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Titus, ein Vampir, arbeitet als Nachtschicht-Polizist in einer modernen Stadt und versucht, das Leben eines normalen Menschen zu führen. Zusammen mit seinem Bruder Lukas, der sich als Flammenfuchs entpuppt, stellt er sich der Herausforderung, die Gesetze der übernatürlichen Welt durchzusetzen und das Gleichgewicht zu bewahren. Violett, eine junge Frau mit geheimnisvollen Fähigkeiten, tritt in ihr Leben und wird zu einem wichtigen Teil ihres Kampfes – sowohl in ihren Herzen als auch gegen die äußere Bedrohung.
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Seitenzahl: 219
Veröffentlichungsjahr: 2024
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Vorwort
Elena Sternbach ist eine deutsche Autorin, die sich auf Fantasy- und übernatürliche Geschichten spezialisiert hat. Ihre Erzählungen sind geprägt von intensiven Gefühlen, inneren Kämpfen und der Suche nach Identität in einer mysteriösen Welt. Ihre Werke beleuchten die Grauzonen menschlicher Beziehungen und verbinden übernatürliche Elemente mit alltäglichen Herausforderungen. Sternbach lebt in einer kleinen Stadt am Rande eines Waldes, wo sie ihre Inspiration aus der Natur und den Geschichten der Menschen um sie herum schöpft.
Titel: "Kalter Atem über Asphalt"
Kapitel 1: Nachtschicht im Schatten
Die kalte Luft der Nacht kroch durch die Straßen der Stadt, trug den Geruch von Benzin, kaltem Beton und menschlicher Verzweiflung mit sich. Titus stand an seinem üblichen Ort – der kleine Kiosk, der rund um die Uhr geöffnet hatte, direkt an der Ecke der 5th Avenue und Grant Street. Ein einsamer Ort, der immer nach abgestandenen Zigaretten und Kaffee roch, aber für Titus der perfekte Startpunkt einer weiteren Nachtschicht als Vampirpolizist.
Er ließ seinen Blick durch die dunkle Gasse schweifen, während er einen kräftigen Schluck aus seinem Becher nahm. Espresso, dickflüssig und schwarz, fast wie Blut. Natürlich war es Hafermilch, die ihm der Kioskbesitzer reingegossen hatte. Normalerweise bevorzugte Titus seinen Kaffee pur, aber der Mann – Ahmed, wie es auf seinem Namensschild stand – bestand darauf, ihm stets den „modernen Kaffee“ zu machen. Und so hatte Titus gelernt, höflich zu nicken, als der Schaum der Hafermilch gegen den Rand seines Bechers platschte.
Titus stieß eine tiefe Rauchwolke aus und sah dabei zu, wie sich die Schwaden in der kalten Nachtluft auflösten. Die Zigarette steckte zwischen seinen behandschuhten Fingern, das Glimmen war ein kleiner Lichtpunkt in der Dunkelheit. Die Leute, die an ihm vorbeigingen, bemerkten ihn kaum. Sie nahmen ihn einfach als einen weiteren Nachtschichtarbeiter wahr – Lederjacke, schwarze Jeans, und ja, die Cowboy-Stiefel, die er trug, waren nicht unbedingt diskret. Aber was war schon normal in einer Stadt, die nie schlief?
Eine Frau schoss an ihm vorbei, ihr Telefon vor sich haltend, während sie irgendetwas auf Instagram überprüfte. Titus beobachtete sie flüchtig und fragte sich, wie viele Menschen überhaupt noch die Realität um sie herum wahrnahmen. Ihr Gesicht war in das bläuliche Licht des Displays getaucht, und sie achtete nicht auf den Rest der Welt. Was für ein leichtes Ziel sie wäre, dachte er mit einem Hauch von Bedauern. Zum Glück war er keiner der Vampire, die sich aus Langeweile an solchen Menschen vergingen – es gab Regeln, die eingehalten werden mussten. Regeln, für die er in dieser Stadt zuständig war.
