Traum vom Glück - Karin Bucha - E-Book

Traum vom Glück E-Book

Karin Bucha

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Beschreibung

Karin Bucha ist eine der erfolgreichsten Volksschriftstellerinnen und hat sich mit ihren ergreifenden Schicksalsromanen in die Herzen von Millionen LeserInnen geschrieben. Dabei stand für diese großartige Schriftstellerin die Sehnsucht nach einer heilen Welt, nach Fürsorge, Kinderglück und Mutterliebe stets im Mittelpunkt. Karin Bucha Classic ist eine spannende, einfühlsame geschilderte Liebesromanserie, die in dieser Art ihresgleichen sucht. Olaf Bergner, Chef der Bergner-Werke Deutschland, Platinenfabrik-Filiale New York, war der unerträglichen Hitze New Yorks entflohen und an den Strand gefahren. Faul lag er im Sand und ließ sich von der Sonne bräunen. Er zeigte wenig Interesse für seine Umgebung. Gedankenverloren blickte er in den wolkenlosen Himmel und freute sich über die Stille, die ihn umgab. Da hatte er wirklich Glück gehabt. Dieser Landstreifen war wenig besucht. Nur in einiger Entfernung sah er ein Paar stehen. Die beiden jungen Menschen mußten eine sehr lebhafte Unterhaltung führen, denn der Wind trug ihm einzelne Wortfetzen zu. Olaf lächelte nachsichtig und legte sich wieder zurück, dabei schob er den zu einem Knäuel geballten Bademantel bequemer unter den Kopf. Das ewig gleiche Lied. Ein bißchen Streit – Tränen – Küsse – Versöhnung! Er schloß die Augen und fiel in eine Art Dämmerzustand, aus dem er sich jäh herausgerissen fühlte, als ihn eine aufgeregte Stimme ansprach. Olaf sah ein Paar weit geöffnete Augen vor sich, die mit Tränen gefüllt waren. »Mein Herr, ich bitte Sie, helfen Sie mir!« Im Nu war Olaf Bergner hellwach. Er bemerkte, wie das schlanke Persönchen zitterte und sah sich nach der Ursache dieser Aufregung um. Im weißen Leinenanzug kam, ohne große Eile, ein Mann auf sie zugeschlendert. Die Hände in die Hosentaschen vergraben, rief er schon von weitem: »Evelyn!« Seine Stimme klang drohend. Zunächst war Olaf verblüfft, aber schnell hatte er die Situation erfaßt: der junge Mann belästigte das schöne Geschöpf, und nun suchte es Schutz bei ihm.

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Karin Bucha Classic – 63 –

Traum vom Glück

Karin Bucha

Olaf Bergner, Chef der Bergner-Werke Deutschland, Platinenfabrik-Filiale New York, war der unerträglichen Hitze New Yorks entflohen und an den Strand gefahren. Faul lag er im Sand und ließ sich von der Sonne bräunen.

Er zeigte wenig Interesse für seine Umgebung. Gedankenverloren blickte er in den wolkenlosen Himmel und freute sich über die Stille, die ihn umgab.

Da hatte er wirklich Glück gehabt. Dieser Landstreifen war wenig besucht. Nur in einiger Entfernung sah er ein Paar stehen.

Die beiden jungen Menschen mußten eine sehr lebhafte Unterhaltung führen, denn der Wind trug ihm einzelne Wortfetzen zu.

Olaf lächelte nachsichtig und legte sich wieder zurück, dabei schob er den zu einem Knäuel geballten Bademantel bequemer unter den Kopf.

Das ewig gleiche Lied. Ein bißchen Streit – Tränen – Küsse – Versöhnung!

Er schloß die Augen und fiel in eine Art Dämmerzustand, aus dem er sich jäh herausgerissen fühlte, als ihn eine aufgeregte Stimme ansprach.

Olaf sah ein Paar weit geöffnete Augen vor sich, die mit Tränen gefüllt waren.

»Mein Herr, ich bitte Sie, helfen Sie mir!«

Im Nu war Olaf Bergner hellwach.

Er bemerkte, wie das schlanke Persönchen zitterte und sah sich nach der Ursache dieser Aufregung um.

Im weißen Leinenanzug kam, ohne große Eile, ein Mann auf sie zugeschlendert. Die Hände in die Hosentaschen vergraben, rief er schon von weitem: »Evelyn!« Seine Stimme klang drohend.

Zunächst war Olaf verblüfft, aber schnell hatte er die Situation erfaßt: der junge Mann belästigte das schöne Geschöpf, und nun suchte es Schutz bei ihm.

