Karrierekiller! - Nandine Meyden - E-Book

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Nandine Meyden

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Beschreibung

Weshalb liegt die letzte Beförderung schon lange zurück? Warum habe ich den Job nicht bekommen? Warum verdiene ich so wenig? Wenn im Job etwas schiefgeht, sind wir oft ratlos. Nandine Meyden deckt auf, welche "Kleinigkeiten" zu Karrierekillern werden können. Denn scheinbar nebensächliche Fehler wiegen bei Vorgesetzten, Kollegen und Geschäftspartnern oft schwerer, als Sie denken. Schon das falsche Sakko, unpassende Grußformeln oder ein schlechter Witz können eine Zusammenarbeit gefährden und Ihrer Karriere einen Knick verpassen. Andere Karriereratgeber sagen Ihnen, was Sie zu tun haben. Hier erfahren Sie, was Sie besser lassen sollten.

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Nandine Meyden

Karrierekiller!

Versteckte Fallen auf dem Weg nach oben

Die Angaben und Ratschläge in diesem Buch sind von Autorin und Verlag sorgfältig erwogen und geprüft; dennoch kann eine Garantie nicht übernommen werden. Eine Haftung der Autorin bzw. des Verlags und seiner Beauftragten für Personen-, Sach- und Vermögensschäden ist ausgeschlossen.

Alle Rechte vorbehalten. Unbefugte Nutzungen, wie

etwa Vervielfältigung, Verbreitung, Speicherung oder

Übertragung können zivil- oder strafrechtlich

verfolgt werden.

Econ ist ein Verlag der Ullstein Buchverlage GmbH

ISBN 978-3-8437-0090-0

© Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2011

Alle Rechte vorbehalten

Illustrationen: © Henning Studte

Satz und eBook:

Inhaltsverzeichnis

Killer, Bremser, Stolpersteine. Eine Einleitung

Der größte aller Karrierekiller

I. Karrierekiller Äußeres

1. Gleich und gleich gesellt sich gern?

2. Quod licet Iovi …

3. Peepshow?

4. The Panther

5. Löchrige Sache

6. Eingeprägt

7. Der Knallvogel

8. Zutritt verboten

9. Die Kehrseite

10. Forever in Bluejeans

II. Karrierekiller Essen

1. Das klug gewählte Restaurant

2. Die fehlende Reklamation

3. Vorsicht Servicetester!

4. Das Suppenkasper-Syndrom

5. Ich bin dann mal weg

6. Sich selber die Suppe versalzen

7. Zum Wohl!

8. Der Platz am Rand

9. Kleine Fehler ganz groß

10. Gast und Gastgeber in Vollendung

III. Karrierekiller Kommunikation

1. Unterschätzt?

2. Mein Hobby: Lesen

3. Die Nudel auf der Oberlippe

4. »Frauensachen«

5. Im Doppelpack

6. Lästern tut gut?

7. Strikte Trennung erwünscht

8. Mehr als traurig

9. Hast du mal ’nen Job für mich?

10. Immer schön der Reihe nach

IV. Karrierekiller Formsachen

1. Die lieben Kollegen

2. Frau Freifrau

3. Ehre, wem Ehre gebührt?

4. Öffentliche Empörung

5. »Ich muss nur noch eben …«

6. Behandschuht

7. Das erste Mal

8. Die Dame des Hauses

9. E-Mail für Sie

10. Die Stockwerkfrage

V. Karrierekiller Flirts – und andere »Kleinigkeiten«

1. Die Affäre

2. Prominentes Beispiel

3. Zeigt her eure Füße?

4. Schlimme Finger

5. Verwechselt

6. Drei auf einen Streich

7. Da war dann alles vorbei

8. On the Road

Zum Schluss: Ein letzter Karrierekiller

Literatur

Register

Killer, Bremser, Stolpersteine. Eine Einleitung

Kann etwas, das noch harmloser als ein Kavaliersdelikt ist und keine fachliche Verfehlung oder Inkompetenz darstellt, eine Karriere bremsen oder gar stoppen? Die Antwort ist eindeutig: Ja, kann es. Auch wenn das verwundern mag in Zeiten, in denen selbst eine abgeschriebene Doktorarbeit und sogar die Leugnung dieser objektiv feststellbaren Tat von einem Großteil der Bevölkerung als vernachlässigbare Petitesse gesehen werden, die keinen Einfluss auf den Job haben sollte. Und doch ist es so: In vielen Situationen werden einem auch kleinste Verfehlungen spürbar krummgenommen – und plötzlich sind alle beruflichen Pläne über den Haufen geworfen.

So unglaublich es klingen mag: Manche Menschen sind fachlich und in den meisten Bereichen ihrer sozialen Kompetenz hervorragend; was ihr Auftreten und die Wirkung auf neue Kontakte betrifft, sind sie hingegen eine Art Problembär. Auf diese Weise verbauen sie sich wichtige Wege, die sie in der beruflichen Laufbahn voranbringen könnten. Andere indes könnte man als »Anzug ohne Inhalt« bezeichnen. Diese Menschen kommen hervorragend durchs Leben. Sie glänzen zwar mehr durch ihren Auftritt als durch ihre Leistung, doch ihr Glanz besticht, die anderen stehen geblendet, nehmen keine Details mehr wahr, und Konkurrenten werden einfach überstrahlt.

Wer zu den seltenen im Auftritt besonders begabten Menschen gehört, die mit persönlicher Ausstrahlung, Rhetorik, Charme und gutem Aussehen nahezu jede Runde begeistern, der wird auch nicht über die hier gesammelten Karrierekiller stolpern. Wer sich jedoch in diesen Bereichen eher normal ausgestattet fühlt, für den kann eben auch ein Handschlag in falscher Reihenfolge Konsequenzen haben, mit der Folge, dass er sich nicht nur die Show, sondern auch den Job oder den Auftrag von den Blendern stehlen lassen muss. Das Leben ist eben ungerecht.

Überlegen Sie bitte selbst: Haben Sie, als Sie einmal nach einem passenden Veranstaltungsort (zum Beispiel für Ihre Hochzeit) gesucht haben, einem Restaurant eine Absage mit den Worten erteilt: »Ich mag die Art nicht, wie Sie mit Ihrem Personal umgehen. Deshalb speisen wir lieber woanders.«? Vermutlich nicht. Die wenigsten Menschen machen so etwas. Man sagt lieber: »Oh, wir haben uns nun doch für ein französisches Lokal entschieden; wissen Sie, die Schwiegermutter hat es nicht so mit der schwäbischen Küche …« – auch wenn das völliger Unsinn ist. Aber eine solche Erklärung ist halt nicht nur bequemer, sondern auch sozial akzeptierter.

