Kapitalismus als Spektakel - Markus Metz - E-Book

Kapitalismus als Spektakel E-Book

Markus Metz

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Beschreibung

Vor nicht allzu langer Zeit wäre wohl kaum jemand auf die Idee gekommen, den Börsenteil der Zeitung vor der Bundesligaberichterstattung zu lesen. Heute wird plötzlich mehr und emotionaler über Wirtschaft geredet als jemals zuvor. Wir erleben – so Markus Metz und Georg Seeßlen – den Anbruch einer neuen Phase des Kapitalismus, in der er sich endgültig in ein gigantisches Spektakel verwandelt. Die Botschaft, die über alle Blödmaschinen verbreitet wird, lautet: Das Glücksrad dreht sich, es gibt die Guten und die Bösen, jeder kann mitmachen oder zumindest mitreden, Ökonomie ist auch nur ein Reality-Format. Die Autoren illustrieren ihre These an zwei aktuellen Beispielen: der »Redbullisierung« von Sport und Freizeit sowie der posthumen Verherrlichung von »Saint Steve« Jobs.

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Seitenzahl: 119

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Die edition suhrkamp digital präsentiert kurze, aktualitätsbezogene, thesenstarke Bände, Manifeste, Langreportagen, Dossiers und Features. Alle Titel sind auch als eBook erhältlich. Mehr zur Reihe und den einzelnen Büchern unter: www.editionsuhrkampdigital.de

Das Zerbrechen der »großen Erzählung« des Marktes – als letzter und größter der großen Erzählungen – hinterlässt einen gewaltigen Scherbenhaufen aus Anekdoten, Metaphern, Novellen, Bewegungsbildern, Serien, Shows und Riten. Diese Auflösung der großen Erzählung vom sinnvollen Markt in Entertainment, in komplexitätsreduzierte Einheiten, Verquickungen mit den »Mythen des Alltags«, »Vermenschlichungen« und Unverbindlichkeiten – in »Econotainment« also – begleitet einen viel größeren Diskurswechsel in der Gesellschaft. »Econotainment« bedeutet in unserem Zusammenhang schlicht die Vermischung von Begriffen und Narrativen der Unterhaltung mit jenen der Ökonomie.

»Der neue Kapitalismus ist kein System und kein Glaube mehr, er ist Spektakel.«

Markus Metz, geboren 1958, Studium der Publizistik, Politik und Theaterwissenschaft an der FU; freier Journalist und Autor, lebt in München. Georg Seeßlen, geboren 1948, Studium der Malerei an der Kunsthochschule München; freier Autor und Journalist, lebt in Kaufbeuren. Seeßlen betreibt den Blog »Das Schönste an Deutschland ist die Autobahn« (www.seeßlen-blog.de). Im Suhrkamp Verlag erschien zuletzt ihr gemeinsam verfasstes Buch Blödmaschinen. Die Fabrikation der Stupidität (es 2609).

Markus Metz/Georg Seeßlen

Kapitalismus als Spektakel oder Blödmaschinen und Econotainment

Umschlagfoto vorn: © Eugene Mopsik/Classic Stock/Corbis

eBook Suhrkamp Verlag Berlin 2012

Erste Auflage 2012

© Suhrkamp Verlag Berlin 2012

Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotografie, Mikrofilm oder andere Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das der Übersetzung, des öffentlichen Vortrags sowie der Übertragung durch Rundfunk und Fernsehen, auch einzelner Teile.

