzt natürlich den Tomte in der Umgebung zugute. Wie immer gab es eine „kleine“ Kostprobe des Honigs, bei der beide Tomte ihre Holzlöffel anständig in das Honigtöpfchen steckten. Das Honigschlecken wurde erst beendet, nachdem Felix mit beiden Pfoten im Honigtopf steckte, eine klebrige Spur Richtung Kalle-Nisses Bett hinterließ und sich auf der Bettdecke seine Pfote abzuschlecken begann.
Jedenfalls waren Kalle-Nisse und Tore Ljung bis in die frühen Abendstunden damit beschäftigt, die mit viel Zucker und Hefe angesetzte, vergorene und undefinierbare Masse in „Kalle-Nisses Spezial“ zu verwandeln, wie der Schnaps auch unter den Tomte der Umgebung genannt wurde.
Gegen Abend kamen die beiden zurück und fanden Felix unschuldig schnarchend auf Kalle-Nisses Bett vor. Die verräterischen Honigfußstapfen des „Kleinen“, wurden immer noch von Ameisen gereinigt. „Wie bei Bienenpaul“, seufzte Kalle-Nisse, worauf ihn Tore fragend ansah. Nachdem sie sich ihr Abendessen vorbereitet hatten und Tore die Küchenbank für eine Übernachtung hergerichtet bekam, stopfte Kalle-Nisse sich seine Pfeife, setzte sich in seinen Holzsessel, steckte sich die Pfeife an und kramte in einem alten Korb, in dem zwei Schriftrollen lagen, die ihm einst sein Onkel geschickt hatte. So begann er, die Erzählung von Bienenpaul vorzulesen. Zunächst zog er jedoch eine Augenbraue hoch und meinte: „Ach, wieder einmal eine Geschichte vom alten Andersson“, bevor er sich in die Rolle vertiefte.
Eigentlich kann es doch gar nicht sein, ich habe gerade Bienenpaul gesehen. Er lief bei mir am Fenster vorbei, doch er muss es gewesen sein, oder war es nur ein Schatten aus der Vergangenheit? Bin ich kurz eingeschlafen oder hatte ich einen Tagtraum vor meinem Fenster? Doch, er muss es gewesen sein, es war ein Mann mittleren Alters in einer Art Mönchskutte mit einem Bienenkorb auf dem Rücken, der von seiner Casey begleitet wurde. Casey war eine Katze, die er einst von einem irischen Seemann geschenkt bekommen hatte, als sie noch ganz jung war, und solange ich mich an Bienenpaul erinnern kann, war sein „Maushund“ immer bei ihm.
Wer ich bin? Ich bin Henrik Andersson, der frühere Stadtarchivar von Ystad, stolze 78 Jahre alt. Aber Moment mal, als ich jung war, war Bienenpaul im mittleren Alter, das geht vielleicht gar nicht oder hat er sich nicht verändert und die ewige Jugend? Zuzutrauen wäre ihm das schon. Ja, Bienenpaul, so hieß er hier, aber der Name ist vielleicht auch nur angepasst worden, als er nach Schweden gekommen war. Er soll einst aus Frankreich hier eingereist und als Hugenotte von dort geflohen sein. „Bien Paul“ hat man ihn zunächst genannt. Durch seine Liebe zu den Bienen ist dann wohl der Name Bienenpaul daraus entstanden. In Frankreich soll er einst alles verloren haben und auch hier wohl nie richtig Fuß gefasst haben. Er war so etwas, was man hier in Schweden als Luffar bezeichnet. Ja, er war eigentlich ein guter Mensch, der oft in Ystad, Trelleborg, Kristianstad und manches Mal auch in Malmö gesehen wurde. Lange hat er den Schiffen nachgeschaut, die nach Frankreich fuhren oder die aus Frankreich kamen, aber eine richtige Heimat hat er wohl hier in Schweden nie gehabt. Er sagte immer: „Die Straße ist mein Zuhause und der Sternenhimmel ist mein Heim“, wenn man ihn fragte. Was wohl aus ihm geworden ist?
