Nur eine kleine Angestellte - Karin Bucha - E-Book

Nur eine kleine Angestellte E-Book

Karin Bucha

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Beschreibung

Karin Bucha ist eine der erfolgreichsten Volksschriftstellerinnen und hat sich mit ihren ergreifenden Schicksalsromanen in die Herzen von Millionen LeserInnen geschrieben. Dabei stand für diese großartige Schriftstellerin die Sehnsucht nach einer heilen Welt, nach Fürsorge, Kinderglück und Mutterliebe stets im Mittelpunkt. Karin Bucha Classic ist eine spannende, einfühlsame geschilderte Liebesromanserie, die in dieser Art ihresgleichen sucht. Generaldirektor Holgersen greift zu dem Apparat, der ihn direkt mit seiner Wohnung verbindet. »Holgersen«, murmelt er. Er vernimmt die aufgeregte, unangenehm hohe Stimme seiner Schwiegermutter. »Bitte, Hendrik, sei heute pünktlich. Alexandra ist soeben eingetroffen. Sie kommt in der Hauptsache deinetwegen, und ich möchte nicht, daß sie enttäuscht wird.« Die Brauen des Mannes ziehen sich ärgerlich zusammen. »Das kann ich nicht versprechen«, gibt er kühl zurück. »Alexandra reist doch nicht sofort wieder ab. Hier werde ich eher benötigt als zu Hause. Bis heute abend dann.« Er legt auf, ohne eine Antwort abzuwarten. Das könnte dir so passen, denkt er grimmig. Wer lädt denn Alexandra laufend ein? Doch wohl du, meine liebe Schwiegermama, damit ich deine Nichte heirate. Hendrik Holgersens Rechte fährt durch die Luft, als wolle sie unerquickliche Gedanken verscheuchen. Zehn Minuten später klingelt er seine Sekretärin herbei. Statt ihrer erscheint das kleine Fräulein Friedrich.

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Karin Bucha Classic – 69 –

Nur eine kleine Angestellte

Karin Bucha

Generaldirektor Holgersen greift zu dem Apparat, der ihn direkt mit seiner Wohnung verbindet.

»Holgersen«, murmelt er.

Er vernimmt die aufgeregte, unangenehm hohe Stimme seiner Schwiegermutter.

»Bitte, Hendrik, sei heute pünktlich. Alexandra ist soeben eingetroffen. Sie kommt in der Hauptsache deinetwegen, und ich möchte nicht, daß sie enttäuscht wird.«

Die Brauen des Mannes ziehen sich ärgerlich zusammen. »Das kann ich nicht versprechen«, gibt er kühl zurück. »Alexandra reist doch nicht sofort wieder ab. Hier werde ich eher benötigt als zu Hause. Bis heute abend dann.«

Er legt auf, ohne eine Antwort abzuwarten.

Das könnte dir so passen, denkt er grimmig. Wer lädt denn Alexandra laufend ein? Doch wohl du, meine liebe Schwiegermama, damit ich deine Nichte heirate.

Hendrik Holgersens Rechte fährt durch die Luft, als wolle sie unerquickliche Gedanken verscheuchen. Zehn Minuten später klingelt er seine Sekretärin herbei. Statt ihrer erscheint das kleine Fräulein Friedrich.

»Fräulein Ebert ist nicht da, Herr Generaldirektor«, sagt sie leise.

»Danke, es ist gut.«

Verärgert erhebt sich Holgersen. Ausgerechnet heute. Wann je ist sein pflichtbewußtes Fräulein Ebert zu spät gekommen?

Als es klopft, ruft der Generaldirektor mürrisch: »Herein!«

Der Personalchef erscheint.

»Fräulein Ebert hat soeben bei mir anrufen lassen. Sie ist erkrankt und läßt sich entschuldigen, Herr Generaldirektor.«

Holgersen spielt mit einem Bleistift. »Krank?« murmelt er dann. »Heute geht aber auch alles schief. Dabei beginnt in einer Stunde die Konferenz mit den Franzosen.« Er sieht den Personalchef scharf an.

