Kater Toni löst den Fall - Ferry Hirschmann - E-Book
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Kater Toni löst den Fall E-Book

Ferry Hirschmann

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Beschreibung

Paella, Katzen und Ganoven: „Kater Toni löst den Fall“ von Ferry Hirschmann jetzt als eBook bei dotbooks. Das ruhige Leben, das Reiseleiter Julian mit seinen Samtpfoten Toni und Milli auf Mallorca führt, wird plötzlich ganz schön durchgewirbelt – denn Julian ist verliebt. Doch das frische Liebesglück wird schon bald von seltsamen Vorfällen überschattet: Jemand scheint es auf seine Freundin, und deren Vermögen abgesehen zu haben! Natürlich ist Julian gleich zur Stelle und legt sich zusammen mit seinem gewitzten Kater Toni auf die Lauer – denn um die hinterhältigen Täter zu überführen, braucht es eine ganz besondere Spürnase … Jetzt als eBook kaufen und genießen: der Katzenkrimi „Kater Toni löst den Fall“ von Ferry Hirschmann. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.

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Seitenzahl: 201

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Über dieses Buch:

Das ruhige Leben, das Reiseleiter Julian mit seinen Samtpfoten Toni und Milli auf Mallorca führt, wird plötzlich ganz schön durchgewirbelt – denn Julian ist verliebt. Doch das frische Liebesglück wird schon bald von seltsamen Vorfällen überschattet: Jemand scheint es auf seine Freundin, und deren Vermögen abgesehen zu haben! Natürlich ist Julian gleich zur Stelle und legt sich zusammen mit seinem gewitzten Kater Toni auf die Lauer – denn um die hinterhältigen Täter zu überführen, braucht es eine ganz besondere Spürnase …

Über den Autor:

Ferry Hirschmann, geboren 1931, war nach einem Studium der Medizin, Journalistik und Germanistik viele Jahre als Redakteur und Autor für bekannte Tageszeitungen und Zeitschriften, wie den „Stern“, die „Bunte“ und das „Schweizer Illustrierte“, tätig. Heute lebt der freie Schriftsteller mit seinen 13 Katzen in Galilea auf Mallorca.

Die Website des Autors: http://www.ferry-hirschmann.de/

***

Originalausgabe Oktober 2017

Copyright © der Originalausgabe 2017 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Redaktion: Dorothée Engel

Titelbildgestaltung: Nele Schütz Design unter Verwendung von shutterstock/pirtuss (Balustrade), Okssi (Kater), Simon Dannhauer (Haus am Meer)

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (ml)

ISBN 978-3-95520-836-3

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Ferry Hirschmann

Kater Toni löst den Fall

Roman

dotbooks.

 „Das Leben und dazu eine Katze, das ergibt eine unglaubliche Summe.“

Rainer Maria Rilke

Toni und die Nelken-Frau

Das Schnarren des Weckers riss mich aus wohligen Träumen. Es war sieben Uhr früh an einem Mittwoch im Spätsommer. Mittwochs ist Wochenmarkt in Sineu, und das heißt für mich, den Reiseleiter Julian Kramer, 35: raus aus den Federn, die Reisegruppe mit dem Bus von den Hotels abholen und in das Städtchen in der Mitte Mallorcas fahren. Schirm keinesfalls vergessen, damit die Leute auch immer sehen, wem sie folgen müssen.

Aber ich schaffte es nicht, um diese gottlose Zeit die kuschelwarmen Kissen zu verlassen. Toni, mein roter Kater, wusste das, wir waren schließlich ein eingespieltes Team. Er sprang auf mein Bett und begann sofort mit seiner bewährten Aufweck-Massage, indem er durch die Steppdecke hindurch mit seinen beiden Vorderpfoten meine Füße bearbeitete. Links, rechts, links, rechts, ähnlich wie ein Bäcker seinen Brotteig knetet. Er kam dabei richtig ins Schnaufen. Als er, sichtlich erschöpft, aufgab, übernahm Milli, mein schwarzes Katzenmädchen. Bei ihr ist es mehr ein sanftes Streicheln. Leider zieht sie dabei ihre Krallen nicht ein und verheddert sich jedes Mal in irgendwelchen Textilien, am häufigsten in Strickzeug. Spielte aber keine Rolle, denn ich war jetzt ohnehin schon wach.

