Kant 3.0 - Dialog - Wilhelm Vossenkuhl - E-Book

Kant 3.0 - Dialog E-Book

Wilhelm Vossenkuhl

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Beschreibung

WWW so heißt heute die Lösung für die meisten Probleme. Ein kurzer Blick ins Internet und schon ist die Frage gelöst. WWW so könnte man auch Immanuel Kants Projekt der Philosophie nennen:Kant 3.0:Was kann ich wissen?Was soll ich tun?Was darf ich hoffen?Damit hat Kant die Philosophie auf den Punkt gebracht. Seine Antworten darauf haben auch nach über 200 Jahren im 21. Jahrhundert eine große Bedeutung.

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Das Wissen dieser Welt aus den Hörsälen der Universitäten.

Fachbereich PHILOSOPHIE

Kant 3.0 Dialog über einen kritischen Geist

Gespräch mit Prof. Dr. Wilhelm Vossenkuhl &

• Was kann ich wissen?

• Was soll ich tun?

• Was darf ich hoffen?

Drei philosophische Fragen, drei Grundbausteine der modernen Philosophie, die Immanuel Kant in seinen drei Werken beantwortet hat. Was sagen sie uns im 21. Jahrhundert?

Darüber sprechen der Philosophieprofessor Wilhelm Vossenkuhl und der Astrophysiker und Naturphilosoph Harald Lesch.

Vossenkuhl:

Warum Kant? Die einfachste Antwort ist: Er hat das Denken wie kein anderer revolutioniert und auf ganz neue Grundlagen gestellt. Harald Lesch und ich sprechen über die Fragen, die die höchste Verdichtung seiner Leistungen als Denkrevolutionär darstellen.

• Was kann ich wissen?

• Was soll ich tun?

• Was darf ich hoffen?

Diese drei Fragen, sagt er am Ende der „Kritik der reinen Vernunft“, um die geht es. Kant war 57 Jahre alt, als er dieses große Werk 1781 veröffentlichte.

Lesch:

Das werden wir uns gleich vornehmen.

Vossenkuhl:

Innerhalb von neun Jahren hat er eine unglaubliche Menge an Texten geschrieben und veröffentlicht. Er hat schnell bemerkt, dass er mit der „Kritik der reinen Vernunft“ nicht so recht an die Leute herankam, die er eigentlich ansprechen wollte. Die haben das nicht verstanden.

Lesch:

Sein Stil ist ja auch nicht ganz einfach und eingängig.

Vossenkuhl:

Zum Teil wurde er noch dazu schwer missverstanden. Kant hat dann die sogenannte „Prolegomena“ geschrieben. Das ist eine Art von Einführungswerk zu seinem Denken. Die „Prolegomena“ wird heute oft in Seminaren behandelt.

Dann hat er mit Moralphilosophie angefangen und währenddessen auch die „Kritik der reinen Vernunft“ umgeschrieben. Es folgte sehr bald, noch in den 80er Jahren, die zweite Auflage. Die wird bevorzugt gelesen.

1788 schien dann schon die zweite Kritik, die „Kritik der praktischen Vernunft“, das große Standardwerk der Moralphilosophie.

Lesch:

Was soll ich tun?

Vossenkuhl:

1790 folgte bereits die „Kritik der Urteilskraft“. Das ging Schlag auf Schlag. Da hatte sich einiges über einen längeren Lebensweg angestaut. Eine unglaubliche Verdichtung. Er hat wahnwitzig viel gearbeitet, wie man sich das in dem Alter eigentlich gar nicht vorstellen kann. Andere gehen da so langsam in Pension.

Kant stand morgens in aller Herrgottsfrühe um halb fünf auf. Er hat dann eine Tasse Tee getrunken und ein Pfeifchen geraucht.

Lesch:

Wegen der Verdauung.

Vossenkuhl:

So ist es. Und dann hat er bis kurz vor 8 gearbeitet. Um Punkt 8 Uhr musste er in der Universität sein und dort sein Pensum absolvieren. Wiederum pünktlich um 12 war er zuhause. Dann gab es ein Essen, meistens in Gesellschaft anregender Freunde. Einer seiner Biographen behauptet, dass viele Jahre auch Frauen dabei gewesen sind.

