Katzenblues - Oliver Peetz - E-Book

Katzenblues E-Book

Oliver Peetz

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Beschreibung

Ein Schüler. Eine Mission. Ein Wahnsinn. Niemand ahnt, welch unvorstellbare Gedanken im Kopf des Gymnasiasten Maximilian K. zu einer Schreckenstat heranreifen und eines Tages in einem nie dagewesenen Blutbad enden. Doch was sind die Gründe für diese Tat? Einblicke in seinen Lebensweg bringen erschreckende, aber auch traurige Erkenntnisse ans Licht.

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Seitenzahl: 268

Veröffentlichungsjahr: 2018

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Der Autor

Geboren 1966 in Oldenburg, wuchs Oliver Peetz als zweites von fünf Kindern in ärmlichen und zerrütteten Familienverhältnissen auf. Nach einer mäßigen Schul- und Berufsausbildung vergingen zwanzig rastlose Jahre, in denen der Autor alle Höhen und Tiefen des Lebens durchlaufen hat. Während dieser Zeit „schlief“ sein schriftstellerisches Talent. Erst mit der Heirat seiner jetzigen Frau Sandra im Jahre 2013 kam für den leidenschaftlichen Sportler die Wende, sodass er sich heute seiner Passion, dem Schreiben, widmen kann.

Für dich, mein Sonnenschein.

Für all jene, die aus dem Licht in die Dunkelheit gedrängt wurden.

Für die, die Leid erfahren mussten.

Für all jene, die zu Opfern wurden.

Für die Außenseiter.

Die Einsamen.

Für euch.

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Kapitel 1: Die Tätowierung

Kapitel 2: Der Zweck heiligt die Mittel

Kapitel 3: Die Lüge

Kapitel 4: Der Geburtstag

Kapitel 5: Der Stahl

Kapitel 6: Das Schulfest

Kapitel 7: Das Tischgebet

Kapitel 8: Der Wahnsinn

Kapitel 9: Die Klassenfahrt

Kapitel 10: Der Engel

Kapitel 11: Der Pool

Kapitel 12: Das Ziel

Kapitel 13: Die Rache

Kapitel 14: Die Flucht

Als Amok (von malaiisch amuk „wütend“, „rasend“) werden tateinheitliche und scheinbar wahllose Angriffe auf mehrere Menschen in Tötungsabsicht bezeichnet, bei denen die Gefahr, selbst getötet zu werden, zumindest in Kauf genommen wird.

Vorwort

Seit Anfang der sechziger Jahre gab es an deutschen Schulen dreizehn schwerwiegende Amokläufe mit zahlreichen Toten und Verletzten.

Dabei wurden die Abstände in der Chronologie dieser Gewalttaten, seit Anfang der neunziger Jahre, immer kürzer. Der letzte schwerwiegende Amoklauf ereignete sich im Jahr 2010 in Ludwigshafen am Rhein. Dort erstach der dreiundzwanzigjährige Täter seinen ehemaligen Berufsschullehrer.

Als Motive für den Mord gab der Täter unangemessen schlechte Schulnoten und tiefe Kränkung durch erlittene Mobbingübergriffe an.

An dieser Stelle möchte ich den Angehörigen und Hinterbliebenen der Opfer mein Mitgefühl aussprechen. Während meiner gesamten Arbeit an diesem Werk, galt mein Augenmerk stets dem Respekt derer, die unmittelbar in solche Ereignisse involviert waren und sind.

So möchte ich ausdrücklich darauf hinweisen, dass die Personen und Handlungen in diesem Buch frei erfunden sind und Ähnlichkeiten zu lebenden oder bereits verstorbenen Personen rein zufällig.

Bestimmte Wesensstrukturen realer Täter weisen jedoch Parallelen zu den Charakteren meiner Protagonisten auf.

Als Autor ist es mein Bestreben und meine Aufgabe, Informationen zu sammeln, die für ein Buchprojekt unerlässlich sind.

Meine monatelangen Recherchen im direkten Umfeld dieser Amokläufe gaben mir tiefe Einblicke in das Leben derer, die unmittelbar von den Geschehnissen betroffen waren. Gespräche mit Hinterbliebenen haben mich emotional oft sehr berührt und mich nicht selten an meine persönlichen Grenzen gebracht. Weitere Ermittlungen und intensive Gespräche mit Spezialisten der Kriminalpolizei, mit Lehrern und Psychologen sowie Geistlichen haben — zumindest für mich — erschreckende Tatsachen hervorgebracht.