»Hören Sie, Meinert. Sie müssen schleunigst für einen Ersatz sorgen. In einer Stunde beginnt die Konferenz mit den Franzosen. Wenn wir einig werden, können wir vielleicht heute noch die Verträge unterzeichnen.«

Es ist eine unangenehme Art Holgersens, seine Angestellten zeitweise nur mit dem Nachnamen anzusprechen.

»Einen Ersatz, selbstverständlich, natürlich«, stammelt der Personalchef und denkt dabei:

Woher nehmen?

Er zieht sich mit einer knappen Verbeugung zurück, und Holgersen geht hinüber zu dem breiten und bis zum Erdboden reichenden Fenster.

Grübelnd starrt er hinaus. Nichts will mehr klappen. In seinem Haus fühlt er sich nicht wohl, dafür sorgt seine Schwiegermutter, indem sie ihm ständig in den Ohren liegt, er müsse ihre Nichte Alexandra heiraten.

Er schüttelt sich bei dem Gedanken. Seine verstorbene Frau war sehr schön. Alexandra ist es auch. Sie haben viel Ähnlichkeit, auch im Charakter. Schon das allein läßt ihm einen Schauer über den Rücken laufen.

Und nun tauchen auch Schwierigkeiten im Geschäft auf.

Na, hofft er, das wäre doch gelacht, wenn in dem Riesenhaus keine Person wäre, die für meine erkrankte Sekretärin einspringen könnte.

*

Wenig später taucht der Personalchef im Schreibmaschinenzimmer auf. Er geht den Mittelgang entlang und bleibt vor dem vorletzten Schreibmaschinentisch stehen.

»Fräulein von Bergen!«

»Bitte.«

Barbara von Bergen läßt die Hände von den Tasten sinken und sieht erwartungsvoll auf den Personalchef.

»Würden Sie einmal mit mir kommen?« fragte der Mann. Sofort erhebt sie sich und folgt ihm bis in sein Büro. Er lehnt sich gegen seinen Schreibtisch und macht eine Handbewegung zu ihr hin, als Aufforderung, in dem Sessel Platz zu nehmen.

Zögernd läßt Barbara von Bergen sich nieder. Erwartungsvoll sieht sie zu Horst Meinert auf.

»Fräulein von Bergen«, beginnt der Mann und betrachtet sie mit einem faszinierten Blick. Er hat gar nicht gewußt, daß diese Barbara eine ausgesprochene Schönheit ist.

Gleich ruft er sich zur Ordnung und spricht weiter.

»Die Chefsekretärin, Fräulein Ebert, ist erkrankt, und Generaldirektor Holgersen ist arg in Verlegenheit. Eine sehr wichtige Konferenz steht bevor. Es müssen Protokolle geführt und Verträge ausgearbeitet werden. Wagen Sie sich an diese Aufgabe heran? Sie sprechen doch perfekt Französisch?«

Sie lächelt leicht und nickt. »Allerdings, unter anderem.«

»Ich weiß aus den Personalakten, daß Sie mehrere Fremdsprachen beherrschen. Eigentlich sitzen Sie am verkehrten Platz und gehörten in die Auslandsabteilung.«

Sie zuckt kurz mit den Schultern. »Ich bin mit meiner Arbeit zufrieden.« Dann richtet sie sich etwas auf. »Ich traue mir ohne weiteres zu, die Chefsekretärin zu vertreten.«

Es klingt bestimmt, aber durchaus nicht überheblich.

Er freut sich sichtlich über ihre Antwort, und ihm ist, als würde ein Druck von ihm weichen.

»In einer Stunde erwartet Sie Generaldirektor Holgersen. Ich bringe Sie selbst zum Chef.«

Damit ist sie entlassen. Mit einem kurzen Neigen des schönen Kopfes verläßt sie den Raum.