Über Paul wurde folgendes erzählt: Er soll einmal vor vielen Jahren zusammen mit einem ausgedientem Soldaten, einem Kesselflicker und seinem Karren durch die Lande gezogen sein. Dabei kamen sie an einem großen Ameisenhaufen vorbei. Der Kesselflicker meinte: „Kommt, lasst uns den Haufen durchwühlen, es macht Spaß zuzusehen, wie die Ameisen wild durcheinanderlaufen und ihre Eier retten wollen.“ „Ja, eine gute Idee“, fügte der Soldat hinzu, „außerdem habe ich einen leichten Schnupfen, wenn ich mein Schnupftuch in den Haufen lege und es später benutze, ist meine Nase gleich wieder frei.“ Das alles gefiel Bienenpaul aber nicht, so erwiderte er: „Lasst doch die Ameisen in Ruhe, sie haben euch doch nichts getan und ihr hättet doch auch etwas dagegen, wenn jemand bei eurem Torp oder bei eurem Haus das Dach abreißen würde?“
Da sagten die beiden nichts, zogen aber eine böse Miene. An einem anderen Tag kamen sie an einem kleinen Waldsee vorbei, auf dem eine Entenfamilie und auch eine Schwanenfamilie schwammen. Der Soldat meinte nur: „Lasst sie uns einfangen und braten, Enten schmecken sehr gut!“ „Was haben sie euch denn getan? Lasst sie leben, seht einmal, wir haben Frühjahr und wie soll eine Ente alleine die ganzen jungen Enten aufziehen, bei den Schwänen ist es nicht anders.“ Aber der Soldat wollte nicht auf Bienenpaul hören und begann schon sein Gewehr zu laden. Da blickte Bienenpaul nur zu seiner Katze Casey. Casey verstand sofort, was der Soldat vor hatte und so sprang sie fauchend auf die Enten und die Schwanenfamilie zu, die sofort vom Ufer aufgeregt davonflatterten. Enttäuscht packte der Soldat sein Gewehr wieder ein und sah Bienenpauls Katze Casey böse an: „Die Mahlzeit können wir vergessen, dumme Katze.“ Es gelang ihnen aber am Abend, aus dem Waldsee ein paar Fische zu fangen, wobei sich Casey sofort auf einen der Fische stürzte und Bienenpaul nur meinte: „Seht einmal, sie hat so einen großen Hunger, da muss man sie doch auch verstehen.“
Gegen Mittag des nächsten Tages kamen sie an einem Baum vorbei, in dem oben ein Wildbienennest hing, das gut mit Honig gefüllt zu sein schien. Sofort hatten der Kesselflicker und der Soldat die Idee: „Lasst uns ein großes Feuer unter dem Baum machen und die Bienen ausräuchern, dann kommen wir an ihren Honig!“ Als Bienenpaul dann meinte: „Wollt ihr diesen fleißigen kleinen Tieren ihre Nahrung und die Nahrung für ihren Nachwuchs wegnehmen? Es sind Wildbienen, um die sich kein Imker kümmern kann.“ Doch die beiden sagten nichts und hörten diesmal auch nicht auf Bienenpaul, sondern begannen ein Feuer anzulegen.
Als er das mitbekam, hob er beide Arme in die Luft und begann etwas zu murmeln. Da erhoben sich alle Bienen aus dem Bienennest und setzten sich auf ihn, so dass er ganz und gar mit Bienen bedeckt war, sie saßen überall auf ihm, auch in seinem Gesicht, taten ihm aber nichts. So holten sich die beiden anderen ihren Honig, von dem Bienenpaul aber nichts abhaben wollte.
Gegen Abend des selben Tages kamen sie an einem merkwürdigen Herrenhaus an, wobei der über und über mit Bienen bedeckte Paul mit einen gehörigen Abstand vorweg lief.