Ein Mann, vielleicht in den frühen Dreißigern, mit einem wackligen Gang und rötlichen Augen, taumelte aus einer Seitengasse. Titus‘ Blick verengte sich. Der Mann sah nicht nur betrunken aus – es war etwas anderes, ein flüchtiges Zittern, eine seltsame Zuckung in seiner Hand, als hätte er sich kaum unter Kontrolle. Titus war sich sicher, dass hier mehr dahintersteckte. Vielleicht war es eine Spur. Vielleicht einer derjenigen, die glaubten, die Gesetze dieser Stadt würden für sie nicht gelten.
Titus nahm einen weiteren Zug von seiner Zigarette, ließ den Rauch durch seine Nase entweichen und schnippte den Rest der Zigarette achtlos in die Gasse. Die Leute sahen ihn nicht an, sie spürten nur den Schatten, der an ihnen vorbeiging, als Titus sich in Bewegung setzte. Der Mann mit den Zuckungen wankte weiter durch die Straße, aber Titus war ihm jetzt auf den Fersen – lautlos, wie ein Raubtier, das seine Beute jagte. Cool zu bleiben war der Schlüssel. Er musste die Spur verfolgen, ohne die Aufmerksamkeit anderer auf sich zu ziehen.
Es dauerte nicht lange, bis der Mann in einer dunklen Gasse verschwand. Titus hörte das leise Murmeln, die knirschenden Schritte auf dem Kies, das Ächzen einer Tür, die sich öffnete. Langsam folgte er dem Geräusch, trat näher an die alte, abgeblätterte Metalltür. Ein verrostetes Schild hing schief an der Wand, „Lagerraum – Zutritt verboten“ stand darauf.
Titus konnte die metallische Note des Blutes riechen, kaum wahrnehmbar, doch für ihn unübersehbar. Er spürte, wie sein Körper sich spannte, wie das vertraute Verlangen nach Blut langsam in ihm aufstieg. Er war hungrig, immer, und selbst Espresso mit Hafermilch konnte das nicht überdecken. Seine Hand, noch immer von einem schwarzen Lederhandschuh umhüllt, legte sich sanft auf die Türklinke.
Langsam drückte er die Tür auf, und das Knarren erfüllte die Stille. Seine Sinne waren geschärft, jeder Atemzug, jedes Geräusch schien in der Dunkelheit zu explodieren. Ein dünner Lichtschein fiel durch ein staubiges Fenster, und da sah er den Mann – kniend, mit dem Rücken zu ihm, das Gesicht verzerrt. Vor ihm stand eine Gestalt, bleich, mit einem verkrampften Grinsen. Ein Vampir, aber keiner von denen, die sich an die Regeln hielten. Titus konnte es an der Art erkennen, wie er sein Opfer betrachtete – wie eine Trophäe, die er gleich beanspruchen würde.
„Das ist nicht dein Revier“, sagte Titus ruhig, seine Stimme kaum lauter als ein Flüstern. Doch in der Gasse, im Echo der Stille, klang es wie ein Donner. Der Vampir drehte sich zu ihm um, Augen blitzten rot auf, und für einen Moment konnte Titus das Zucken eines Lächelns in seinem Gesicht erkennen – herausfordernd, provozierend.
„Was willst du, Gesetzeshüter?“ fragte der Vampir höhnisch. „Dich um die kleinen Fische kümmern?“
Titus antwortete nicht. Stattdessen bewegte er sich, schneller als das menschliche Auge folgen konnte, und bevor der andere Vampir reagieren konnte, hatte Titus ihn bereits gepackt. Mit einem geübten Griff, der sowohl Kraft als auch Autorität ausdrückte, drückte er ihn gegen die Wand.
„Hier gelten Regeln. Und du brichst sie“, zischte Titus und spürte den Widerstand unter seinen Händen, die krampfhaften Versuche des anderen Vampirs, sich zu wehren.
Der bleiche Vampir versuchte noch zu lachen, ein verzweifelter, hohler Klang, doch es endete in einem erstickten Röcheln, als Titus seinen Griff verstärkte. Der Mensch, der bis eben noch als Opfer gedient hatte, lag bewusstlos auf dem Boden, eine blutige Wunde am Hals. Titus sah den Vampir mit eisiger Kälte an, bevor er ihn ohne ein weiteres Wort zurückließ – ein Zeichen, eine letzte Warnung. Er würde heute nicht sterben, aber seine Zeit lief ab, wenn er sich nicht an die Regeln hielt.