Ihren Retter zu spielen, war eine Rolle, die ihm nicht einmal unangenehm war.

»Bitte, bitte, begleiten Sie mich zu meinem Wagen«, hörte er wieder die ängstliche Stimme des schönen Mädchens, das auf den Namen Evelyn hörte.

»Mit dem größten Vergnügen, meine Dame«, versicherte Olaf und sah an sich hinunter. »Aber ankleiden darf ich mich doch erst?«

»Bitte, bitte, aber schnell muß es gehen. Ich fürchte mich vor Johns Gewaltätigkeit.«

Inzwischen war der junge Mann herangekommen. Finster schaute er erst auf die Frau, dann auf Olaf.

»Aha, du hast ja ziemlich schnell einen Beschützer gefunden!« höhnte er.

Olaf Bergner maß den breitschultrigen Fremden mit einem spöttischen Lächeln.

»Hören Sie mal, junger Mann, wenn Sie Ihre Hände suchen sollten, die finden Sie in Ihren Hosentaschen.« Dann legte er den Arm leicht um Evelyns Schulter und sagte höflich: »Kommen Sie, ich bringe Sie erst einmal in Sicherheit.«

»Evelyn!«

Fast entsetzt klang Johns Stimme hinter ihnen her, dann lief er ihnen nach.

»Evelyn, ich bitte dich, ich werde mich in Zukunft zusammenreißen.«

Die junge Frau blieb stehen.

»Wie oft hast du mir das schon versprochen, aber nicht ein einziges Mal gehalten. Meine Geduld ist zu Ende.«

»Bravo«, rief Olaf und brachte damit den Begleiter des Mäd­chens in rasenden Zorn.

»Mein Herr«, drohte er nun Olaf. »Sie werden so schnell als möglich von der Bildfläche verschwinden.«

Bergner blieb ganz ruhig und kühl.

»Sie sehen, die Dame hat um meinen Schutz nachgesucht. Ich kann Ihnen daher nur raten, alles Aufsehen zu vermeiden. Eine Frage nur noch, junger Mann: Boxen Sie?«

»Und ob!« sofort nahm John eine drohende Haltung ein.

Aber Olaf war auf der Hut.

Als John Miene machte, sich auf ihn zu stürzen, wich er ihm geschickt aus, landete dafür aber einen rechten Schwinger an dessen Kinn, daß John lautlos zu Boden sank.

»Wundervoll«, jubelte Evelyn und klatschte begeistert in die Hände.

Ein kühler Blick aus Olafs Augen traf sie. Für seine Begriffe war ihre Begeisterung, ihren Freund mit einem Denkzettel am Boden liegen zu sehen, reichlich unkameradschaftlich.

»Bitte«, sagte er nur kurz, fast unhöflich, und wandte sich zum Gehen.

Evelyn nagte an ihrer Unterlippe. Die schroffe Art ihres Beschützers behagte ihr nicht, aber sie blieb trotzdem an seiner Seite.

»Wohin soll ich Sie führen?« fragte er, als sie den Strand verlassen hatten und auf der breiten Landstraße standen.

»Da drüben steht mein Wagen!«

Sie wies mit der Hand nach links.

Olaf sah einige Meter entfernt einen hellen Sportzweisitzer in der Sonne blitzen.

Langsam schritt er auf das Auto zu.

Evelyn glitt auf den Fahrersitz. Etwas verlegen wand sie sich ein kleines Kopftuch um die goldblonden Locken.

Ohne Olaf anzusehen, reichte sie ihm dann die Hand.

»Ich danke Ihnen für Ihre Hilfsbereitschaft, mein Herr.«

»Keine Ursache«, brummte Olaf und berührte die weiche Hand nur flüchtig. Mit einer tiefen Verbeugung trat er dann zurück. »Was soll nun eigentlich mit Ihrem Freund geschehen?«

Evelyn hob den Blick.

Olaf sah in ein Paar strahlende, tiefblaue, von einem Kranz dunkler Wimpern umgebener Augen.

»Oh«, antwortete sie unbekümmert. »John findet schon allein heim. Außerdem dürfte er jetzt einmal genügend Gelegenheit haben, darüber nachzudenken, wie man sich einer Dame gegenüber zu benehmen hat.«

Fast gegen seinen Willen mußte Olaf lachen.

»Sie werden den jungen Mann wohl entsprechend gereizt haben. Immerhin konnten Sie dabei die Feststellung machen, daß es nicht ganz ungefährlich ist, mit einem heißblütigen jungen Mann spazierenzufahren, vor allem, wenn man so hübsch ist wie Sie.«

Evelyn maß Olaf mit einem verächtlichen Blick.