Das Herrenhaus sah sehr merkwürdig aus, es schien verlassen zu sein, aber das war noch nicht alles, vieles sah irgendwie versteinert und tot aus. Neben dem Herrenhaus standen jedoch einige leere Bienenkörbe. Da hob Bienenpaul wieder die Arme und im selben Augenblick erhoben sich die Bienen von ihm und flogen in einen der leeren Bienenkörbe. Der Soldat und der Kesselflicker, der mit seinem Karren hinterher zog, sagten nichts, ihnen war Paul unheimlich geworden und sie planten eigentlich am nächsten Tag ohne ihn weiterziehen.
So wollten sie am Herrenhaus anklopfen und um etwas Arbeit bitten, wobei der Kesselflicker vielleicht ein paar Reparaturen in der Küche durchführen könnte. Aber das ganze Herrenhaus war leer und verlassen. Alles, was sie sahen, war merkwürdig versteinert: Tische, Stühle, Türen und Treppen, alles war aus Stein. „Hier ist nichts zu holen oder zu verdienen“, murrte der Soldat gerade, als sich der Tomte des Hofes vor ihnen sichtbar machte, was ja nur sehr selten geschieht.
„Ja“, begann der Hoftomte zu berichten, „alles ist jetzt aus Stein, aber das war nicht immer so. Es war einst ein sehr schöner Herrenhof, auf dem ein echter Graf mit seinen beiden Töchtern lebte. Aber jetzt könnt ihr erst einmal hier übernachten und morgen erzähle ich euch mehr.“
Danach brachte er sie in einen Speisesaal und servierte ihnen zu ihrer Überraschung ein kräftiges und gut schmeckendes Abendessen. Auch am Wein sparte er nicht, scheinbar war der von der Versteinerung verschont geblieben, wenn auch die Becher und der Krug, aus dem er alles servierte, aus Stein waren. Im Anschluss brachte er sie in verschiedene Schlafräume, in denen steinerne Betten standen, aber es gab immerhin noch warme Wolldecken: „Das Gesindehaus und die Ställe waren von der Versteinerung nicht ganz betroffen“, stellte er fest: „Es sind leider nur Pferdedecken, aber ich habe alles gereinigt und gewaschen.“
Am nächsten Morgen wurden sie durch den Tomte mit einem kräftigen Frühstück geweckt und das bestand nicht nur aus Hafergrütze mit Butter, nein, es gab sogar gebratenen Speck und frische Eier, wo immer der Tomte sie auch gefunden haben mag.
Nach dem Frühstück begann er zu fragen: „Wollt ihr das Schloss von dem Zauber erlösen, den einst eine böse Hexe auf den Graf, seine Töchter und das alles hier gelegt hat? Ihr solltet aber wissen, dass ihr auch zu Stein werdet, wenn ihr eure Aufgabe nicht lösen könnt. Löst ihr die drei Aufgaben, so werdet ihr reich belohnt.“
Der Soldat war ja ein rechter Draufgänger und sagte sofort zu und der Kesselflicker dachte sich, was der Soldat kann, das kann ich allemal. Nur Bienenpaul sagte erst einmal noch nichts. So ging der Hoftomte mit den drei Wanderern zur Eingangshalle zurück und zeigte eine Wand mit drei in Stein gemeißelten Aufgaben:
„Finde zuerst alle Edelsteine und Perlen der ältesten Schwester. Sie liegen im Garten und im kleinen Wald hinter dem Herrenhof verstreut, denn die Hexe hat im Streit ihre Kette zerrissen.“
„Finde danach den Eingangsschlüssel des Hofes, den die Hexe in den kleinen Waldsee am Ende des Gartens geworfen hat.“
„Finde heraus, wer die jüngere der beiden Schwestern ist.“