In einer Ellbogengesellschaft, die zunehmend einer sozialen Isolation und einem nie dagewesenen Werteverfall unterliegt, in der Leistungsdruck vorherrscht, weil schulischer und beruflicher Erfolg eine höhere Priorität darstellt als moralische Wertevermittlung und soziale Gerechtigkeit, in der Mobbing an Schulen auf der Tagesordnung steht, Gewaltexzesse unter Kindern und Jugendlichen bejubelt, beklatscht und mit Handykameras gefilmt werden, um sie in sozialen Netzwerken zu verbreiten, und in der ein durch Internet und mediale Konsumwirtschaft verzehrtes Bild von Wertschätzungen und Nächstenliebe geschaffen wird, ist es umso wichtiger, dagegen anzugehen und bestimmte Zeichen zu erkennen, die auf mögliche Taten wie einen Amoklauf Hinweise geben könnten. Denn es gibt übereinstimmende Merkmale, die allen Tätern solcher Straftaten gleichermaßen zugeschrieben werden.

Ein renommierter Kriminalpsychologe, mit dem ich ein Gespräch über Hintergründe und Motive einzelner Täter besagter Amokläufe führte, erklärte:

»Bei einem Amoklauf ist es wie mit einem passiven Vulkan. Es ist nicht die Frage, ob er ausbricht, sondern wann! Grundsätzlich können wir jedoch sagen, dass ein sensibilisiertes Verhalten gegenüber Mitmenschen dazu beiträgt, die Wahrscheinlichkeit einer erneuten Katastrophe einzudämmen.«

So ist es mein Bestreben, dass dieses Werk nicht ausschließlich als Unterhaltung angesehen wird, sondern zum Nachdenken anregt und den Leser ein Stück weit sensibilisiert, um drohende Gefahren zu erkennen, Hilfe zu leisten und zu verhindern, was es zu verhindern gilt.

Jeder von uns ist Teil dieser Gesellschaft, welche auch jeder durch seine Denk- und Handlungsweise mitbeeinflusst und mitgestaltet. Somit stehen wir alle in der Verantwortung, wir sind angehalten und aufgefordert für das Unterbinden schwerwiegender Negativ-Ereignisse Sorge zu tragen und Raum zu schaffen für ein liebenswertes und lebenswertes Miteinander.

Oliver Peetz

Das Wort Blues leitet sich von der bildhaften englischen Beschreibung I’ve got the blues bzw. I feel blue („Ich bin traurig“) ab.

The blues {pl} [coll.]

Katzenjammer {m} [ugs.] [jämmerliche Stimmung]

Katerstimmung {f} [ugs.] [depressive Stimmung]

Kapitel 1

Die Tätowierung

Mein Name ist Maximilian Koch, und dies ist meine Geschichte. Sie unterliegt in ihrer Gesamtheit dem Kausalitätsprinzip. Der Beziehung zwischen Ursache und Wirkung. Physikalisch gesehen.

Menschlich betrachtet gleicht sie einem steten, von Verlusten geprägten Niedergang. Aber Menschlichkeit wird meines Erachtens überbewertet. Das mögen einige vielleicht anders sehen, da man Menschlichkeit, in der engeren Wortbedeutung, jene Züge und Eigenschaften zuordnet, die man weithin als richtig und gut bezeichnet. Aber Menschlichkeit ist nur real existent und somit gut und richtig, wenn sie auch praktiziert wird.

Ist dies nicht der Fall, wie in meinem, dann sollte man nicht zu sehr daran festhalten, sondern sich lossagen. Und vor allem – seine Erwartungshaltung ändern.

Nun denn, ich erwarte nichts. Weder Verständnis noch Mitleid. Von niemandem. Ich möchte nur berichten.

Über zu viele negative Erlebnisse und Ereignisse, die sich langsam zu einer grotesken Fratze formten, um mir lachend ins Gesicht zu spuken. Ich kann nicht über etwas Positives berichten, und das aus einem ganz einfachen Grund: Es hat nichts Positives in meinem Leben gegeben! Mein Leben spielte sich nicht auf der Sonnenseite ab. Sollte sich dennoch etwas ereignet haben, was ich als erfreulich bezeichnen würde, erinnere ich mich nicht daran. Zumindest findet sich nichts davon in meinem Gedächtnis wieder.

Oma.

Es liegt in der Natur des Menschen, sich an die negativen Dinge zu erinnern und die guten zu vergessen. Die Psyche des Menschen ist auf Negativ programmiert, und ich denke, man muss über weite Strecken ein schönes Leben geführt haben, um diese Vorprogrammierung des Erinnerungsvermögens positiv zu beeinflussen.

Das sind die Automatismen der Evolution, die in eine verkommene, erkaltete Gesellschaft münden. Fressen und gefressen werden! Der Starke überlebt. Der Schwache stirbt. Bist du stark, verläuft dein Leben positiv. Bist du schwach, verläuft es negativ. Mein Leben hätte schön werden können und auch sollen.