»Ach, hätten Sie etwa an Johns Stelle genauso gehandelt?«

»Ich?« fragte er etwas verblüfft, faßte sich aber rasch. »Um Ihnen diese Frage beantworten zu können, müßte ich schon die Gründe kennen, weshalb Sie Ihren Begleiter abschütteln wollten.«

Sekundenlang funkelte sie ihn mit ihren schönen blauen Augen böse an, verkniff sich aber die heftige Erwiderung. Über das Lenkrad hinweg sah sie in die Ferne und meinte leichthin: »Glauben Sie etwa, es interessiert mich, wie Sie sich Damen gegenüber benehmen?« Sie hob die Schultern, als wollte sie sagen: Es lohnt sich auch kaum, darüber nachzudenken, es kommt ja doch alles auf eins heraus. Laut und wider Erwarten höflich aber sagte sie: »Entschuldigen Sie bitte die Belästigung!«

Um Olafs Mund glitt ein Lä­cheln.

»Es war mir wirklich ein Vergnügen…« Er schaute belustigt in das süße, trotzige Gesicht. »Hoffentlich haben Sie auf Ihren Ausfahrten immer gleich einen Beschützer zur Hand, damit Ihre Abenteuer nicht einmal einen weniger günstigen Verlauf nehmen.«

Evelyns Kopf flog herum. In unterdrückter Erregung rief sie empört: »Erlauben Sie mal, Sie wissen anscheinend gar nicht, wen Sie vor sich haben!«

Olaf lächelte weiter überlegen.

»Das eben Erlebte genügt mir vollkommen.«

Sie lehnte sich zurück und atmete stoßweise, als müßte sie an ihrer Empörung ersticken. Doch dann beherrschte sie sich.

»Soll ich Ihnen etwa noch dankbar sein«, fragte sie spöttelnd, »daß Sie mich nicht auch… geküßt haben?«

Herausfordernd blickte sie ihn an. Olaf schüttelte den Kopf, ehe er erwiderte: »Um Himmels willen, für diesen Zweck sind Sie mir viel zu arrogant.«

Als habe sie ein Schlag getroffen, so zuckte Evelyn zusammen.

»Oh«, stieß sie zornbebend hervor. »Sie… Sie Grobian!«

Mit zusammengepreßten Lippen brachte sie den Motor in Gang und trat so heftig auf das Gaspedal, daß der Wagen mit einem Ruck vorwärts schoß.

»Gute Fahrt«, rief Olaf ihr nach, aber da war er schon in eine Staubwolke gehüllt. Im Aufheulen des Motors war sein Wunsch wahrscheinlich unhörbar geblieben.

*

Ein Weilchen sah Olaf dem sich im beängstigenden Tempo entfernenden Wagen nach, dann schritt er langsam zum Strand zurück.

Wenn sie sich nicht so fürchterlich geschminkt hätte, könnte man sie ein sehr hübsches Mädchen nennen, sann er auf dem Rückweg.

Wie mochte es wohl inzwischen dem von ihr versetzten Freund gehen?

John lag noch immer reglos in der prallen Sonne im Sand. Olaf betrachtete ihn aufmerksam einige Sekunden lang, dann trug er ihn in den Schatten seines Strandkorbes, holte eine Flasche Erfrischungswasser aus der Tasche und begann, dem Fremden damit das Gesicht einzureiben.

»Hallo«, rief er aufmunternd, als John endlich die Augen aufschlug und verwundert um sich blickte. »Wieder auf die schöne Welt zurückgefunden?«

Ein paar Minuten vergingen, während denen John darüber nachzudenken schien, was eigentlich mit ihm geschehen war.

»Wo… wo ist Evelyn?« fragte er schließlich.

»Fort!«

»Fort… wirklich fort?« wiederholte er zerknirscht. Auf das Erlebnis mit Olaf kam er mit keinem Wort zurück. Wahrscheinlich schämte er sich seines unrühmlichen Abschneidens, überlegte Olaf.

Jetzt richtete sich John auf, zog die Beine bis ans Kinn und stützte den Kopf in die Hände.

»Das verzeiht sie mir nie«, meinte er in kläglichem Ton, mehr zu sich selbst.

»Davon bin ich auch überzeugt!« warf Olaf trocken ein.

John sah erstaunt hoch. Jetzt, da nur noch Zerknirschung in seinen Zügen lag, machte er einen durchaus sympathischen Eindruck.

»Sie kennen Evelyn?« fragte er verblüfft.

»Seit etwa einer halben Stunde.«

John atmete erleichtert auf und starrte dann wieder trübsinnig vor sich hin, während Olaf seine Utensilien einzupacken begann. Ihm war für heute die Lust zum Ausruhen vergangen.

Als er alles zusammengetragen und in seinem abseits parkenden Wagen verstaut hatte, blieb er vor John, der noch immer in der gleichen Stellung verharrte, stehen und sagte lächelnd: »Wenn Sie mir für den Kinnhaken von vorhin nicht böse sind, nehme ich Sie in meinem Wagen mit in die Stadt zurück und lade Sie außerdem zum Essen ein.«

John blickte Olaf erstaunt an. Zweifel darüber, ob die Einladung auch ehrlich gemeint war, waren ihm deutlich vom Gesicht zu lesen.

»Ich nehme dankend an«, sagte er nach einigem Zögern ohne sichtliche Freude und schüttelte den Sand von sich. »Eigentlich bin ich ja schon eingeladen, ich weiß nur im Augenblick nicht, bei wem. Mein Gedächtnis muß durch das letzte Ereignis etwas gelitten haben, wie ich eben feststelle.«

Er kramte in seinen Taschen. Schließlich wandte er sich an Olaf, als er das Gesuchte nicht fand.

»Können Sie mir vielleicht einen Spiegel leihen?«

Olaf lachte und reichte ihm das Gewünschte.

John besah sich von allen Seiten, strich über sein Kinn und verzog dabei den Mund.

»Tut verflixt weh, aber sehen kann man nicht viel.« Bewundernd sah er zu Olaf hin. »Einen mächtigen Schlag haben Sie, daß muß Ihnen der Neid lassen. Ich könnte Sie demnächst in unseren Boxklub einführen.«

»Danke«, wehrte Olaf ab und öffnete einladend den Wagenschlag. »Dafür habe ich wenig Interesse. Aber ich bin gern bereit, Ihnen Gelegenheit zu einer Revanche zugeben.«

»Einverstanden«, erwiderte John gelassen und versuchte, seine langen Beine neben Olaf unterzubringen.

»Übrigens – mein Name ist John Underwood. Ich bin meines Vaters jüngster, hoffnungsloser Sprößling, habe noch zwei Brüder, und wir sehen uns alle drei, bis auf die Sommersprossen, die mich auszeichnen, zum Verwechseln ähnlich. Übrigens – Sie gefallen mir«, setzte er freimütig hinzu.

Olaf lächelte.

»Sie mir auch. Nachdem wir uns also beiderseitig sympathisch finden, möchte auch ich Ihnen meinen Namen nicht länger vorenthalten. Ich bin Olaf Bergner – aus Deutschland.«

John streckte dem neuen Freund herzlich die Hand entgegen.

»Willkommen im Land der unbegrenzten Möglichkeiten.«

Olaf warf einen wohlwollenden Blick auf das frische Gesicht seines Begleiters.

»Wenn ich Sie so sanftmütig neben mir sitzen sehe, frage ich mich, womit Evelyn Sie so hat reizen können, daß sie meinte, vor Ihnen Angst haben zu müssen.«

John fuhr sich nervös durch den dichten Haarschopf.

»Erinnern Sie mich bloß nicht an Evelyn«, stöhnte er. »Nun muß ich mir wer weiß wie den Kopf zerbrechen, auf welche Weise ich mich mit ihr wieder versöhnen kann. Und Nachdenken ist meine schwächste Seite.«

»Ihre Sorgen möchte ich haben«, lachte Olaf belustigt.

John schien plötzlich ein reges Mitteilungsbedürfnis zu haben, denn er rückte näher an Olaf heran und fragte ihn: »Finden Sie nicht auch, daß Evelyn erschreckend dickköpfig ist? Mir graut, wenn ich daran denke, daß Evelyn und ich jemals ein…«

»Ach, Sie wollen wohl gar nicht?« Olaf hatte sofort verstanden, was der junge Mann meinte.

Dieser wurde sehr ernst.

»Doch, denn ich liebe Evelyn«, sagte er einfach. »Aber…«

»Nun?« forschte Olaf gespannt, als John zögerte, weiterzureden.

»Sie ist keines guten Rates zugänglich, und ich bin ihr zu ungehobelt.«

»Aha – verstehe. Evelyn verträgt die Wahrheit nicht – als verwöhnte Tochter aus reichem Hause.«

John war sichtlich erstaunt.

»Man könnte beinahe annehmen, Sie hätten ihren Eigensinn bereits zu spüren bekommen.«

»Habe ich auch«, gab Olaf heiter zu. »Ich habe ihr nämlich erklärt, daß sie mir zu arrogant sei und da…«

»… hat sie Ihnen eine runtergehauen, stimmt’s?«

»Nein, so schlimm war es nun gerade nicht. Aber sie hat Gas gegeben und ist wie toll davongerast«, berichtete Olaf.