Ich stand auf, suchte nach meiner Brille, machte einige Kniebeugen und Liegestütz, ein wenig Schattenboxen, trank einen hastigen Kaffee mit viel Milch und wenig Zucker, aß eine Banane und rief: »Toni, Milli, auf geht’s!«

Toni, der mir vor sieben Jahren zugelaufen war und einen höheren IQ hatte als so mancher Politiker, egal welcher Nation, sprang sofort in den bereit gehaltenen Rucksack, der eigentlich mehr eine oben offene Tasche war, aber wie ein Rucksack getragen werden konnte. Milli, die ich aus einer Mülltonne gerettet hatte, als sie gerade ein paar Tage alt war, bekräftigte ihre Ablehnung, indem sie sich auf meinem Bett lang ausstreckte und mir den Rücken zukehrte.

Ich holte mein Pendel hervor und stellte an mein Unterbewusstsein die Frage, ob ich Milli allein lassen könne. Das Pendel schwang nach rechts im Uhrzeigersinn, also konnte ich meine kapriziöse Katzendame getrost zu Hause zurücklassen.

Ich hatte es mir zur Gewohnheit gemacht, auch bei ganz banalen Fragen des Alltags mein Pendel zurate zu ziehen. Ich habe mir damit schon so manche Fehlentscheidung erspart. Meine Oma Agathe, die Mutter meiner Mutter, hatte mir diese Fertigkeit beigebracht, als ich noch in die Volksschule ging. Sie war und ist immer noch eine weise Frau, die von den Dorfbewohnern in schwierigen Lebenssituationen befragt wird. Doch bevor sie Rat erteilt, lässt sie zuerst ihr Pendel schwingen. Ich bin ihr heute dankbar für diese Lebenshilfe. Seit Kindertagen benütze ich das Pendel so selbstverständlich wie Kamm oder Zahnbürste.

Ich denke mir manchmal: Würden doch unsere sogenannten Entscheidungsträger in sich hineinhören und öfter mal ein Pendel befragen, bevor sie ihre Beschlüsse fassen, dann wäre unsere Welt zweifellos ein paradiesähnlicher Planet. Ich kenne Ärzte, die bei ihren Diagnosen zusätzlich ein Pendel oder eine Rute befragen. Sie gehören zu den beliebtesten und erfolgreichsten ihrer Zunft.

»Okay, dann eben nicht«, sagte ich zu Milli, »Madame sind wieder mal unpässlich. Na schön, dann wünsche ich noch einen schönen Tag. Wasser ist auf dem Balkon, und Trockenfutter steht daneben.«

Das weiß ich doch, Mensch, dachte Milli mit geschlossenen Augen. Es geht mir wirklich nicht gut. Die Sardinen gestern Abend dürften nicht ganz koscher gewesen sein. Hättest du vorher auch mit deinem Pendel austesten können. Und bei dieser Hitze in einen Rucksack gepfercht, die vielen Menschen, der Lärm. Dazu noch Toni, der immer herumstrampelt, damit er die beste Aussicht hat. Nein, vielen Dank, nicht mit mir! Da mache ich es mir lieber auf der Liege am Balkon bequem und lasse mir die frische Brise vom Meer um die Nase wehen. – Die Menschen haben ja keine Ahnung, was wir Katzen wirklich mögen.

Milli drehte sich auf die andere Seite. Aber ich will mich ja nicht beklagen, überlegte sie weiter, mit unserem Julian haben wir eindeutig den Jackpot gewonnen. Wenn man so hört, was andere Artgenossen mit ihren Besitzern mitmachen, gerade hier auf der Insel! Oh mein Gott, man könnte wirklich manchmal an der Menschheit verzweifeln.

