Zwischen Vollmond und Neonlicht - Elena Sternbach - E-Book

Zwischen Vollmond und Neonlicht E-Book

Elena Sternbach

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Beschreibung

"Zwischen Vollmond und Neonlicht" erzählt die Geschichte von Madita, einer Psychologiestudentin, die nach einem Angriff plötzlich besondere Fähigkeiten entwickelt und in eine übernatürliche Welt hineingezogen wird. Sie wird von einer Gruppe Werwölfe aufgenommen, die sie vor einem tödlichen Vampirzirkel schützen wollen. Doch Madita spürt, dass mehr hinter ihrer Verwandlung steckt, und beginnt, nach der Wahrheit zu suchen – über das Rudel, ihre eigene Herkunft und Lucian, den Mann, dem sie vertraut hat.

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Seitenzahl: 232

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Elena Sternbach ist eine deutsche Autorin, die sich auf Fantasy- und übernatürliche Geschichten spezialisiert hat. Ihre Erzählungen sind geprägt von intensiven Gefühlen, inneren Kämpfen und der Suche nach Identität in einer mysteriösen Welt. Mit ihrer Debütveröffentlichung "Zwischen Vollmond und Neonlicht" hat Elena Sternbach eine faszinierende Mischung aus Urban Fantasy und psychologischer Tiefe geschaffen, die die Leser in den Bann zieht. Ihre Werke beleuchten die Grauzonen menschlicher Beziehungen und verbinden übernatürliche Elemente mit alltäglichen Herausforderungen. Sternbach lebt in einer kleinen Stadt am Rande eines Waldes, wo sie ihre Inspiration aus der Natur und den Geschichten der Menschen um sie herum schöpft.

Titel: "Zwischen Vollmond und Neonlicht"

Kapitel 1: Angriff im Neonlicht

Madita stieg die Treppe zur U-Bahn hinab, die in ein kaltes, unwirkliches Neonlicht getaucht war. Das Summen der Röhren über ihrem Kopf war so regelmäßig, dass es ihr eine Art unbehagliche Begleitung bot, wie eine Melodie, die nur für sie geschrieben worden war. Ihre Füße klapperten auf den Betonstufen, der kalte Wind blies durch den U-Bahn-Schacht und trug eine Mischung aus abgestandenem Rauch und altem Uringeruch mit sich. Madita zog ihren Blümchen-Pulli enger um sich, als könnte der Stoff sie vor der Dunkelheit und dem Gefühl des Unbehagens schützen, das sich in ihren Bauch geschlichen hatte.

Es war ein langer Tag gewesen. Ein typischer Mittwoch, gefüllt mit Seminaren und Vorlesungen in Psychologie, Diskussionen über Sigmund Freud, kognitive Verhaltenstherapie und all das andere, das sie seit Jahren studierte, ohne dass es jemals so richtig in ihr Leben passen wollte. Nach der letzten Veranstaltung hatte sie sich noch schnell bei Rewe einen Snack geholt – einen Müsli-Riegel, einen Blaubeer-Muffin und eine kleine Flasche Mandelmilch. Natürlich geröstet, wie es sich für jemanden wie sie gehörte, der stolz darauf war, Veganerin zu sein. Der Blümchen-Pulli, das Notizbuch mit den handgezeichneten Vögeln auf dem Cover, das alles gehörte zu ihrem Leben wie der Geschmack von Mandelmilchkaffee an einem regnerischen Morgen.

Madita setzte sich auf eine Bank am Bahnsteig und nahm einen Schluck Mandelmilch. Der Geschmack von leicht süßlicher Röstung breitete sich in ihrem Mund aus, während sie mit ihren Fingern gedankenverloren den Stoff ihres Pullis strich. Die Farben – kleine, verspielte Blümchen auf weißem Grund – schienen in diesem Neonlicht fast noch unwirklicher als sonst. Sie seufzte und zog eine Zigarette aus der Schachtel, die sie in einer der Seitentaschen ihres Rucksacks vergraben hatte. Sie war keine regelmäßige Raucherin, aber an manchen Tagen brauchte sie einfach diesen kleinen Nervenkitzel – das Gefühl, für einen kurzen Moment etwas Verbotenes zu tun. Das Feuerzeug klickte, und sie nahm den ersten Zug, fühlte, wie der Rauch ihre Lungen füllte, wie er ihr eine Art Kontrolle zurückgab, die sie in letzter Zeit immer häufiger vermisste.