*

Pünktlich holt der Personalchef Barbara ab und bringt sie hinüber in das »Allerheiligste«. Kaum hat sie den weitläufigen, elegant ausgestatteten Raum mit dem riesigen Schreibtisch betreten, beginnt ihr das Herz bis zum Hals herauf zu klopfen.

Hinter dem Schreibtisch erhebt sich eine hohe Gestalt, und sie sieht mitten hinein in ein Paar zwingende helle Augen.

Horst Meinert übernimmt die Vorstellung, und Holgersen macht eine knappe Verbeugung.

In seiner imposanten Größe wirkt er einschüchternd auf die zierliche Barbara. Da er ihr die Hand nicht reicht, unterläßt auch sie es.

Mit einer Handbewegung entläßt Holgersen den Personalchef, dann wendet er sich Barbara zu. Seine Stimme klingt kühl und sachlich.

»Es tut mir leid, daß ich Sie vorher nicht genügend instruieren kann. Die Zeit ist zu knapp. Da Sie jedoch bei den Verhandlungen zugegen sind, um das Protokoll zu führen, hoffe ich, daß Sie sich schnell in die Materie hineinfinden.«

Mit groß aufgeschlagenen, ernsten Augen und sehr gesammelt folgt Barbara aufmerksam seinen noch folgenden Erklärungen.

»So, das ist zunächst alles, was Sie wissen müssen. Ich brauche Ihnen wohl nicht besonders zu erklären, daß Sie alles streng vertraulich behandeln müssen.«

»Das ist mir klar«, erwidert sie und bestätigt es noch durch ein Nicken.

*

Hinter dem Konferenztisch zwischen den beiden tiefen Fenstern findet sie ihren Arbeitstisch. Alles liegt parat, Schreibmaschine, Papier und Stenogrammblock. Sie findet sich schnell zurecht und ist voller Erwartung.

Zehn Minuten später treffen die Franzosen ein, mit ihnen noch zwei ältere Herren von der Geschäftsleitung.

Man spricht ausschließlich Französisch, und Barbara bewundert den Generaldirektor, wie elegant er die Sprache beherrscht.

Zu dem jungen Mädchen hinter der Schreibmaschine verneigt man sich kurz, und dann beginnen die Besprechungen.

Auf einen Wink Holgersens hin schreibt Barbara fleißig mit, und sie freut sich, daß sie alles mitbekommt.

Sie reden sich heiße Köpfe und rauchen viel. Von Zeit zu Zeit lassen sie sich von dem alten Bürodiener Bertram die Gläser mit dem guten französischen Kognak vollgießen.

Vor Eifer haben sich Barbaras Wangen rosig gefärbt. Die Franzosen sind zäh, aber Holgersen ist ein gleichwertiger Partner. Auf der einen Seite macht er Zugeständnisse, auf der anderen Seite setzt er seinen Willen durch.

Zu einer völligen Einigung kommt man noch nicht. Holgersen ist die Ruhe selbst, während sich bei den Franzosen nervöse Anspannung zeigt.

Schließlich schlägt Henry Dumont, einer der drei Herren vor, eine Pause eintreten zu lassen. Er lädt die Herren zum Essen in das »Ritz« ein, was sofort angenommen wird.

Barbara von Bergen blättert in ihrem Protokoll, als Henry Dumont vor ihr auftaucht. Er fragt liebenswürdig:

»Darf ich Mademoiselle ebenfalls einladen?«

Barbara ist von dieser Einladung so überrascht, daß sie einen hilflosen Blick hinüber zu dem Generaldirektor wirft.

Aus den Augenwinkeln hat er bemerkt, wie Monsieur Dumont zu Barbara geht, und er hört auch, daß er sie um ihr Mitkommen bittet. Als er Barbaras Augen mit diesem fragenden Blick auf sich gerichtet sieht, nickt er kaum merklich Zustimmung.

Er unterbricht sein Gespräch und kommt zu ihnen.