Ich nahm es Milli nicht übel, dass sie zu Hause bleiben wollte. Am liebsten hätte ich mich zu ihr gelegt. Ich kann mir ein Leben ohne meine beiden samtpfotigen Wohngenossen nicht mehr vorstellen. Wenn ich einmal mies gelaunt bin oder mich einsam fühle, dann braucht mich Toni nur mit seinen gelbgrün strahlenden Scheinwerferaugen anzuschauen, die mich fragen: ›Was soll das, Mensch? Reiß dich zusammen. Es geht dir gut, du hast doch uns!‹ Die Augen einer Katze sind Fenster, die uns in eine andere Welt blicken lassen, heißt es in einem irischen Sprichwort. Ich kann das bestätigen und ergänzen. Dieser kurze Blick gibt uns eine Ahnung davon, wie vollkommen unsere Welt sein könnte, wenn sie von Katzen und nicht von Menschen beherrscht wäre.

Und wenn dann noch Milli auf meinen Schoß springt und sich schnurrend zusammenrollt, ist meine Welt wieder in Ordnung. Allein durch die Anwesenheit meiner beiden Katzen. Kein Wunder, dass diese besondere Spezies vor 5000 Jahren von den alten Ägyptern den Göttern gleichgestellt war. Bastet hieß die Katzengöttin, sie war die Tochter des Sonnengottes Ra.

Ich streichelte Milli noch einmal mit den Fingerspitzen über den Rücken. Sie tat so, als würde sie schlafen, aber ein kleines Lächeln auf ihrem Mäulchen und ein Zucken ihrer Schwanzspitze verrieten, dass sie noch wach war.

Ich hatte meine Gruppe, durchwegs Deutsche mittleren Alters, ausnahmsweise rasch beisammen. Meinem spanischen Fahrer Pedro, der seinen Job gleichmütig wie ein Roboter mit Schnurrbart verrichtete, gab ich das Zeichen zur Abfahrt, dann griff ich zum Mikrofon neben dem Beifahrersitz, begrüßte die Leute und erklärte ihnen, was ich schon im Schlaf aufsagen konnte.

»Die mittelalterliche Stadt Sineu liegt genau im Herzen Mallorcas. Wir haben hier den einzigen echten Bauernmarkt auf der Insel, ganz ohne Touristennepp.« Beifall kam auf, ehe ich fortfuhr. »Unter König Jaume II. war Sineu sogar Residenzstadt. Beachten Sie bitte, meine Herrschaften, die Kirche Mare de Déu dels Àngels mit der breiten Freitreppe und dem freistehenden Glockenturm. Die Statue des geflügelten Löwen von Sineu wurde allerdings erst 1945 errichtet, zu einer Zeit also …«

Toni in seinem Rucksack stöhnte innerlich. Oh nein, nicht schon wieder diese alte Leier! Interessiert doch kein Schwein. Die Leute wollen Sobrasada kaufen, diese fette, scharf gewürzte Wurst, und Ensaimada, den schlabberigen Kuchen, sie wollen bunte kitschige Wandteller nach Gelsenkirchen mitnehmen und süßen grünen Kräuterlikör probieren, aber sie wollen auf keinen Fall deine stinklangweiligen historischen Vorträge anhören. Wenn ich ihm das nur irgendwie schonend beibringen könnte. Aber wie kann eine Katze, sei sie auch noch so schlau, einem Menschen etwas beibringen? – Hm, eine gute Frage. Ich glaube, dass niemand eine Katze wirklich verstehen kann, es sei denn, er wird selbst eine. Die Menschen sagen, man könne uns Katzen nicht abrichten. Richtig. Umgekehrt klappt es besser, jedenfalls bei unserem Julian. Aber der ist ja auch etwas Besonderes. Er wird zwar nie auf mein Kommando durch einen Feuerreifen springen oder Männchen machen, aber er tut zumindest meistens das, was Milli und ich von ihm wollen. Ganz unbewusst natürlich. Er würde es nie zugeben, dass er – wie sagt man? – nach unserer Pfeife tanzt. Nicht immer, aber immer öfter. Es hat eine Weile gedauert, bis wir ihn endlich so weit hatten.

Einmal – ich erinnere mich genau – hatte er unsere Fütterung vergessen. Unser lautes Miauen hielt er für ein Zeichen guter Laune. Also versuchte ich es mit Pantomime. Ich schleppte mich mit scheinbar letzter Kraft zum Kühlschrank und streckte alle viere von mir. Milli machte es genauso. Da lagen wir, zwei arme Katzen kurz vor dem Verhungern.

Unser Herrchen sah es, erschrak und eilte herbei. »Was ist denn los mit euch?«, rief er entsetzt. Ich deutete mit der rechten Pfote auf den Kühlschrank und ließ mich erneut kraftlos zur Seite fallen.

»Oh mein Gott, ich habe euer Frühstück vergessen!«

Unser Herrchen öffnete sofort zwei Dosen mit leckerer Fischpastete, entschuldigte sich und gab jedem von uns eine doppelte Portion. Von dem Tag an vergaß er nie wieder, uns zu füttern, und zwar pünktlich, so wie wir Katzen es lieben. Nicht umsonst heißt es: Hunde haben Herrchen, Katzen haben Personal.

Ich sah, wie Toni seinen Kopf aus dem Rucksack streckte. Er schien sich nicht besonders wohlzufühlen. Ich wusste, dass er Busfahrten nicht gut vertrug, und war daher froh, als wir uns dem Parkplatz in der Nähe des Marktes näherten.

Die Leute wunderten sich manchmal, dass ich immer eine meiner Katzen, manchmal auch beide, auf meine Sightseeing-Touren mitnahm. Ich fühle mich wohler, wenn sie bei mir sind; außerdem hatte ich gemerkt, dass die Touristen mehr Trinkgeld gaben, das ich stets meinem stoischen Fahrer Pedro überließ. Sie fanden die Kätzchen putzig. Jeder wollte sie streicheln, was Toni allerdings nicht besonders mag. Milli ist da toleranter, sie liebt sanfte Berührungen.

Ich hatte immer eine Flasche Wasser dabei. Auch jetzt schlabberte Toni ausgiebig aus der Plastikschale, die ich ihm hinhielt. Er hatte die Gewohnheit, immer erst eine Pfote in das Wasser zu halten, bevor er trank, als ob er die Temperatur prüfen wollte. Ich dachte: Jedem Tierchen sein Pläsierchen, und ließ ihn gewähren, auch wenn ich dabei manchmal einen Spritzer abbekam, wenn er nach dem Trinken seine nasse Pfote abschüttelte.

Meine Kollegen hatten mir den Spitznamen Katzen-Doktor gegeben, aber das störte mich nicht. Meinen Titel verwende ich ohnehin nur, wenn es nicht anders geht.

Ich hatte in Madrid über den spanischen Nationaldichter Miguel de Cervantes Saavedra und seinen Don Quijote promoviert, den Ritter von der traurigen Gestalt. Die spanische Sprache hat mich schon immer fasziniert, ebenso der große Dichter des Landes. So ließ er zum Beispiel seinen traurigen Helden von der Geliebten Dulcinea schwärmen: Erlauchte vorzügliche Herrin mein, der von der Trennung Schwertestich durchbohrte und im tiefsten Herzen Verwundete, schickt dir, süßeste Dulcinea von Toboso, das Wohl, das ihm verwehrt.

Dieser schwärmerische Spinner hatte es mir angetan. Manchmal kam ich mir selber vor wie Don Quijote und Toni wie mein treuer Knappe Sancho Panza. Einziger Unterschied: Statt einer Lanze trug ich einen bunten Regenschirm.

Ich war als Student durch die endlose Ebene La Mancha gewandert, mitten in Kastilien, etwa eine Autostunde südlich von Madrid, auf den Spuren des sagenumwobenen Ritters. Meine Suche blieb ergebnislos, denn die Geschichte von Don Quijote ist natürlich eine Erfindung des genialen Dichters. Es gibt wohl Dutzende von angeblichen Geburtsstätten Quichotes, vom örtlichen Fremdenverkehrsverein sorgsam gehegt und gepflegt, es gibt Cervantes-Museen und Don-Quijote-Denkmäler. Mein Professor war immerhin von meiner peniblen Recherche so beeindruckt, dass meine Promotion locker über die Bühne ging.

Den Doktor hatte ich hauptsächlich wegen meiner Eltern gemacht; einfachen, aber keineswegs armen Bauern aus dem Allgäu, die mächtig stolz auf ihren einzigen Sohn waren – auch wenn es nicht danach aussah, dass er einmal den väterlichen Hof übernehmen würde.

Wir stiegen aus dem klimatisierten Bus. Die Hitze schlug uns wie ein feuchtes heißes Handtuch entgegen. Die Rufe der Händler, Kindergeschrei, die Stimmen der vielen Käufer, das Gackern der feilgebotenen Hühner, das Blöken der Schafe und Grunzen der Schweine machten es mir nicht leicht, mich mit meiner Gruppe zu verständigen. Aber alle folgten brav meinem hochgehaltenen Schirm.

Toni reckte erneut seinen Kopf aus dem Rucksack. Mein Gott, wäre mein Herrchen doch wenigstens zehn Zentimeter größer, dann hätte ich einen besseren Überblick über das Gewimmel hier. Und dazu noch dieser läppische Schirm. Finde ich echt peinlich. Ich beneide Milli, die jetzt gemütlich auf dem Balkon ihr Sonnenbad genießt. Aber allein lassen wollte ich ihn ja auch nicht. Wen hat er schon außer uns beiden?

Ich verblieb schließlich so mit meiner Gruppe, dass wir uns in zwei Stunden wieder beim Bus treffen würden. Erleichtert sah ich mich nach einem schattigen Platz vor einem der Cafés um. Dabei blieb mein Blick an einer großen schlanken Frau hängen. Sie hatte, so schien es mir, das schönste, edelste Gesicht, das ich je gesehen hatte. Sie mochte etwa Mitte 30 sein. Ihr langes schwarzes Haar hatte sie zu einem Knoten gebunden und schritt gelassen, geschmeidig, sehr aufrecht durch die Menge.

Ihr Anblick traf mich wie ein Blitz. Man begegnet vielen schönen Frauen in Spanien, aber so eine hatte ich noch nie gesehen. Liebe auf den ersten Blick wäre zu viel gesagt, aber bestimmt passt Begeisterung und Erregung, die auf jeden Fall auch erotisch bedingt war.

Ich holte mein Pendel aus der Tasche und fragte, ob ich dieser Frau wieder begegnen würde. Die kleine Goldkugel an der kurzen Kette, ein Geschenk meiner Oma, flog mir fast aus der Hand, so heftig drehte sie sich in zustimmenden Rechtskreisen.

Auch Toni hatte die Frau erspäht. Wie eine Königin, dachte er, und dann, ganzaufgeregt: Sie hat mir zugezwinkert. Ja, eindeutig, sie hat mich angesehen, gelächelt und gezwinkert. Wenn sie kein nervöses Augenleiden hat, dann galt das Zwinkern mir. Das wäre doch was für mein Herrchen, aber nein, der trottet da einfach lustlos dahin. Oder doch nicht? Nein, mir scheint, er hat sie ebenfalls erspäht!

Während ich noch diese Zaubergestalt anstarrte, sah ich, wie sich eine dickliche Frau mit einem kleinen Nelkenstrauß in der Hand gezielt den Weg zu der Schönen bahnte und ihr mit falschem Lächeln eine Nelke überreichen wollte. Die junge Frau schüttelte unwillig den Kopf, ohne zu merken, dass die Blumenfrau ihr blitzschnell in die Einkaufstasche griff, sich mit geübtem Griff die Geldbörse schnappte und damit abhaute.