Nun wollten sie beratschlagen, wie sie die Aufgaben lösen könnten und verließen das Haus. Im selben Moment schlug die Haustür hinter ihnen zu und ließ sich auch nicht mehr öffnen. „Ja“, meinte der Tomte, „ihr habt die Aufgaben angenommen und ihr müsst in der zweiten Aufgabe den Schlüssel des Hofes wiederfinden. Sonst kommt ihr nicht mehr hinein!“
Der Soldat versuchte sein Glück zuerst. Er suchte den Garten des Hofes und den kleinen Wald nach Edelsteinen und Perlen ab. Am Abend erschien der Tomte wieder und fragte ihn: „Wie viele Steine und Perlen hast du gefunden?“ Der Soldat meinte nur: „100 Steine und Perlen waren es.“ Da sah der Tomte traurig aus und sagte nur: „Das sind viel zu wenig, ohje.“ Am Abend dann, als die Junisonne an ihren tiefsten Punkt gesunken war, verwandelte sich der Soldat zu Stein. Da bekam der Kesselflicker es mit der Angst zu tun und wollte die Aufgabe nicht weiter lösen, aber der Hoftomte flüsterte traurig: „Du hast die Aufgabe bereits angenommen, also wirst auch du zu Stein.“
So begann der Kesselflicker am folgenden Morgen mit der Suche. Auch er suchte den Garten des Hofes und den kleinen Wald ab. Am Abend erschien der Tomte wieder und fragte ihn: „Wie viele Steine und Perlen hast du gefunden?“ Der Kesselflicker meinte nur: „200 Steine und Perlen waren es.“ Auch jetzt sah der Tomte traurig aus und sagte nur: „Das sind viel zu wenig, ohje.“ Am Abend dann, als die Junisonne an ihren tiefsten Punkt gesunken war, verwandelte sich auch der Kesselflicker zu Stein.
Da erschien dann am Abend der Tomte noch einmal und fragte Bienenpaul: „Du hast noch gar nichts gesagt, willst du dich auch an die Aufgaben wagen?“
„Das entscheide ich morgen früh, denn der Morgen ist klüger als der Abend!“ Am nächsten Morgen erschien der Tomte wieder und Bienenpaul sagte nur: „Ja, ich nehme die Aufgaben an.“ Der Tomte nickte. Es war nämlich etwas Wundersames geschehen. Am frühen Morgen waren viele der Ameisen erschienen, die der Honigspur gefolgt waren, die Bienenpaul hinterlassen hatte, als all die Bienen auf ihm saßen. So begannen die von ihm geretteten Ameisen, für ihn die Steine und Perlen zu sammeln. Nachdem die Sonne zu sinken begann, erschien der Tomte und stellte wieder seine Frage: „Wie viele Steine und Perlen hast du gefunden?“ Bienenpaul meinte nur: „333 Steine und Perlen waren es. Hier liegen sie alle auf einem Haufen.“ „Ja, du hast die Aufgabe gelöst, sei morgen früh am kleinen Waldsee, wenn die Sonne ihn schön beleuchtet“, nickte der Tomte anerkennend.
Als er am Morgen am Waldsee erschien, stand der Tomte schon am kleinen Bootssteg: „In diesem See liegt der Schlüssel des Hofes, suche ihn und schließe die Eingangstür damit auf, danach ist auch die zweite Aufgabe gelöst.“ Kaum hatte er den Satz ausgesprochen, da war er auch schon wieder verschwunden.
So saß Bienenpaul am Bootssteg und seine Casey hatte es sich dort ebenfalls bequem gemacht. Kurz, sie dösten in der Sonne vor sich hin. „Die Aufgabe ist ja schier unlösbar“, dachte Paul gerade, „auf was habe ich mich da nur eingelassen“, als auf einmal ein Geschnatter zu hören war. Die Entenfamilie und auch die Schwanenfamilie waren soeben auf dem kleinen Waldsee gelandet und begannen mit der Suche, indem sie immer wieder tauchten. Am Nachmittag brachte die Entenmama ihm den Hofschlüssel, den sie stolz im Schnabel hielt. Casey blinzelte sie nur aus den Augen an, blieb diesmal aber ganz ruhig.