Titus beugte sich zu dem Menschen herunter, prüfte seinen Puls. Schwach, aber noch da. Vorsichtig hob er ihn hoch, schob die Tür weiter auf, und schritt hinaus in die kalte Nacht. Der Asphalt unter seinen Cowboy-Stiefeln glänzte feucht im schummrigen Licht der Straßenlaternen. Es würde eine lange Nacht werden – eine von vielen, dachte er und spürte, wie der Durst in ihm brannte. Doch es gab Arbeit zu tun, und er war der Einzige, der zwischen Ordnung und Chaos stand.
Kapitel 2: Regeln des Blutes
Der Weihnachtsmarkt leuchtete in einem warmen, goldenen Glanz, als Titus den bewusstlosen Mann sanft auf einer Bank ablegte. Es war einer dieser klassischen Märkte, mit Holzbuden, die Süßigkeiten, heißen Punsch und handgemachte Dekorationen verkauften. Die Luft war gesättigt von dem süßen Geruch von gebrannten Mandeln und Zuckerwatte, während der Klang von Weihnachtsliedern und fröhlichem Lachen über den Platz schwebte. Die Stadt präsentierte sich von ihrer besten Seite, festlich und leuchtend, ein Bild des Friedens, das kaum erahnen ließ, was in den Schatten geschah.
Titus blieb einen Moment stehen, nahm die Szenerie auf, die warme, farbenfrohe Fassade, hinter der sich für ihn so viel verbarg. Sein Blick wanderte über die Menge, suchte nach möglichen Bedrohungen, während er versuchte, den inneren Hunger zu ignorieren, der von der Begegnung in der Gasse noch stärker in ihm loderte. Er hatte immer Hunger, es war ein ständiger Begleiter, doch heute war es schwerer, die Kontrolle zu bewahren.
Er blinzelte, als er ein kleines Mädchen bemerkte, das an einem Stand stand und mit glänzenden Augen auf einen Schokoladen-Nikolaus deutete. Ihr Vater, ein großer Mann mit müden Augen und einem sanften Lächeln, beugte sich zu ihr herunter und fragte sie etwas. Das Mädchen nickte heftig, ihre Zöpfe wippten, und er kaufte ihr den Schokoladen-Nikolaus, den sie mit funkelnden Augen in Empfang nahm.
Titus sah die Freude in ihrem Gesicht, und für einen Moment fühlte er eine schmerzliche Sehnsucht in seiner Brust. Eine Erinnerung an etwas, das er längst verloren hatte – das Lächeln eines Kindes, die Wärme eines Augenblicks, der so menschlich war, dass er schmerzte. Doch dieser Moment war für ihn vergangen, und er wusste, dass er niemals zurückkehren würde. Der Hunger in ihm war anders. Er wollte nicht Schokolade, nicht Süßes – er wollte Blut, den Lebenssaft, der ihn am Leben hielt.
„Titus!“ Eine Stimme riss ihn aus seinen Gedanken. Er drehte sich um und sah Niklas, einen anderen Nachtschicht-Polizisten, der in der Nähe eines Standes stand und ihm zuwinkte. Niklas trug seine Uniform, ein paar weiße Handschuhe, die ihm ein wenig fehl am Platz im Treiben des Marktes erschienen ließen. Doch sein Lächeln war aufrichtig.
Titus ging hinüber zu ihm, spürte, wie der knirschende Kies unter seinen Stiefeln ihm einen Halt in der gegenwärtigen Realität gab, weg von den Erinnerungen und dem Verlangen. Niklas war einer der wenigen Menschen, die er in dieser Stadt mochte. Vielleicht, weil Niklas keine Fragen stellte und sich nie wunderte, warum Titus so oft zur Nachtschicht eingeteilt wurde oder warum er nie tagsüber arbeitete.
„Niklas, was machst du hier?“ fragte Titus und zwang sich zu einem entspannten Lächeln, obwohl der Hunger noch immer in seinem Inneren nagte.
„Weihnachtsmarkt-Pflicht“, antwortete Niklas mit einem Schulterzucken, während er auf den Markt deutete. „Sicherstellen, dass die Leute hier fröhlich und sicher sind. Und du? Keine Streife?“ Er zwinkerte, nahm einen Bissen von einem Lebkuchenherz, das er in der Hand hielt.
