Sommernachtsball bei Fürst von Trakstein - Karin Bucha - E-Book

Sommernachtsball bei Fürst von Trakstein E-Book

Karin Bucha

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Beschreibung

Karin Bucha ist eine der erfolgreichsten Volksschriftstellerinnen und hat sich mit ihren ergreifenden Schicksalsromanen in die Herzen von Millionen LeserInnen geschrieben. Dabei stand für diese großartige Schriftstellerin die Sehnsucht nach einer heilen Welt, nach Fürsorge, Kinderglück und Mutterliebe stets im Mittelpunkt. Karin Bucha Classic ist eine spannende, einfühlsame geschilderte Liebesromanserie, die in dieser Art ihresgleichen sucht. »Wie lange gedenkst du, die Komödie noch fortzuführen?« Annette d'Albert, ein zierliches, temperamentvolles Per­sönchen, steht kampflustig, beide Hände in die Hüften gestützt, vor ihrer Cousine. Michaela läßt den schönen Kopf hängen. »Das weiß ich nicht, Annette«, meint sie kläglich. »Ich weiß es wirklich nicht. Jetzt kann ich nicht mehr zurück. Zu sehr habe ich mich in Lügen verstrickt.« »Und warum, wenn man das wissen darf?« forscht Annette unerbittlich. Ihre blauen Augen sprühen. »Mein Gott, Annette, kennst du meinen Vater wirklich so schlecht? Er ist der gütigste, liebevollste Mensch, aber einen Dr. Stein würde er niemals als seinen Schwiegersohn aner­kennen.« Mi­chaela hat sich etwas aufgerichtet. In ihren wun­dersamen blaugrünen Augen steht helle Verzweiflung. Leise setzt sie hinzu: »Außerdem hat Friedrich Wilhelm bis jetzt noch kein Wort von Heirat gesprochen. Er hält mich für eine kleine Kunststudentin, die sich ihren Unterhalt selbst verdie­nen muß.« »Wenigstens in dieser Beziehung hast du nicht gelogen«, wirft Annette trocken dazwischen.

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Karin Bucha Classic – 59 –

Sommernachtsball bei Fürst von Trakstein

Als für Michaela ein Märchen wahr wurde

Karin Bucha

»Wie lange gedenkst du, die Komödie noch fortzuführen?« Annette d’Albert, ein zierliches, temperamentvolles Per­sönchen, steht kampflustig, beide Hände in die Hüften gestützt, vor ihrer Cousine.

Michaela läßt den schönen Kopf hängen.

»Das weiß ich nicht, Annette«, meint sie kläglich. »Ich weiß es wirklich nicht. Jetzt kann ich nicht mehr zurück. Zu sehr habe ich mich in Lügen verstrickt.«

»Und warum, wenn man das wissen darf?« forscht Annette unerbittlich. Ihre blauen Augen sprühen.

»Mein Gott, Annette, kennst du meinen Vater wirklich so schlecht? Er ist der gütigste, liebevollste Mensch, aber einen Dr. Stein würde er niemals als seinen Schwiegersohn aner­kennen.« Mi­chaela hat sich etwas aufgerichtet. In ihren wun­dersamen blaugrünen Augen steht helle Verzweiflung. Leise setzt sie hinzu: »Außerdem hat Friedrich Wilhelm bis jetzt noch kein Wort von Heirat gesprochen. Er hält mich für eine kleine Kunststudentin, die sich ihren Unterhalt selbst verdie­nen muß.«

»Wenigstens in dieser Beziehung hast du nicht gelogen«, wirft Annette trocken dazwischen. »Kunststudentin bist du ja wirklich, aber sonst…«

Michaela preßt die Hände im Schoß zusammen.

»Ach, Annette, bis jetzt habe ich mir eigentlich nicht ernstlich den Kopf zerbrochen. Ich liebe ihn – und er liebt mich. Das ist für mich das Wichtigste. Wenn du mir all das andere allerdings so deutlich vor Augen hältst, bekomme ich Furcht, ihn zu verlieren. Und ich will ihn nicht verlieren! Todunglücklich würde ich! Nein, ich glaube, er würde mir meinen Schwindel niemals verzeihen. Schon deshalb muß es so weitergehen. Wir sind glücklich im Bewußtsein unserer Liebe und leben in der Gegenwart. An die Zukunft haben wir beide noch nicht gedacht.«

»Eine vollkommen verfahrene Situation«, stellt Komteß d’Albert sachlich fest. »Selbstverständlich werde ich dich nicht verraten. Auf mich kannst du dich verlassen.«

Michaela springt wie erlöst auf und schlingt die Arme um Annette.