Das Bahngleis war fast leer. Nur ein Mann stand in der Nähe, in einen langen schwarzen Mantel gehüllt. Er war groß, mit einer breiten Statur, die Madita unwillkürlich an einen Baum denken ließ, stark und unbeweglich. Sein Blick war auf den Boden gerichtet, und er schien vollkommen in seine Gedanken versunken zu sein. Es war nichts Ungewöhnliches daran, jemandem in der U-Bahn zu begegnen, der sich in sich selbst verloren hatte, aber trotzdem verspürte Madita ein leichtes Unbehagen. Sie blies den Rauch aus und beobachtete die dicken Wolken, die in der kalten Luft hängen blieben. Der Mann rührte sich nicht. Sein Schatten fiel lang auf den Boden, als ob er das Neonlicht verschlingen wollte.

Ein Zug fuhr ein, doch es war nicht ihrer. Die Türen öffneten sich, und ein paar Menschen strömten aus den Wagen, bevor die Türen sich wieder schlossen und der Zug langsam aus dem Bahnhof rollte. Der Mann bewegte sich immer noch nicht. Madita schaute ihn verstohlen an, versuchte, ihn nicht anzustarren, aber etwas an ihm war seltsam, eine Art stilles, lauerndes Verhalten, das ihr Herz ein wenig schneller schlagen ließ. Sie schüttelte den Kopf, versuchte, das Gefühl abzuschütteln. Sie hatte schon genug Psychologiekurse besucht, um zu wissen, dass ihre Gedanken oft in die Irre führen konnten, besonders in solchen Momenten, in denen die Dunkelheit und die Leere eines U-Bahn-Gleises die Fantasie anregten.

Madita griff nach ihrem Blaubeer-Muffin, brach ein kleines Stück ab und steckte es in den Mund. Der süße Geschmack von Blaubeeren mischte sich mit dem leicht verbrannten Geschmack des Zigarettenrauchs. Sie dachte an den Tag, an die Vorlesung, die sich ewig hingezogen hatte, an den Professor mit seiner monotonen Stimme. Sie dachte an den Kaffee, den sie morgens getrunken hatte, an das Lachen ihrer Freundin Anna, das wie immer wie eine Art Sonnenschein in ihre morgendliche Müdigkeit gestrahlt hatte.

Dann hörte sie ein Geräusch. Ein leises Rascheln, kaum wahrnehmbar, aber in der verlassenen U-Bahn-Station doch unüberhörbar. Madita erstarrte. Der Mann hatte sich bewegt. Sein Kopf drehte sich langsam in ihre Richtung, und obwohl sein Gesicht im Schatten lag, spürte sie seinen Blick. Ihre Finger schlossen sich fester um den Muffin, und plötzlich fühlte sie sich klein und hilflos, wie ein Kind, das bei einem Versteckspiel entdeckt worden war. Ihr Herz begann zu hämmern, und sie merkte, dass ihre Hände zitterten.

"Bleib ruhig", murmelte sie leise zu sich selbst, aber ihre eigene Stimme klang in diesem Moment fremd, beinahe lächerlich. Sie drückte die Zigarette auf der Bank aus, und ohne darüber nachzudenken, griff sie nach ihrem Rucksack. Ihre Augen blieben auf den Boden geheftet, sie wollte dem Mann nicht ins Gesicht sehen, wollte nicht wissen, was für ein Ausdruck dort zu finden war.

Als sie die Schritte hörte, die auf sie zukamen, wusste sie, dass es keinen Sinn hatte, sich etwas vorzumachen. Eine Welle von Panik überrollte sie, und bevor sie wusste, was sie tat, rannte sie los. Der Rucksack schlug gegen ihren Rücken, der Blümchen-Pulli flatterte, und die kalte Luft stach in ihre Lungen. Sie hörte, wie die Schritte ihr folgten, schneller und schwerer als ihre eigenen. Das Neonlicht schien plötzlich blendend hell, und die Schatten tanzten an den Wänden, während sie um die nächste Ecke rannte.

Madita wusste, dass sie keine Chance hatte. Ihr Atem ging stoßweise, und ihre Beine fühlten sich an, als würden sie jeden Moment nachgeben. Die Schritte wurden lauter, und dann spürte sie eine Hand auf ihrer Schulter, kalt und fest, wie eine Kralle, die sich in ihr Fleisch bohrte. Ein Schrei entfuhr ihr, aber er wurde von der Stille der U-Bahn verschluckt. Sie stolperte, fiel, und der Boden kam ihr entgegen, hart und erbarmungslos.