»Natürlich kommt Fräulein von Bergen mit.« Jetzt spricht er direkt zu Barbara. »Sie werden sich sicher umkleiden wollen. Mein Chauffeur wird Sie heimfahren und zum ›Ritz Hotel‹ bringen.«

»Danke«, stammelt sie verwirrt. Holgersen bestellt durch den Hausapparat seinen Fahrer vor das Hauptportal.

Barbara fegt förmlich den Flur entlang, reißt die Handtasche und Kostümjacke aus dem Schrank und hetzt die Treppen hinunter. Sie denkt gar nicht daran, daß es auch einen Lift gibt.

Heute ist wirklich ein Glückstag.

*

Generaldirektor Holgersen sitzt mit seinen Gästen in der Halle des vornehmen »Ritz« bei einem Drink. Man wartet auf das reizende Mädchen Barbara von Bergen.

Endlich kommt sie durch die Drehtür und geht ein paar Schritte in die Halle hinein, sich aufmerksam umsehend.

Da hat der Franzose Dumont sie schon erspäht. Er springt auf und geht ihr eilig entgegen. Seine dunklen Augen leuchten auf. Er hatte sie schon in den Vormittagsstunden öfter betrachtet und sie reizend gefunden. Was er aber jetzt sieht, ist eine berückend schöne Frau. Das rabenschwarze Haar trägt sie bis auf die Schultern hängend. Es umrahmt ein zartes Gesicht mit rätselhaft leuchtenden Blauaugen. Der schöngeschwungene Mund ist leicht geöffnet und läßt perlengleiche Zähne ahnen.

Sie trägt ein apartes Spitzenkleid in der Farbe ihrer Augen, und als einzigen Schmuck eine einreihige Perlenkette. Über dem Arm hat sie einen leichten Seidenmantel, den ihr Dumont abnimmt und einem der Pagen übergibt.

»Sie sehen bezaubernd aus, Mademoiselle«, sagt er gepreßt, weil ihr Anblick ihm fast den Atem raubt. Er nimmt einfach ihren Arm und führt sie an den Tisch der wartenden Herren, die sich von ihren Plätzen erheben.

»Entschuldigen Sie mich einen Augenblick, bitte«, sagt Holgersen zu den Herren und geht auf seinen Fahrer zu, der eben in der Halle auftaucht. Er gibt ihm einige Instruktionen und verabschiedet ihn dann.

Gemeinsam suchen sie den Speisesaal auf, wo für sie ein Tisch reserviert und festlich gedeckt ist. Alles hat Henry Dumont arrangiert.

Mit Barbara am Arm betritt er auch als erster den eleganten Speisesaal.

*

Ein vorzügliches Mahl wird serviert. Barbaras Augen strahlen wie die eines beschenkten Kindes.

Hin und wieder gleitet ein Seitenblick Holgersens zu ihr hin. Er stellt fest, daß ein eigener Zauber von ihr ausgeht und ärgert sich gleichzeitig über seine Gedanken.

Seit wann beschäftigt er sich mit einer Frau?

Er ist irgendwie beunruhigt, und plötzlich muß er innerlich lächeln. Er denkt an seine gute alte Ebert, seine jahrelange Mitarbeiterin, die hatte ihm nie Rätsel aufgegeben, auch nie beunruhigt. Sie war für ihn ein lebendes Stück Inventar des Konzerns, diensteifrig, fleißig und treu. Er ärgert sich auch darüber, daß sie ausgerechnet heute hatte krank werden müssen. Nie war es einem seiner Besucher, ob nun Geschäftspartner oder andere Leute, eingefallen, die zwar enorm tüchtige, aber unansehnliche Florentine Ebert einzuladen. Und dieses zierliche Mädchen war erst ein paar Stunden in seiner Umgebung und hatte das Wunder fertiggebracht.

Wie angeregt die Franzosen sich mit Barbara von Bergen unterhalten, die ganz unbefangen und ohne jede Spur von Koketterie, lebhaft und witzig auf die Gespräche eingeht.