So kommt es zu den berühmten »blinden Flecken«: Vielleicht gibt es an mir etwas, das viele stört, doch solange niemand etwas dazu sagt, bleibe ich in der Rolle des unwissenden »Fettnapf-Treters«. Weil ich das Problem selbst nicht erkennen kann, nimmt mir die fehlende Kritik von außen die Möglichkeit, mich zu entwickeln. Ich verharre in meinem Verhalten und schade mir somit stets aufs Neue.

Menschen, die in der Öffentlichkeit stehen, ergeht es da anders. Sie bekommen Feedback zu allen möglichen Dingen, ob sie wollen oder nicht. Jeder weiß, welche Schelte unsere Politiker durch ihr unpassendes Outfit oft bekommen. Sicher, mit Ausnahme von Frau Pauli hat dies meines Wissens noch keine Karriere beendet, doch es ist natürlich unnötig und ärgerlich, wenn man sich als Betroffener in den Medien nicht etwa mit den Inhalten seiner Arbeit, sondern mit der Wahl seiner Kleidung auseinandersetzen muss. So erging es der Bundeskanzlerin vor ein paar Jahren bei der Frage, ob ihr Ausschnitt zu tief sei, oder dem Regierenden Bürgermeister von Berlin, der international Kritik erntete, da er in einem zu hellen Anzug bei einem offiziellen Anlass in Korea erschienen war. Auch Josef Ackermann, dem Chef der Deutschen Bank, wurden nicht nur der eine oder andere inhaltliche Fehler nachgetragen, sondern vor allem seine zur unpassendsten Gelegenheit gezeigte Victory-Geste, die von den Medien genüsslich verbreitet und kommentiert wurde.

Prominente erhalten ein deutliches öffentliches Feedback zu »Kleinigkeiten« wie diesen – ein Feedback, das die meisten Menschen jedoch nicht bekommen. Wir können alle nur davon lernen: worauf andere Menschen achten, wie bestimmte Dinge interpretiert werden und wie man unnötige Fehler vermeidet und sich aufs Wesentliche konzentriert. Von den wenigen Gegenbeispielen, bei denen selbst ein großer Fauxpas keine Konsequenzen hatte, sollte man sich nicht in Sicherheit wiegen lassen.

In einigen Geschichten dieses Buches werden Sie ganz klassische Etikette-Fehler finden und sehen, dass zum Beispiel durch die Nichtbeachtung einer protokollarischen Reihenfolge – die etwa vorschreibt, wer wem zuerst die Hand gibt – größerer Schaden angerichtet werden kann, als man denkt. Es gibt aber auch Geschichten, die über die klassische Etikette hinausgehen und erzählen, wie durch Fehler in der Kommunikation, in der Selbstdarstellung oder einfach durch einen blinden Fleck im Selbstbild eine Karriere unnötig erschwert wurde. Sie werden die Geschichten von unbekannten Menschen, Freiberuflern, Angestellten und Studenten ebenso kennenlernen wie jene von Prominenten, denen nicht allein politische oder strategische Entscheidungen, sondern auch Fehler in ihren Umgangsformen zum Verhängnis wurden, die ihnen trotz aller Berater unterliefen.

Nichts von dem, was hier vorkommt, ist besonders ungewöhnlich oder exotisch. Ich habe sorgfältig darauf geachtet, nur Anekdoten auszuwählen, die mir in meiner Laufbahn so oder so ähnlich oft begegnet sind. Jede Story steht somit stellvertretend für ein Phänomen, das tagtäglich in den Büros unseres Landes zu finden ist. Sicher, bei manchem Ereignis war der Fehltritt nicht der alleinige Grund für die ausgebremste Karriere, aber er war in jedem Fall eines der Details, die sich in ihrer Summe fatal auswirkten.

Der größte aller Karrierekiller

Es gibt vieles, was man tun, und ebenso vieles, was man lieber lassen sollte, wenn man Karriere machen möchte. Manche Hindernisse sind offensichtlich, wie permanente Unzuverlässigkeit oder wenn man sich beim Mitnehmen eines Radiergummis oder eines Pfandbons erwischen lässt. Ein Doktorgrad ist hilfreich, eine erschummelte Doktorarbeit hingegen hat schon manch vielversprechende Karriere gestoppt. All das bedarf keiner weiteren Erklärung.

Der größte aller Killer findet sich freilich in fast jedem der folgenden Fallbeispiele als Subtext wieder und ist damit elementar: Die größte Falle, die immer und überall lauert, ist, dass man die versteckten Codes nicht erkennt oder nicht gebührend ernst nimmt. Jede Kultur der Welt hat eigene geschriebene und ungeschriebene Regeln, die die in ihr lebenden Menschen meist völlig unreflektiert einhalten, weil »man das halt so macht«. Genauso findet sich auch in jeder Branche und innerhalb der Branche in jedem Unternehmen eine eigene Kultur mit definierten Regeln. In großen Unternehmen kann es sogar unterschiedliche Spielregeln je nach Standort oder Abteilung geben.

Ich kenne beispielsweise eine Unternehmensberaterin, die sich auf die Beratung von Firmen im Film- und Fernsehbereich spezialisiert hat. Sie hat kein Büro und arbeitet nur mit dem Laptop, sie hat auch keine Festnetznummer, sondern nur ein Handy. Das stört in dieser Branche niemanden, ebenso wenig wie ihre extravaganten Schuhe oder ihr mehr als individuelles Outfit. Sie ist gut gebucht und genießt einen hervorragenden Ruf. Von Unternehmensberatern, die in anderen Branchen tätig sind, weiß ich freilich, dass für deren Kunden Dinge wie eine repräsentative Büroadresse und eine Festnetznummer, an der eine Sekretärin sitzt, Kernmerkmale von Seriosität sind und schon Kleinigkeiten wie ungeputzte oder einfach nur zu modische Schuhe manchen potentiellen Auftraggeber verscheucht haben. Hier ändert sich der Code, das Erkennungsmerkmal von Seriosität, also innerhalb einer Branche. Er ändert sich deshalb, weil das jeweilige Zielpublikum, das angesprochen werden soll, seinerseits aus ganz verschiedenen Branchen kommt.

Sich in diesen unterschiedlichen Gegebenheiten souverän zu bewegen ist die eigentliche Kunst. In Zukunft wird sie in einer Karriere immer mehr Gewicht bekommen, denn immer weniger Menschen bleiben heute ein Berufsleben lang innerhalb einer Branche, geschweige denn innerhalb einer Firma oder einer Stadt. Um diese Wechsel zwischen Hierarchieebenen sowie zwischen Firmen, Branchen, Städten und Ländern stolperfrei zu meistern, braucht es große soziale Kompetenz. Denn vieles, was über Jahre hinweg ein Erfolgsrezept im Umgang mit Mitarbeitern, Kollegen, Vorgesetzten, Kunden, Kooperationspartnern und Zulieferern war, funktioniert andernorts plötzlich nicht mehr.

Von Paul Watzlawick, einem der Begründer der modernen Kommunikationsforschung, wissen wir: Die Botschaft einer Nachricht bestimmt immer der Empfänger dieser Nachricht, nicht der Sender. Es reicht also nicht, die eigenen Aussagen und das eigene Verhalten zu beurteilen, der Schlüssel ist vielmehr, wie das, was ich sage und tue, ankommt und verstanden wird. Der Empfänger »macht« die Kommunikation.

Es mag früher leichter gewesen sein, einzuschätzen, wie der andere eine Aussage auffassen wird, da wir viel mehr innerhalb einer bestimmten Branche und gesellschaftlichen Schicht kommunizierten. Durch die Internationalisierung der Firmen und ständige Ausdifferenzierung der Gesellschaft in immer mehr Subkulturen sind die Strukturen und Codes jedoch unüberschaubarer geworden. Wer beruflichen Erfolg will, muss sie stetig dechiffrieren können.

Doch Vorsicht: Wer sich nur danach richtet, was die Erwartungshaltungen, Vorstellungen, Werte und Wünsche der anderen sein könnten, gerät rasch in die Versuchung, so zu handeln wie die meisten Fernsehsender, die heutzutage nur blind nach der Quote heischen und dabei diejenigen Zuschauer verprellen, die sich davon nicht angesprochen fühlen, weil das Niveau des Programms auf die Stufe von Einheitsbrei sinkt. Es geht also nicht um eine unkritische Anpassung an die Erwartungen des Umfelds, sondern um ein besseres Wissen darum, wie etwas auf andere wirkt. Nur dann ist man frei in seinen Entscheidungen und hat echte Wahlmöglichkeiten. Wer sein Fähnchen nur nach dem Wind hängt und sich unkritisch jeder Erwartungshaltung, die der jeweilige Zeitgeist gerade vorgibt, beugt, mag zwar kurzfristig zum »Mr. Umfragewert« werden, mit Authentizität hat das aber ebenso wenig zu tun wie mit langfristigem Erfolg. Der hat, wie die Markenforschung beweist, immer etwas mit Stetigkeit, also Dauerhaftigkeit und Verlässlichkeit, zu tun. Eine Reihe von Beispielen, die illustrieren, wie diese ungeschriebenen Codes aussehen können und was passiert, wenn wir sie missachten, finden Sie in den folgenden Kapiteln.

Doch nur die Geschichten zu lesen und sich dabei ein wenig zu gruseln oder zu amüsieren, reicht nicht, um Karrierekiller in der eigenen Laufbahn komplett auszuschließen. Vor allem möchte ich Ihren Blick schärfen: für Kriterien, die anderen wichtig sein können, und für Kleinigkeiten, die bestimmte Werte repräsentieren. Denn erst dann können Sie Ihr Umfeld selbst analysieren.

I. Karrierekiller Äußeres

1. Gleich und gleich gesellt sich gern?

Es gehört zur sozialen Kompetenz, wahrzunehmen, wie sich die Menschen in meinem Arbeitsumfeld verhalten und kleiden, und daraus die richtigen Schlüsse zu ziehen. Vielen Menschen fehlt es aber an einer differenzierten Beobachtungsgabe, so dass sie nur zu dem Schluss kommen, dass der andere »natürlich einen Anzug« trägt oder »halt ordentlich« aussieht, und die äußere Erscheinung eines Menschen kaum detaillierter deuten können. Doch selbst wenn diese Beobachtungsgabe vorhanden ist, führt sie nicht immer zu den richtigen Schlüssen, wie folgende Geschichte zeigt.

Im Süden Deutschlands gibt es ein größeres mittelständisches Unternehmen, das im weitesten Sinn mit Druckerzeugnissen zu tun hat. Es ist ein recht traditionelles Haus mit wenig Fluktuation unter den Mitarbeitern.

Keiner weiß mehr, wann und wie genau es begonnen hat, doch seit vielen Jahren trägt die Firmenleitung fast ausschließlich Hermès-Krawatten. Natürlich dreht niemand von ihnen die Schlipse um und deutet auf das Firmenschild, doch wer sich nur ein wenig mit Krawatten auskennt, wird sie wohl fast immer erkennen. Nicht alle, aber doch viele weisen eine ganz spezifische Art des Musters auf, das zwischen all den anderen Krawatten durch seine Feinheit auffällt. In der Firma unserer Geschichte jedenfalls scheint es eine Vorliebe für ein Krawattendesign zu geben, das aus einem Repetiermuster von kleinen Tieren oder einem Paisleymuster besteht.

Ein Teil der Mitarbeiter beobachtet die Entwicklung mit Amüsement, den Beteiligten selbst scheint es nicht bewusst zu sein: Die Firmenleitung sieht ein wenig aus wie ein Club, dessen Mitglieder sich an den Krawatten erkennen. Das allein wäre nicht weiter schlimm. Prekär wird es aber, wenn man eine Etage tiefer geht und sich anschaut, wie dieses Verhalten auf andere Männer im Haus abfärbt. So ist selbst auf den Fotos der Homepage und in den Firmenprospekten deutlich zu erkennen, dass ein großer Teil der Ebene unterhalb der Geschäftsführung sehr ähnliche Krawatten trägt. Anders als bei der Masse der deutschen Männer und auch anders als in allen anderen Unternehmen werden hier also durchwegs weder Krawatten in Uni, noch mit Streifen und auch nicht mit Punkten getragen, sondern nur Exemplare, die die berühmten und wirklich sehr teuren Vorbilder nachahmen.