Umschlag gestaltet nach einem Konzept von Willy Fleckhaus: Bureau Johannes Erler

eISBN 978-3-518-78750-2

www.suhrkamp.de

Inhalt

Vorneweg

I.Der verflüssigte Kapitalismus oder Wie Red Bull der Virtualisierung der Ware Flügel verleiht

II.Saint Steve – der Heilige der letzten Tage des Kapitalismus oder Wie sich die populäre Kultur eine Ikone erstellt

III.Prevolution oder Der Aufstieg des Econotainment

IV.Hebelwirkungen oder Was der Medienkapitalismus verbirgt

Anmerkungen

Vorneweg

Dass an Antikapitalismus, wie Slavoj Žižek meint, derzeit kein Mangel herrscht, ist das eine. Selbst wenn die »Überflutung durch Kritik an den Schrecken des Kapitalismus« nicht in allen Sphären von Kultur und Gesellschaft gleichermaßen zu diagnostizieren ist, könnte man doch sagen, dass eine mehr oder weniger feuilletonistische Kapitalismuskritik zielsicher überall dort auf den Plan tritt, wo sie dem System garantiert nicht schadet. Das andere ist, dass diese Kritik in aller Regel zu der Forderung führt, den »wild gewordenen« Kapitalismus zu »zügeln«. Wer oder was wäre dazu in der Lage, wenn nicht der Staat? Doch dieser Staat, die liberal-demokratischen (oder doch schon postdemokratischen?) Regierungen haben sich nicht nur entschieden, in der Krise für das Finanzsystem und gegen die Menschen zu handeln, sie waren auch und gerade in ihrer mehr oder weniger »sozialdemokratischen« Form maßgeblich an der Entfesselung dieses nun »wild gewordenen« Neoliberalismus beteiligt. Und kaum anderes können wir für jene Medien konstatieren, die »eigentlich« die Aufgabe hätten, mehr als bloß die »Auswüchse« dieses Systems zu kritisieren. Weil feuilletonistischer Antikapitalismus zielgenau ins Leere führt, darf er nicht nur ein Vokabular benutzen, für das man als tätiger Antikapitalist anderenorts mit der Justiz in Konflikt geriete, sondern in hybrid-ironischer Volte auch an die lang verschmähten Klassiker des Sozialismus, zumindest mal an Marx, anknüpfen. Es kostet ja nichts.

Doch für eine Zügelung des Kapitalismus – mag er sich so destruktiv zeigen, wie er will – gibt es derzeit kein Subjekt. Die Regierungen der Postdemokratie, oligarchisierte Institutionen, beschleunigen den Finanzkapitalismus eher als ihn zu bremsen, sie arbeiten überdies fieberhaft und unbeirrbar an der Umverteilung von Reichtum und Macht von unten nach oben, in eine Sphäre der Oligopole. Jedes Gesetz, das aus einem sozialen Impetus entstanden sein mag und die Probleme der Verschuldungen lösen soll, endet todsicher mit einer Bevorzugung der »Besserverdienenden«. Regierungen, die den »wild gewordenen« Kapitalismus bändigen sollten, benutzen weiterhin das Vokabular des Neoliberalismus und bedienen sich seiner »Experten«. Nicht das Volk, der Markt ist ihr Bezugspunkt.

Ökonomisierung und Privatisierung machen vor keiner gesellschaftlichen Instanz Halt: nicht vor den Parteien, die längst zu Klientel-abhängigen Wirtschaftsunternehmen geworden sind, zu Unternehmen, in die man Geld und Informationen hineinträgt, um dafür Regelungen, Gesetze oder – andersherum – die Verhinderung von Regelungen, Gesetzen und Aufmerksamkeit zu bekommen; und natürlich nicht vor den Mainstream-Medien, die nicht in eine Öffentlichkeit hinein, sondern auf einem Markt wirken. Wer in dieser Krise (durch die alles nicht besser, sondern immer noch viel schlimmer zu werden scheint, in der womöglich gar die Krise nur Begleiterscheinung eines Diskurswechsels in Ökonomie und Politik ist) nach dem Staat oder den Medien ruft, hat das Geschehen wohl gründlich missverstanden. Der Finanzkapitalismus des Neoliberalismus ist nicht trotz, sondern durch die »demokratischen« Regierungen entstanden, und nicht trotz, sondern durch die Medien. Und dass er nun seine Kampf-, Profit- und Todeszonen noch einmal so vehement ausdehnen kann – »alternativlos«, wie wir wissen –, geschieht ebenfalls nicht trotz der Regierungen und trotz der Medien, sondern durch sie. An die Stelle eines Konzept der Gewaltenteilungen von checks and balances ist eines der Gewaltenteilung der Komplizenschaft getreten.