Aber es kam anders, denn ich war schwach.

Ich kam schon schwach zur Welt.

In der vierunddreißigsten Schwangerschaftswoche.

Niemand weiß, warum. Einen medizinischen Grund gab es nicht.

Vielleicht setzte sich Mutter mental gegen diese Schwangerschaft zur Wehr. Ich weiß es nicht, aber ich gehe davon aus, dass sie diese Schwangerschaft — und somit mich — nie wollte.

Ich habe auch nicht danach geschrien, geboren zu werden. Ich kann es nicht rückgängig machen, so sehr ich es mir auch wünsche.

Denn seitdem mein Herz den ersten Schlag tat, verzehrt es sich nach Zuwendung und Liebe. Bedeutende, elementare Dinge, die mir verwehrt blieben.

Es mag ja Menschen geben, die mit weniger Zuwendung gut zurechtkommen. Oder ganz ohne. Ich aber nicht.

Mein Ich, mein Wesen, war von Anbeginn darauf angewiesen und meine Genetik darauf ausgerichtet, umsorgt und geliebt zu werden.

Leider stand diese Ausrichtung nicht im Einklang mit den Wertevorstellungen meiner Eltern.

So ist denn mein Dasein, seit meiner Geburt, ein einziger quälender Schmerz.

Die ersten Wochen meines Lebens verbrachte ich auf der Intensivstation eines Klinikums. Und wenn es der Tatsache entspricht, dass die ersten Lebenswochen eines menschlichen Wesens prägend und ausschlaggebend für seine weitere Entwicklung sind, ist es nicht verwunderlich, dass ich weinerlich, schwach und depressiv wurde.

Denn während meines Aufenthaltes im isolierten Brutkasten, bekam ich ausschließlich mechanische Wärme zu spüren. Die des Heizstrahlers, der für die lebensnotwendige Temperatur sorgte.

Wärme in Form von Zuwendung, Fürsorge oder Liebe einer Mutter blieb mir verwehrt.

Ich war viel mehr ein Störfaktor auf ihrem eigenen, karriereorientierten Lebensweg, ein Holzsplitter unter ihren lackierten Fingernägeln, als ein Kind, welches man bettete, hegte und pflegte und vor allem – welches man liebte!

Mein Vater jedoch hatte auf die Zeugung eines Kindes bestanden. Es musste ein Junge her. Nachwuchs, der eines Tages das Waffenimperium übernehmen und leiten sollte, welches er im Schweiße seines Angesichts erschaffen hatte. Ganz gleich, welche Entbehrungen es meine Mutter kosten würde. Es hätte ihr sehr wohl klar sein müssen, dass es bei solch einem Wirtschaftsstatus, wie ihn mein Vater innehielt, einen Stammhalter geben musste.

Eine Alternative in Form einer Adoption stand nie zur Debatte.

Das hatte mein alter Herr gleich lautstark bekundet, als Mutter damals solch eine Option kurz angeschnitten hatte.

Mutter ließ mich zwar nie direkt wissen, dass sie die Entscheidung, Vaters Wunsch nach einem Kind nachzugeben, bereute, aber ein Kind spürt die stets verhaltene Umgangsweise der Mutter.

Vielleicht war das der Grund, warum ich mich schon im Mutterleib schlecht entwickelte und in den darauffolgenden Jahren meiner Entwicklung schwach, unsportlich, schmalbrüstig und blutarm blieb.

Und Mutter mich im Pool ertrinken lassen wollte.

Der Pool. Das Schicksal wollte Oma.

Aber es gab Ersatz für all die Defizite. Einen sehr schlechten, kalten, nicht zu vergleichenden Ersatz:

Materielle Dinge.

Der Stahl.

Meine Eltern glaubten fest an eine gesunde Erziehung, die durch materielle Werte hervorgerufen wurde. Ein Trugschluss, an dem jedoch beide festhielten.

Es gab eine Rassel statt einem Kuss. Einen Go-Kart statt einer Umarmung. Ein Fahrrad statt lobender Worte.

Ich wurde mit Geschenken nur so überhäuft. Aber die, in der Definition meiner Eltern, gut gemeinten Ersatzhandlungen stellten sich ebenfalls oft als Nullnummern heraus.

Die Krönung des Hohns, den die ersatzgesteuerte Erziehung durch Geld darstellte, war das Geschenk meiner Eltern zu meinem achten Geburtstag. Eine Spielesammlung! Natürlich die Jubiläumsedition mit goldumrandeter Pappverpackung.

Diese beinhaltete eine Vielzahl von Gesellschaftsspielen aller Art. Von »Mensch ärgere dich nicht« über »Dame« und »Mühle« bis hin zu den anspruchsvolleren Denkspielen wie »Schach« und »Backgammon«.