Alles verschwamm vor ihren Augen, das Neonlicht verwandelte sich in bunte Streifen, die sich mit der Dunkelheit vermischten. Sie hörte noch das Atmen des Mannes, fühlte die Kälte seiner Hand, bevor alles um sie herum in einer trügerischen Stille versank.

Kapitel 2: Die ersten Veränderungen

Madita schreckte aus einem Albtraum hoch. Ihr Atem war noch immer schnell, ihr Herzschlag pochte in ihrem Hals, und ihre Hände fühlten sich taub an, als ob sie stundenlang eine schwere Last gehalten hätte. Ihr Kopf schmerzte. Das Licht im Zimmer war gedämpft, die Vorhänge zogen nur ein blasses, schummriges Grau herein, das den frühen Morgen ankündigte. Sie sah sich verwirrt um. War sie in ihrem Bett? Die rot-blonden Haare lagen wirr auf dem Kissen verstreut, und sie strich sie sich aus dem Gesicht, das noch feucht von Schweiß war.

Langsam setzte sie sich auf, stützte sich mit zittrigen Händen ab und versuchte, sich zu orientieren. Ihr Zimmer wirkte plötzlich fremd. Die Pflanzen am Fenster, der überquellende Schreibtisch, die Poster an der Wand – alles war da, aber doch fühlte es sich anders an. Sie atmete tief ein, um sich zu beruhigen, doch ein merkwürdiger Geruch stieg ihr in die Nase. Er war seltsam intensiv, fast unangenehm. Eine Mischung aus Schimmel, feuchtem Holz und etwas Metallischem, das sie nicht zuordnen konnte. Ihr Magen krampfte sich zusammen, als sie versuchte, die Erinnerungen an den Vorabend zusammenzufügen.

Der Mann, die Schritte, das Neonlicht – es fühlte sich an, als wäre sie geradewegs aus einer Horrorvorstellung in ihre Realität gefallen. Madita zwang sich, aufzustehen, und ihre Beine fühlten sich schwer an, jeder Schritt zog sich durch die Müdigkeit, die immer noch an ihr haftete. Ihre vegane Schuhe, die ordentlich neben dem Bett standen, warteten darauf, dass sie in die vertraute Routine des Alltags zurückkehrte, doch heute schien nichts vertraut.

Als sie den ersten Schritt in die Küche machte, merkte sie, dass etwas nicht stimmte. Ihre Sinne waren scharf, wie ein Messer, das frisch geschliffen worden war. Jeder Klang war intensiver, jedes kleine Geräusch schien eine neue Bedeutung zu haben. Der Brummton des Kühlschranks kam ihr ohrenbetäubend laut vor, und die plötzliche Helligkeit des Kühlschranklichts war ein Stich in ihre Augen. Sie blinzelte, versuchte, sich zu fangen, und griff nach der Hafermilch, die wie immer im oberen Fach stand. Als sie die Flasche öffnete, verzog sie plötzlich das Gesicht. Der Geruch war so intensiv, so stark, dass ihr fast übel wurde. Es war Hafermilch, ja, aber da war noch etwas anderes, etwas leicht Süßes, das sie nicht mochte.

Sie stellte die Flasche zurück und schloss die Kühlschranktür mit einem Seufzer. Ihr Magen knurrte. Sie hatte Hunger, aber es war kein gewöhnlicher Hunger. Es war eine Art Verlangen, das tief in ihr brannte. Sie sehnte sich nach etwas, und sie konnte nicht genau sagen, was es war. Madita ging zu der Obstschale, nahm einen Apfel und biss hinein, doch sofort verzog sie das Gesicht. Der Geschmack war schal, fast wie Papier, und sie spuckte den Bissen in den Mülleimer. Sie atmete tief durch und versuchte, das ungute Gefühl in ihrem Magen zu ignorieren. Sie hatte Hunger, ja, aber nicht auf Obst oder Hafermilch. Der Gedanke an Gemüse oder Nüsse – das, was sie sonst liebte – brachte ihr jetzt nur eine seltsame, fast abstoßende Abwehr.