John machte große Augen.

»Keine Ohrfeige hat sie Ihnen gegeben?« wiederholte er ungläubig. »Dann hat sie in Ihnen ihren Meister gefunden.«

»Darauf lege ich nicht den geringsten Wert…«, meinte Olaf schmunzelnd.

Lautlos rollte das Auto über den Asphalt. Sie näherten sich dem Stadtzentrum, und er mußte seine ganze Aufmerksamkeit auf den Verkehr konzentrieren.

John dagegen döste vor sich hin.

Nach einer Weile brach er das Schweigen: »Mein und Evelyns Vater hatten die ausgefallene Idee, aus uns beiden ein Paar zu machen. Evelyn ist zweifellos das hübscheste Mädchen weit und breit, sie ist auch der beste Kamerad, den man sich wünschen kann, sofern man…«

»… ihr nicht widerspricht«, fiel Olaf ihm ins Wort.

»So ähnlich«, gab John offen zu.

Sie waren indessen am Ziel angelangt, parkten am Straßenrand und betraten, wie zwei alte Bekannte, das elegante Restaurant.

Beim fünften Cocktail hatte John sein Mißgeschick mit Evelyn vollkommen vergessen. Er war so froh und aufgeräumt, daß er Olaf zum Abschied umarmte und ihn feierlich um dessen ewige Freundschaft bat.

»Olaf – du mußt mein Freund werden, schon wegen des Kinnhakens bist du dazu verpflichtet.«

*

Evelyn Hudson stellte den Motor ab, öffnete den Schlag, knallte ihn heftig hinter sich zu und verschwand in einem vielstöckigen Geschäftshaus.

»Zu meinem Vater!« rief sie dem Fahrstuhlführer grußlos zu.

Der Lift surrte in die Höhe.

Evelyns Augen funkelten vor Erregung. Nervös zupfte sie an ihren Handschuhen.

»Wir sind am Ziel.«

Evelyn dankte kurz und schritt den teppichbelegten Gang entlang. Schließlich klopfte sie an eine Tür und trat sofort ein.

»Guten Tag, Pa!«

Percy Hudson hob den Kopf. Ein glückliches Lächeln huschte über sein Gesicht.

»Nanu, Evelyn, ich denke, du bist mit John ins Wochenende gefahren?« wunderte er sich und versuchte, in dem schönen, erregten Gesicht seiner Tochter die Antwort zu lesen.

Evelyn ließ sich auf der Lehne seines Sessels nieder und schlang den Arm um ihn.

»Ich bin ausgekniffen, Pa, weil John mich wieder einmal küssen wollte«, sprudelte sie empört hervor. »Übrigens kannst du es dir ruhig aus dem Kopf schlagen, ich heirate John auf keinen Fall!«

»Wieso?« erwiderte Percy Hudson und tat erstaunt. Dabei griff er gelassen zur Zigarrenkiste, zündete sich umständlich eine Zigarre an und lehnte sich bequem zurück. »Was hat es denn zwischen euch gegeben? Du warst doch erst so begeistert von dieser Wochenendfahrt?«

Evelyn glitt von der Sessellehne und schritt nachdenklich auf dem dicken Teppich hin und her. Am Fenster blieb sie stehen und sah lange sinnend durch die Scheiben.

»John ist ein lieber Kamerad«, erklärte sie endlich, »aber ich glaube, daß zu einer Ehe doch noch viel mehr gehört!«

»So?« fragte Percy Hudson neugierig. »Was denn zum Beispiel?«

Regungslos verharrte Evelyn am Fenster. In Gedanken hörte sie immer wieder die Stimme des fremden Mannes, den ihre Schönheit nicht nur unberührt gelassen, sondern der sich sogar noch über sie lustig gemacht und sich ihr nicht einmal vorgestellt hatte.

»Unverschämtheit«, stieß sie bei dieser Erinnerung wütend hervor und stampfte heftig mit dem Fuß auf.

Das Gelächter des Vaters brachte sie in die Wirklichkeit zurück. Sie starrte ihn verständnislos an.

»Das ist mir neu, Ev, daß Unverschämtheit zu den wichtigsten Bestandteilen einer Ehe gehört.«

»Ach so!« Evelyn errötete und drehte sich hastig wieder dem Fenster zu. Nicht einmal vorgestellt hatte er sich. Sie schürzte die Lippen.

Was interessierte sie auch schließlich der Name dieses Mannes? Was ging er sie überhaupt an?