So kam es, dass Bienenpaul am Nachmittag die Tür zum Herrenhof aufschloss, hinter welcher der Tomte schon wartete: „Ich sehe, du hast auch die zweite Aufgabe gelöst.“ Jetzt werde ich dich zu deiner dritten Aufgabe bringen. So brachte er Bienenpaul in das Schlafzimmer der beiden Schwestern, indem beide versteinert auf ihren Betten lagen: „Wähle die Jüngere der beiden aus, wählst du richtig, kannst du dir eine der beiden zur Frau nehmen, wählst du falsch, so wirst du auch zu Stein!“
Zu seinem Schrecken stellte Paul fest, dass die beiden Schwestern, die Töchter des Grafen, Zwillingsschwestern waren. Aber wieder bekam Bienenpaul unerwartet Hilfe. Jetzt muss man wissen, dass die Bienen, die Paul gerettet hatte, in Wirklichkeit gar keine Wildbienen, sondern aus einem der Bienenstöcke waren, zu dem Bienenpaul sie zurückgebracht hatte. Sie waren nur ausgeschwärmt, wie es Bienen manches Mal tun, wenn sich kein Imker um sie kümmert und es eine neue Bienenkönigin gibt.
Die Bienen kannten die Schwestern nur zu gut: Die Jüngere war nämlich die Imkerin, die sich normalerweise um sie kümmerte und daher nach ihrem Honig roch. Vielleicht erkannten sie die Jüngere aber auch an ihrer Imkerpfeife wieder, die sie noch in der Hand hielt?
So surrten und brummten die Bienen auf einmal durch das Fenster herein und sammelten sich um die jüngere Schwester.
Da lächelte Bienenpaul und gab ihrem Steinabbild einen Kuss. Für ihn war es klar, dass die Bienen ihm ein Zeichen gegeben haben. Im selben Moment war der Zauber gebrochen und alles verwandelte sich wieder zurück, auch die anderen Menschen des Hofes bekamen wieder ihre alte Gestalt.
Bald kam auch der Graf hereingestürzt und fragte Paul, welche seiner Töchter er zur Frau wolle. Daraufhin antwortete Bienenpaul: „Die Straße ist mein Zuhause und der Sternenhimmel ist mein Heim. Aber ich habe zwei Freunde, einen Soldaten und einen Kesselflicker, ohne die ich die Lösung der Aufgaben nicht begonnen hätte, fragt die beiden.“ So kam es dann, dass der Soldat die Ältere und der Kesselflicker die Jüngere der beiden Schwestern heiraten wollte. Der Graf hatte in diesem Fall nichts dagegen, fragte nur enttäuscht: „Kann ich denn gar nichts für dich tun?“ „Doch“, überlegte Paul, „es ist heute mein Geburtstag, lasst mir einen schönen Honigkuchen backen.“
So bekam Paul seinen Geburtstagskuchen aus dem Honig der geretteten Bienen, und als er den Fuß wieder auf die Landstraße setzte, die ja sein Zuhause war, begleiteten ihn die Bienen noch eine ganze Weile zufrieden summend. Casey tanzte um ihn herum und spielte Fangen mit ihrem eigenen Schatten.
Ab und zu tauchte Bienenpaul noch auf den Straßen in Südschweden auf, wenn er ausgeschwärmte Bienenvölker in den Wäldern einsammelte und zu den Imkern wieder nach Hause brachte. Oft trug er einen Bienenkorb auf dem Rücken, wenn er ihn vergaß, war es es für ihn auch nicht so schlimm, dann war er eben vollständig mit Bienen bedeckt, die ihn kannten und liebten.