Die Spitze der Demütigung folgte an den darauffolgenden Tagen durch die abwechselnde Frage beider Elternteile, ob ich mich denn schon mit meinem tollen Geschenk beschäftigt hätte?

Ich war ein Einzelkind! Allein. Ohne irgendwelche Spielkameraden, wie sie andere Kinder meiner Altersklasse vorweisen konnten. Was sollte ich mit einer Spielesammlung, deren Spiele für mehrere Personen ausgerichtet waren? Das machte mich als Achtjährigen fertig.

Vaters konservative Erziehung und Mutters kaltherzige Bevormundung ließen keinen Spielraum für Freundschaften oder Spielkameraden.

Die Angst, dass ihrem Nachkömmling etwas zustoßen könnte oder er gar Opfer einer Entführung werden würde, sorgte für eine durchgängige Isolierung von der Außenwelt. Paranoides Gedankengut als negative Begleiterscheinung bei Vermögenden. Grausam.

Bis zu meinem achten Schuljahr wurde ich von einem Angestellten mit dem Pkw zur Schule gebracht und anschließend wieder abgeholt.

Und vor allem die Klassenfahrt nach Frankreich.

Der schlimmste Alptraum.

Diese unvorstellbare Sache, die mich endgültig zerstörte und mir jegliche Perspektive, jeden Funken Hoffnung auf Normalität nahm.

Es war in der Summe zu viel.

Isolierung, Kälte, Demütigungen. Wie, zum Teufel, sollte man sich als Kind gegen solch eine übermächtige Armee von Grausamkeiten zur Wehr setzen? Wie?

Ich konnte das nicht. Ich war dem nicht gewachsen.

Ich nicht.

Vergib mir Herr!

Ich bin endlich am Ziel. Eine gefühlte Ewigkeit warte ich auf diesen Moment. Meine Mission. Tag X …

… Ihr Haar duftet unbeschreiblich, und ich spüre ihren Atem an meinem Hals, fühle Ihren Puls, ihren warmen Körper. Sie liegt an meiner Seite, ganz dicht. Mein linker Oberschenkel klemmt zwischen ihren Beinen, zitternd klammert sie sich an mich. Das arme Ding, noch ganz verstört.

Sie sucht Schutz, den ich ihr vermittele, indem ich sie fest in meinen Armen halte. Ich küsse ihr auf den Kopf, ganz sanft.

Es ist ein unglaubliches Gefühl. Ich wusste nicht, wie sich Liebe anfühlt. Es übersteigt meine kühnsten Erwartungen.

Außerdem werde ich das Geheimnis lüften. Hier und jetzt! Ich bin aufgeregt wie ein kleines Kind zu Weihnachten, und mein Puls rast. Wegen der Tätowierung.

Wegen dieser Tätowierung. Wegen dieser Frau. Meiner Frau!

Ihr Kopf liegt auf meiner Schulter, und ihr blondes Haar fällt in ihr hübsches Gesicht, sodass ich es nicht sehen kann. Vermutlich hält sie die Augen geschlossen. Bei dem Anblick, der sich uns darbietet, ist es wohl besser so.

Wenn ich zu ihr hinunterschaue, kann ich das feste Fleisch ihres Busens sehen, der aus dem Ausschnitt ihrer Bluse quillt. Er zittert, wippt bei jedem Atemzug auf und ab, und ich erkenne die Tätowierung auf dem Ansatz ihrer linken Brust. Endlich! Ein Schriftzug, der mit dem Wort With beginnt.

Ich kann ihn sehen, den verschnörkelt geschriebenen Satz, die ganze Tätowierung. So lange habe ich darauf gewartet.

Des Rätsels Lösung so nah. Gleich ist es soweit!

Ihr fester, großer Busen irritiert mich allerdings, stört meine Konzentration. Ich kann meine Erregung nicht unterbinden, will endlich lesen, was es mit diesem Schriftzug auf sich hat.

Die Bluse bewegt sich im Takt ihrer schnellen Atemzüge. Ist sie auch erregt? Versucht sie dagegen anzugehen? So wie ich?

Ich spanne meinen Beinmuskel an. Immer mal wieder.

Er reibt an ihrem Unterleib, und ich bin mir sicher, es gefällt ihr. Sie stöhnt leise, ihr warmer Atem berührt meinen Hals, sie verströmt damit eine Mischung aus Lust und Geborgenheit.

Sie klammert sich an mich, ihr Herz rast, und ich sehe hinunter auf ihren Busen, lese kopfüber das nächste Wort, welches durch die Bewegung ihrer Bluse und ihres Körpers freigegeben wird.

every …

und das nächste …

beat …

With every beat …

Ich könnte ihr vorsichtig die Bluse ein wenig weiter öffnen. Ganz behutsam.

Die Situation wäre wie geschaffen, um den Ausschnitt leicht zur Seite zu schieben …

of ...

With every beat of …

Na komm schon, gib es mir!

Zeig den Rest!

With every beat of … was? Sie hat das Tattoo immer ganz geschickt vor meinen Blicken verborgen und ihre Oberteile immer wieder schnell über die Schulter gezogen, wenn der Ausschnitt verrutscht war.

Hat das gesamte Tattoo nur erahnen lassen. Mit Absicht.

Sie spielt gerne.

Nur das Wort With konnte ich einmal erkennen.

An dem Tag, als wir den Test schrieben und ich sie unter einem Vorwand zu mir an meinen Platz gebeten hatte. Tag und Nacht überlegte und grübelte ich daraufhin, was dort wohl stehen mochte.

Ich war nicht dahintergekommen.

Ein einziges Wort, es hätte alles bedeuten können!

Gleich weiß ich es!

Ich kann meine Erektion nicht kontrollieren. Ihr Busen, welcher bei jedem ihrer schnellen Atemzüge ohne Unterlass auf und ab wippt, reizt zu sehr. Über alle Maßen.

Begierde ungeahnten Ausmaßes schießt durch meinen Kopf und meinen Körper. Es kribbelt und rauscht, es fühlt sich herrlich an. Ich lasse es geschehen.

Es drückt und pocht, ich muss meine Sitzhaltung ein wenig verlagern, damit es nicht zu sehr schmerzt.

Plötzlich muss ich an Vater denken. Bilder tauchen auf.

Die Treppe. Mutter. Das Versteck. Der Geruch. Evelyn. Schläge. Nie gehörte Geräusche. Blut. Kerzen.

Ich verstehe das nicht.

Vaters Worte.

In unserer Familie ist vor allem ein Gen, eine Eigenschaft, tief verwurzelt, und wir geben es immer weiter, von Generation zu Generation.

Es ist unsere unbändige Willenskraft. Wir können alles erreichen, alles bekommen, wenn wir diese gottgegebene Willensstärke einsetzen, die uns der Herr in die Wiege gelegt hat. Es ist ein Segen. Du musst dir nur Zeit lassen, mein Sohn. Nichts überstürzen. Nimm dir Zeit, deine Ziele zu erreichen. Mit der Stärke deines Willens und mit Beharrlichkeit wirst du im Leben alles erreichen. Alles!

Mein Vater sollte Recht behalten, denn ich habe mein Ziel erreicht. Vorerst und bis hierhin.

Herr Oberstudienrat liegt auf dem Boden und starrt uns an.

Ich sehe wieder zu ihr hinab und rieche erneut den Duft ihres Haares.

Pfirsich.

Ich kann mich nicht mehr zurücknehmen, trotz Vaters Worte in meinem Kopf, die zur Geduld mahnen.

Vorsichtig hebe ich meinen rechten Arm und taste mich zu ihrem Ausschnitt vor, ohne sie zu berühren.

Hat sie ihre Augen geöffnet, bemerkt sie mein Vorhaben?

Na und?!

Also los. Ganz vorsichtig … Entweder sind ihre Augen geschlossen oder sie lässt mich gewähren, denn sie bleibt weiterhin eng an meiner Seite, ohne sich zu rühren. Sie soll sich auch nicht bewegen. Bleib ganz still, mein Mädchen.

Ich brenne. Ich muss das Geheimnis dieser Tätowierung lüften.

Ich umfasse den Rand ihres Blusenausschnitts vorsichtig mit Daumen und Zeigefinger und ziehe ihn ganz vorsichtig nach vorne. Ich zittere vor Aufregung. Vor Erregung.

Sie atmet kurz und schnell, krallt ihre Hand seitlich in meinen Kapuzenpullover, und meine Fantasie geht mit mir durch.

Ich stelle mir vor, wie wir uns leidenschaftlich lieben, genau so würde sie auch dabei atmen, und genau so würde sie sich festkrallen.

Vermutlich hätte sie ihre Augen geschlossen, während sie sich mir hingeben würde, unterwürfig wie eine läufige Hündin.

Amphetamin pumpt.

Woran denkt sie? Hatte sie schon viele Liebhaber?

In den letzten drei Monaten gab es mit Sicherheit niemanden. Das hätte ich während meiner Observationen bemerkt.

Kleine Cinderella, bist ganz allein. Nun will ich dein

Retter sein.

Oder gab es noch nie jemanden, und sie wartet auf den Richtigen? Das soll es ja geben. Mit achtundzwanzig Jahren? Möglicherweise.

Eine Jungfrau?

Ein traumhafter Gedanke:

Wir beide gemeinsam, das allererste Mal. Doch zuallererst würde ich sie Ausführen. Sie trüge ein bezauberndes Abendkleid, und ich stünde in einem italienischen Anzug vor ihr. Maßgeschneidert. Seidenkrawatte. Erst ein gutes Essen in einem teuren Restaurant. Ein reservierter Tisch in einer ruhigen Ecke. Kerzenschein, und ein guter Wein. Ich würde reden, sie zum Lachen bringen und anschließend mit zu mir nehmen. Zu mir?

Ich denke, ich müsste mir etwas anderes einfallen lassen.

Alles dreht sich. Ich bin der Richtige, du wunderschönes Geschöpf.

Warum sind die Augen des alten Paukers offen? Er

stiert mich an! Nach wie vor.

Neuer Versuch. Konzentration.

Ich ziehe den Ausschnitt ihrer weißen Bluse nach unten, schaue wieder über ihren Kopf hinweg in ihren Ausschnitt. Nun kann ich ihren Busen noch besser sehen, ihren weißen Büstenhalter mit dem Spitzenrand … und den gesamten Schriftzug!

With every beat of … my heart!

Natürlich! With every beat of my heart. Und ich bin nicht draufgekommen.

Mit jedem Schlag meines Herzens.

Ich wusste, dass dieser Tag kommen würde. Dass ich das Geheimnis lüften würde, welches sie sich auf ihrem wundervollen Busen hat verewigen lassen.

Ja! Du hattest Recht, du alter Scheißkerl. Mit Beharrlichkeit und Willenskraft!

Herr Oberlehrer starrt immer noch zu uns herüber. Bestimmt schon seit zwanzig Minuten. Vielleicht auch schon seit fünfundzwanzig. Aber nicht mehr lange. Das überlebt er nicht. Aber er ist tapfer. Liegt da vor uns auf dem Boden und ringt mit dem Tod. Du Scheißkerl. Deine Ein-Mann-Show gefällt mir grundsätzlich gut, aber es wird Zeit, auf Wiedersehen zu sagen!

Ich muss mich konzentrieren.

Sie verharrt zitternd an meiner Seite, drückt sich ganz fest an mich. Ich gebe ihr erneut einen sanften Kuss auf ihr seidiges Haar und lausche. Alles ruhig. Lange kann es nicht mehr dauern.

Ich beschütze dich, meine Liebe. Meine Ann-Kathrin.

Das ist ihr Name, Ann-Kathrin. Er klingt so bezaubernd, und ich kann mein Glück noch immer nicht fassen.

Dabei hat alles mit einer Lüge begonnen. Welche Ironie. In anderen Situationen führt eine Lüge in einer Beziehung meist zu einem Vertrauensbruch und damit oft zum unweigerlichen Ende. Aber nicht in diesem Fall. Hier hat eine Lüge erst dafür gesorgt, dass meine Angebetete mir gehört. Nun endlich an meiner Seite liegt, ganz dicht, und meine Nähe sucht.

Ich passe auf dich auf, meine Ann-Kathrin. In meinen Armen bist du sicher.

Und du da, Alter — stirb endlich!

Er blutet aus dem Mund. Die rote Suppe sickert in den Veloursteppich, und es kommt ein merkwürdiges Pfeifen aus seinem Mund.

Lauschen!

Noch immer nichts. Jetzt bewegt sich Ann-Kathrin an meiner Seite, will sich aus meiner Umarmung lösen, aber ich halte sie fest. Sie zittert. Ich beruhige sie.

»Ganz ruhig. Es ist alles gut. Ich bin da. Es wird alles gut. Vertrau mir.« Davon habe ich so oft geträumt. Von diesem Moment.

Von dieser Frau. Von Ann-Kathrin.

Ich habe es vom ersten Tag an vermieden, ihren Nachnamen zu nennen. Ihn auszusprechen. Das gab mir gleich ein Gefühl der Sicherheit. Sicherheit darüber, dass wir früher oder später ein Paar sein würden. Es hatte gleich etwas Vertrautes. Ich bin sprachlich immer ganz geschickt ausgewichen und habe meine Sätze oder Fragen sehr gewählt begonnen. Meist mit »Entschuldigung« oder »Könnten Sie vielleicht …« Das eine oder andere Mal habe ich auch einen kurzen Husten vorgetäuscht, wenn ich in die Situation geraten war, ihren Nachnamen aussprechen zu müssen. Ich wollte den Namen nicht in den Mund nehmen. Es wäre einer Entweihung gleichgekommen. Ihr fiel es die ganze Zeit über nicht auf.

Alle anderen haben sie ständig mit ihrem Nachnamen angesprochen. Frau Sowieso hier und Frau Sowieso da.

Mein Gott, sind die mir damit auf den Sack gegangen.

Aber ein Teil von denen ist ja nun weg.