Plötzlich sehnt Holgersen sich zurück in die Stille seines Arbeitszimmers, jedoch die Franzosen denken nicht daran, wieder zurückzufahren. Im Gegenteil, Henry Dumont macht den Vorschlag, die Verträge am nächsten Vormittag zu unterzeichnen.

»Wollen wir nicht den Rest des Tages zusammenbleiben? Wir haben Zeit mitgebracht, Monsieur«, wendete er sich an Holgersen.

Sekundenlang denkt der Generaldirektor an sein prachtvolles Haus, das ihm im Augenblick durch einen unerwünschen Besuch geradezu verleidet ist. Das gibt den Ausschlag.

»Gewiß, Monsieur Dumont, damit bin ich einverstanden. Aber ich schlage vor, dann zum ›Waldorf-Astoria‹ zu fahren. Man hat die Bar exklusiv umgebaut. Sie hätten auch Gelegenheit, zu tanzen. Selbstverständlich sind Sie meine Gäste, auch zum Abendessen.«

Henry Dumont macht eine kleine dankende Verbeugung. Auch die Direktoren Elsner und Freimann erklären sich bereit. Die Begleitung Dumonts stimmt begeistert zu.

Dieses Dreigespann, so geschäftstüchtig es ist, scheint stets zum Feiern bereit. Sie befinden sich in glänzender Stimmung.

Holgersen winkt einen der Kellner zu sich. Er ist bekannt hier.

»Sagen Sie bitte meinem Chauffeur Riedel Bescheid, er möchte den Wagen vorfahren. Er hält sich in der ›Bierschwemme‹ auf.«

»Sehr wohl, Herr Generaldirektor.«

*

Die Franzosen sind im eigenen Wagen gekommen, der auf dem Parkplatz steht. Man macht sich zum Aufbruch fertig und verläßt das Hotel. Riedel steht neben dem großen schweren Mercedes vor dem Eingang. Zuvorkommend ist er Barbara von Bergen beim Einsteigen behilflich, und die Wagen setzen sich in Bewegung.

In bester Stimmung fährt man vor dem »Waldorf-Astoria« vor.

Barbara kommt sich zwischen den sechs Herren wie verloren vor. Dumont hatte schon im »Ritz« protestiert, als Barbara sich verabschieden wollte.

Holgersen ahnt, daß Barbara von Bergen Monsieur Dumont im Augenblick wichtiger ist als alle Verträge.

Einmal sieht Barbara zufällig zu Holgersen, dessen Blick ins Leere geht, und überlegt, woran er wohl denken mag. Zu gern hätte sie gewußt, welche Gedanken sich hinter dieser klugen Stirn verbergen.

Die Bar war wirklich zu einem selten schönen, harmonischen Raum umgebaut worden.

Eine gute Band spielt einschmeichelnde Weisen.

Henry Dumont hebt Barbara auf einen der hohen Hocker. Die Herren nehmen ebenfalls Platz.

Holgersen bestellt zunächst, nachdem er Zustimmung eingeholt hat, Champagnerdrinks.

Lächelnd wendet sich Dumont an Holgersen, indem er sein Glas hebt.

»Auf eine gute Zusammenarbeit, Monsieur Holgersen.« Er zwinkert etwas mit den Augen. »Die Unterzeichnung der Verträge ist nunmehr bloß noch Formsache.«

Holgersen gibt ihm Bescheid und weiß, morgen würde es keine Schwierigkeiten mehr geben. Seine Haltung wird etwas gelöster.

Dumont fordert Barbara zu einem Tango auf, und sie folgt ihm auf die Tanzfläche.

Die Zurückbleibenden beobachten das Paar und lächeln.

Es ist ganz offensichtlich: der elegante und charmante Franzose interessiert sich auffällig für Barbara. Nun ja, sie müssen zugeben, sie ist eine Augenweide, auch für den verwöhntesten Geschmack.