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Am nächsten Morgen wurden beide Tomteschnarchnasen früh wach. Kalle-Nisse zu seinem Ärger wieder in seinem Sessel und Tore auf der Küchenbank. Kalles Bett war aber zumindest durch Felix in Anspruch genommen worden und nicht ganz unbenutzt.
Aber der Tag sollte ganz anders werden als geplant. Kalle-Nisse und Tore Ljung hatten gerade ihr Frühstück verschlungen und wollten zurück zum See, um die „Brennstelle“ noch etwas aufzuräumen, als sie draußen Kommandos hörten. Kalle-Nisse steckte seinen Kopf zur Tür heraus, Tore Ljung zum Fenster und Felix kroch durch den offenen Türspalt nach draußen, als beiden Tomte ein einstimmiges: „Oh nein“ über die Lippen kam. Draußen vor ihrer Tür, auf dem ehemaligen Acker, der jetzt eine Blumenwiese war, bauten gerade Soldaten ihre Zelte auf. Das Dalarna Regiment, das sich ja im Sommer regelmäßig zu Übungen trifft, hatte sich in diesem Jahr den verlassenen Hof als Standort für ihre Übungen ausgewählt. Hier hatte man alles, was man benötigte: Eine schöne Wiese für Zelte und einen Brunnen mit frischem und kühlem Wasser. Es gab aber auch etwas, was man nicht so gerne haben wollte, aber noch nicht wusste: Zwei Tomte, die keine Metalle mögen und auch keinen Lärm ertragen wollen.
Wenige Augenblicke nachdem die beiden zusahen, wie Zelt für Zelt errichtet wurde, sah man zwei rote Zipfelmützen über die Wiese huschen und in Richtung See verschwinden. Gegen Mittag waren alle Schnapsflaschen mit „Kalle-Nisse Spezial“ des Vortagsbrandes entweder gut in einem Versteck vergraben oder in einer hohlen Weide versteckt. Es gibt nämlich neben Tomte nur eine Sorte von Menschen, die Schnaps mehr wittern als sie selbst: Schwedische Soldaten!
***
So konnten Tore Ljung und Kalle-Nisse dem Treiben und den Übungen des Regiments den ganzen Nachmittag über zusehen und vor allen Dingen zuhören. Felix hatte sich in Kalles Bett eingerollt, da ihn der Übungslärm bei den Schießübungen doch sehr störte.
Aber Tore, der sich am frühen Abend verabschiedete, versprach, spätestens zur Midsommarfeier wiederzukommen und meinte abschließend noch: „Ich kümmere mich noch darum, dass der Lärm hier bald aufhört.“
Gegen Abend wurde es dann ruhiger, denn die Soldaten des Regimentes waren von den Übungen doch recht müde. Sie waren schließlich lange Strecken gewandert oder marschiert, um zu diesem Hof in der Nähe von Mora zu kommen und hier ihre Übungen abzuhalten, so dass Kalle-Nisse dann doch noch zufrieden war. Er hatte sich sogar mit den beiden Pferden der Offiziere angefreundet, die man im ehemaligen Stall untergebracht hatte. Natürlich wurden sie wie die früheren Tiere des Hofes von ihm am Abend gestriegelt und gebürstet.
Als er dann am Abend in seinem Sessel saß, Felix zufrieden auf seiner Decke in seinem Katzenkorb schlummerte, ließ sich sogar die Mäusefamilie blicken, die hinter der Fußleiste seines Wohnraumes lebte und ebenfalls durch den Lärm des Tages aufgeschreckt war.