Stattdessen ertappte sie sich bei einem völlig ungewohnten Verlangen. Fleisch. Ein Gedanke, der normalerweise weit weg von ihr war, drängte sich in ihren Kopf. Saftiges, herzhaftes Fleisch, das auf der Zunge zergeht, etwas, das den Hunger wirklich stillen würde. Sie schüttelte heftig den Kopf, versuchte, den Gedanken zu verdrängen. Es ergab keinen Sinn, sie war Veganerin, seit sie sechzehn war. Madita zog sich eine Strickjacke über den Blümchen-Pulli und entschied, nach draußen zu gehen, um ihren Kopf freizubekommen. Vielleicht würde frische Luft ihr helfen, vielleicht brauchte sie einfach nur einen klaren Moment, um das alles zu verarbeiten.

Die Straßen waren noch ruhig, es war früh, die meisten Menschen schliefen noch. Sie schlenderte den Gehweg entlang, der von den ersten Sonnenstrahlen beschienen wurde, und versuchte, die seltsamen Gedanken abzuschütteln. Ihre Schritte führten sie fast automatisch zum Einkaufszentrum, in dem ein IKEA lag, in dessen Restaurant sie und ihre Freundin Anna oft die berühmten veganen Hot Dogs gegessen hatten. Das war eine Art Trost, etwas Vertrautes. Sie würde sich einen dieser Hot Dogs holen, und alles würde wieder normal sein.

Doch als sie in die Nähe des Eingangs kam, blieb sie abrupt stehen. Der Geruch traf sie mit einer Wucht, die ihr den Atem raubte. Es war ein Duft, den sie kannte, aber heute war er anders – intensiver, voller, wie eine Flut, die sich in ihren Sinnen ausbreitete. Gebratenes Fleisch. IKEA-Hot-Dogs, die unter der warmen Theke lagen, und obwohl sie früher immer an dem veganen Stand stehen geblieben war, drehte sich ihr Magen jetzt bei dem Gedanken daran. Stattdessen schien sie der Geruch des echten Fleischs förmlich zu verfolgen, und sie spürte ein tiefes, nagendes Bedürfnis danach.

Ihre Hände zitterten, und sie wandte sich schnell ab, lief durch die Einkaufsstraße, bis der Geruch schwächer wurde. Es war, als hätte etwas in ihr Besitz von ihr ergriffen, etwas, das nicht zu ihr passte, das aber trotzdem da war und nicht losließ. Sie fühlte eine Mischung aus Scham und Verwirrung, als ob sie plötzlich nicht mehr wusste, wer sie war. Tränen stiegen in ihre Augen, und sie wischte sie schnell weg. Sie wusste nicht, was mit ihr passierte, warum alles so anders war, warum sie auf einmal so... tierisch reagierte. Es war, als wäre eine unsichtbare Grenze überschritten worden, eine, die sie nicht einmal gekannt hatte, und jetzt, da sie auf der anderen Seite war, war nichts mehr wie zuvor.

Madita blieb an einer Bank stehen, ließ sich darauf fallen und verbarg ihr Gesicht in ihren Händen. Der Druck in ihrer Brust war überwältigend. Sie fühlte sich, als ob sie zerreißen würde, als ob sie nicht mehr die Kontrolle über ihren eigenen Körper hatte. Der Hunger nagte weiter an ihr, tiefer als je zuvor, und sie wusste, dass es kein gewöhnlicher Hunger war. Es war etwas anderes, etwas Dunkles und Fremdes, das in ihr schlummerte und nun wach war, hungrig und unbändig.

Die Straßen um sie herum füllten sich allmählich mit Menschen, und sie hob den Kopf, sah die ersten Familien, die mit ihren Einkaufstüten vorbeigingen, hörte das Lachen eines kleinen Kindes, das an der Hand seiner Mutter zog. Alles schien so normal, so unbeschwert, und doch hatte sie das Gefühl, als wäre sie jetzt außen vor, als könnte sie nie wieder zu diesem normalen Leben zurückkehren. Sie schloss die Augen und atmete tief ein, versuchte, den inneren Sturm zu beruhigen.

Sie wusste nicht, wie sie sich erklären sollte, was geschah, aber sie wusste, dass sie nicht allein damit umgehen konnte. Da war etwas in ihr, das sie nicht verstand, dass sie nicht kontrollieren konnte. Und während sie dort saß, den Geruch des kalten Windes in der Nase und das Dröhnen der Stadt in den Ohren, wusste sie, dass der Weg zurück nicht existierte. Sie musste herausfinden, was mit ihr los war, bevor es zu spät war.