Titus zuckte nur mit den Schultern. „Du kennst mich, immer unterwegs.“ Er ließ den Blick erneut über den Markt schweifen, dabei immer noch auf der Suche nach der Person, die er vorhin verfolgt hatte. „Hast du irgendwas Seltsames gesehen?“
Niklas schüttelte den Kopf. „Nicht wirklich. Nur ein paar betrunkene Jugendliche. Aber nichts, was wir nicht unter Kontrolle hätten.“
Ein Geräusch lenkte Titus’ Aufmerksamkeit ab – das hohe Lachen des kleinen Mädchens, das seinen Schokoladen-Nikolaus in der Hand hielt, als es einen großen, klebrigen Haufen Zuckerwatte von einem Stand in der Nähe bekam. Titus konnte fühlen, wie sein Magen sich zusammenzog. Der Geruch der süßen, klebrigen Masse mischte sich mit dem unübersehbaren, metallischen Hauch von Blut, der immer in seinen Sinnen war, seit er diesen verfluchten Zustand angenommen hatte.
Er wandte sich wieder an Niklas. „Pass auf, ich muss weiter“, sagte er und nickte seinem Kollegen zu, bevor er sich in die Menge schob, vorbei an den leuchtenden Lichtern und den Menschen, die lachend und redend ihren Weg durch den Weihnachtsmarkt fanden.
Ein Stand verkaufte gebrannte Mandeln, und Titus blieb kurz stehen, schaute zu, wie der Verkäufer die Nüsse in dem heißen Zucker rührte, bis sie karamellisierten. Der süße Duft war beinahe überwältigend. Der Hunger in ihm schrie nach dem Gegenteil – Blut, nicht Zucker. Ein wenig abwesend beobachtete er, wie ein Tropfen von dem heißen Zucker von dem Löffel tropfte, das leichte Zucken, als es die heiße Metalloberfläche der Pfanne traf. Es erinnerte ihn an das Zucken des Mannes, den er verfolgt hatte.
„Kaufst du was?“ Die Stimme des Verkäufers riss ihn zurück in die Gegenwart. Der Mann, ein älterer Herr mit einer rot-weißen Schürze, schaute ihn fragend an. Titus lächelte leicht, schüttelte den Kopf und trat zurück.
Er ließ seinen Blick weiter durch die Menge gleiten, bis er eine Bewegung am Rand des Marktes bemerkte. Ein flüchtiger Schatten, ein bekanntes Gesicht – der Mann, der sich in der Gasse befunden hatte. Titus spürte, wie sein Herz schneller schlug. Der Durst, das Verlangen – jetzt war keine Zeit, dem nachzugeben. Er setzte sich in Bewegung, drängte sich durch die Menge, behielt den Mann im Auge. Er durfte ihm nicht entkommen.
Doch als Titus den Rand des Marktes erreichte, blieb er abrupt stehen. Dort, vor ihm, stand Violett. Sie trug einen langen Mantel, das Licht der Weihnachtsbeleuchtung spiegelte sich in ihren Augen. Sie sah direkt zu ihm, als hätte sie genau gewusst, dass sie sich hier begegnen würden.
„Du“, sagte sie leise, und ihr Blick ließ keinen Zweifel daran, dass sie mehr wusste, als sie vorgab.
Titus war für einen Moment sprachlos. Er spürte, wie der Hunger in ihm noch stärker wurde, das Verlangen, das Blut unter ihrer blassen Haut zu spüren, war beinahe überwältigend. Doch es war nicht nur der Hunger – es war auch die Neugier, die ihn dazu brachte, stehenzubleiben.
„Was machst du hier?“ fragte er, versuchte, seine Stimme ruhig zu halten.