Ich wusste es sofort, als wir uns das erste Mal auf dem Flur unserer Schule begegnen. Ich wusste, dass dieses wundervolle Geschöpf, mit dem Antlitz eines Engels, eines Tages in meinen Armen liegen und zu mir gehören würde. Dieser Tag ist nun Wirklichkeit geworden.

Es fühlt sich göttlich an. Pures Glück.

Als würden abertausende Sternschnuppen vom Himmel fallen und wir zwei mittendrin stehen. Im Paradies. Im Liebesglück.

Ich hatte ja keine Vorstellung davon, was wahre Liebe wirklich bedeutet. Was sie auslöst. Ein Traum.

Lauschen.

Wann kommen sie denn? Ich denke, es wird langsam Zeit. Meine Ann-Kathrin wird unruhig. Sie scheint sehr verängstigt zu sein. Dabei habe ich ihr doch gesagt, dass sie sich nicht zu sorgen braucht. Dass ich bei ihr bin.

So ist das in einer jungen Beziehung. Vertrauen will aufgebaut werden. Langsam. Beharrlich.

Da ist er wieder, mein alter Herr. Beharrlichkeit.

Mir läuft die Nase vom Speed. Kein Taschentuch. Ich bin nicht perfekt vorbereitet.

Und der Oberstudienrat windet sich immer noch im Todeskampf. Ich wette, dass er in den nächsten fünf Minuten verreckt.

Wetten?

Vermutlich hat es seine Lunge erwischt. Das würde das Pfeifen und das Blut, das in Strömen aus seiner widerlichen Schnauze rinnt, erklären.

Schade eigentlich, dass Ann-Kathrin und ich in unserer Beziehung noch nicht sehr weit sind, sonst hätte ich sie jetzt nach ihrer Einschätzung gefragt, wie lange Oberstudienrat »Leck-mich« wohl noch machen würde.

Eigentlich heißt er Reckwich, aber ich bin vor einiger Zeit mit ihm aneinandergeraten, und daraufhin hat er diesen Spitznamen von mir verpasst bekommen.

Reimt sich und bringt mich innerlich jedes Mal zum Lachen, wenn ich daran denke, dass er für mich nur noch Oberstudienrat »Leck-mich« ist.

Na ja, das Thema ist nun auch gleich beendet. Sein Blick wird trüb, und das alberne Pfeifen wird leiser.

Er macht meiner Ann-Kathrin Angst, das gefällt mir nicht. Er liegt da vor uns, mit dem Gesicht seitlich auf dem Teppich, und versucht verzweifelt, dem sicheren Tod zu entkommen. Aber er bewegt sich kaum noch.

Nur seine Hand greift unkontrolliert in die Auslegeware, die er mit seinem Blut ganz schön eingesaut hat.

Als wollte er sich mit letzter Kraft an uns heranziehen.

Das wird nichts, du alter Scheißkerl. Dazu reicht deine

Kraft nicht mehr.

Ich beobachte ihn, grinse ihm verachtend ins Gesicht und genieße seinen Todeskampf. Es kommt mir vor wie ein 3D-Film. Er quält sich, kaum zwei Meter von uns entfernt. Seine Augen fallen langsam zu. Es geht zu Ende.

Halt! Was war das? Jetzt kommen sie.

Lauschen!

Stimmen. Es wurde auch Zeit, dass sie uns aus dieser misslichen Lage befreien. Obwohl — das waren die schönsten Minuten meines Lebens. Wegen ihr. Dann werde ich jetzt die letzten Sekunden mit ihr an meiner Seite noch genießen.

»Sie sind da. Jetzt wird alles gut.

Sie holen uns hier raus. Es ist vorbei. Ganz ruhig.« Ich spüre, wie meine Worte Ann-Kathrin beruhigen, und ich sehe ein letztes Mal hinunter in ihren Ausschnitt. Ihr strammer, voller Busen. Das Tattoo.

Ich stelle mir den nächsten Schritt vor, das nächste Ziel. Ich sehe vor mir, wie ich ihr den Spitzen-BH sanft von den Schultern streichen und den Schriftzug With every beat of my heart mit meinen zärtlichsten Küssen bedecken würde, während meine Hände auf ihrem wohlgeformten Busen lägen.

Sie wäre gefügig und willig, der gute Wein aus dem Restaurant ließe sie zu einem wilden Engel werden.

Ich kann es kaum noch erwarten.

Beharrlichkeit.

Jetzt ist es vorbei mit dem Oberstudienrat.

Dann gute Reise. Hat ja lange durchgehalten. Hätte ich ihm gar nicht zugetraut.

Ein zäher Kerl, das muss ich ihm lassen.

Für ihn kommt die Rettung leider zu spät. Nicht für uns zwei. Die Stimmen werden lauter. Geheule. Kurze Schreie.