»Gefällt es Ihnen, Mademoiselle?« erkundigt Dumont sich und sucht den Blick ihrer strahlenden Augen. Sie kann sich noch wie ein Kind freuen, denkt er dabei.

»O ja, es ist wunderbar!« flüstert Barbara. Leicht wie eine Feder liegt sie in seinen Armen.

*

Direktor Elsner neigt sich etwas zu Holgersen.

»Wo haben Sie nur dieses zauberhafte Mädchen aufgetrieben?«

»Die hat mir unser Personalchef als Ersatz geschickt. Meine Sekretärin ist erkrankt.«

Es ist, als läge in seiner Stimme kühle Abwehr.

Elsner forscht weiter.

»Sagen Sie bloß, daß dieses Fräulein von Bergen schon immer in unserem Konzern gearbeitet hat.«

Holgersen nickt.

»So ist es, Elsner. Sie hat bis heute im Schreibsaal gesessen.«

»Soso«, macht Elsner nachdenklich. Dann sprechen sie von anderen Dingen. Es ist Holgersen irgendwie unangenehm, über diese Aushilfe Auskunft geben zu müssen.

»Sie tanzen großartig«, sagt Dumont zu Barbara, als er sie auf den Barstuhl heben will. Er kommt jedoch nicht dazu.

Jeder will nun mit ihr tanzen. So wandert sie von einem Arm in den anderen. Nur Holgersen hält sich zurück.

Es kommen neue Drinks und man prostet sich zu. Es herrscht wirklich eine ausgezeichnete Stimmung. Man freut sich aufrichtig, durch die sehr wichtigen Partner zu ein paar Stunden der Erholung und Entspannung gekommen zu sein.

Eigentlich müßte ich auch mit ihr tanzen, überlegt Holgersen. Barbara sitzt zwischen ihm und Dumont. Er bemerkt, daß sie etwas erschöpft aussieht.

»Sie sehen müde aus, Fräulein von Bergen. Wollen wir diesen Tanz lieber verplaudern?«

Barbara fährt sich mit der schmalen, gepflegten Hand über die Stirn. Sie ist wie berauscht und nickt sofort heftig.

»Ja, gern. Ich bin das nicht gewohnt, so viel zu trinken und zu tanzen.«

»Wie wäre es«, spricht Holgersen nun die Herren an, »wenn wir uns den netten Ecktisch reservieren lassen und dort das Abendessen einnehmen? Oder wollen wir in den Speisesaal nach oben gehen?«

Sie waren alle dafür, hierzubleiben.

»Es ist wundervoll gemütlich hier. Bleiben wir hier«, entschied man sich.

Später tanzt Barbara doch wieder. Egon Clemenc schwebt mit ihr davon, und Dumont beugt sich etwas zu Holgersen.

»Dieses Mädchen ist so bezaubernd. Es gehört nicht hierher. Es gehört nach Paris«, flüstert er, von den anderen ungehört.

»Möchten Sie sie mitnehmen?« gibt Holgersen etwas spöttisch zurück. »Sie haben sich schnell engagiert. Sie haben einen guten Geschmack, Monsieur.«

»Würden Sie sie denn freigeben?« Dumont war verblüfft.

Holgersen hebt etwas die Schultern. »Sie arbeitet erst seit heute aushilfsweise bei mir. Ich kenne sie fast gar nicht und kenne auch ihre Verhältnisse nicht, in denen sie lebt. Sie wird nur so lange bei mir im Vorzimmer sitzen, bis meine Sekretärin wieder gesund ist.«

»Ich werde sie morgen fragen«, erklärt Henry Dumont, und er schickt einen Blick hinter Barbara her, als wäre sie bereits sein Eigentum.

Ärger steigt in Holgersen empor. Es gefällt ihm nicht, daß dieses Fräulein von Bergen so sehr zum Mittelpunkt geworen ist.

Eine abweisende Antwort liegt ihm auf der Zunge, die er aber zurückhält. Hastig trinkt er sein Glas leer, als müsse er etwas hinunterspülen.

*