Violett lächelte leicht, ein Lächeln, das sowohl Wissen als auch Geheimnisse verriet. „Ich könnte dich dasselbe fragen, Titus.“ Ihr Blick wanderte über den Markt, zu den Menschen, die lachten und sich an den Ständen versammelten. „Bist du hier, um die Stadt zu beschützen? Oder suchst du jemanden?“
Titus starrte sie an, spürte die Spannung in der Luft. Es war wie ein Tanz auf dünnem Eis, ein Spiel, dessen Regeln sie beide nicht vollständig kannten. Doch eine Sache war sicher: In dieser Nacht, zwischen dem Glanz der Weihnachtslichter und dem süßen Duft von gebrannten Mandeln, gab es keinen Platz für Fehler.
Kapitel 3: Verbotene Fragen
Titus beobachtete Violett, während sie sich langsam von der Menge entfernten. Sie führte ihn, ohne ein Wort zu sagen, zu einer schmalen Seitengasse, weit weg von den Menschenmengen und dem glitzernden Weihnachtsmarkt. Titus konnte die Spannung zwischen ihnen beinahe körperlich spüren – sie schien aufgeladen, ein unsichtbarer Strom, der durch die Luft ging und sein eigenes Verlangen verstärkte.
Violett blieb stehen und drehte sich zu ihm um, ihre Augen funkelten in der Dunkelheit. Ein flüchtiges Lächeln spielte um ihre Lippen, und ihre Hand glitt sanft an seinem Arm hinunter. Für einen Moment war die Welt um sie herum verschwunden – die Kälte der Nacht, die Lichter, die Stimmen der Menschen auf dem Markt – all das schien in der Ferne zu verblassen.
„Warum folgst du mir, Titus?“ Ihre Stimme war ein Flüstern, kaum hörbar, aber für ihn war es wie ein Schlag in die Brust. Er spürte, wie sich in seinem Inneren etwas zusammenzog, die Kontrolle, die er sich mühsam aufgebaut hatte, bröckelte.
„Ich habe nicht vor, dir zu folgen“, erwiderte er, doch selbst er spürte, wie brüchig seine Worte klangen.
Violett trat näher, ihr Atem berührte seine Haut, während sie ihm tief in die Augen sah. Für einen Moment war da nichts als Stille – das Pochen seines Herzens, das Bedürfnis, die brennende Sehnsucht nach Nähe. Ihre Finger wanderten weiter, spielten mit dem Kragen seiner Jacke, bevor sie seine Brust berührten. Titus spürte, wie sein Atem schwerer wurde, der Durst und die Sehnsucht vereinten sich zu einer berauschenden Mischung.
„Sag mir, was du wirklich willst“, flüsterte Violett, ihre Stimme von einer rauen Intensität erfüllt, die ihm unter die Haut ging. Ihre Nähe, ihr Duft – es war fast zu viel für ihn, als könnte er die Distanz zwischen ihnen nicht länger ertragen.
„Violett…“ Seine Stimme klang heiser, das Verlangen brannte in ihm wie ein wildes Feuer, das sich nicht länger zurückhalten ließ.
Ihre Lippen berührten seine, ein zögerlicher Kuss, und für einen Augenblick schien es, als würde die Welt stillstehen. Titus fühlte, wie sein Herzschlag aussetzte, bevor er in einem wilden Rhythmus wieder einsetzte. Er konnte ihre Wärme spüren, die weiche Haut unter seinen Fingern, als er seine Hände an ihre Taille legte und sie näher an sich zog.
Ihre Kleidung – ein enger Pullover und darunter ein knapper String – schmiegten sich an seinen Körper, während er sie gegen die raue Backsteinwand der Gasse drückte. Sie trug gestrickte Socken, die zu ihrem Outfit fast schon unschuldig wirkten, im Gegensatz zu dem, was sich zwischen ihnen abspielte. Titus fühlte, wie sein Verlangen nach Blut von einem anderen, tiefergehenden Bedürfnis überlagert wurde – eine Sehnsucht nach Nähe, nach Berührung.
Er legte seine Lippen an ihren Hals, das Verlangen zu beißen pochte in seinen Adern, doch er hielt inne. Es wäre so einfach, das Blut unter ihrer Haut zu schmecken, doch die Gefahr, sie zu verletzen, hielt ihn zurück. Violett schien seinen inneren Kampf zu spüren, sie hob seine Wange an und sah ihn an – ein tiefes, wissendes Lächeln auf ihren Lippen.