„Na, dann haben wir ja heute etwas mehr Zuhörer“, meinte Kalle-Nisse noch, bevor er sich sein Glas mit warmer Milch diesmal mit Honig süßte, in den Korb mit den Schriftrollen griff und eine ganz spezielle Erzählung heraussuchte: „Da gab es doch die Geschichte von den beiden Soldaten, die auch einen langen Weg vor sich hatten, als sie zur Gustavstagparade ihres Regimentes nach Stockholm mussten.“ Dabei hielt er noch kurz inne: „Ja, das gute, alte Schweden, als man noch an den König Gustav Adolf gedachte und keinen >>Nationalfeiertag<< brauchte.“ Er seufzte einmal tief und begann dann in den Abendstunden, die Geschichte vorzulesen.
Bevor in Schweden der 6. Juni als Nationalfeiertag eingeführt wurde, gab es Feiern zum Gustavstag. Der Gustavstag ist so alt, dass er noch nach dem alten Kalender gefeiert wurde, es war erst kein Nationalfeiertag, sondern eine Feier des Löwen aus Mitternacht, wie man Gustav-Adolf II auch nannte. Wie so oft, sollte es auch dieses Jahr eine Feier und eine Parade der Regimenter in Stockholm geben. Für Petter und Stellan war es das erste Mal, seit sie als junge Gemeine ihren Dienst angetreten hatten, dass sie an einer Parade teilnehmen sollten. Diesmal war das Västerbotten Regiment an der Reihe, in Stockholm aufzumarschieren. Die beiden kannten sich schon seit ihrer Kindheit, denn auch ihre Väter dienten im gleichen Regiment und lebten beide in Bjurholm, allerdings in verschiedenen Soldatentorps bei anderen Bauern der Gemeinde.
Wie jedes Jahr trafen sie sich normalerweise zu Übungen und Manövern, dieses Jahr aber, wie gesagt, zur großen Gustavstags -Parade. Ihre Väter sollten diesmal nicht teilnehmen, es reichte, ihre Söhne als Gemeine zu senden, hatte der Oberst vor Weihnachten extra noch betont. Die Älteren sollten an den üblichen Manövern teilnehmen. So trennten sich in diesem Jahr also die Wege der Väter von denen der Söhne.
Petter und Stellan waren Freunde, kannten sich schon seit ihrer frühesten Kindheit, waren jedoch ganz andere Charaktere. Sie beschlossen beide, wie auch ihre Väter, bei der Dienstzeit zusammenzubleiben. Petter war ein Draufgänger, der oft zu schnellen Entscheidungen neigte, allerdings war Arbeit nichts für ihn. Stellan war ganz anders, er war sehr fleißig, wenn er Arbeit sah, so packte er auch gern zu, allerdings war er nicht der Mutigste, was auch schon im Regiment aufgefallen war und einer ersten, anstehenden Beförderung entgegenstand.
Da sie beide nach Stockholm wollten, machten sie sich rechtzeitig auf den Weg. Sie waren nicht so gut mit Kronen ausgestattet und daher wollten sie sich unterwegs bei Bauern oder in Gasthöfen durch Arbeit etwas dazuverdienen. Das klappte meistens ganz gut, da Stellan immer gut mit anpackte, aber nach den ersten Arbeitsstunden lag Petter bald auf der faulen Haut und so kam es, dass ihre Bauern und Wirte sie mehr als einmal vor die Tür setzten. Meistens nur Petter, aber Stellan wollte ja mit ihm zusammenbleiben. Sie waren schon in der Nähe von Stockholm, der Winter schien sich noch einmal kurz zurückzumelden und schickte ein paar sehr kalte Tage durch das Land, als ihre Arbeit wieder einmal frühzeitig beendet wurde. Der Wirt meinte nur: „Wenn sich Petter nicht durch Holzspalten und Sägen warmhalten will, dann kann er es vielleicht durch Laufen?“, denn er hatte ihn dabei erwischt, wie er hinter einem Holzstapel den Nachmittag verschlief, während Stellan einen neuen Holzstapel aufschichtete, wobei er Scheite spaltete und stapelte. So war ihre Arbeit in Enköping am späten Nachmittag beendet und ihre Unterkunft für die Nacht verloren.