»Ich danke dir! Du bist ein feiner Kerl!«

»Danke für die Blumen«, entgegnet Annette. »Man kann dich doch nicht einfach im Stich lassen! Obwohl ich nur ein Jahr älter bin als du, komme ich mir manchmal uralt vor.«

Sie löst sich von Michaela und drängt: »Nun zieh dich aber rasch zum Abendessen um! Gleich wird der Gong schlagen. Du weißt, meine Mutter wartet nicht gern. Oder soll ich dir helfen?«

»Ist nicht nötig, Annette, aber wenn du so lieb sein willst, schicke mir Lucie.« Sie wendet sich ihrem angrenzenden Schlafzimmer zu.

Sekundenlang geht es ihr besorgt durch den Kopf: Wenn Friedrich Wilhelm wüßte…?

Wenig später überläßt sie sich den geschickten Händen der Zofe, dabei kann sie in Ruhe nachdenken.

Gräfin Sigrid d’Albert hat Michaela, deren Geburt ihrer Mutter das Leben kostete, mütterlich an ihr Herz genommen. Sigrids Bruder, der durch den Tod der geliebten Frau in tiefster Verzweiflung und Hilflosigkeit lebte, war ihr von Herzen dankbar, daß sie das mutterlose Kind zu sich nach Paris nahm und es zusammen mit ihrer einjährigen Tochter Annette erzog.

Die besten Schulen, später die teuersten Internate haben sie gemeinsam besucht. Sie sind unzertrennlich, die beiden Cousinen. Beinahe hätte man vergessen, daß Michaela die Nichte der d’Alberts war, die ein gastliches Haus führten. Sie lebten in großem Stil, wie es ihrem Rang und ihrem Reichtum zukam. Und so hatten sie auch die beiden Mäd­chen erzogen.

Annette, die zierlichere von beiden, hatte kupferrotes Haar und blaue Augen. Die zauberhafte Michaela war etwas größer und hatte lackschwarzes Haar. Blaugrüne Augen beherrschten das zarte Oval des aparten Gesichtchens.

Sie waren einfach eine Augenweide, die beiden Geschöpfe, die aber außer ihrer ungewöhnlichen Schönheit auch einen wertvollen Charakter und Klugheit geerbt hatten.

»Fertig!« Die Zofe tritt zurück, und Michaela betrachtet mit Gleichmut ihr Spiegelbild. Eitelkeit liegt ihr fern, obgleich sie Wert auf gute Garderobe und Gepflegtheit legt.

Sie seufzt ein wenig. Ach, warum mußte sie sich ausgerechnet in den Arzt Dr. Friedrich Wilhelm Stein verlieben? Verlieben? Nein! Sie liebt ihn aus ganzem Herzen, und sie wüßte nicht, wie sie jemals eine Trennung von ihm ertragen sollte.

*

»Was hast du, Friedrich Wilhelm? Du bist schon seit ein paar Tagen so nachdenklich.«

Baron Klaus von Helmesberg betrachtet forschend die hochgewachsene Gestalt des Freundes, der schon ein paarmal durch das geräumige Zimmer gewandert ist.

Mit einem Ruck bleibt er jetzt vor Klaus stehen.

»Ja, Klaus, du sollst es als erster wissen: Ich habe mich bei Professor Henry Lawrence für Afrika gemeldet.«

Ungläubig starrt der Baron auf den Freund.

»Bist du verrückt?« entfährt es ihm.

»Warum?« entgegnet Friedrich Wilhelm gelassen. »Ich bin nicht nur Arzt, sondern auch Wissenschaftler. Es werden dringend Ärzte für die neue Station in Afrika gebraucht, also habe ich mich gemeldet. Ist das so verwunderlich?«

Baron von Helmesberg schüttelt den Kopf.