„Du kämpfst gegen dich selbst, nicht wahr?“ flüsterte sie, und für einen Moment fühlte sich Titus nackt und verletzlich. Sie wusste zu viel, sah zu viel von ihm. Doch bevor er antworten konnte, wurde ihr Moment unterbrochen.
Ein leises Bellen erklang in der Dunkelheit, gefolgt von dem Glitzern einer pinkfarbenen Blink-Leine, die in der Gasse sichtbar wurde. Ein kleiner Yorkshire Terrier trabte zielstrebig auf sie zu, sein Halsband blinkte in grellen Farben, die in der Dunkelheit fast unwirklich wirkten. Violett zog sich lachend zurück, während Titus mit einem genervten Blick zu dem kleinen Hund hinuntersah. Das Tier wirkte viel zu selbstbewusst für seine Größe, und für einen Moment fragte sich Titus, wie so etwas Winziges so mutig sein konnte.
„Das ist Bella“, sagte Violett und ging in die Hocke, um den Hund zu streicheln. Titus spürte, wie die Hitze des Augenblicks langsam abklang, während der Yorkshire Terrier fröhlich mit dem Schwanz wedelte. Violetts Hände glitten über das weiche Fell des Hundes, und ihre Berührungen waren so sanft, dass Titus für einen Moment eifersüchtig wurde – nicht auf den Hund, sondern auf die Einfachheit der Liebe und Zuneigung, die sie zeigen konnte.
„Du hast einen Hund?“ fragte Titus, und sein Ton war rauer, als er beabsichtigt hatte. Es war, als würde dieser kleine Moment des Alltags die Dunkelheit und das Chaos ihrer Begegnung auf eine Art und Weise vertreiben, die er nicht erwartet hatte.
Violett lächelte ihn an, während sie den Hund auf den Arm nahm. „Ja, Bella ist eine Second-Hand-Adoption“, erklärte sie, während sie dem Hund einen Kuss auf die Stirn gab. „Sie ist klein, aber sie hat ein großes Herz.“
Titus sah sie einen Moment an, bevor er leicht nickte. Es war, als würde diese banale Szene – eine Frau und ihr kleiner Hund – für ihn einen Einblick in ein Leben geben, das er nie haben würde. Ein Leben, das warm und hell war, ohne die Dunkelheit und den Durst, der ihn verfolgte.
„Du solltest gehen“, sagte Titus schließlich, und er spürte, wie sich etwas in ihm verschloss. „Es ist gefährlich, so spät hier draußen zu sein.“
Violett sah ihn einen Moment lang an, ihre Augen suchten nach Antworten in seinem Gesicht. Doch dann nickte sie, akzeptierte seine Worte ohne Widerstand. Sie drehte sich um und ging zurück in Richtung Weihnachtsmarkt, Bella auf dem Arm, die Leine blinkte weiterhin fröhlich in der Dunkelheit.
Titus blieb zurück, die Kälte der Nacht kroch langsam wieder unter seine Haut. Die Intensität des Moments, das Verlangen und die Wärme, all das verblasste, während er in die Dunkelheit starrte, die sie verschluckte. Der Weihnachtsmarkt leuchtete in der Ferne, und Titus konnte den Duft von gebrannten Mandeln und Zuckerwatte immer noch riechen.
Ein Weihnachtsbaum ragte auf dem Platz auf, bunt geschmückt, und darunter lagen Geschenke. Menschen blieben stehen, bewunderten den Baum, machten Fotos, lachten und genossen die festliche Stimmung. Für sie war dies eine Zeit des Friedens, der Freude, des Zusammenseins. Für Titus aber blieb es eine Erinnerung an das, was er verloren hatte – ein Leben, das ihm nicht mehr gehörte.
Er schob die Hände tief in seine Taschen und drehte sich um. Der Mann, dem er gefolgt war, war verschwunden, und Violett – mit all ihren Geheimnissen – war auch fort. Es war Zeit, weiterzumachen, sich wieder auf seine Aufgabe zu konzentrieren. Die Stadt brauchte jemanden, der ihre Schatten bewachte, jemanden, der die Regeln der Dunkelheit aufrechterhielt.