Dass auch Toni etwas gesehen hatte, merkte ich daran, dass er mich mit der Pfote aufgeregt am Hinterkopf stupste. Ich wusste aus Erfahrung, dass er das nie ohne guten Grund tat.

»Hab schon gesehen«, sagte ich ihm und stellte mich schnell der dicken Frau in den Weg, die gerade in eine Seitengasse flüchten wollte. Es war, wie ich wusste, eine dieser berüchtigten Nelken-Frauen, raffinierte Taschendiebinnen, die vom Festland nach Mallorca kamen und schon so manchen Touristen die Urlaubsfreude vergällt hatten.

Ich hielt die Frau fest und entriss ihr die gestohlene Börse. Die Diebin wollte sich wütend wehren, doch da richtete sich mein tapferer Toni, wie ich spürte, im Rucksack zu voller Größe auf und fauchte die Person zornig an. Mit einem Angstschrei riss sich die Frau los und verschwand um die nächste Ecke im Gewirr der engen Gassen.

»Soll ich sie einfangen, Dok?«, hörte ich eine vertraute kräftige Bassstimme. Es war Bobby, ein hünenhafter afrikanischer Souvenirverkäufer, den ich schon seit Jahren von den verschiedenen Wochenmärkten her kannte. Im Gegensatz zu den meisten fliegenden Händlern besaß Bobby eine amtliche Lizenz für seinen Bauchladen. Dazu hatte ich ihm seinerzeit mit meinen Verbindungen verholfen. Gelegentlich arbeitete der gelernte Elektronikfachmann auch als Spezialist für Überwachungsanlagen. Das machte er allerdings – wie denn sonst? – schwarz …

»Hat keinen Sinn, Bobby«, winkte ich ab. »Die ist längst über alle Berge. Aber merke dir ihr Gesicht.«

»Brauche ich nicht, kenne ich schon«, erwiderte Bobby und streichelte behutsam über Tonis Kopf. »Wie geht’s meinem kleinen roten Freund?«

Gut geht es mir, mein großer schwarzer Freund, signalisierte Toni ungeduldig, aber stör uns jetzt nicht, denn da sind wichtige Ereignisse im Gange, das spüre ich bis in die Ohrspitzen. Also sei bitte so gut, steh da nicht ewig herum, sondern hau endlich ab!

Ich mag diesen stets freundlichen, sogar bei kaltem Winterwetter schweißglänzenden Burschen, der für mich so aussieht, als würde er gleich Ol’ man river aus Porgy and Bess singen. Aber mit ihm konnte ich mich jetzt nicht abgeben, denn soeben näherte sich uns die aufregend schöne junge Dame, die mir vorhin schon so angenehm aufgefallen war. Mein Goldpendel hatte also wieder einmal recht behalten.

Sie hatte wohl durch den kleinen Tumult inzwischen mitbekommen, dass sie bestohlen worden war. Ich ging auf sie zu und übergab ihr mit einer kleinen Verbeugung die pralle Geldbörse.

»Da haben wir ja noch einmal Glück gehabt«, sagte ich, um Lockerheit bemüht. Aber mehr brachte ich im Moment nicht hervor, so beeindruckt war ich von der Ausstrahlung dieser Traumfrau in Jeans, weißer Bluse und bequemen Sandalen.

Sie reichte mir anmutig die Hand. »Dorina de Lombard«, stellte sie sich vor. »Ich weiß nicht, wie ich Ihnen danken soll, Herr …«

»Kramer. Julian Kramer«, sagte ich.

Toni verbesserte ungehört: Doktor Kramer. Doktor! Warum zum Kuckuck spielt er diesen Trumpf denn nie aus? Viel mehr hat er doch nicht, womit er auftrumpfen könnte. Gewiss, er sieht ganz gut aus, die Frauen machen ihm schöne Augen, das sehe ich immer wieder. Aber sonst? Reiseleiter. Auch schon was. Das haut doch wirklich keinen vom Hocker.

Jetzt wusste ich, weshalb sie mir so bekannt vorkam. »Sind Sie nicht die bekannte Pianistin?«, fragte ich freudig überrascht. »Dorina de Lombard – natürlich, Sie sind es! Ich besitze eine CD von Ihnen mit den Nocturnes von Chopin. Und neulich habe ich Sie im deutschen Fernsehen gesehen.«

»Ach, das finde ich aber reizend«, sagte Dorina de Lombard mit angenehmer und, wie ich fand, ungemein sinnlicher Altstimme. »Darf ich Sie vielleicht zu einem Kaffee einladen? Und natürlich auch Ihren Freund hier im Rucksack. Wir beide kennen uns bereits vom Sehen, nicht wahr?« Sie streckte ihre Hand aus, um Toni zu streicheln. Ich beneidete meinen Kater um diese kurze Zärtlichkeit, die er mit geschlossenen Augen hingebungsvoll genoss.

Gut, dass ich schon rot bin, sonst würde man jetzt merken, dass ich es werde. Was für eine Frau! So eine würde ich meinem Herrchen wünschen, nicht diese katzenallergischen Tussis, die er bisher angeschleppt hat. Immer dieses hysterische Geschrei: »Oh mein Gott, deine Katzen waren heute wieder auf meinem Bett! – Oh nein, jetzt sitzen sie auch noch auf dem Esstisch. Kann man ihnen das nicht endlich abgewöhnen?« Die taten so, als gehörten wir zur Familie der Tyrannosaurier. Nicht einmal unsere Namen haben die sich gemerkt. Es hieß immer nur ›die Katzen‹.

Aber wir haben es ihnen gezeigt! Einmal habe ich einer Hildegard, die uns immer mit Salat füttern wollte, »weil das so gesund ist, auch für Tiere« – ja, vielleicht für Pferde oder Kühe, aber doch nicht für Katzen … Also dieser vegetarischen Blondine mit Zopf habe ich eines Abends eine tote Maus ins Bett gelegt. Ganz ohne Nebengedanken, nur um ihr zu demonstrieren, dass wir Fleischfresser sind, keine Gemüselinge.

Und dann lag ich mit Milli auf der Lauer. Das Warten hat sich gelohnt. Plötzlich gab es ein Gekreisch, so schrill, dass ich schon dachte, die Feuerwehr rückt an. Julian kam und fragte schlaftrunken: »Was ist denn los, Hildchen? Warum diese Aufregung?«

Hildchen schnappte nach Luft: »Warum? Warum, fragst du? Da, schau selbst! Eine to… eine to… eine tote Maus. In meinem Bett!«

»Ja und? Möchtest du lieber eine lebende?«, fragte unser Julian ganz ruhig. Dafür lieben wir ihn.

Der Fall Hildegard war damit abgeschlossen, ein für alle Mal. Sie verließ uns gleich am nächsten Morgen. Die Nacht hat sie auf einem Liegestuhl auf dem Balkon verbracht, von Julian aufmerksam mit einer Decke versorgt. Da kennt er nichts, da ist er ganz Gentleman.

Hildegard ging wortlos, ohne das übliche Ultimatum, das die anderen Gespielinnen unseres Herrchens zu stellen pflegen: »So geht es nicht weiter, Julian! Das mache ich nicht länger mit. Du wirst dich entscheiden müssen. Entweder du trennst dich von diesem Katzenpack oder ich gehe!« Zum Glück hat sich unser Herrchen immer, ohne auch nur einen Augenblick zu zögern, für uns entschieden. Er verlor nicht viele Worte, sondern hob Milli und mich auf seine Arme und sagte freundlich: »Wir wünschen dir eine gute Reise!«

Bei der anderen ging es noch schneller. Ich weiß nicht mehr, wie sie wirklich hieß. Er nannte sie Bibi. Da schafften wir es statt mit einer Maus mit einem Handtuch, einem sehr nassen. Ganz schön schwer, doch mit Mimis Hilfe gelang es mir, das Ding in ihr Bett zu hieven.