Das hat sich im ganzen Haus herumgesprochen; bis in die unterste Abteilung amüsiert man sich prächtig darüber. Die Betroffenen jedoch ahnen offenbar nicht das Geringste davon.

Ich habe einige Seminare in jenem Haus abgehalten und auch die Geschäftsleitung zu verschiedenen Dingen des Auftretens und der Repräsentation beraten. Irgendwann kam ich auch auf die nachgeahmten Krawattendesigns und das Gemunkel im Unternehmen zu sprechen. Zu meinem großen Erstaunen erntete ich große Heiterkeit in der Leitungsrunde. »Ja, ja, das sehen wir schon auch«, hieß es bei den Herren, »da würden halt einige auch gerne hier oben sitzen, und da sägt so manch einer still und leise an unserem Stuhl. Auf die Möchtegerns haben wir ein besonders wachsames Auge. Wir halten sie schon an der kurzen Leine.«

Generell gilt das Prinzip, dass man sich im Beruf nicht nur so kleiden sollte, wie alle anderen Kollegen es tun, sondern dass man sich in Zweifelsfragen eher daran orientieren sollte, wie sich die Mitarbeiter eine Hierarchiestufe höher zeigen. Das bedeutet allerdings keineswegs, sich einer einzelne Person herauszupicken und sie zu kopieren – vor allem der direkte Vorgesetzte ist oft kein gutes Beispiel. Nein, es geht eher darum, auf eine diskrete Art, also eher unterschwellig und auf unbewusster Ebene, zu signalisieren, dass man durchaus auch zu anderen Aufgaben herangezogen werden kann. Man möchte zum Beispiel dem Vorgesetzten zu verstehen geben, dass er einen sehr wohl zu wichtigen Kundenterminen mitnehmen kann, ohne sich zu blamieren – nichts anderes.

Doch hieraus zu schließen, dass man blind einen Stil nachahmen oder sich gar mit nachgemachten Krawatten einer teuren Marke, die man sich offenkundig nicht leisten kann, hervorwagen soll, kann peinlich enden. Mit der Grundidee einer Orientierung nach oben hat das nichts mehr zu tun – im Gegenteil, es zeugt eher von Unsicherheit, Überangepasstheit und mangelndem Einfallsreichtum.

Das Signal zu senden, dass man aufsteigen und den Höhergestellten ersetzen will, ist generell einfach nur ungeschickt, und als solch ein Hinweis kann eben die Art und Weise oder die Preisklasse, in der man sich kleidet, verstanden werden, wenn diese genau jener einer Etage über mir entspricht. In Unternehmen werden nun einmal Machtspiele gespielt. Viele davon laufen unterschwellig ab – und sei es auf modischer Ebene. Wer es nicht lernt, diese Mechanismen zu erkennen und zu verstehen, wird in seiner Karriere gegen viele Mauern rennen und sich dabei eher den Kopf anstoßen, als sie einzureißen. Wer mitspielen will, der muss zuerst die Regeln kennen und anwenden können.

Die Mitarbeiter, die den Stil der höheren Etagen nachgeäfft haben, haben dadurch ihre Karriere zwar nicht beendet, sie haben sich aber selbst das Leben schwergemacht, weil sie nicht nur das Gespött der unteren Ebenen, sondern auch besonders kritische Blicke und Misstrauen von oben geerntet haben.

Die Wahl der Krawatte hat übrigens schon so manchen zur Zielscheibe des Gespötts gemacht, etwa den österreichischen Bundeskanzler Werner Faymann. Er hatte sich im Wahlkampf vom Chef einer Werbeagentur beraten lassen und war dann auf den Wahlplakaten in schwarzem Anzug mit schwarzer Krawatte zu sehen. Die Öffentlichkeit amüsierte sich prächtig, Onlineportale und Printmedien räsonierten darüber, warum sich wohl ein Kandidat für das Amt des Bundeskanzlers in Zeiten wirtschaftlicher Rezession im Begräbnisanzug ablichten ließ. In der Onlineausgabe der österreichischen Zeitung Die Presse findet man ihn noch heute mit einem Bild unter der Rubrik »Worst Dressed: Staatschefs im Mode-Fettnapf«.

Interessant ist auch hier, dass sein Berater offenbar nur eigene Kriterien walten ließ und sich keine Gedanken über visuelle Codes der Gesellschaft und die Wirkung des von ihm favorisierten Outfits auf andere gemacht hatte. Der Agenturchef äußerte sich auf die Fragen eines Journalisten der Wiener Zeitung dazu mehr als deutlich. »War es schwierig, Faymann zu überzeugen, sich im Begräbnisanzug plakatieren zu lassen?«, fragt der Journalist und bekommt zur Antwort: »Überhaupt nicht, ich sehe das auch nicht als Begräbnisanzug, und es hat ihn auch niemand begraben können – wie man sieht.« Weiter erklärte er, dass maximale visuelle Ökonomie gewünscht war. Vor diesem Hintergrund hätten er und die Berater Faymann diese Krawatte empfohlen. »Das hat dann sehr gut und vor allem anders als üblich ausgeschaut.«

Interessant ist vor allem die Formulierung des Beraters: »Ich sehe das nicht als Begräbnisanzug« – wo doch das öffentliche Echo schon längst gezeigt hat, dass viele hier anderer Meinung waren. Wer solche Berater hat, ist nicht zu beneiden.

Die Regel

Gerade eine Krawatte ist für einen Mann eine gute Möglichkeit, den eigenen Stil klar auszudrücken. Selbst jemand, der sich nicht mit den Feinheiten bei Anzügen, etwa mit ihren Schnitten, Stoffen und Reversformen auskennt, nimmt die Krawatte deutlich wahr. Ein überwiegender Teil der deutschen Männer trägt bedauerlicherweise ständig rote Krawatten, meist in Uni. »So eine passt zu jedem Anzug, egal welche Farbe er hat«, verkünden mir die Herren stolz ihren Einfallsreichtum beim Versuch, sich das Leben so leicht wie möglich zu gestalten.

Doch genau das fällt vielen genauso negativ auf wie der peinliche Versuch, jemand anderen zu imitieren. Der Kommunikationsforscher Paul Watzlawick sagt: »Man kann nicht nicht kommunizieren«. Das gilt nicht nur für die verbale Kommunikation, sondern auch für all die nonverbalen Signale, die über den gesamten Habitus und selbst über die Kleidung ausgesandt werden. Und eine schwarze Krawatte gilt nun mal im Allgemeinen als »Begräbniskrawatte«. Das mag nur dann anders sein, wenn das gesamte Outfit eine besondere Kreativität aufweist und die schwarze Krawatte dann ein Element einer bestimmten modischen Aussage ist. Bei jedem klassischen Outfit sieht man damit jedoch so aus, als käme man gerade von einer Trauerfeier.

Wem der Stil einer anderen Person gefällt, darf sich gerne inspirieren lassen. Doch direktes Nachahmen sollte tabu sein. Auch die Preiskategorie sollte nicht simuliert werden. Wer sich etwas nicht leisten kann oder will, der darf auch nicht so tun, als täte er es trotzdem. Das sollte eine generelle Maxime sein, denn unsere Gesellschaft zeigt schon an zu vielen Stellen »Mehr Schein als Sein«, und in Wahrheit mag das niemand. Wer genug »Sein« in Form von fachlicher Kompetenz und Softskills besitzt, kann sich vielleicht ergänzend ein wenig von den Industrie- und Politschauspielern abgucken, um ausreichend wahrgenommen zu werden, doch deren schlechte Sitten muss man nicht auch noch annehmen.

Man sollte also generell keine billigen Fakes von Markenprodukten haben oder tragen, gleichgültig ob Krawatte, Uhren, Kugelschreiber oder Aktentasche. Und wer gar gefälschte Markenprodukte trägt, macht sich nicht nur mehr oder weniger offenkundig strafbar, sondern wirft auch ein schlechtes Licht auf sich selbst: Wie genau nimmt so einer es mit Regeln, Vorschriften und Ehrlichkeit?

Auch andere Accessoires, die mehr scheinen, als sie sind, zeugen nicht von gutem Stil, sondern wirken eher obszön. Ein nur auf alt getrimmtes Paar Manschettenknöpfe, das als antikes Erbstück ausgegeben wird, obwohl man es für 25 Euro im Kaufhaus erworben hat, ist ebenso fehl am Platz wie Schmuck von Frauen, der echt sein will, aber nicht ist. Wer kein Geld für echten Schmuck hat oder wem große Stücke zu teuer sind, der sollte sich lieber mit kleineren zufriedengeben oder gleich Modeschmuck tragen, der auch als solcher erkennbar ist.

Freilich: Bei jemandem, der es sich leisten kann und will und bei dem es zu Person und Branche passt, kann ein individueller Stil, der sich deutlich von anderen abhebt und der zur Persönlichkeit des Trägers passt, durchaus eine gute Entscheidung sein. Manchmal sind auch Statussymbole wichtig, um Zugehörigkeiten und Abgrenzungen zu zeigen. Wem das nicht liegt oder wer in einem Umfeld arbeitet, in dem es mehr auf eine gewisse Konformität ankommt, sollte seine Kleidung so wählen, dass die Details für seine Persönlichkeit sprechen, der gesamte Eindruck aber nicht zu viel Spielraum für Interpretationen und Spekulationen bietet.

2. Quod licet Iovi …

Peter L. leitet die Personalentwicklung in einem großen Unternehmen, das vielfältige Waren produziert. Nachdem wir einige Male telefoniert hatten und ein Angebot von mir für Führungskräftetrainings vorlag, lud er mich ein, um mich kennenzulernen. Nach einigen Umstrukturierungen im Unternehmen standen eine Reihe entsprechender Schulungen an.

Peter L. holte mich am Empfang der Firmenzentrale ab und führte mich durch verwinkelte Gänge in einen angebauten, separaten Teil des Gebäudes der Zentrale. Die Atmosphäre war hier ebenso wie die Kleidung meines Gastgebers äußerst entspannt. Nach einer Stunde hatten wir alles geplant und fest verabredet. Wie so oft wurde ich am Ende des Gesprächs gefragt: »Auch wenn Sie all diese Dinge wissen – ist Ihnen selbst nicht trotzdem schon mal etwas Peinliches passiert?«

Zum Amüsement von Herrn L. berichtete ich von einer meiner Pannen und wurde im Gegenzug mit einer Geschichte aus seiner Laufbahn belohnt. »Sie sehen ja«, erzählte er, »dass wir von der Personalentwicklung hier ein wenig abseits sitzen und dass es hier auch recht locker zugeht. Das ist natürlich nicht immer so. Wenn es Termine und Veranstaltungen gibt, müssen wir uns natürlich auch in Schale werfen.« Er erklärte mir, dass das regelmäßig, aber eben doch nur alle zwei oder drei Wochen anstehe. Alle Mitarbeiter hatten also auch formelle Kleidung und kannten sich leidlich damit aus. »Als es nun letztes Jahr um diese ganzen Umstrukturierungen ging, hatte ich einen Termin bei unserem Vorstand – das passiert mir nur alle paar Jahre mal. Jedenfalls habe ich mich dazu natürlich besser angezogen als heute und kam im dunkelblauen Anzug mit hellem Hemd. Dazu trug ich ein Weihnachtsgeschenk meiner Frau, das ich noch nicht eingeweiht hatte: eine Krawatte mit passendem Einstecktuch dazu.« Oh weh – ich ahnte schon, wohin diese Geschichte führte.

Peter L. sah es mir an und lachte. »Jedenfalls ging ich zu dem Termin, alles lief bestens, es war eine gute Atmosphäre, ganz prima. Doch zum Schluss, als mir der Vorstand noch die Hand gab und mich zur Tür begleitete, sagte er: ›Was ich Ihnen noch sagen möchte: Erstens bin ich hier der Einzige im Haus, der ein Einstecktuch trägt – das sollten Sie sich merken. Und wenn Sie schon eines tragen, dann aber bitte richtig!‹ Ich war völlig fertig mit den Nerven«, erklärte L. »Sie können sich nicht vorstellen, wie heiß mir plötzlich war. Ich bin bis heute dankbar, dass er das erst am Ende des Gesprächs gesagt hat. Jedenfalls habe ich mir das gemerkt und es auch einer Reihe von neuen Mitarbeitern gesagt. Einer wollte es mir nicht glauben – der ist jetzt aber auch nicht mehr bei uns. Mir hat es nicht geschadet, aber ich habe verstanden, wie wichtig etwas sein kann, worüber man sich zuvor noch keine Gedanken gemacht hat. Deshalb möchte ich unbedingt, dass Sie diese Seminare für uns machen. Wer weiß, was es sonst noch für Fallstricke gibt.«

In vielen Unternehmen sind die Statussymbole sehr deutlich. Das kann eine bestimmte Kategorie des Dienstwagens sein, ein Parkplatz direkt vor der Tür, die Größe des Büros sowie dessen Ausstattung. Für Mitarbeiter kleinerer Firmen ist es oft ganz unverständlich, dass in großen Konzernen oft bis ins Detail geregelt ist, was für ein Schreibtischstuhl ab welcher Ebene im Büro stehen darf, wie viele Fenster zu welcher Seite es hat, was genau für Schreibgerät vorhanden ist und so weiter. Es gibt einige Unternehmen, die versuchen, dieser Differenzierung bewusst entgegenzusteuern. Da gibt es dann keinen eigenen Raum zum Mittagessen für die Vorstände, sondern diese müssen sich wie alle anderen in der Schlange der Kantine anstellen, und die reservierten Parkplätze vor der Tür sind nur für Kunden, nicht für höhere Ebenen des eigenen Hauses. Dies wirkt sich allerdings nicht immer in der gewünschten Weise aus, denn oft bahnen sich stattdessen andere Wege der Unterscheidung zwischen den Hierarchiestufen.

Selbst wenn das Gefälle nicht so offensichtlich ist, finden wir bei aufmerksamer Betrachtung an vielen Stellen subtile Hinweise auf Machtunterschiede. Die zeigen sich oft erst im Laufe von Jahren; meist weiß keiner mehr so recht, wer wann wie damit angefangen hat, aber plötzlich ist es eine ungeschriebene Regel, die zumindest den langjährigen Mitarbeitern vertraut ist. Wer sie übertritt, wenngleich unbewusst oder zumindest ohne böse Absicht, der verheddert sich schnell in Verstrickungen aus Verdacht und Misstrauen. Nicht jeder hat so viel Glück wie Peter L. mit einem humorvollen Vorstand, der ihm auch noch ein ehrliches Feedback gibt – die meisten Menschen, denen solch ein Unterscheidungsmerkmal wichtig ist, beschließen eher im Stillen, den Verstoß gegen die ungeschriebene Regel im Hinterkopf zu behalten, und unterstellen dem anderen schlechte Absichten wie Anmaßung, Konkurrenz, Anzweifeln ihrer Kompetenz und vieles mehr.

Das ist jedoch nur eine Seite des Problems. Wer sich daran orientieren möchte, was in den Ebenen über der eigenen Position getragen wird, darf sich nicht damit begnügen, sich ein einzelnes Zeichen herauszupicken und dies völlig unreflektiert zu adaptieren. Kleidung und Accessoires sind Codes, deren Bedeutungen erst in all ihren Feinheiten entschlüsselt werden müssen, bevor man anfängt, damit Botschaften auszusenden. Dazu muss man sich nur einmal Pygmalion von Georg B. Shaw ansehen. Auch wenn es Professor Higgins in diesem Stück schafft, der Blumenverkäuferin eine saubere Aussprache beizubringen, die sich mit dem Upper-Class-English der Londoner Oberschicht messen kann – ohne dass sie es merkt, verwendet sie in ihrer sauberen Aussprache unzählige Wörter, die niemand aus der Oberschicht verwenden würde. Ähnliche Peinlichkeiten können auch im Deutschland des 21. Jahrhunderts passieren, obwohl – oder vielleicht gerade weil – wir nicht so klassenbewusst wie die Engländer sind. Die Codes sind oft nicht ganz offensichtlich und werden daher leichter verletzt.

Ich erzähle diese Geschichte oft in Seminaren, wenn ich danach gefragt werde, wann und wie man ein Einstecktuch trägt. Oft meldet sich dann ein Teilnehmer und erzählt, er kenne dieses Phänomen ebenfalls: etwa von einem Freund, der in einer bestimmten Firma arbeitet, aus der eigenen Traineezeit oder von einem kooperierenden Unternehmen.

Die Regel

Es gibt keine Regel, die besagt, ab welcher Hierarchiestufe man ein Einstecktuch trägt. Dies ist nur ein Detail in einem Meer aus ungeschriebenen Regeln über Aussehen und Verhalten, die in jedem Unternehmen in etwas anderer Ausprägung zu finden sind. Diese grundlegenden Regeln zu erkennen und damit umgehen zu können ist ein Teil sozialer Kompetenz. Sie müssen das selbst hinkriegen.

Ob ein Einstecktuch übrigens als loser Bausch in der Brusttasche steckt oder exakt zu einem Balken oder wie eine dreizackige Krone gefaltet wird, ist allein abhängig von den Vorlieben des Trägers und davon, wie dieser das Material beurteilt und damit umgeht. Exakt gefaltete Tücher wirken eher konventionell, lose Raffungen hingegen erinnern oft an die Künstler-Szene. Doch jede Variante wirkt bei verschiedenen Stoffen und zu verschiedenen Anzügen immer wieder anders – und so sollte es auch sein. Denn ein Einstecktuch gibt dem Herrn die Möglichkeit, seinem Outfit eine eigene Note zu verleihen, die Ausdruck seines persönlichen Geschmacks und seines individuellen Stils ist. Daher gibt es hierzu kein starres »Man nehme …«.

Der Fehler bei einem Einstecktuch, der freilich mit einer Regel erklärt und damit klar vermieden werden kann, ist jener, den wir auch in der Geschichte finden: ein identisches Design von Krawatte und Einstecktuch zu wählen. Als Argument gegen diese Regel höre ich immer wieder, der Einzelhandel biete doch genau solche Sets fertig gepackt zum Verkauf an. Das jedoch ist ein unsinniges Argument, denn bei uns gibt es schließlich vieles zu kaufen, was weder schön noch gesund noch sinnvoll ist: Frühstück mit Pommes und Speck um 7 Uhr morgens, Schuhe mit 15 Zentimeter hohen Absätzen, Hemden von so schlechter Qualität, dass sie nach einmaligem Waschen weggeworfen werden müssen, Krawattenmuster, deren Hässlichkeit einen fast erblinden lässt, Parfüms, die an Geruchsbelästigung grenzen – die Liste ließe sich bis ins Unendliche verlängern. »Man kann auch pinkfarbene Leggins in Größe 48 kaufen«, pflegt meine Kollegin Elisabeth Bonneau auf die Frage »Aber warum kann man das denn im Laden kaufen?« zu antworten. Die Stillosigkeit eines Einstecktuchs, das das gleiche Design wie die Krawatte aufweist, lässt sich jedenfalls nur noch durch bereits in der Anzugtasche eingenähte Fake-Einstecktücher übertreffen.

Das richtige Einstecktuch zeigt sich an Folgendem:

Möglichkeit 1: Das Einstecktuch ist aus Baumwolle oder Leinen, dann aber streng genommen nur in Weiß und in Kombination zu einem weißen Hemd. Das Einstecktuch hat hier also das gleiche Material und die gleiche Farbe wie das Hemd.

Möglichkeit 2: Das Einstecktuch ist aus Seide – dann ist es sowohl in Farbe als auch im Muster auf die anderen Bestandteile des Outfits abgestimmt und selbstredend dazu passend, aber freilich niemals im gleichen Design wie die Krawatte. Was »passend« genau bedeutet, wird eben jeder für sich ein wenig anders entscheiden, und genau dies macht den Reiz einer solchen Kombination aus.

3. Peepshow?

Wie die Kleidung der Mitarbeiter auszusehen hat, wird in nur wenigen Firmen explizit erklärt. Meist gibt es allgemeine Aussagen wie »Anzug und Krawatte« oder gar nur »Business-Dress«. Zu den Frauen wird oft gar nichts gesagt – man scheint davon auszugehen, dass sie dies selbst beurteilen können und auch insgesamt mehr von Kleidung verstehen als Männer. Doch nicht selten hört man von Frauen gerade aus Branchen, die recht strikte Dresscodes haben, Sätze wie: »Für uns gilt das ja alles so nicht.« Wie falsch diese Einschätzung sein kann und wie schnell schon ein Detail Probleme aufwirft, lässt sich am folgenden Beispiel erkennen.

Margot P. hat bald nach ihrer Ausbildung und einer kurzen Tätigkeit als Bürokauffrau geheiratet, zwei Kinder bekommen und sich deren Erziehung gewidmet. So vergingen insgesamt zehn Jahre, in denen sie keiner Erwerbstätigkeit nachging.

Der Wiedereinstieg in den Job gestaltete sich ziemlich schwierig. Nachdem sie sich ein Jahr lang völlig ergebnislos beworben hatte, machte sie eine Weiterbildung im Bereich Computer, eine Schulung in Englisch, ein Bewerbungstraining und nahm noch an diversen anderen Maßnahmen teil, die die inzwischen »Job-Center« genannten Arbeitsämter heute so anbieten. So verging ein weiteres Jahr, nach dem sie immer noch keinen Job hatte.

Umso glücklicher war Margot P., als es endlich klappte und sie ihrem ersten Arbeitstag bei einer Beratungsfirma für Computer- und Kommunikationsanwendungen entgegensah. Sie hatte die Firma vorher besichtigen können, wusste, wo sie sitzen würde, und kannte schon einige Kollegen. Man hatte sie nicht nur über ihre künftige Tätigkeit informiert, sondern auch darüber, dass von allen Mitarbeitern ein absolut seriöses Auftreten und klassische Geschäftskleidung erwartet wurden, da man ständig Kunden und Besucher im Haus habe und dies der gewünschten Außenwirkung entspreche. Man wolle sich abheben von den anderen »Software-Buden mit Freaks«, hieß es.

In dunkelblauem Kostüm mit weißer Bluse und dezentem Schmuck betrat Margot P. also klopfenden Herzens ihre neue Arbeitsstätte. Die Kollegin, die sie einarbeiten sollte, deutete aber nur auf ihre Schuhe und sagte: »Damit können Sie gleich wieder nach Hause gehen. Passen Sie bloß auf, dass der Chef Sie damit nicht sieht.« Stein des Anstoßes waren aber weder Gummistiefel noch Holzclogs; nein, farblich passend zu Kostüm und Handtasche trug Margot P. ein Paar dunkelblaue Peep-Toes, also Pumps, die vorne offen sind und die Zehen ein wenig hervorschauen lassen. Peep-Toes waren damals gerade sehr in Mode und in jedem Geschäft in großer Auswahl präsent, und da es sich um ein klassisches Modell mit dezentem Absatz und glattem dunkelblauem Leder handelte, war Frau P. der festen Überzeugung, dies sei eine gute Wahl für die Arbeit. Mit hochrotem Gesicht stand sie nun da und schaute ihrer Kollegin fassungslos ins Gesicht. »Wie meinen Sie das?«, fragte sie. »Mit Schuhen, die vorne offen sind, können Sie hier nicht herumlaufen«, lautete die Antwort. »Machen Sie lieber schnell, damit der Chef Sie nicht sieht. Er kann es gar nicht leiden, wenn man sich nicht an seine Bekleidungswünsche hält.« Verwirrt und auch voller Scham stürzte Margot P. davon und kam wenig später mit »normalen«, also komplett geschlossenen Schuhen zurück.

Frau P. war an diesem ersten Arbeitstag nicht sehr produktiv, sondern ziemlich verstört. Sie war ihrer Kollegin dennoch dankbar für das klare Feedback, das ihr weiteren Ärger ersparte, und verstand, dass sie anscheinend einiges in Frage stellen musste, was sie bisher für ganz normal gehalten hatte. Frau P. nutzte ihre Chance und befragte und beobachtete die Kolleginnen. Inzwischen kennt sie den Chef gut und weiß, wie detailliert seine Vorstellungen vom Unternehmensimage sind. Ebenso wie alle anderen im Unternehmen hat sie festgestellt, dass sich diese Detailfreude im Laufe der Jahre durchaus ausgezahlt hat. Das Unternehmen genießt einen hervorragenden Ruf und hat sich nicht einmal durch die Finanzkrise erschüttern lassen.

Margot P. ist froh, dass der Chef sie damals nicht gleich erblickt hat. Denn es kommt immer wieder einmal vor, dass neue Mitarbeiter wegen unpassender Kleidung gleich zurück nach Hause geschickt werden. Bei den Auszubildenden findet das niemand dramatisch, aber als eine der eher älteren Kolleginnen mit Mitte vierzig wäre es Margot P. sehr peinlich gewesen, vom Chef gerügt zu werden.

Sicher gibt es Berufe, in denen die Schuhe keine so große Rolle spielen. Aber man weiß aus verschiedenen Untersuchungen, dass sichtbare Zehen bei einer Frau immer eine latent erotische Botschaft tragen. Das muss einen zwar nicht stören, aber es kann dazu führen, dass das fachliche Ansehen und die erwartete Kompetenz einer Frau herabgesetzt werden.

In vielen Unternehmen sind heute Slingpumps, also Schuhe, die vorne geschlossen sind und wie Pumps aussehen, aber über der Ferse offen sind und nur durch einen Riemen am Fuß gehalten werden, meist akzeptiert. Wer allerdings viele Präsentationen hält, tut gut daran, auch darauf zu verzichten, denn keine Frau steht in so einem Schuh genauso sicher wie in einem geschlossenen. Gerade bei Präsentationen ist die Körpersprache sehr wichtig, und nur wer einen festen Stand hat, wirkt auch sicher und kann den Eindruck erwecken, als lasse er (oder eben sie) sich nicht so schnell erschüttern und ins Wanken bringen.

Nicht vergessen sollte jede Frau auch eine andere Botschaft, die bei halboffenen Schuhen mitschwingt. Wer in einem Bereich arbeitet, der mehr oder weniger klassische Geschäftskleidung verlangt, bewegt sich häufig in einem Gebiet, das entweder durch die fachliche Ausrichtung oder die hohe Hierarchieebene von Männern dominiert wird. Wer hier als Frau mithalten will, hat es oft nicht leicht und muss immer wieder bestimmte Dinge mit Nachdruck einfordern. Eine Frau jedoch, die die gleichen Rechte und Karrieremöglichkeiten wie die Männer verlangt und die gleiche Bezahlung und die gleichen Chancen haben möchte, bei der Kleidung jedoch Unbequemlichkeiten nicht in Kauf nimmt, sondern sich auf die Position zurückzieht, dass für sie als Frau die Kleiderordnung nicht so streng gelte, muss sich nicht wundern, wenn dies als unfair empfunden wird. Wenn etwa von den Männern der gleichen Ebene verlangt wird, auch an heißen Tagen in geschlossenen Lederschuhen und Strümpfen zu arbeiten, dann sollte eine kluge Frau dies ebenso halten. Oder möchten Sie vielleicht den Eindruck erwecken, Sie würden schwächeln, nur weil es gerade ein bisschen warm ist, und das Spiel sogleich den Jungs überlassen?

Die Regel

»Und Zehen sollst du nicht sehen« – so einfach lautet die Regel. Je eleganter und offizieller ein Hosenanzug oder Kostüm wirken soll, desto mehr gehören dazu schlichte Pumps, die entweder genauso dunkel oder einen Farbton dunkler als die Kleidung sind. Schuhe mit auffälligen Verzierungen oder zweifarbige Pumps, wie sie oft zu finden sind, sind generell ungünstig. Auch die Idee, zum Beispiel ein Paar farblich deutlich abgesetzte Schuhe zu tragen, die die Farbe des Oberteils oder eines Tuchs wiederaufnehmen, sind für den Beruf nicht zu empfehlen. Man weiß, dass dies den Blick und einen Teil der Aufmerksamkeit nach unten Richtung Schuhe zieht. Das mag im Privatleben ein gewollter Effekt sein, doch im Beruf ist es kontraproduktiv, da man die Aufmerksamkeit meist in Richtung Kopf und Gesicht und damit des Verstands lenken möchte.

4. The Panther

Nach einer langen Phase, in der die meisten Männer Anzüge eher als lästiges Übel betrachteten, ist seit ein paar Jahren zu beobachten, dass immer mehr Männer Freude an ihrer Kleidung – auch an der Geschäftskleidung – haben. Da werden durchaus auch einmal mutigere Nadelstreifen in ungewöhnlichen Farben getragen, modische Krawatten gekauft und eine Reihe von Knoten ausprobiert. Auch die sonst durchgehende Einheitlichkeit von weißen und blauen Hemden löst sich zunehmend auf.

Dass dies durchaus problematisch sein kann, ist nicht immer nur eine Frage des Dresscodes, den ein Unternehmen einfordert, oder der Formalitäten, die innerhalb einer Branche Geltung besitzen. Unterschätzt werden oft auch die Symbolkraft und Signalwirkung von Farben und Formen auf andere – auf die Kollegen und Geschäftspartner, die uns den ganzen Tag sehen.

Hubertus M., Ingenieur bei einem Zulieferbetrieb für Autohersteller, gehört zu den Männern, die bei der täglichen Arbeit häufig in legerer Kleidung wie Jeans und Hemd herumlaufen können, bei Meetings, Fachmessen, Präsentationen und vergleichbaren Veranstaltungen jedoch im Anzug erscheinen müssen. M. ist bei seinen Kollegen recht beliebt und geschätzt, und er findet es großartig, dass er den Spitznamen »The Panther« trägt; wenn er so genannt wird, fühlt er sich besonders männlich und toll. Er kann sich nicht mehr genau erinnern, seit wann er diesen Spitznamen eigentlich hat, und er hat auch niemanden je gefragt, warum er so genannt wird. Wieso auch? Der Panther ist schließlich ein schönes, schnelles und mutiges Tier – vermutlich war das auch die Meinung, die andere über ihn hatten: gutaussehend und mutig.

Sein Selbstbild kam erst ins Wanken, als er im Dezember 2010 mit einer Runde von Kollegen zu einem gemeinsamen Weihnachtsessen ging. Es wurde spät und später, der Wein floss, die Stimmung war gut. Als er gegen Ende des Abends einmal von der Toilette an den Tisch zurückkehrte, pfiff die ganze Runde gemeinsam die Erkennungsmelodie von »Der rosarote Panther«. Was denn das solle, fragte er die Kollegen. »Na ja, du bist doch unser Panther«, riefen sie fröhlich. »Ja, aber doch ›Panther‹ und nicht ›rosaroter Panther‹!« Da brüllten alle vor Lachen und riefen wild durcheinander: Aber sicher sei er der »rosarote Panther«. M. brauchte etwa zehn Minuten, um zu verstehen. Was war der Grund für den Spott der Kollegen?