Während Titus durch die Straßen schritt, spürte er, wie sich die Dunkelheit um ihn legte wie ein alter, vertrauter Mantel. Der Hunger pochte in ihm, doch es war ein kontrollierbarer Durst – die Wärme von Violetts Berührung verblasste, und er konzentrierte sich wieder auf das, was er tun musste.
Die Nacht war noch lang, und es gab viel zu tun.
Kapitel 4: Im Angesicht des Todes
Die Nacht schien dunkler geworden zu sein, als Titus durch die leeren Straßen wanderte. Die Wärme des Weihnachtsmarktes, die Farben, die Lichter – all das lag nun hinter ihm und verblasste, als er tiefer in das Herz der Stadt vordrang. Der Regen hatte eingesetzt, sanft und kalt, und die nassen Straßen glänzten wie poliertes Metall im Licht der Straßenlaternen.
Titus spürte, wie das Verlangen nach Blut sich wie eine Flutwelle in ihm ausbreitete, stärker als zuvor, ungezügelt und roh. Die Begegnung mit Violett hatte einen Teil von ihm geöffnet, den er normalerweise sorgfältig verschloss – die Sehnsucht nach menschlicher Nähe, nach dem Knistern eines lebendigen Herzens, das nah an seinem schlug. Aber diese Sehnsucht ging Hand in Hand mit einem Hunger, der niemals vollständig gestillt werden konnte.
Als er um eine Ecke bog, hörte er plötzlich ein leises Geräusch. Ein schneller Atemzug, das leise Rascheln von Kleidung, gefolgt von einem erstickten Schrei. Titus blieb stehen, lauschte, seine Sinne schärften sich sofort. Das Geräusch kam aus einer dunklen Seitengasse – ein Ort, an dem niemand in dieser Stadt nach Einbruch der Dunkelheit sein sollte. Er trat näher, seine Augen durchbohrten die Schatten, bis er zwei Gestalten erkannte.
Ein Mann, vielleicht Mitte zwanzig, hockte auf dem Boden. Sein Kopf war zur Seite gedreht, seine Augen weit geöffnet, als er versuchte, zu schreien. Über ihm kniete eine Gestalt, die in der Dunkelheit kaum zu erkennen war. Doch das, was passierte, war eindeutig – der Biss, tief in die Kehle des Mannes, der das Blut aus ihm zog, während der Angreifer trank.
Das Geräusch des Blutes, das floss, war für Titus wie ein Trommelschlag in der Stille. Das Pochen des Herzens des Opfers, das langsamer wurde, bis es schließlich zu einem leisen, stockenden Rauschen verblasste. Titus spürte, wie sein eigener Hunger durch das schreckliche Schauspiel nur verstärkt wurde, das Bedürfnis, sich ebenfalls in das köstliche Rot zu stürzen, die Adern zu leeren, bis nichts mehr übrig war. Doch das war nicht der Grund, warum er hier war. Er musste handeln.
Mit einem schnellen, lautlosen Schritt trat Titus auf die beiden zu, packte die Gestalt an den Schultern und zerrte sie von ihrem Opfer weg. Der andere Vampir – eine Frau mit Tunnel-Ohren und einem silbernen Piercing an der Unterlippe – fauchte ihn an, als er sie gegen die Wand drückte. Ihre Augen waren blutunterlaufen, das Blut des Mannes lief noch immer von ihren Lippen, während sie mit zitternden Händen versuchte, sich zu wehren.
„Was tust du hier?“ knurrte Titus, seine Stimme war tief, seine Augen auf ihre fixiert. Sie trug eine schwarze Lederjacke, das Symbol eines Tattoos, das wie eine Schlange aussah, schlängelte sich über ihren Hals und endete in einem wirbelnden Muster an ihrem Schlüsselbein. Sie hatte gegen die Regeln verstoßen – sie hatte einen Menschen getötet, ohne die Erlaubnis oder das Wissen des Rates.
„Lass mich los“, zischte sie, ihre Augen funkelten wütend. Doch Titus verstärkte seinen Griff nur, drückte sie härter gegen die Wand.
„Du weißt, dass es verboten ist“, sagte er leise, aber eindringlich, während sein Blick zu dem Mann auf dem Boden wanderte. Er lag in einer wachsenden Blutlache, seine Haut war bleich, die Augen ins Leere gerichtet. Eine Goldkette lag auf seiner Brust, und Titus sah, wie das Metall im schwachen Licht glänzte – ein kleines Stück eines Lebens, das soeben ausgelöscht worden war.
„Es ist mir egal“, spuckte die Frau, ihr Blick war herausfordernd, beinahe wahnsinnig. „Ich brauche das Blut. Ich habe keinen Rat nötig, um mir zu sagen, wann ich trinken darf.“
Titus‘ Augen verengten sich, und er spürte, wie die Wut in ihm kochte. Es war diese Art von Verhalten, die die Ordnung gefährdete, die sie alle in Gefahr brachte. Die Menschen durften niemals wissen, was wirklich in ihrer Stadt vor sich ging, und dieser Vampir hatte ihre Regeln mit Füßen getreten.
„Dann hast du deine Wahl getroffen“, sagte er und drückte sie noch härter, bevor er ihre Kehle packte, das Knacken ihrer Wirbelsäule spürte, als er den Kopf abrupt zur Seite riss. Es ging schneller, als sie reagieren konnte, und das Leben verließ ihren Körper, bevor sie auch nur einen weiteren Laut machen konnte. Ihr Körper sank zu Boden, regungslos, eine leere Hülle.
Titus blieb einen Moment stehen, die Stille um ihn herum schien beinahe ohrenbetäubend. Er holte tief Luft, versuchte, den metallischen Geruch des Blutes aus seiner Nase zu verdrängen. Er sah zu dem leblosen Mann, der dort lag, und fühlte das bekannte Ziehen der Schuld. Das war nicht seine Schuld, doch die Verantwortung für diese Stadt lastete schwer auf ihm.
Er kniete sich neben den Körper des Opfers und griff nach dem Desinfektionsmittel in seiner Tasche. Es war eine groteske Ironie – er nutzte es, um seine eigenen Hände zu reinigen, nachdem das Blut des Mannes sie befleckt hatte. Die kalte Flüssigkeit auf seinen Händen, der beißende Geruch – es war eine Art Ritual, das ihm half, die Kontrolle zu bewahren. Ein seltsames Symbol für Sauberkeit inmitten all der Dunkelheit.
Titus ließ seinen Blick erneut zu der Goldkette wandern. Er nahm sie vorsichtig in die Hand, betrachtete das kleine, eingravierte Medaillon – ein Foto einer Frau und eines kleinen Kindes. Ein Familienvater, der sein Leben verloren hatte, weil ein Vampir sich nicht beherrschen konnte. Titus schloss für einen Moment die Augen, spürte, wie das Gewicht der Nacht auf ihn lastete.
Er hob den leblosen Körper auf, fühlte, wie das Blut noch immer aus der Wunde floss, warm und klebrig an seiner Kleidung. Es war nicht das erste Mal, dass er so etwas tun musste, und doch schmerzte es jedes Mal auf eine Art, die er nie ganz loswerden konnte. Die Kälte in ihm, das Wissen, dass er selbst eine Bestie war, die nur dank strikter Selbstdisziplin nicht ebenfalls zu einem solchen Monster wurde – es fraß ihn auf, langsam, von innen heraus.
Die Nacht blieb kalt und dunkel, als Titus den Körper des Mannes wegtrug, in eine abgelegene Ecke der Stadt, wo niemand ihn so schnell finden würde. Die Erinnerung an das Gesicht des Opfers, die warme Berührung von Violett, der Schmerz des Hungers – all das vermischte sich in seinem Kopf zu einem chaotischen Sturm, der nicht nachließ.
Als er schließlich zurückkehrte, stand der Weihnachtsbaum immer noch auf dem Platz, strahlend und schön. Die Menschen gingen weiter, lachten, tranken ihren heißen Punsch und genossen das Fest. Für sie war die Stadt sicher, friedlich – und Titus würde alles tun, damit es so blieb.
Doch die Dunkelheit war ein ständiger Begleiter, und in ihr gab es keine einfachen Lösungen, keine klaren Linien. Es gab nur ihn, die Regeln und die kalte, erbarmungslose Notwendigkeit, die Ordnung zu bewahren – um jeden Preis.
Kapitel 5: Nächtliche Offenbarungen