Bei diesem Essen durfte nicht über Philosophie geredet werden. Auch sollte alle fünf Minuten das Thema geändert und viel gelacht werden, was auch der Verdauung zuträglich war – so die Meinung des Meisters.

Das hat sich so jeden Tag abgespielt - außer Sonntag, soweit ich weiß. Bis kurz vor seinem Tode ging das. Er hat ein unglaublich diszipliniertes Leben in seinem Kosmos Königsberg geführt.

Lesch:

Das ist natürlich nötig. Wenn man so ein gewaltiges Werk hinkriegen will, braucht man wenig weite Welt und vor allem Fixpunkte wie diese Rituale.

Vossenkuhl:

Beschäftigen wir uns mit der allerersten Frage: Was kann ich wissen?

Natürlich war das nicht das eigentlich Thema, das er als 22jähriger vor Augen hatte. Aber für uns ist es in der Retrospektive ganz klar, dass er eine Antwort schon in der allerersten Schrift gegeben hat. Harald, Du hast über diese Schrift, „Gedanken von der wahren Schätzung der lebendigen Kräfte“, etwas geschrieben.

Lesch:

Kant schlägt sich in dieser Schrift mit der Frage herum, welche Kräfte denn nun in der Natur wirksam sind. Man kann sich bildhaft vorstellen, wie er da drüber grübelt und simeliert, also nicht simuliert, sondern er spekuliert.

Da gibt es ja dieses Gesetz von Newton: Die Gravitationskraft ist proportional zu den Massen, die miteinander wechselwirken, aber sie ist umgekehrt proportional zum Quadrat des Abstandes. Quadrat heißt, dass da eine Zwei im Exponenten ist. Kant wies als Erster darauf hin, dass diese Zwei in dem Exponenten etwas über die Anzahl der Raumdimensionen aussagt. Höhe, Länge, Tiefe - minus Eins.

Und er hat Recht! Das Irre ist, dass man dann, sagen wir mal 200 Jahre später, zeigen konnte,  ganz allgemein, wie das so schön in der Mathematik heißt, also ohne Beeinträchtigung der Allgemeinheit, dass die Welt dreidimensional im Raum unterwegs ist. Viel besser noch! Man konnte dann auch noch zeigen, dass die Welt, damit sie eine kausale Struktur - ein ganz wichtiger Begriff später bei Kant – aufweist, einen klaren Ursache-Wirkungs-Zusammenhang haben muss. Das nennt man in der Mathematik wohldefinierte Lösungen, und die sind nur möglich, wenn eine Zeitdimension existiert.

In der Relativitätstheorie muss die Dimension der Zeit multipliziert mit der Lichtgeschwindigkeit immer, und unter allen Umständen, ein umgekehrtes Vorzeichen zu den Raumdimensionen haben. Wenn man da ein Minuszeichen davor setzt, müssen die Raumdimensionen alle positiv sein oder umgekehrt. Ansonsten gibt es keine stabilen Planetenbahnen, keine stabile Materie und keine Kausalität.

Vossenkuhl:

Und das hat Kant gewusst?

Lesch:

Er hat auf jeden Fall auf diese Vorgabe reagiert.

Er hat auch den Hinweis gebracht, dass das Kraftgesetz von Newton nicht nur einfach beschreibt, was die Massen da miteinander machen, sondern dass es etwas mit der Dimensionierung der Welt als Ganzes zu tun haben muss. Darüber hat ja vorher kein Mensch nachgedacht. Bisher galt: Da wirkt so eine Kraft und die Dinge ziehen sich an. Aus! Dass das nur in einer dreidimensionalen Welt möglich ist, darauf wies Kant hin.

Ein Kollege hat mit mir eine Arbeit geschrieben, die da heißt: „Dimensionen des Lebens“. Wir haben dabei etwas gemacht, was ich von Kant nie gesehen habe - wir haben gerechnet.  Kant hat ja viel Wert auf Mathematik gelegt. Wir haben es einfach mal durchgerechnet und noch ein bisschen etwas dazugerechnet. Und siehe da, das sah sehr gut aus. Es zeigte sich, dass solche Lebewesen wie wir überhaupt nur in einer Welt existieren können, die genau diese Eigenschaften hat, über die Kant in seiner ersten Schrift schon spekuliert hat. Dass das jemand am Anfang so genau trifft, das ist schon stark.

Vossenkuhl: