Neues Lexikon der Benimmirrtümer - Nandine Meyden - E-Book

Neues Lexikon der Benimmirrtümer E-Book

Nandine Meyden

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Beschreibung

Ist es unhöflich, Briefe mit "Ich" zu beginnen? Darf Spargel auf dem Teller wirklich nicht geschnitten werden? Ist es verzeihlich, einen Gast mit einem Kellner zu verwechseln, bloß weil beide einen Frack tragen? Kann man bei Tisch Salz ohne Pfeffer reichen? In ihrem neuen Lexikon benennt und korrigiert Nandine Meyden auf amüsante Weise eine Vielzahl von populären Benimmirrtümern aus allen Lebensbereichen – von der Anrede über Schriftverkehr und Kleidung bis hin zu Umgangsformen beim Essen.

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Das Buch

Was mache ich, wenn ich versehentlich eine E-Mail an die falschen Adressaten geschickt habe? Muss ich mich im Ausland an alle dortigen Gepflogenheiten halten? Sind Tischmanieren beim Fast-Food-Konsum wirklich bedeutungslos? Und wie wirkt ein Tattoo am Arbeitsplatz? Hierzulande herrscht eine große Un­sicherheit darüber, was sich in manchen Situationen schickt oder eben nicht – sei es im Arbeitsalltag oder auf Festivitäten, in Fragen der Kleidung oder der Kommunikation. Die vielen Nach­fragen der Leser des ersten Lexikons der Benimmirrtümer machten deutlich, dass rund ums Benehmen noch jede Menge weitere Fehlannahmen bestehen, die einen in diverse Fettnäpfchen bugsieren und mal ein aussichtsreiches Geschäft zum Platzen bringen, mal im Freundeskreis für Verstimmung sorgen können. Nandine Meyden räumt auch in diesem Buch unterhaltsam und informativ auf mit weitverbreiteten Mythen rund ums Benehmen und zeigt, worauf es ankommt, wenn man die Etikette ­wahren will.

Die Autorin

Nandine Meyden arbeitet seit mehreren Jahren als Etikette-Trainerin. Zu den Kunden ihrer Seminare zählen namhafte Unternehmen und Verbände, Politiker und Prominente. Sie tritt regelmäßig als Benimm-Expertin in der MDR-Sendung Hier ab vier auf. Ihr erstes Lexikon der Benimmirrtümer wurde ein Bestseller.

In unserem Hause ist von Nandine Meyden bereits erschienen:Lexikon der Benimmirrtümer

Besuchen Sie uns im Internet:www.ullstein-taschenbuch.de

Originalausgabe im Ullstein Taschenbuch 1. Auflage November 2012

Alle Rechte vorbehalten. Unbefugte Nutzungen, wie etwa Vervielfältigung, Verbreitung, Speicherung oder Übertragung können zivil- oder strafrechtlich verfolgt werden.

© Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2012 Die Ratschläge in diesem Buch sind von Autorin und Verlag sorgfältig erwogen und geprüft. Dennoch kann eine Garantie nicht übernommen werden. Eine Haftung der Autorin bzw. des Verlages und seiner Beauftragten für Personen-, Sach- oder Vermögensschäden ist ausgeschlossen. Umschlaggestaltung: ZERO Werbeagentur, München Titelabbildung: Getty Images/© Zachary Scott In Kooperation mit dem Mitteldeutschen Rundfunk (MDR) und der Redaktion der MDR-Sendung »Hier ab vier« Logos »MDR Edition« und »MDR Fernsehen« © MDR Satz: KompetenzCenter, Mönchengladbach eBook: LVD GmbH, Berlin

ISBN 978-3-8437-0368-0

Einleitung: Wie es zu den Irrtümern kommt

Haben Sie schon einmal einen Händedruck bekommen, der so lasch war, dass Sie an einen Waschlappen oder gar einen toten Fisch denken mussten? Die meisten Menschen können diese Frage mit einem sicheren »Ja« beantworten und er­innern sich gleich an mehrere Begegnungen dieser eher unangenehmen Art. So frage ich weiter: Haben Sie der anderen Person dann gesagt, dass der Händedruck Ihnen nicht behagte und dass er für unsere Kultur und die üblichen Formen des Begrüßens zu weich war? Nein? Auch hier sind Sie nicht allein. Im Allgemeinen äußern wir solch eine Kritik nur, wenn wir für den betreffenden Menschen eine Fürsorge­pflicht haben, wenn er also beispielsweise ein deutlich jüngerer naher Verwandter oder ein Mitarbeiter ist. Vielleicht sprechen wir auch einen guten Freund direkt darauf an. ­Allen anderen gegenüber werden wir schweigen.

Das ist auch durchaus richtig so. Wenn wir alle unsere Mitmenschen ständig darauf aufmerksam machten, dass sie unserer Ansicht nach gerade etwas Unpassendes getan oder gesagt haben, wären wir bald einsam. Es ist in unserer Kultur einfach nicht üblich, sich so zu verhalten, und wir selbst würden damit ebenfalls einen Fauxpas begehen.

Häufiger kommt es hingegen vor, dass jemand die Rückmeldung bekommt, sein Händedruck sei zu fest. Das kann ein Satz wie »Sie langen aber ganz schön zu!« ebenso wie eine schmerzverzerrte Miene sein. Hier greift der Selbstschutz – schließlich wollen wir sicherstellen, dass wir aus der nächsten Begegnung mit diesem Menschen unbeschadet hervorgehen.

Doch nicht nur wir unterlassen es, anderen Menschen ein Feedback zu ihren Umgangsformen zu geben, in der Regel bekommen wir auch selbst keines, weder im negativen Sinn noch im positiven. Ebenso selten wie eine Kritik ist ja, dass ein Vorgesetzter, Kunde, Kollege oder Freund einen Satz wie »Ich schätze deine Höflichkeit und deine tadellosen Umgangsformen« sagt.

Die Folge sind die berühmten »blinden Flecken«. Wer ­keine Rückmeldung bekommt, geht häufig wie selbstverständlich davon aus, dass er richtig und korrekt handelt. Wir bemerken durchaus die Fehler der anderen, registrieren unsere eigenen jedoch nicht. Doch meist sind uns die anderen ähnlicher, als uns lieb ist, und handeln genauso wie wir. Auch sie bemerken unser Fehlverhalten und die schlechten Umgangsformen anderer Mitmenschen stillschweigend. Manche freilich brechen ihr Schweigen mitunter, meist aber erst hinter dem Rücken der betreffenden Person …

Je feiner ein Mensch ist, desto weniger wird er sein Gegenüber spüren lassen, dass dieser einen gesellschaftlichen Fehltritt begangen hat. Man möchte den anderen ja nicht bloßstellen oder sich als Besserwisser aufspielen. Der britischen Königin Elisabeth II. wird sogar nachgesagt, sie habe bei ­einem festlichen Dinner ihre Fingerschale ausgetrunken, als sie bemerkte, dass einer ihrer anscheinend nicht näher mit europäischen Sitten vertrauten Gäste dies getan hatte. Ob das stimmt, ist eine andere Sache. Ein solches Verhalten wird einigen Berühmtheiten nachgesagt und muss als Beispiel immer dann herhalten, wenn sich jemand in Gesellschaft ­einen Fehltritt leistet und die Frage aufkommt, wie damit umzugehen sei. Ob man sich immer gleich selbst falsch verhalten muss, sei dahingestellt, doch die Haltung, dem anderen eine Peinlichkeit zu ersparen und dafür auch selbst ­Opfer zu bringen, gehört sicherlich zu einem wertschätzenden Umgang.

Es gibt viele Möglichkeiten, wie Irrtümer entstehen können. Viele unangemessene Verhaltensweisen werden in dem guten Glauben gewählt, es seien die richtigen, und mangels Feedback ein Leben lang beibehalten. Manch anderer Fehler wiederum entsteht schlicht aus Unkenntnis oder fehlender Selbstreflexion.

Nach dem großen Erfolg des ersten Lexikons der Benimmirrtümer freue ich mich nun, Ihnen eine weitere Sammlung populärer Irrtümer und Missverständnisse zu präsentieren. In diesem Buch zeige ich Ihnen, wie es zu den oft negativen Bewertungen von bestimmten Verhaltensweisen kommt. Ich beleuchte die Hintergründe, um Ihnen die logischen Zusammenhänge des guten Benehmens zu veranschaulichen. Und ich hoffe, es hilft Ihnen dabei, mehr darüber zu erfahren, wie Sie auf andere wirken und wie Sie sich und Ihr Auftreten in Beruf und Privatleben verbessern können.

I Kommunikatives

Schaden anrichten

Irrtum:

Wer niest, muss dafür um Entschuldigung bitten.

Richtig ist:

Nur wer stört oder Schaden anrichtet, sollte Verzeihung erbitten.

Wir alle wissen das: Wer etwas anrichtet – sei es, dass er ­etwas kaputt macht, sei es, dass er jemanden versehentlich rempelt oder stört –, der bittet um Verzeihung. Wer das erste Lexikon der Benimmirrtümer gelesen hat, der ist sich auch des Unterschiedes zwischen »um Entschuldigung bitten« und »sich entschuldigen« bewusst. Auch die Unsitte, sich ­»Gesundheit« zu wünschen, wurde dort erwähnt.

Dennoch gibt es auch in dieser Hinsicht immer wieder Missverständnisse. So erlebe ich es regelmäßig, dass Teil­nehmer eines ­Seminars geradezu triumphierend verkünden: »Wenn ich geniest habe, dann muss ich um Entschuldigung bitten!«

Aber genau das stimmt nur zum Teil. Und wieder einmal kommt das Prinzip zum Tragen, dass man eine Grundregel kennen muss, um aus dieser ableiten zu können, was in einer konkreten Situation richtig oder falsch ist.

Platze ich mit einem Niesen in eine Situation, in der das störend wirkt, weil ein Sprecher zum Beispiel kurz seine ­Rede unterbrechen muss oder weil ich für einen Moment versehentlich die gesamte Aufmerksamkeit auf mich ziehe, so ist die Bitte um Entschuldigung in den meisten Fällen ­sicherlich angebracht.

Niest jemand jedoch leise und diskret in sein Taschentuch oder die linke Hand, so kann man nicht von einer Störung sprechen. Hier ist jeglicher Kommentar nicht nur über­flüssig, sondern auch unglücklich, lenkt er doch noch mehr Aufmerksamkeit auf mich und das verursachte kleine Geräusch.

Doch auch bei einer echten Störung ist die Bitte um Verzei­hung nicht immer passend. Richtig ärgerlich ist sie sogar dann, wenn sie die Störung noch verstärkt oder verlängert. So gilt etwa beim Niesen ganz klar, dass ein Aller­giker, der zur Hochzeit des Pollenflugs ins Büro kommt, niemandem dort einen Gefallen tut, wenn er nach jedem Niesen lauthals um Entschul­digung ­bittet – man stelle sich nur einmal das Büro vor, in dem alle Mitarbeiter fünfzigmal am Tag lauthals »Macht nichts!« im Chor rufen. Auch der Besucher eines Konzertes, der sich nach einem Niesen bei seinen Nachbarn hörbar entschuldigt, macht sich keine Freunde.

In diesen und ähnlichen Fällen zeigt sich deutlich, dass das Kennen einer Regel leider nicht automatisch zur rich­tigen Anwendung derselben führt und dass oft jene, die es besonders gut meinen, andere durch ihr Verhalten irritieren. Wer sich ins Bewusstsein ruft, dass die Regeln fast durchgehend dazu gedacht sind, ein störungsfreies Miteinander zu ermöglichen, in dem andere nicht behindert oder mit ­un­ästhetischen Dingen behelligt werden, der sollte spontan wissen, was das Richtige ist – auch wenn das manchmal eben heißt, etwas zu unterlassen.

Bussi-Bussi

Irrtum:

Begrüßungsküsse auf die Wange fangen links oder rechts an.

Richtig ist:

In Deutschland beginnt man rechts.

»Da es leider keinen allgemeingültigen, deutschen Bussi-Regelkatalog gibt und in der Begrüßungswelt totale ­Anarchie herrscht, kann es schnell passieren, dass zwei Menschen aufeinandertreffen, die unterschiedliches Kussverhalten an den Tag legen. Beginnt man links oder rechts? Wie oft küsse ich überhaupt? Und: Nur hauchen wie beim Handkuss oder mit der Wange die Haut berühren?«

So fragt Tina Epking in der Welt Online. In der Tat gibt es keinen »Regelkatalog« – es wäre auch ein wenig befremdlich, wenn es für das Küssen Vorschriften und vielleicht auch noch dazugehörige Sanktionen gäbe. Man kann nur fest­stellen, dass es bestimmte Gepflogenheiten gibt, die sich im Laufe der Zeit verändern und auch von Land zu Land unterschiedlich sind.

Philematologie – so nennt man mittlerweile die Wissenschaft, die sich mit dem Küssen befasst. Sie beschäftigt sich zwar in erster Linie mit dem Küssen von Mund zu Mund, dennoch kann sie auch mit einigen recht interessanten ­Fakten zu den Wangenküssen aufwarten. Ein Wangenkuss kann in verschiedenen Formen gegeben werden: als echter »Schmatz« oder nur gehaucht oder mit einer Wangenberührung nur angedeutet. Je nach Kultur ist er entweder auf die Familie und nahe Verwandtschaft beschränkt oder auch im entfernteren Bekanntenkreis üblich. In manchen Ländern ist die Geste zwischen den Geschlechtern üblich, in anderen Gegenden nutzen sie nur die Frauen, in wieder anderen begrüßen Frauen und Männer sich jeweils nur innerhalb des eigenen Geschlechts auf diese Weise. Wie oft man küsst – die Spanne reicht von einem Kuss bis zu vieren – ist ebenso ­wenig festgelegt wie auf welcher Seite man anfängt. Kein Wunder also, dass es zu Kollisionen oder zumindest zu peinlichen Situationen kommt, etwa dann, wenn ein harmloser Wangenkuss als echter Schmatzer auf den Lippen des Gegenübers landet.

Vielleicht sollten wir nicht irritiert davon sein, dass man mit dem Verschwimmen von Grenzen und der Internatio­nalisierung der Kontakte nicht immer genau weiß, was an­gemessen ist, und sollten uns vielmehr darüber freuen, dass unsere Kultur auch innerhalb Europas so reich und unterschiedlich ist. Es ist dramatisch genug, dass es immer mehr Regelkataloge gibt, die alles mögliche standardisieren ­wollen. Die Lebendigkeit des menschlichen Miteinanders wird (noch?) nicht normiert – und das ist auch gut so.

Wer sich zumindest grob orientieren möchte, kann sich für Europa folgende Faustregel merken: Je südlicher, desto üblicher und häufiger. So wird in Spanien auch oft unter Kollegen ein Begrüßungsküsschen ausgetauscht. In Frankreich wird unter Freunden ebenfalls viel und häufig geküsst. Meist geschieht das aber als »Akkolade«, was so viel wie »Um­armung« bedeutet. Hier wird also kein Kuss aufgedrückt, sondern man umarmt sich und die Wangen berühren sich. Um die europäische Verwirrung zu vollenden, ist es in Frankreich je nach Region manchmal üblich, zwei Wangenberührungen auszuführen, in anderen sind es vier.

Die Belgier fangen links an, tauschen meist aber drei ­Küsse aus. Nur unter sehr guten Freunden ist es hingegen in Luxemburg üblich, sich überhaupt zu küssen, meist hat man sich dann auch schon eine ganze Weile nicht gesehen, und die Freude ist besonders groß. Auch hier beginnt man wie in Belgien links, und es gibt drei Küsschen. Etwas häufiger und üblicher ist es in den Niederlanden: Hier fängt man rechts an, Küsse werden angedeutet oder als leichter echter Kuss ausgeführt, das Ganze passiert dreimal. Frauen untereinander, Männer und Frauen miteinander. Begrüßen sich ­Männer gegenseitig, gibt es zwar eine Umarmung, meist aber keinen Kuss, sondern eher ein Auf-den-Rücken-Klopfen, Am-Arm-Berühren oder Ähnliches. Man nimmt es bei ­unseren nieder­ländischen Nachbarn mit dem »Wie« nicht so genau. Nur, dass wenn, dann dreimal geküsst wird, ist ihnen wichtig.

In Polen küssen meist nur Frauen einander, und das auch nur, wenn sie gute Freundinnen sind. Wo sie anfangen und wie oft sie es tun, weiß allerdings niemand so genau. In Ungarn und in der Slowakei ist es zwischen den Geschlechtern üblich, wenn man gut befreundet ist, sich zur Begrüßung auch ein Küsschen zu geben. Meist sind es zwei Küsse, und auch hier scheint es völlig willkürlich zu sein, wo man anfängt.

In Spanien ist unter Freunden ein angedeuteter Kuss erst links und dann rechts üblich. In Portugal hingegen ist es erst rechts und dann links, ebenfalls nur angedeutet. Auch in den spanisch und portugiesisch sprechenden Ländern Südamerikas sind Begrüßungsküsse weit verbreitet. In Argentinien ist ein Begrüßungskuss nur in den großen Städten üblich; meist ist es ein Kuss, der sowohl von Männern als auch von Frauen gegeben wird, allerdings bloß bei guten Bekannten. In Brasilien scheint es fast überall üblich zu sein, allerdings nur, wenn man sich wirklich gut kennt und nahe steht. Meist sind hier drei Küsse oder angedeutete Küsse üblich. In Chile ist der Kuss guten Freunden vorbehalten. In Mexiko sind es eher nur Frauen, die sich auf diese Weise begrüßen.

In den Ländern Nordafrikas kann man oft sehen, dass sich Männer zur Begrüßung umarmen oder auch auf die Wange küssen. Vor allem in Ägypten erlebt man es häufig, und man sieht auf der Straße auch Männer, die Hand in Hand gehen. Das bedeutet nicht, dass diese Personen homosexuell wären, es ist einfach ein Zeichen von Freundschaft und ­Vertrautheit. Auch Frauen umarmen oder küssen sich hier – aber ein Mann würde es niemals bei einer Frau tun. Er würde ihr aber genauso wenig einfach die Hand hinstrecken, sondern er würde sie ausschließlich mündlich begrüßen, ohne jede Berühung. Das ist nur in wenigen, sehr modernen Kreisen Ägyptens üblich. Auch eine Europäerin, die sich von einem ägyptischen Ehepaar verabschiedet, handelt im Zweifelsfall umsichtiger, wenn sie nur die Frau umarmt und dem Mann dann die Hand reicht. Die Hand zu geben ist in den meisten Fällen in Ordnung – verzichten sollte man allerdings darauf, wenn das männliche Gegenüber auf ersichtliche Weise besonders strenggläubig ist.

Und bei uns in Deutschland? Festzustellen ist auf jeden Fall, dass diese Form der Begrüßung und der ­Verabschiedung in den letzten zehn Jahren deutlich zugenommen hat. War es früher nur ein Ritual, das bestimmten Kreisen vorbehalten war, die dann auch gerne als »Bussi-Bussi-Gesellschaft« bezeichnet wurden, zieht es sich heute durch alle Regionen, Altersstufen und Schichten. Dennoch scheint es so zu sein, dass es unter jungen Leuten üblicher ist als unter älteren und dass es im Süden Deutschlands verbreiteter ist als im Norden oder Osten des Landes.

Tatsächlich kann niemand genau sagen, wie oft wir ­Deutschen zur Begrüßung oder zum Abschied küssen, denn es hängt sehr von der Region und auch vom spezifischen Freundeskreis ab. Je nachdem, wie dieser kulturell ­beeinflusst ist, gibt es dann ein, zwei oder drei Berührungen in Form eines angedeuteten oder echten Kusses. Was wir allerdings alle gemein haben, ist, dass wir die Tendenz zeigen, mit der rechten Seite des Gegenübers zu beginnen, genauso wie die Niederländer. Es gibt hierzu keine Regeln und Verbote, sondern dies ist einfach die am weitesten verbreitete Form. Wer also rechts beginnt, läuft am wenigsten Gefahr, mit der Nase des anderen zu kollidieren. Das bedeutet, wir ergreifen die rechte Hand und küssen die rechte Wange, wir reichen die rechte Hand und bieten die rechte Wange zum Küsschen an.

Warum man in manchen Ländern links, in anderen rechts beginnt, wird wohl nie geklärt werden können. Da in den Niederlanden und in Deutschland der Handschlag sehr ­verbreitet ist, liegt die Vermutung jedoch nahe, dass es damit zusammenhängen könnte. So wie wir die rechte Hand reichen, bieten wir auch die rechte Wange an.

Wem die ganze Küsserei zuwider ist, der muss nach Japan auswandern. Dort verbeugt man sich traditionell voreinander. Je internationaler das berufliche Umfeld ist, desto mehr wird auch die Hand gereicht. Doch Küsse, egal, wohin und von wem und in welcher Form auch immer, sind in der ­Öffentlichkeit völlig unüblich.

Wenn Sie nicht auswandern, werden Sie Begrüßungen mit Kuss wohl nicht vermeiden können. Das Einzige, was Sie tun können, um zumindest einige dieser Begegnungen zu verhindern, ohne den anderen zu sehr vor den Kopf zu stoßen, ist, die Hand zu einem festen Händedruck zu reichen. Wer auf ein Gegenüber, das einen bevorstehenden Begrüßungskuss vermuten lässt, mit einem freundlichem Lächeln zugeht und ihm schon von einer gewissen Distanz aus die Hand entgegenstreckt, hat zumindest eine Chance, sich die Person zwar nicht ganz vom Leibe, aber dennoch »von der Wange« zu halten.

Küss die Hand …

Irrtum:

Einen Handkuss gibt man niemals unter freiem Himmel.

Richtig ist:

So einfach ist es nicht …

Im Geschäfts- und Berufsleben ist es in Deutschland allgemein nicht üblich, einer Frau die Hand zu küssen. Diese Geste tritt eher bei selteneren Gelegenheiten im Privatleben auf.

Ausnahmen für das Berufsleben gibt es natürlich, wenn man im Ausland unterwegs ist. So konnten wir in den ­letzten Jahren auf Bildern mehrfach sehen, wie unserer Bundeskanz­lerin die Hand geküsst wurde – unter anderem im Herbst 2005 vom damaligen französischen ­Staatspräsidenten ­Jacques Chirac und im November 2011 vom polnischen Ministerprä­sidenten Donald Tusk. Vielleicht haben diese Bilder ebenso wie das Wiederaufleben von Bällen dazu geführt, dass es ein neues Interesse an der zwischenzeitlich fast ausgestorbenen und nur noch in Adelskreisen üblichen Geste gibt.

Ursprünglich war es ein Zeichen von besonderer Bewunderung, von Verehrung und Ergebenheit, wenn ein Mann einer Frau einen Handkuss gab. Grundsätzlich war er den verheirateten und auch den verwitweten Frauen vorbehalten. Küsste ein Mann einer unverheirateten Dame die Hand, so kam das einem Heiratsantrag gleich. In sehr traditionellen Familien ist es auch heute noch so, dass der Mann seiner Verlobten in dieser Form einen Antrag macht. Hier wird die Hand nicht im Stehen ergriffen wie sonst üblich, vielmehr kniet der Mann vor seiner Auserwählten. Falls Sie vorhaben, in dieser Form um die Hand Ihrer Angebeteten anzuhalten, sollten Sie wissen, dass der traditionelle Ablauf sich wie folgt gestaltet: Er kniet vor ihr, fragt sie, ob sie ihn heiraten ­möchte. Wenn die Frau zustimmt, küsst ihr der Verlobte die Hand, steckt den Ring an, küsst die Hand ein zweites Mal und erhebt sich dann. Hier wird die Hand richtig geküsst, und es spielt keine Rolle, ob man sich in einem ­geschlossenen Raum aufhält oder nicht – jeweils ganz anders als bei förmlichen Handküssen in Form einer Begrüßung, wie weiter unten aufgezeigt wird. Ein Verliebter muss also nicht auf das stimmungsvolle Szenario unter freiem Himmel verzichten. Dieser Handkuss ist ganz anders zu bewerten und folgt ande­ren Regeln als der Handkuss, der zur Begrüßung dient.

So romantisch und eindrucksvoll das auch wirken mag, die meisten Frauen scheinen heute kein großes Interesse mehr am Handkuss zu haben, egal, ob es sich um eine Geste der Begrüßung oder einen Antrag handelt. Bei einer repräsentativen Umfrage, die Emnid im Jahr 2006 im Auftrag des Playboy durchführte, gaben gerade einmal sechs Prozent der Frauen an, dass ihnen der Handkuss wichtig sei. Natürlich kann man nicht wissen, wie viele von ihnen überhaupt schon einmal in einer solchen Situation waren. Interessanterweise ist der Anteil der Männer, denen er wichtig ist, doppelt so hoch. Die Umfrage ist repräsentativ, demnach müsste also mindestens jeder zehnte Mann, dem man als Frau begegnet, zuweilen den Impuls spüren, eine Hand nicht nur zu ­drücken, sondern einen Kuss darüberzuhauchen. Ich habe eine zugegebenermaßen nicht repräsentative Befragung unter meinen Seminarteilnehmerinnen und Bekannten durchgeführt, doch selbst von denjenigen, die häufiger formellen Festlichkeiten beiwohnen, berichtete kaum jemand, schon einmal einen Handkuss erhalten oder gegeben zu haben. Woran das wohl liegt? Vielleicht spielt die Unsicherheit darüber eine Rolle, wie man sich richtig verhält.

Österreich, Italien, Frankreich und Polen sind Länder, in denen man noch recht häufig erleben kann, dass Handküsse verteilt werden. Gerade in Polen und auch in Frankreich ist es eine Geste, die quer durch fast alle Gesellschaftsschichten in entspannter Eleganz durchgeführt wird. In Österreich wird die Geste zunehmend seltener und beschränkt sich mehr und mehr auf einige besondere Anlässe wie den Wiener Opernball. Auch gerät dort die Grußformel »Küss die Hand«, die wir aus Filmen und vielleicht aus dem Urlaub kennen, langsam in Vergessenheit.

Ich weiß nicht, wie die Prozentzahlen in diesen anderen Ländern aussehen, wie oft der Handkuss dort also tatsächlich noch gebraucht wird und wie beliebt er bei Männern und Frauen ist – allein die Beobachtungen des Alltags zeigen, dass hier auf jeden Fall eine andere Sicht der Dinge herrscht als in Deutschland.

In Ungarn ist übrigens die Formel »Ich küsse Sie« als sprachliche Verkürzung von »Ich küsse Ihre Hand« ein normaler Gruß. Üblich ist ein ähnlicher Satz auch in Rumänien, dort heißt es: »Ich küsse die Hand.«

Bei uns galt es über Jahrhunderte als unfein, wenn ein Mann einer Dame die Hand schüttelte, und besonders großbürgerliche und adelige Familien konnten sich eine andere Form der Begrüßung einer Frau als den Handkuss kaum vorstellen. Heute ist davon nichts mehr zu spüren: Der Gebrauch der Geste beschränkt sich auf ganz bestimmte Ereignisse und wird darüber hinaus nur noch von einigen ­adeligen Familien fortgeführt. Doch vielleicht erlebt der Handkuss ja tatsächlich gerade ein Comeback. Dann können die folgenden Regeln hilfreich sein.

Für die Dame und den Herrn gilt:

Die Hand wird nur in geschlossenen Räumen geküsst.Bahnsteige machen eine Ausnahme, auch hier darf die Hand geküsst werden.Ob eine Gartenparty auch als »geschlossener Raum« interpretiert werden darf, darüber gibt es unterschiedliche Ansichten.

Für die Dame gilt:

Es ist äußerst unfein, einen Handkuss zu erzwingen, indem man dem Mann auf Kinnhöhe die Hand hinstreckt. Auch wer zu den sechs Prozent der Frauen gehört, denen ein Handkuss wichtig ist, muss entweder warten, bis es zufällig passiert, oder im Bekanntenkreis diskret verlauten lassen, wie schön man diese Geste findet …Die Hand wird dem Mann entspannt gereicht, wenn dieser sie zum Handkuss nach oben führen will. Auch wenn Sie die Geste unwichtig finden und selbst wenn Sie sie überhaupt nicht mögen, sollten Sie Ihre Hand nicht ruckartig zurückziehen oder versuchen, sie mit Anstrengung unten zu behalten, so dass doch noch ein Handschlag dar­aus werden kann. Die Hand hier zu entziehen ist genauso unhöflich, wie sie zum Handschlag zu verweigern.

Für den Herrn gilt:

In einer überschaubaren Runde gilt die Regel, dass ent­weder alle Damen oder keine einen Handkuss bekommen sollten.Der Mann von Welt neigt sich vor und zeigt so schon an, was kommt.Die Hand wird nicht gedrückt, sondern nur genommen und leicht gedreht, so dass der Handrücken nach oben zeigt.Dann führt man die Hand ein wenig nach oben – weder schnell noch fest noch weit. Der Kuss wird einige Zentimeter über den Handrücken gehaucht – es bleibt also bei einem angedeuteten Kuss.Jetzt darf die Hand nicht wie eine heiße Kartoffel fallen gelassen werden, sondern wird sanft wieder nach unten geführt.Auch wenn es überflüssig sein mag, füge ich zur Sicherheit hinzu, dass man natürlich die Dame vor dem Handkuss grüßt und sie dabei anblickt. Während man die Geste ausführt, gilt die Aufmerksamkeit der Handlung, und es wird nicht gesprochen.

Die Bundeskanzlerin gehört wohl zu den wenigen Menschen, die des Öfteren einen Handkuss bekommen, daher kennt sie auch die Formen, die nicht den hier beschriebenen Ursprung haben, einer Dame die Verehrung zu bekunden. So ist bekannt, dass sie im Herbst 2009 von einem ­türkischen Schüler in einer Berliner Schule einen Handkuss bekam, als sie dort zu Besuch war. In der Türkei wie in vielen ­arabischen Ländern und auch in den traditionellen Gesellschaften Ost- und Südostasiens ist es heute noch üblich, sowohl Eltern als auch Lehrern und anderen besonders zu respektierenden Verwandten und Bekannten die Hand zur Begrüßung zu küssen.

Früher war es auch bei uns in Deutschland üblich, die ­Eltern mit dieser Geste zu begrüßen. Heute dürfte es allerdings kaum mehr eine deutsche Familie geben, wo dies noch zu den Ritualen gehört.

In Europa ist der Handkuss an sich schon seit dem Mittelalter bekannt. Als Zeichen des Respekts und auch der Unterwerfung küsste man höhergestellten Adeligen oder auch Geistlichen den Ring, der ein Zeichen ihrer Legitimation war. Interessanterweise war diese Geste zugleich auch Ausdruck der Ehrenhaftigkeit des Untergebenen. Die Hand ­eines Herrschenden gereicht zu bekommen galt als eine ­besondere Gunst, die nur Menschen zuteilwurde, die dem betreffenden Würdenträger nahe standen oder selbst von hohem Stand waren. Dies war bis ins 19. Jahrhundert gültig. Erst um 1900 löste sich diese Praxis langsam auf – eine Emanzipierung des Bürgertums, die Industrialisie­rung und die demokratischen Prozesse in den europäischen Ländern ließen die alte Geste in einem immer zweifelhafteren Licht erscheinen.

Im Übrigen ist der Handkuss in Europa noch gegenüber hohen katholischen und orthodoxen Geistlichen üblich. Vom Bischof an wird Geistlichen der Siegelring geküsst, der an der rechten Hand getragen wird. Beim Papst wird der ­Fischerring geküsst. Der derzeitige Papst Benedikt XVI. ­allerdings ist immer wieder dabei zu beobachten, dass er die Hand der Menschen ergreift, die erkennbar die Absicht hatten, seinen Ring zu küssen. Besonders gut ist das auf den Fotos von einem Besuch des Papstes in Santiago de Compos­tela zu erkennen. Bei der Begegnung mit Prinzession Letizia von Spanien knickste sie vor ihm und beugte sich über seine Hand, die er ihr dann zum Handschlag reichte. Es ist ein Bild vom Flughafen, es wäre also ein Handkuss unter »freiem Himmel« geworden. Doch die Regel, dass die alte Geste auch am Bahnsteig erfolgen darf, kann natürlich übertragen werden. Immer dort, wo öffentliche Verkehrsmittel an- und abfahren, ist ein Handkuss unter freiem Himmel absolut »comme il faut«.

Übertriebene Freundlichkeit

Irrtum:

Der Konjunktiv macht alles höflicher.

Richtig ist:

In vielen Situationen ist das Sprechen im Konjunktiv nicht höflich, sondern wirkt unsicher.

Es ist richtig, dass der Konjunktiv II im Deutschen nicht nur verwendet wird, um unmögliche oder unwahrscheinliche Dinge auszudrücken, er wird auch »Höflichkeitsform« genannt und kann und soll auch als solche genutzt werden. Das äußert sich in Formulierungen wie: »Könnten Sie das bitte zur Post bringen?«, »Hätten Sie vielleicht noch Zeit für eine kurze Besprechung?«, »Würdest du mir bitte etwas aus dem Supermarkt mitbringen?« Leider hat der in den letzten Jahren stärker gewordene Wunsch, sich höflich zu verhalten, mehr Service zu bieten und mehr Kundenorientierung zu zeigen, dazu geführt, dass diese Höflichkeitsform nun teilweise inflationär gebraucht wird. Das führt dazu, dass sie zum Teil nicht mehr als Höflichkeit erkannt wird, weil sie in Situationen verwendet wird, in denen man den Konjunktiv eher in seiner irrealen Aussagewirkung versteht. Dort ist diese Art der Höflichkeitsgrammatik völlig fehl am Platz. Beispiele dafür sind Sätze wie: »Ich würde Ihnen gerne vorschlagen, das Meeting zu organisieren« oder »Ich würde Sie bitten, Herrn Müller einzuladen.« Hier weiß man nicht, ob der Sprecher sich sicher ist in dem, was er plant. Es scheint fast, als halte er selbst sein Ansinnen für ein Ding der Unmöglichkeit. »Ich würde Sie ja gern darum bitten, aber ich tue es nicht, weil ich mich das letztlich doch nicht traue«, könnte man in den ersten Satz ebenso hineininterpretieren, wie man im zweiten Satz eine Abwehrhaltung gegen Herrn Müller oder die Einladung herauslesen könnte. Man ist ­geneigt, im Stillen zu ergänzen: »… aber ich tue das alles nicht.« Ebenso verwirrend und deshalb nicht mehr höflich sind oft gebrauchte Formulierungen wie: »Ich würde Sie ­gerne fragen …« oder auch »Ich würde sagen …«

Den Konjunktiv II für eine Bitte zu nutzen, liegt nahe, ­bietet er doch die Möglichkeit, das Anliegen indirekter und ­damit weniger offensiv und fordernd vorzubringen als im Indikativ. Nicht umsonst werden solche Formulierungen als »Weichmacher« bezeichnet. Ist der Konjunktiv in dieser Funktion gewollt und richtig eingesetzt, drückt er auch tatsächlich Höflichkeit aus. Ungewollt verwendete oder allzu häufig und in allen möglichen Zusammenhängen ­eingesetzte Konjunktivformulierungen jedoch verkommen schnell zu Floskeln, die sinnentleert sind oder die Absicht des ­Sprechers gerade ins Gegenteil verkehren. So weiß man, dass gerade Formulierungen wie »Ich würde sagen …« oder »Ich möchte Sie bitten …« weniger als höflich, sondern eher als un­sicher wahrgenommen werden und daher für Verwirrung sorgen.

In einer Reihe von Kommunikationstrainings gerade für Führungskräfte und Mitarbeiter des Außendienstes wird deshalb immer wieder darauf hingewiesen, dass die Teilnehmer sich lieber abgewöhnen sollen, so zu sprechen. Manchmal wird dies vielleicht zu pauschal verstanden als Anweisung, nicht mehr gar so höflich zu sein. Das wiederum führt die Menschen in Verwirrung, die in anderen Seminaren – wie etwa bei mir – hören, dass sie freundlichere Ausdrucksweisen verwenden sollen. Ich werde immer wieder gefragt, wie es zu solch unterschiedlichen Ratschlägen bei Trainings kommen kann. Doch beides ist zu jeweils seiner Zeit richtig. Die Formulierung »Bitte organisieren Sie das Meeting« ist immer noch höflich, aber deutlich klarer als der Konjunktiv, so dass der Angesprochene auch wirklich versteht, dass er hier einen Arbeitsauftrag bekommen hat. Ist man sich nicht sicher, ob eine so direkte Ansprache möglich ist, so gehört zu klarer Kommunikation, dass man dennoch eine eindeutige Aussage trifft. Denn es ist eben auch ein Zeichen von Höflichkeit, wenn man den anderen nicht erst nach der Be­deutung des Gesagten suchen lässt. Das könnte zum Beispiel sein: »Wie sieht es bei Ihnen aus? Schaffen Sie es, das ­nächste Meeting zu organisieren?« Auch eine sehr freundliche Bitte lässt sich ohne den Konjunktiv II ausdrücken, wenn man klarmachen möchte, dass man keine Erwägung, sondern ­eine freundliche Anweisung oder Bitte formuliert: »Bitte ­laden Sie Herrn Müller ein.« Oder noch freundlicher: »Bitte seien Sie doch so nett und kümmern sich um die Einladung an Herrn Müller.«

Gerade in der Kommunikation von Führungskräften ist es oft wichtig, klar zu signalisieren, dass ein Arbeitsauftrag vergeben und nicht nur eine Frage oder eine Überlegung ­geäußert wurde. Neben Verbundenheit werden als wichtige Eigenschaften einer Führungskraft schließlich auch Eindeutigkeit, Klarheit und Entschlossenheit genannt. Dies ist der Grund, warum hier eine Bitte mit »würde« und »könnte« oft nicht geeignet ist.

Bei Präsentationen wiederum geht es oft darum, deutlich zu machen, dass man selbst vom Inhalt der Präsentation absolut überzeugt ist. Deshalb ist es auch hier oft ungeeignet, zu »irreal« zu sprechen.

Allgemein üblich

Irrtum:

Wenn eine Frau eine Rede hält, so beginnt sie mit: »Sehr geehrte Herren und Damen«.

Richtig ist:

Die Konvention »Sehr geehrte Damen und Herren« gilt immer.

Viel war im ersten Lexikon der Benimmirrtümer die Rede ­davon, dass man gerade im Beruf nicht davon ausgehen kann, dass die Regel »Ladys first« immer richtig ist. Im Beruf zählt zunächst der Rang, die Hierarchie oder die Position, nicht das Geschlecht.

So sehen es alle Experten, die sich mit Umgangsformen, Knigge, Etikette und menschlichem Miteinander beschäf­tigen. Allen, die dennoch daran zweifeln, sei empfohlen, sich bei den Nachrichten einmal nicht auf den Inhalt, sondern auf die Umgangsformen der gezeigten Personen zu konzentrieren. So kann man sehen, dass ein hoher Politiker bei ­einem Auslandsbesuch, zum Beispiel Barack Obama, immer zuerst begrüßt wird, auch wenn er von einer Politikerin geringeren Ranges wie der Außenministerin Hillary Clinton oder von seiner Ehefrau Michelle Obama begleitet wird. Rang vor Geschlecht – ganz einfach.

Diese Regel hat sich inzwischen immer mehr herumgesprochen, doch interessanterweise führt dies nicht zwangsläufig auch zu mehr Klarheit. Es gibt zuweilen merkwürdige hinzuerfundene Regeln, die über Foren im Internet ihren Weg in die Welt finden und für neue Verwirrung sorgen. So höre ich immer wieder die Idee, dass nur ein Mann seinen Vortrag mit den Worten »Sehr geehrte Damen und Herren« beginne. Sei eine Rednerin geladen, so müsse sie sagen: »Sehr geehrte Herren und Damen.« Das ist blanker Unsinn, und es gibt keine logische Erklärung dafür, warum das höflich sein sollte. Soll denn eine Frau, nur weil sie selbst eine Rede hält, alle anderen Frauen hintanstellen? Vergessen Sie diese absurde Regel! Es ist und bleibt die Konvention, dass die Anrede »Sehr geehrte Damen und Herren« lautet, ganz gleichgültig, ob Sie einen Sprecher oder eine Sprecherin vor sich haben.

Die richtige Reihenfolge

Irrtum:

Geht eine E-Mail an zehn Herren und eine Dame, so schreibt man: »Sehr geehrte Frau Müller, sehr geehrte Herren«.

Richtig ist:

Eine einzelne Person wird nur in den seltensten Fällen herausgehoben. Auch wenn neben mehreren Herren nur eine Dame angesprochen werden soll, heißt es: »Sehr geehrte Damen und Herren«.

Eine E-Mail, die an einen größeren Personenkreis geht, wird nur selten mit der namentlichen Nennung aller einzelnen Adressaten beginnen. Es gibt keine Regel, die besagt, ab wie vielen Personen man die Namen weglässt und schlicht zum Beispiel »Sehr geehrte Herren« schreibt. Es ist vielmehr von der Situation abhängig, und um eine Entscheidung zu fällen, ist es ratsam, verschiedene Kriterien zu erwägen:

Wie viele Personen sind es genau?Wie entspannt ist der Umgangston insgesamt?Wie formell ist das Dokument?Wie wichtig kann eine persönliche Anrede sein, damit sich wirklich alle angesprochen fühlen und ich alle er­reiche?Wie ist mein Verhältnis zu den Adressaten?

Im Allgemeinen lautet die korrekte Anrede also bei einer größeren gemischten Gruppe »Sehr geehrte Damen und Herren«. Auch wer den oder die Adressaten nicht kennt, verwendet diese Anrede. Weiß man, dass es sich nur um Frauen handelt, weil man zum Beispiel an ein Frauen­netzwerk schreibt, so heißt es analog »Sehr geehrte ­Damen«, bei einer Gruppe von Männern »Sehr geehrte Herren«.

Viele zögern bei der Frage, wie sie sich verhalten sollen, wenn eine ­E-Mail an einen größeren Verteiler geht und es bekannt ist, dass sich in der gesamten Gruppe der Leser nur eine einzige Frau befindet. Gerade diejenigen, die aufmerksam sind und diesen Tatbestand überhaupt wahrnehmen und im Hinterkopf immer noch die Regel haben, dass man mit Frauen besonders höflich umgehen sollte, tendieren dann dazu, »Sehr geehrte Frau Klein, sehr geehrte Herren« zu schreiben, und zer­brechen sich vielleicht noch darüber den Kopf, ob die Herren vielleicht doch zuerst genannt werden müssten, denn schließlich sei ja der Vorstand darunter …

Doch egal, in welcher Reihenfolge Sie es setzen, diese Formulierung ist fast immer falsch. Eine Frau, die sich heute in einer beruflich von Männern besetzten Domäne durchsetzen muss, liebt es nicht gerade, wenn sie bei jeder Gelegenheit als »die Dame« besonders herausgehoben wird. Sie will in den meisten Fällen als fachlich ernstzunehmende Kollegin wahrgenommen werden, die zum Team gehört, und nicht als Exotin.

Viele Frauen berichten, dass sie beim Start in einem reinen Männerteam durchaus den einen oder anderen komischen Kommentar gehört haben. Sie alle aber hatten gehofft, dass sich die offenkundige Auffälligkeit mit der Zeit nivellieren würde. Die Kollegen würden sich schon daran ge­wöhnen, dass nun eine Frau den Job von Herrn X erledigte. Wer diese Kollegin immer als »die Dame« herausstellt, und sei es in noch so höflicher Absicht, der kann es ihr auf ­Dauer damit noch schwerer machen, Akzeptanz zu finden, denn ihr »Anderssein« wird schließlich die ganze Zeit über betont.

Wenn Sie also an eine Gruppe von Menschen schreiben, die zum Beispiel einen Projektstatus sehen sollen, und die E-Mail nicht nur an die Projektleiter geht, sondern auch an diverse Mitarbeiter, vom Ingenieur bis zum Praktikanten, und es ist nur eine Frau darunter, so lautet die Anrede ganz einfach »Sehr geehrte Damen und Herren«. Soll eine ein­zelne Person unter all den Empfängern der Nachricht hervorgehoben werden, etwa weil sie der Kunde ist oder der Ranghöchste, so wird diese Person zuerst und mit ­Namen genannt. Dabei spielt es dann keine Rolle, ob es sich um eine Frau oder einen Mann handelt. Die Rolle ist hier entscheidend, nicht das Geschlecht.