Auch hier ein Mordsgeschrei. »Schau dir diese Sauerei an! Mein Bett ist total nass!«

Und wieder blieb Julian gelassen und sagte nur: »Du solltest dich besser abtrocknen, wenn du aus der Badewanne steigst.«

Darauf Bibi empört: »Aber das ist doch nicht vom Baden, du Schwachkopf! Tu doch nicht so scheinheilig. Du weißt nur zu genau, woher das kommt.«

»Dann solltest du schleunigst zu einem Frauenarzt gehen«, meinte unser Julian seelenruhig.

Ich erinnere mich, dass Mimi mir zuflüsterte: »Bibi muss immer Pipi.« Wir haben sehr gelacht.

Bibi ging noch am selben Tag. Wobei ich zugeben muss, dass in beiden Fällen die Beziehung unseres Herrchens bereits ein Auslaufmodell war.

Aber diese Dame hier, diese Dorina, ist ganz anders, das spüre ich. Sie riecht auch so gut, richtig verführerisch. Endlich eine, die ideal zu uns passen würde. Hoffentlich erkennt er das. Mimi und ich werden jedenfalls alles tun, damit es diesmal klappt, dachte Toni.

»Aber das ist doch nicht nötig«, protestierte ich schwach, als mich diese Traumfrau zum Kaffee einlud; meinte es aber natürlich nicht so. Ich setzte mich zu ihr. Wir plauderten drauflos, und wenn uns jemand beobachtete, dachte er sicher, dass sich da zwei gute alte Bekannte über ein Wiedersehen nach langer Zeit freuten. Dorina de Lombard fand meinen Beruf als Reiseleiter »sehr spannend« und meinte: »Man lernt dabei doch sicher jeden Tag interessante Menschen kennen, nicht wahr?«

»Ganz so ist es leider nicht«, widersprach ich. »Man ist da eher der wandelnde Abfallkübel für Beschwerden jeder Art. Mal ist es das Hotelzimmer, das nicht dem entspricht, was im Prospekt stand, mal die mangelnde Hygiene, zu laute Zimmernachbarn und am häufigsten das Essen, das so ganz anders schmeckt als zu Hause. Ein älteres Ehepaar beschwerte sich neulich sogar darüber, dass Mallorca keine tropischen Pflanzen und bunten Papageien habe wie auf Bali, wo sie im letzten Winter gewesen waren. ›Und dann auch noch so viele Deutsche. Da hätten wir ja gleich zu Hause bleiben können.‹«

Dorina lachte laut und herzlich. »Ich möchte das gerne selbst erleben. Nehmen Sie mich doch bitte einmal einfach mit. Ich verspreche Ihnen auch, mich nicht zu beschweren«, bat sie.

»Nichts lieber als das«, stimmte ich zu und wollte wissen: »Wieso kommt es, wenn ich fragen darf, dass Sie ein so gutes Deutsch sprechen?«

»Ich habe zwei Jahre in Berlin studiert«, antwortete mir die schöne Dorina de Lombard. »Und meine Mutter stammt aus Österreich.«

Ich sah mich nach meiner Reisegruppe um. Die hatte sich zum Glück inzwischen selbstständig gemacht und über den Markt verteilt. Da gab es vorerst nichts für mich zu tun.

»Eine Tasse Kaffee ist das Mindeste, womit ich mich bei Ihnen bedanken kann«, sagte Dorina. »Eigentlich stünde Ihnen ja ein Finderlohn zu. Und der wäre ziemlich hoch, denn ich habe vorhin in der Bank da drüben etwas abgehoben. Vielleicht hat mich die Diebin dabei beobachtet. Ich ärgere mich über mich selbst, dass mir so etwas passieren konnte. Man kennt doch diese Tricks.«

»Es sollte so sein«, sagte ich galant, »sonst hätten wir uns vermutlich nie kennengelernt.«

Ach wie schön altmodisch, fand Toni.