»Allerdings, das ist es! Hast du nicht an deine Familie gedacht? Man wird mir die Schuld geben, daß du diesen Entschluß gefaßt hast. Wird man mir glauben, wenn ich erzähle, daß du mich einfach vor die vollendete Tatsache gestellt hast?«

»Das laß nur meine Sorge sein, Klaus. Dich trifft wirklich keine Schuld. Und du hättest mich auch auf keinen Fall davon abhalten können. Was ich mir vorgenommen habe, führe ich auch aus.«

»Und Michaela?« wirft Klaus bedrückt ein. »Hast du dabei gar nicht an sie gedacht?«

Wieder nimmt Friedrich Wilhelm seine Wanderung durch das Zimmer auf, von den hellen wachen Augen des Freundes verfolgt.

Das gibt eine Revolution! denkt der Baron bei sich. So einfach, wie Friedrich Wilhelm es sich gedacht hat, geht es bestimmt nicht. Er wird allerlei Kämpfe zu bestehen haben.

Plötzlich bricht ein belustigtes Lachen von Klaus von Helmesbergs Lippen.

»Was gibt es dabei zu lachen?« fährt Friedrich Wilhelm ihn an.

Der Baron dämpft seine Heiterkeit.

»Wenn ich mir dich, den Salonlöwen, den Herzensbrecher, im Urwald vorstelle, reizt das wirklich zum Lachen. Aber du hast mir meine Frage noch nicht beantwortet. Was soll aus Michaela werden? Sie liebt dich!«

Ungewöhnlich ernst sind Friedrich Wilhelms männliche Züge.

»Das ist es, was mir Kopfschmerzen bereitet, Klaus. Das kannst du mir glauben. Ich liebe Michaela tief und aufrichtig, und doch habe ich gemein an ihr gehandelt. Ich hätte mich rechtzeitig von ihr zurückziehen sollen. Nun ist es zu spät. Aber ich liebe auch meinen Beruf«, fügt er verzweifelt hinzu. »Wenn ich jedoch nach Afrika gehe, dann weiß ich, daß ich ein gebrochenes Herz zurücklasse. Siehst du keinen Weg, der von mir zu Michaela, der kleinen Kunststudentin, führt?«

»Nein, denn es gibt keinen Weg«, entgegnet der Baron. »Aber mußtest du es denn erst so weit kommen lassen? Mir tut das Mädel leid. Sie wäre wie keine andere geeignet, als deine Frau an deiner Seite zu leben. Sie könnte einen Fürstenthron zieren.«

Beide Hände schlägt Friedrich Wilhelm vor das Gesicht. Zwischen den Zähnen preßt er hervor: »Das habe ich mir alles durch den Kopf gehen lassen. Wie ein Lump komme ich mir vor. Weiß Gott, es tut mir unendlich leid. Warum nur dürfen wir nicht nach unserem Herzen wählen?«

Das klingt wie ein Schrei aus tiefster Verzweiflung.

Baron Klaus steht auf und tritt zu dem Freund. Er legt ihm die Hand auf die Schulter.

»Beruhige dich, Friedrich Wilhelm! Allerdings mußt du dich jetzt entscheiden. Entweder Michaela oder deine Reise nach Afrika. Vielleicht hat das Mädel Verständnis?«

Friedrich Wilhelm hebt den Kopf. Ratlosigkeit liegt in seinen blauen Augen.

»Die Wahrheit kann ich ihr nicht sagen. Es würde sie zutiefst verletzen. Erklären kann ich ihr deshalb meine Reise nach Afrika nur damit, daß ich eine Zeit der Prüfung zwischen uns legen möchte. Verstehst du?«

Klaus von Helmesberg nickt. In seinem Innern ist er jedoch skeptisch. Da hat sich Friedrich Wilhelm etwas Schönes eingebrockt. Aber wie es auch ausgehen mag: er steht in unwandelbarer Treue zu dem Freund.

*

Als Michaela die Sorbonne verläßt, sieht sie schon von weitem die große elegante Gestalt Dr. Friedrich Wilhelm Steins. Sie spürt ihr Herz heftig klopfen und möchte am liebsten auf ihn zueilen.

Aber sie hält sich zurück und geht ihm damenhaft entgegen. Ihre Augen strahlen wie zwei Sonnen.

»Friedrich Wilhelm!« sagt sie leise und reicht ihm mit glücklichem Lächeln die schmale Hand.

»Guten Tag, Michaela!« begrüßt er sie herzlich und küßt ihr die Hand. »Ich habe zwei Stunden frei. Wollen wir gemeinsam essen gehen?«

Strahlend nickt sie und hängt sich in seinen Arm.

»Wie schön, Friedrich Wilhelm! Gerade habe ich an dich gedacht, und schon bist du da.«

Ihre dunkle schwingende Stimme bezaubert ihn wie immer. Stundenlang kann er ihr zuhören. Sie versteht es auch wie keine, amüsant und klug zu plaudern. Langeweile ist eigentlich noch nie zwischen ihnen gewesen.

Sie erzählt ihm auch jetzt sofort von dem Vortrag, den sie gehört und der sie begeistert hat.

Schweigend lauscht er, aber Michaela spürt, daß er seltsam abwesend wirkt.

»Ist etwas?« fragt sie schließlich, und ihre schönen blaugrünen Augen suchen seinen Blick. »Hast du Ärger gehabt, Liebster?«

»Ärger kann man es nicht direkt nennen, Michaela. Aber das werde ich dir später erzählen. Gehen wir ins Ritz?«

»Wie du willst«, erklärt sie sich sofort bereit.

Bald darauf sitzen sie in dem kleinen roten Sportwagen des Arztes und fahren durch die belebten Straßen von Paris.

Im »Ritz« hilft Dr. Stein ihr aus dem leichten Pelzmantel, zu dem eine kleidsame Kappe aus dem gleichen Material gehört.

Sie sieht wie immer wunderschön und elegant aus. Das schlichte und doch so vornehm wirkende rote Wollkleid steht ihr lieblich zu Gesicht und bildet einen reizvollen Kontrast zu ihrem blauschwarzen Haar.

Als sie sich an einem Tisch für zwei Personen gegenübersitzen, sieht er sie aus seinen tiefblauen Augen bewundernd an.

Merkwürdig, wie wenig er von ihr und von den Verhältnissen, aus denen sie stammt, weiß. Oft genug hat er sich Gedanken dar­über gemacht, wie gut und geschmackvoll sie immer angezogen ist, wie sicher sie sich zu bewegen weiß und daß stets etwas Damenhaftes von ihr ausgeht.

Mein Gott, und das ist er im Begriff aufzugeben? Aber kann er anders handeln? Zwingt ihn nicht ein unabänderliches Schicksal dazu?

Er unterdrückt ein Seufzen und nimmt die Speisekarte aus der Hand des Obers entgegen. Vor dem Mahl bestellt er zwei Aperitifs.

Er trinkt ihr zu und sagt mit viel Wärme: »Auf dein Wohl, Liebes!«

Sie dankt ihm mit einem innigen Blick.

»Nun erzähle, Friedrich Wilhelm. Was ist es, was du mir sagen willst?«

»Ach ja, Kind. Wir werden uns einige Zeit nicht sehen können, da ich in einer Familienangelegenheit verreisen muß«, würgt er hervor.

Er bemerkt, wie sie erblaßt.

»Lange?« fragt sie.

»Schätzungsweise acht Tage, Michaela. Dann bin ich wieder bei dir.«

Sie atmet tief auf. Auf einmal war ihr, als falle ein Schatten auf ihr junges Glück. Sie schilt sich töricht. Was macht es schon, wenn sie sich einmal acht Tage nicht treffen können? Andererseits ist jeder Tag für sie verloren, an dem sie ihn nicht sehen und sprechen kann.

Tapfer nickt sie. »Wenn es denn sein muß, Friedrich Wilhelm.«

Er umfaßt hastig ihre Hand.

»Wollen wir heute abend ganz groß ausgehen, Michaela, einen richtigen Nachtbummel machen? Ich muß noch einmal in die Klinik zurück, aber dann beginnt bereits mein Urlaub, den ich mir nehmen mußte. Willst du?«

»Das ist wunderbar, Friedrich Wilhelm! Wir beide allein, ohne deinen Freund Klaus?«

»Ja, Kind, wir beide allein! Ich freue mich schon darauf.«

Sie müssen ihr Gespräch unterbrechen, da man ihnen zu servieren beginnt.