Feuilletonistische Kapitalismus-Kritik ist ein erlaubtes Gesellschaftsspiel, solange drei Tabuzonen nicht betreten werden:

politisch-ökonomisch-mafiöse Großprojekte wie Stuttgart 21 in Deutschland oder die Hochgeschwindigkeitsstrecke Turin-Lyon;

die korrupten und korrumpierenden Beziehungen zwischen Politikern und Wirtschaftskonglomeraten und

die Postdemokratie als Machtdreieck von Regierung, Wirtschaft und Massenmedien zum Zweck des weiteren Ausbaus einer oligarchischen Herrschaft.

In diesen Fällen mag man Polizei und Justiz aussenden, die Medien- oder Karriere(verhinderungs)waffen einsetzen, ansonsten genügen subtilere Mittel der Befriedung einer Gesellschaft, in der eine Mehrheit gerade auf indirekte Weise enteignet und sozial abgewertet wird.

Trotzdem geht das Gespenst des Antikapitalismus natürlich weiter um: Empörung, Verweigerung, Kritik, sogar ziviler Ungehorsam sind Optionen für bürgerliche Menschen geworden. Das System ist korrupt und dumm, aber es ist nicht perfekt und nicht unbesiegbar. Und die vielen Ansätze antikapitalistischer Kritik könnten, wenn sie sich denn von ihren falschen Verbündeten trennen würden, durchaus dazu führen, dass das ruinös liegengebliebene Projekt der Aufklärung wiederaufgenommen wird. Aufgeklärte Menschen würden sich die Komplizenherrschaft von postdemokratischen Regierungen, oligopolem Finanzkapitalismus und institutionalisierten Blödmaschinen wohl keinen Augenblick gefallen lassen. Die »Oikodizee«, von der Joseph Vogl spricht, jener Glaube an die unsichtbare ordnende Hand im Markt und dessen Fähigkeit, durch das »indirekte Regieren« Tyrannei und Despotie abzulösen – »nicht irgendeine übergeordnete Instanz, sondern das Kollektiv-Subjekt des Marktes bringt soziale Ordnung und Ausgleich hervor«1 –, musste in den letzten Krisen verschwinden. Der »Glaube« an den Kapitalismus ist fort, so dass der feuilletonistische Antikapitalismus bei den gebildeten Ständen für eine gewisse Zeit salonfähig wird. Aber was geschieht, wenn er seine Zugkraft verliert, weil ihm entweder Taten oder neue Ideen folgen müssten? Und was geschieht im Mainstream?

Unsere These: An die Stelle einer Oikodizee, eines verbindlichen Diskurses zur Vernünftigkeit, Nützlichkeit und letztlich Meta-Ethik des Kapitalismus (aus der Gier der Vielen wird die Gerechtigkeit des Ganzen) tritt eine neue Verbindung von Ökonomie und Unterhaltung. Das Zerbrechen der »großen Erzählung« des Marktes – als letzter und größter der großen Erzählungen – hinterlässt einen gewaltigen Scherbenhaufen aus Anekdoten, Metaphern, Novellen, Bewegungsbildern, Serien, Shows und Riten. Diese Auflösung der großen Erzählung vom sinnvollen Markt in Entertainment, in komplexitätsreduzierte Einheiten, Verquickungen mit den »Mythen des Alltags«, »Vermenschlichungen« und Unverbindlichkeiten begleitet einen viel größeren Diskurswechsel in der Gesellschaft. Die Transformation des Kapitalismus ist zugleich eine Transformation der Demokratie. Der Finanzkapitalismus, der aus der Krise gestärkt hervorgeht, und die Postdemokratie, die sich seiner bedient wie er sich ihrer, sind dabei, eine neue Form der Herrschaft auszubilden, mit neuen Klassen, neuen Regeln, neuen Werten, neuen Ordnungen, neuen Strafen und neuen Belohnungen. Niemals könnte all dies in Form eines »historischen Projektes« geschehen, sondern nur im Dunst des Wirkens jener medialen, sozialen und technologischen Apparate, die wir die »Blödmaschinen« genannt haben. Die Umwandlung des geglaubten in den gespielten Kapitalismus weiß von sich selbst so gut wie nichts. Der neue Kapitalismus funktioniert nicht obwohl, sondern weil die Menschen nicht mehr an ihn glauben. Und an vielen Ecken, oben wie unten, scheint ein Kapitalismus, der sich durch nichts anderes mehr begründen muss als durch die Effizienz seiner Elemente und das Entertainment, das er abwirft, wie eine Befreiung. Der neue Kapitalismus ist kein System und kein Glaube mehr, er ist Spektakel.

Als Teil eines work in progress, das wir mit dem Buch Blödmaschinen. Die Fabrikation der Stupidität (Suhrkamp 2011) begonnen haben, greift dieser Essay einen Teilaspekt heraus: eine teils fiktive, teils sehr reale Verbindung zweier Blödmaschinen, der Ökonomie und der Unterhaltung, die am Ende nicht mehr in der Welt, sondern als Welt wirken will. Das Econotainment, die Verwandlung der großen ökonomischen Erzählungen ins Format der Reality Shows, der Soap Operas, der Quizshows, Sportübertragungen und Wettervorhersagen, ebenso wie die Parallelwelten von Marken, die um sich herum Simulationen von Gesellschaft, Kultur und sogar Religion ausbilden, haben die Grenzen zwischen Produktion, Distribution, Werbung und Konsumtion verwischt. Econotainment ist mehr als eine komplexitätsreduzierte und komplexitätsreduzierende Propagandamaschine des Nachkrisen-Kapitalismus, die uns zu Komplizen, Geiseln, Tätern und Opfern zugleich machen will. Macht es doch ernst mit der Drohung von Karl Marx und Walt Disney: dem Leben in einer »zweiten Natur«, in der die erste ebenso unsichtbar wird wie alles Darüber-Hinausdenken. Kein noch so böser Science-Fiction-Autor hätte sich diese Grinsehölle aus Börsenshow, Reality TV und Werbespektakel ausdenken können, die für uns Alltag geworden ist – und die sogar ein wenig »antikapitalistisches Gerede« nicht bloß verträgt, sondern ganz gut brauchen kann. Das Große und das Kleine, Mikro- und Makropolitik, Körper und Begriff, Politik und Ökonomie, Alltag und Macht zusammenzudenken ist einer der Versuche, aus dem antikapitalistischen Gerede zur Ahnung einer neuen Aufklärung vorzudringen. Das kann freilich nur gelingen, wenn es die Buchdeckel und High-brow-Medienzirkel überschreitet, wenn es in den Köpfen und Aktionen weitergeht. Dem Kapitalismus gegenüber recht zu haben, ist keine Kunst. Es kömmt darauf an, zu erkunden, was nach ihm kommen soll.

I. Der verflüssigte Kapitalismus oder Wie Red Bull der Virtualisierung der Ware Flügel verleiht

Ob die Kapitalismen dieser Welt nur Varianten ein und derselben Sache sind, oder aber durchaus unterschiedliche Systeme mit gewissen Verwandtschaften, darüber ist das letzte Wort noch nicht gesprochen. Der Schlüssel zu Reichtum und Macht wie zu Ungerechtigkeit und Unfreiheit scheint allerdings nach wie vor im Besitz der Produktionsmittel zu liegen, auch wenn es den Eindruck hat, dass der Finanzkapitalismus der Realwirtschaft derzeit eine lange Nase dreht. In Wahrheit ist auch diese moralische Dualität – böser Finanzkapitalismus, gute Realwirtschaft – eine Erfindung jener, die gern beim Chor der feuilletonistischen Kapitalismuskritik mitsingen, nachher aber nichts gesagt haben wollen. Denn was wir »Krise« nennen (oder plural: Krisen, denn wir haben sie geordnet in Immobilien-, Banken-, Schuldenkrisen usw.), ist vielleicht nichts anderes als ein Symptom einer weiteren Transformation des Kapitalismus. So wie sich die »wissenschaftliche« Ideologie vom freien Markt nach ihrer Widerlegung durch die eigene Praxis spaltet in eine neue Form des Staatskapitalismus und den Medienkapitalismus des Econotainment, so spaltet sich der Produktionskapitalismus nach dem Ende seiner Produktivität offensichtlich in einen Finanz- sowie in einen Distributionskapitalismus, vor dem nicht allein die wirklichen Produzenten (etwa die Bauern), sondern auch die Produkte zittern müssen. An der stets noch zunehmenden Macht der Lebensmittel- und Pharmakonzerne, der Discounter und Global Player der Grundversorgung ist abzusehen, dass sich die »neuen« Waren nicht als soziale Diskurse verwirklichen. Die neuen Waren erfüllen nicht mehr primär die Wünsche nach Ess- und Trinkbarem, tragbarer Kleidung bzw. zu- oder doch erträglicher Medizin, sondern definieren ihrerseits, was ess- und trinkbar, was Gesund- und Krankheit usw. ist. Die neue Ware will das Leben selbst sein – und kann das vor allem, weil sie großteils virtuell ist. Wie in der Finanzbranche wird auch in der Realwirtschaft etwas verkauft, was seinen Wert nur als Versprechen für die Zukunft hat, eher Platzhalter des Begehrens (und der Angst) ist als begehrtes (der gefürchtetes) Objekt.

Wo die Ware aber weitgehend virtuell geworden ist, erhalten auch die Produktionsmittel einen neuen Charakter. Zuerst begannen sie ihren nomadischen Zug durch die Welt, immer auf der Suche nach billigen Arbeitskräften und günstigen Standortbedingungen (will sagen: korrupt-komplizenhaften Regierungen, preiswerter Infrastruktur usw.). Doch auch die Beutezüge des nomadischen Produzierens stoßen an ihre Grenzen – wenn auch gewiss nicht in Form jener »patriotischen« Firmen, die ihre Ware verhökern, indem sie vom Erhalt deutscher Arbeitsplätze schwadronieren.

Ist der Kapitalismus einmal um die Welt gezogen, hat er sie sich auch insofern untertan gemacht, als die Differenzen eingeebnet worden sind, welche die Dynamik der entsprechenden Beutezüge der Produktion ausmachen. Deshalb bietet sich im Medienkapitalismus eine neue Art des Produzierens an, die an die reale Existenz eines der Ware entsprechenden Produktionsmittels gar nicht mehr gebunden ist. Je virtueller die Waren, je fiktiver, politischer oder taktischer die Preise, desto mehr wird die Macht der Distribuenten gestärkt und die der eigentlichen Produzenten beschränkt. Nicht wer etwas herstellen kann, erzielt den Profit, sondern wer sich geschickt in die Verteilung zu mischen weiß. Wie in der Finanzwirtschaft wächst auch in der sogenannten Realwirtschaft der Handel mit Dingen, die man gar nicht hat oder die es nicht gibt. Man handelt also mit Versprechen, sozialen Identifikationen, Zeichen und Mythen, für die die wirkliche Ware nur noch eine letzte haptische Chiffre ist. Bemerkenswerterweise eignen sich Getränke als Prophezeiungen des jeweils neuesten Stadiums des Kapitalismus besonders gut, vielleicht, weil in ihnen die Aspekte von Lebens- und Genussmittel, Differenz und Mainstreaming, Image und Illusion besonders ausgeprägt sind (und das umso mehr, als sich die Welt gerade, offensichtlich aus Kosten-Nutzen-Gründen, das Rauchen abgewöhnt). Vielleicht aber auch, weil die meisten damit kokettieren, mehr als ein Getränk zu sein, einen besonderen Status zu haben: als legale Droge.