Kapitel 3: Der Kontakt

Madita lag zusammengerollt auf ihrer Couch, die Beine dicht an ihren Körper gezogen, und starrte ausdruckslos auf ihr Handy. Der Bildschirm zeigte das übliche bunte Chaos – die TikTok-App, die sie als Ablenkung geöffnet hatte, flimmerte vor ihren Augen. Ein Video nach dem anderen zog vorbei: Leute, die Tanzchallenges machten, Menschen, die lachend in Supermärkte rannten und sich an unsinnigen Mutproben versuchten. Es war wie eine andere Welt – eine Welt, die fröhlich, unbeschwert und weit weg von ihrer eigenen düsteren Realität schien.

Madita wischte mechanisch weiter, doch nichts auf dem Bildschirm konnte ihre Gedanken wirklich ablenken. Es war alles zu flach, zu bedeutungslos. Die Farben und die Geräusche verschwammen zu einem einheitlichen Rauschen, während ihre Gedanken sich immer wieder um das Gleiche drehten – die Nacht in der U-Bahn, der Mann, die Veränderungen, die sie durchmachte. Ein weiteres TikTok erschien, in dem Jugendliche sich eine "Eiskübel Challenge" vor einem Elektroauto lieferten. Sie gossen sich Eimer voller Wasser über den Kopf, während ein rotes E-Auto im Hintergrund stand, und lachten schrill in die Kamera. Es war eine absurde Szene, und doch schien es, als würde das Leben der anderen ungebrochen weitergehen, während ihres in Trümmern lag.

Sie fühlte sich plötzlich wie ein Fremdkörper. Es war schwer zu beschreiben, wie sehr sie sich in den letzten Tagen verändert hatte. Selbst die einfachsten Dinge, die früher Teil ihres Alltags waren – wie TikTok schauen oder durch die Stadt spazieren –, fühlten sich jetzt seltsam und unpassend an. Sie legte das Handy auf den Couchtisch und ließ den Kopf auf das weiche Kissen sinken. Ihre grün leuchtenden Augen starrten an die Decke, und sie spürte, wie eine Welle der Erschöpfung sie überkam. Das Licht des späten Nachmittags strömte durch das Fenster herein und warf lange Schatten in das Zimmer.

Ein leises Vibrieren riss sie aus ihren Gedanken. Ihr Handy leuchtete auf, und die Nachricht eines unbekannten Absenders blinkte auf dem Bildschirm. Madita griff danach und las die Nachricht:

"Wir wissen, was passiert ist. Du bist nicht allein. Komm zur alten Mühle bei Sonnenuntergang. Wir können dir helfen."

Ein Schauer lief ihr über den Rücken, und sie spürte, wie ihr Herz schneller zu schlagen begann. Wer konnte das sein? Woher wussten sie, was passiert war? Sie hatte niemandem von der Nacht in der U-Bahn erzählt, niemandem von den Veränderungen, die sie seitdem durchmachte. Ein kaltes Gefühl kroch in ihren Magen, eine Mischung aus Angst und einer seltsamen Art von Hoffnung. Sie wollte mehr wissen, wollte verstehen, was mit ihr geschah – doch zugleich machte ihr die Vorstellung, dass jemand über sie Bescheid wusste, unglaubliche Angst.

Die alte Mühle. Madita kannte den Ort. Er lag außerhalb der Stadt, an einem verlassenen Feldweg, wo die Menschen schon vor Jahren aufgehört hatten hinzufahren. Es war ein merkwürdiger Treffpunkt, aber gleichzeitig fühlte sie eine Art unausgesprochene Dringlichkeit, dort hinzugehen. Sie hatte die letzten Tage in einer Art Schwebezustand verbracht, ohne zu wissen, ob sie sich den Veränderungen in ihrem Körper stellen oder einfach ignorieren sollte, was geschah. Doch nun schien sich die Entscheidung von selbst getroffen zu haben.

Mit zitternden Fingern legte sie das Handy weg und zog ihre Jacke an. Ihr Blick fiel auf ihre veganen Schuhe, die ordentlich neben der Eingangstür standen. Ein weiteres Symbol ihres alten Lebens, das irgendwie nicht mehr zu passen schien. Stattdessen griff sie nach den bequemen Turnschuhen, die sie selten trug, zog sie über und fühlte den Druck des festen Stoffes an ihren Füßen. Ihr Atem ging schnell, als sie die Tür hinter sich zuzog, das vertraute Klicken des Schlosses in der Stille des Treppenhauses widerhallend. Sie fühlte sich unsicher, fast verloren – doch zugleich war da auch etwas in ihr, eine Art Entschlossenheit, die sie selbst überraschte.

Die Straßen lagen ruhig da, die Lichter der Stadt begannen zu flackern, als der Abend sich herabsenkte. Madita stieg in ihr Auto, ein kleines Elektroauto, das sie sich vor einem Jahr gekauft hatte, weil es umweltfreundlich war und sie stolz darauf war, einen Beitrag zum Umweltschutz zu leisten. Doch heute fühlte sich das Auto an wie ein Fremdkörper – zu sauber, zu ordentlich, fast lächerlich im Vergleich zu dem Chaos in ihrem Inneren. Sie startete den Motor, und das leise Surren des Elektromotors erfüllte den Innenraum. Sie schloss die Augen für einen Moment, atmete tief durch, bevor sie die Straße hinunterfuhr.

Die Fahrt zur alten Mühle war kurz, doch jeder Kilometer schien sich ewig hinzuziehen. Die Sonne senkte sich langsam über den Horizont, und Madita fühlte, wie sich die Dunkelheit über die Felder und Wälder legte, an denen sie vorbeifuhr. Sie hatte das Gefühl, dass sie in eine andere Welt fuhr, weg von der Normalität, weg von allem, was sie kannte. Eine Welt, die von Schatten, Dunkelheit und Unbekanntem geprägt war.

Als sie schließlich die alte Mühle erreichte, hielt sie das Auto und ließ den Motor verstummen. Die Stille draußen war fast überwältigend. Keine Menschen, keine Lichter – nur die alte Mühle, deren Schatten sich im letzten Licht des Tages wie eine riesige, dunkle Gestalt über das Feld erstreckte. Madita stieg aus, ihre Schritte waren zögerlich, und sie konnte das Zittern ihrer Knie spüren. Jeder Schritt knirschte auf dem Kies, und die alte Tür der Mühle knarrte, als sie sie vorsichtig aufschob.

Drinnen war es dunkel, nur das fahle Licht des Mondes drang durch die zerbrochenen Fenster. Die Luft war kalt und roch nach altem Holz und Staub. Madita hielt den Atem an, als sie in den Raum trat, ihre Augen versuchten, sich an die Dunkelheit zu gewöhnen. Ihr Herz hämmerte laut in ihrer Brust, und sie fühlte, wie sich die Spannung in ihrem Körper aufbaute, als würde etwas in der Dunkelheit auf sie warten.

Plötzlich hörte sie ein Geräusch, ein leises Rascheln, gefolgt von einem Flüstern. Sie wirbelte herum, ihre Augen suchten die Dunkelheit ab, bis sie schließlich eine Bewegung wahrnahm. Ein Schatten löste sich aus der Finsternis, und ein Mann trat in den Lichtschein des Mondes. Er war groß, mit markanten Gesichtszügen und dunklen Augen, die sie eindringlich musterten.

"Du bist Madita, nicht wahr?" Seine Stimme war tief und klang wie ein fernes Echo. Madita nickte, ihre Kehle war trocken, und sie wusste nicht, was sie sagen sollte. Der Mann trat näher, sein Blick war fest auf sie gerichtet. "Ich bin hier, um dir zu helfen. Du hast Fragen, und ich kann dir Antworten geben. Aber zuerst musst du mir vertrauen."

Madita spürte, wie ihr Herz raste. Vertrauen – das war ein Wort, das für sie gerade schwerer wog als je zuvor. Sie hatte keine Ahnung, wer dieser Mann war oder warum er wusste, was mit ihr geschah, aber irgendetwas an ihm – vielleicht die Art, wie er sie ansah, oder die Entschlossenheit in seiner Stimme – gab ihr das Gefühl, dass dies der einzige Weg war, um Antworten zu finden.

Sie nickte erneut, ihre Stimme war kaum mehr als ein Flüstern. "Was passiert mit mir?"

Der Mann hielt inne, betrachtete sie für einen Moment, bevor er sprach. "Du bist nicht mehr die, die du warst. Etwas in dir hat sich verändert, und es ist erst der Anfang. Aber du bist nicht allein, Madita. Wir alle hier sind anders. Und wir sind hier, um dich zu lehren, was es bedeutet, in dieser neuen Welt zu überleben."

Madita spürte, wie ihre Knie nachgaben, und sie setzte sich auf den Boden, ihre Hände auf die kalten Holzdielen gelegt. Etwas in ihr schien zu zerbrechen, während eine Flut von Emotionen über sie hereinbrach – Angst, Verwirrung, aber auch eine Art seltsamer Erleichterung. Sie war nicht allein. Zum ersten Mal seit der Nacht in der U-Bahn hatte sie das Gefühl, dass es vielleicht doch einen Weg gab, mit dem, was in ihr vor sich ging, klarzukommen.

Der Mann kniete sich vor sie, sein Gesicht wurde von dem fahlen Mondlicht erhellt, und er lächelte schwach. "Wir haben alle unsere Kämpfe, Madita. Aber du bist jetzt einer von uns. Und zusammen werden wir die Dunkelheit bekämpfen."

Kapitel 4: Das Rudel

Madita schloss die Augen und ließ sich das Gesagte durch den Kopf gehen. Die Worte des Mannes hallten in ihrem Kopf wider, als ob sie von allen Seiten gleichzeitig auf sie einstürmten. "Du bist nicht allein", hatte er gesagt. Doch die Gefühle, die sie durchfluteten, waren das genaue Gegenteil. Ein tiefes, verzehrendes Gefühl der Einsamkeit schien in ihr zu brodeln, als sie realisierte, dass ihr Leben, so wie sie es kannte, endgültig vorbei war.

Ihre Kehle war trocken, und ihr Magen fühlte sich seltsam leer an – nicht der übliche Hunger, den sie kannte, sondern ein tiefes, nagendes Gefühl, als ob eine bodenlose Leere in ihr herrschte. Der Mann vor ihr, der sich als Mika vorgestellt hatte, sah sie mit einem intensiven Blick an. Seine dunklen Augen schienen mehr zu wissen, als er ihr sagen wollte. Er streckte ihr eine Hand entgegen, und Madita zögerte. Der Gedanke daran, sich helfen zu lassen, war so verlockend wie beängstigend. Sie wusste, dass dieser Moment eine Schwelle darstellte. Einen Schritt zurück gab es nicht mehr.

Madita griff nach Mikas Hand, und er half ihr auf die Beine. Sie wankte leicht, fühlte sich immer noch schwach und benommen. Mika führte sie hinaus aus der Mühle, und sie folgte ihm über den Feldweg. Es war, als ob sie einem Schatten folgte, jemandem, der zu dieser düsteren und unbekannten Nacht gehörte, die sie nun betreten hatte. Der Wind pfiff durch die leeren Felder, und Madita zog die Jacke enger um ihren Körper, versuchte, die Kälte abzuschütteln.

Nach einer Weile kamen sie zu einer Lichtung, und vor ihnen erhob sich ein altes, heruntergekommenes Gebäude. Es sah aus wie eine verlassene Scheune, die schon seit Jahrzehnten niemand mehr genutzt hatte. Ein schwaches Licht schimmerte aus einem der Fenster, und als sie näher kamen, konnte Madita Stimmen hören. Ihre Anspannung wuchs mit jedem Schritt, und sie fragte sich, wer oder was sie dort erwarten würde. Sie hatte keine Ahnung, was Mika und die anderen, die er "Rudel" nannte, wirklich waren. Sie hatte keine Ahnung, wie ihr neues Leben aussehen würde – und noch weniger, ob sie es akzeptieren konnte.

Mika öffnete die Tür, und Madita trat zögerlich ein. Ihre Augen brauchten einen Moment, um sich an die schwache Beleuchtung zu gewöhnen. Der Raum war groß, mit einem hohen Dachstuhl, der von alten, morschen Holzbalken getragen wurde. In der Mitte des Raums standen einige Leute um einen Tisch herum, der mit allerhand Essen beladen war. Madita spürte, wie der Hunger in ihr erneut aufflammte, wie eine Flamme, die plötzlich Nahrung fand. Doch es war nicht das Brot oder die Gurken, die ihren Blick anzogen – es war das rohe Fleisch, das auf einem großen Teller lag, blutig und saftig.

Sie schüttelte den Kopf, versuchte, den Gedanken zu verdrängen. "Das kann nicht wahr sein", murmelte sie leise, doch ihre Kehle fühlte sich trocken an, und der Geruch des Fleisches füllte ihre Sinne, ließ ihren Magen schmerzen. Mika trat hinter sie und legte ihr eine Hand auf die Schulter. "Du musst dich nicht schämen", sagte er ruhig. "Das Verlangen, das du fühlst, ist normal. Wir alle haben es durchgemacht."