Als sich der Kellner diskret zurückgezogen hat, fragt Friedrich Wilhelm: »Wo darf ich dich abholen?«

»Wie immer«, antwortet sie schnell.

Nachdenklich sieht er vor sich hin, und als er die Augen wieder aufhebt, liegt darin grüblerisches Forschen.

»Sag mal, Michaela, warum darf ich dich eigentlich nie von zu Hause abholen?«

Michaela spürt, wie ihr das Blut zu Herzen strömt.

Jetzt mußt du es ihm sagen, überlegt sie schnell, jetzt ist der richtige Zeitpunkt gekommen. Aber dann entscheidet sie sich doch anders. Es ist auch noch Zeit dazu, wenn er wieder zurückgekehrt ist. Sie sieht ihn groß an.

»Weil man von deiner Existenz dort noch keine Ahnung hat«, erwidert sie hastig, und sie ist damit sogar bei der Wahrheit geblieben. Nur Annette weiß von ihrer Liebe zu dem jungen Arzt.

»Also gut, Liebes. Pünktlich um neunzehn Uhr erwarte ich dich an der alten Stelle.«

Froh gelaunt nehmen sie das wirklich vorzügliche Mahl ein. Sie lachen und scherzen. Sie sind nichts als zwei glückliche, verliebte Menschen und ahnen nicht, welch bitteres Schicksal ihnen bevorsteht.

*

Ein unheilvolles Schweigen herrscht in dem Salon, der zu den Privatgemächern der Fürstin-Mutter Wilhelmine Friederike von Trakstein gehört.

Die tiefblauen Augen der Fürstin-Mutter, einer noch immer schönen Frau mit reichem Blondhaar und einer straffen, jugendlichen Haltung, wandern von ihrem Sohn Prinz Friedrich Wilhelm von Trakstein hinüber zu ihrem Ältesten, dem regierenden Fürsten und Landesherrn, Philipp von Trakstein.

»So sag doch etwas, Phil!« bricht sie das Schweigen, und ihre ganze Hilflosigkeit, die sie bei der Eröffnung Prinz Friedrich Wilhelms befallen hat, liegt in den wenigen Worten.

Fürst Philipp strafft seine hohe Gestalt. Er ist blond wie seine Mutter und hat helle graue, sehr ernste Augen.

Nennt man Prinz Friedrich Wilhelm den ›Prinzen Charming‹, weil er mit seiner verbindlichen Liebenswürdigkeit und ungezwungenen Fröhlichkeit alle Herzen gewinnt, so zollt man dem viel zu ernsten Fürsten Philipp größte Hochachtung und ehrfürchtigen Respekt. Er ist ein weiser Landesvater mit sehr viel Liebe zu seinen Untertanen, und dafür wird er von ihnen noch mehr als sein Bruder geliebt und verehrt.

Zum heimlichen Kummer der Fürstin-Mutter ist er noch immer nicht verheiratet. Dabei könnte er an jede Tür klopfen und selbst eine Herzogin zu sich auf den Thron holen.

»Philipp«, mahnt sie, »du mußt Friedrich Wilhelm zur Vernunft bringen! Seit wann geht ein Prinz aus dem Hause Trakstein nach Afrika? Bitte, sag du ihm, daß das eine Unmöglichkeit ist.«

Friedrich Wilhelm unterbricht sie: »Seit wann darf ein Prinz von Trakstein der Wissenschaft nicht dienen? Haben unsere Ahnen nicht durch ähnliche Expeditionen dem Namen Trakstein alle Ehre gemacht?« wendet er erregt ein.

Die Hände der Fürstin-Mutter flattern vor Erregung.

»Haben wir dir nicht schon gestattet, Medizin zu studieren und damit deinen Neigungen zu leben? Warum hast du nicht Staatswissenschaft und Volkswirtschaft studiert, um deinen Bruder bei den Staatsgeschäften zu entlasten und ihn zu unterstützen? Phil, ich bitte dich«, wendet sie sich wieder an den Fürsten, »nun sprich endlich ein Machtwort! Du bist der Chef des Hauses, auf dich wird er hören!«

Langsam kommt Fürst Philipp näher. Seine Stimme hat den ruhigen, besonnenen Klang wie immer.

»Ich glaube, Mutter, dazu ist es jetzt zu spät. Schließlich hat Friedrich Wilhelm in den letzten Jahren bewiesen, daß er nicht mehr der etwas leichtsinnige Trakstein ist, der er früher gewesen ist, und daß er ernsthaft an sich gearbeitet hat. Er hat seinen Doktor mit Auszeichnung gemacht, selbst Professor Lawrence schätzt ihn als hervorragenden Arzt und hochbefähigten Wissenschaftler.«

Ein dankbarer Blick aus Friedrich Wilhelms Augen trifft den Bruder.

»Du auch, Phil?« Maßlose Enttäuschung malt sich in den feinen Zügen der Fürstin-Mutter, obwohl sie tief im Innern dem ältesten Sohn zustimmen muß. Es stimmt, Friedrich Wilhelm hat in den letzten Jahren allerhand geleistet!

Betroffen blickt sie auf ihre mit kostbaren Ringen geschmückten Hände hinab. Trotzdem wagt sie noch einen letzten Versuch.

»Nicht einmal mir zuliebe würdest du deinen abenteuerlichen Plan aufgeben?« wendet sie sich an ihren Jüngsten.

»Verzeih, Mutter, auch dann nicht«, sagt Friedrich Wilhelm entschlossen. In Gedanken setzt er hinzu: Es sei denn, ihr gebt mir die Erlaubnis, die wunderschöne Kunststudentin Michaela Ohlsten zu heiraten. Doch im Augenblick wagt er nicht von ihr zu sprechen. Er kennt die Antwort im voraus.

Die Fürstin-Mutter schüttelt den Kopf.

»Ausgerechnet in den Schwarzen Erdteil willst du. Wer weiß, ob du überhaupt zurückkommst! Sollte Philipp etwas zustoßen, wäre nicht einmal die Erbfolge gesichert. Leider seid ihr beide auch nicht verheiratet. Würdest du dich doch lieber mit Prinzessin Irina von Westernberg verloben, dann würdest du mir die größte Freude machen. Du weißt, daß die Heirat mit Irina längst beschlossene Sache ist. Wie stehen wir vor Fürst von Westernberg da?«

Sie ist ganz unglücklich und muß gewaltsam die hervordrängenden Tränen zurückhalten.

Friedrich Wilhelm legt begütigend eine Hand auf die Schulter seiner Mutter.

»Ich habe mich ja nur für zwei Jahre verpflichtet. Was sind denn zwei Jahre, Mutter? Glaube mir, die Errichtung der neuen Krankenstation mit angegliederten Laboratorien ist wichtiger als die Heirat mit einer kleinen Prinzessin.«

»Du hast zuviel Abenteuerblut in deinen Adern. Ein Erbteil deiner Ahnen, unter denen sich sogar Seeräuber befunden haben. Du kannst es in der Familienchronik nachlesen.«

Der Prinz lacht leise auf. Auch um Fürst Phils Mund huscht ein Lächeln, das seinem ernsten Gesicht ein völlig verändertes Aussehen gibt.

»Ich glaube selbst, Mutter, daß mir das Abenteuer im Blut sitzt. Mich reizt aber nicht das Abenteuer allein, sondern die wichtigen Aufgaben, die uns alle erwarten.«

»Wenn dich wenigstens Baron von Helmesberg begleiten würde«, klagt sie.

Jetzt wird Friedrich Wilhelm lebhaft.

»Da kannst du beruhigt sein. Klaus wird mich begleiten.«

Die Fürstin-Mutter erhebt sich und beendet damit das Gespräch.

»Es wird Zeit, daß ich mich umkleide. In einer halben Stunde nehmen wir das Abendessen ein. Diesmal sind wir unter uns. Nur Baron von Helmesberg wird daran teilnehmen.«

Sie nickt ihren Söhnen mit einem etwas wehmütigen Lächeln zu und verläßt das Zimmer.