Madita schluckte hart. Die anderen Mitglieder des Rudels sahen sie neugierig an. Einer der Männer – ein hagerer, hochgewachsener Typ mit zerzausten, dunklen Haaren – grinste breit und nahm eine Dose Sprühsahne vom Tisch. "Wenn du noch ein bisschen Normalität brauchst", sagte er, "versuch es damit." Er setzte die Düse an seinen Mund und sprühte eine ordentliche Menge Sahne hinein. Madita sah ihn verdutzt an, bevor sie einen leichten Lachanfall bekam. Das Ganze war so surreal – die verlassene Scheune, die geheimnisvolle Gruppe und der Mann, der sich die Sahne direkt in den Mund sprühte. Es fühlte sich absurd an, und für einen Moment war die Anspannung gebrochen.

Mika lächelte und schüttelte den Kopf. "Lass dich von Viktor nicht irritieren. Er hat seinen eigenen Umgang mit der Situation gefunden." Viktor zuckte mit den Schultern, während er die Sprühsahne zur Seite stellte und auf ein Stück rohe Gurke zeigte. "Jeder von uns hat sein eigenes Päckchen zu tragen. Aber ich sage dir eins, Madita: Das Verlangen nach Fleisch – es wird nicht verschwinden. Du kannst es ignorieren, bekämpfen, aber irgendwann wirst du es akzeptieren müssen."

Madita zögerte, ihre Augen glitten über die anderen Anwesenden. Es war eine seltsame Mischung von Menschen – einige sahen beinahe normal aus, wie Studenten, die gerade von einer Party kamen, während andere eine unheimliche Ausstrahlung hatten, als ob etwas Wildes unter der Oberfläche lauerte. Der Raum war erfüllt von einer seltsamen Spannung, einer Erwartung, die sie spürte, als alle Blicke auf sie gerichtet waren.

Schließlich trat sie näher an den Tisch heran. Ihr Herz schlug schneller, als sie auf das rohe Steak starrte. Das Fleisch schimmerte im schwachen Licht, und der metallische Geruch des Blutes schien sie zu umhüllen, sich in ihren Sinnen festzusetzen. Madita fühlte, wie ihr Magen sich zusammenzog, und sie schloss für einen Moment die Augen, um den inneren Konflikt in sich zu beruhigen. Die Abscheu vor dem Fleisch, die sie so lange gepflegt hatte, stand im direkten Widerspruch zu dem Drang, den sie nun spürte – einem Drang, der tief in ihr verwurzelt war und der sie immer mehr einnahm.

Mika trat an ihre Seite und legte ihr eine Hand auf den Arm. "Du kannst es nicht leugnen, Madita", sagte er sanft. "Das ist, wer du jetzt bist. Und wenn du es akzeptierst, wird es einfacher werden."

Mit einem tiefen Atemzug griff Madita nach dem Steak. Ihre Finger zitterten, als sie es hochhob, das kalte Fleisch fühlte sich seltsam vertraut und fremd zugleich an. Die Augen der anderen lagen gespannt auf ihr, doch sie versuchte, ihre Blicke auszublenden. Sie musste sich auf den Hunger konzentrieren, auf das Gefühl in ihrem Bauch, das nicht mehr verschwinden wollte. Langsam, fast zögerlich, führte sie das Fleisch an ihren Mund. Der erste Bissen war wie eine Explosion in ihrem Mund – der Geschmack war intensiv, das Blut schien sich in ihrem Mund auszubreiten, und sie konnte spüren, wie der Hunger in ihr plötzlich lodernd aufflammte.

Es war, als hätte sich eine Tür geöffnet, eine, die sie nie wieder schließen konnte. Der Geschmack des rohen Fleisches erfüllte sie mit einer seltsamen Art von Befriedigung, und sie konnte nicht anders, als einen weiteren Bissen zu nehmen. Ihre Hände zitterten nicht mehr, und die Anspannung in ihrem Körper schien nachzulassen, während sie aß. Sie spürte, wie eine Art von Energie in ihr aufstieg, als ob das Fleisch sie von innen heraus stärkte, ihr eine neue Art von Kraft gab, die sie nie gekannt hatte.