Ann-Kathrin sieht zu mir hoch, sie hat geweint. Ihr Blick ist flehend und voller Angst.

Mein Gott, wie wunderschön sie ist.

»Komm, sie sind da. Ich helfe dir hoch. Mach langsam.«

»Ja, langsam. Danke. Sind sie das wirklich? Werden wir gerettet?«

»Ja, ganz sicher. Die Polizei ist im Gebäude. Komm.

Langsam. Ich stütze dich.«

Wie zerbrechlich sie jetzt doch wirkt. Ein verwirrtes, ängstliches Rehkitz, das sich im Wald verirrt hat. Ich stütze sie, rieche sie, halte sie ganz fest an meiner Seite, während wir langsam das Raucherzimmer des Lehrertrakts verlassen.

Wir müssen an Oberstudienrat »Leck-mich« vorbei, und ich achte darauf, dass Ann-Kathrin nicht mitbekommt, wie ich dem Drecksack noch einen Tritt in die Seite gebe, während wir uns an ihm vorbeibewegen.

Ein kleiner Abschiedsgruß.

Ich lache mich innerlich kaputt. Was für ein erhabenes Gefühl. Ich habe doch tatsächlich mein Ziel erreicht.

Ich bin so glücklich, während ich meine liebe Ann-Kathrin stütze und wir uns zur Tür nach draußen auf den Flur begeben.

Wieder sieht sie mich an. Fragend und ängstlich, unsicher, und ich erkenne, was sie jetzt so flehend erwartet.

Ich nehme ihr die Unsicherheit und die Angst, die ich in ihren blauen Augen lese, indem ich ihr ein Lächeln schenke, das selbstsicher und voller Zuversicht ist.

Ich nicke ihr zu, lasse sie spüren, dass sie sicher und geborgen ist an meiner Seite.

Ja, Ann-Kathrin, ich bin dein Mann, dein Beschützer, dein Fels in der Brandung, dein Ein und Alles.

Auf ewig.

Jetzt kann auch sie ein wenig lächeln. Na bitte.

Da sind ja die Herren vom Sondereinsatzkommando.

Schwer bewaffnet und gepanzert.

Geschafft.

Auszug aus den Ermittlungsunterlagen des

Bundeskriminalamts Wiesbaden

Der Fall „Koch“/ Az 41347/12

Zeitprotokoll mit Ereignisablauf:

07:17 Uhr

Am Donnerstag, d. 25.10.2012, betritt der sechzehnjährige Schüler Maximilian Koch das Albert-Schweitzer-Gymnasium, an dem er zusammen mit zwanzig Mitschülern die Klasse 10 FE absolviert.

Laut Zeugenaussagen verhält sich Koch an diesem Tag beim Betreten der Schule unauffällig. Trotz der hohen Mengen des Betäubungsmittels Amphetamin, welches Koch im Laufe der vorherigen Nacht und in den frühen Morgenstunden konsumiert hat, wirkt er ruhig und entspannt.

Ermittlungen der Kriminologen ergeben, dass Maximilian Koch zu diesem Zeitpunkt seit ca.

45 Stunden nicht mehr geschlafen hat. Neben dem Betäubungsmittel Amphetamin hat Koch zusätzlich hohe Mengen eines anabolen Steroids eingenommen.

Nichts deutet an diesem Donnerstagmorgen darauf hin, dass der mutmaßliche Täter Koch vorhat, ein Blutbad an dem Gymnasium anzurichten, welches unzählige Todesopfer und zahlreiche Verletzte fordert.

Kapitel 2

Der Zweck heiligt die Mittel

Zwei Wochen zuvor …

Meine Beckenknochen schlagen gegen seinen Schreibtisch, und ich bekomme kaum Luft. Ich kralle mich mit beiden Händen an der Tischkante fest.

Die Katze beobachtet uns. Sie starrt! Ob sie begreift, was hier passiert? Sie sitzt vor uns auf dem Betonfußboden und fixiert mich mit ihren geheimnisvollen gelben Augen. Sie hat mich hierhergebracht.

Schicksal.

Das Stück Wollpulli in meinem Mund ist nass vom Speichel, und es knirscht, wenn ich draufbeiße. Es fühlt sich seltsam an, irgendwie metallisch. Organisch.

Wer noch nie in einen nassen Wollpulli gebissen hat, kann es nicht nachempfinden. Aber es ist Teil seiner Forderung, damit mich hier unten niemand hört. Er hat panische Angst, erwischt zu werden. Dabei ist das gleichmäßige Summen der Heizanlage viel lauter.

Selbst sein Quieken wirkt durch die Umgebungsgeräusche leise und gedämpft.

Ich höre ihn. Ich spüre seinen Bauch. Höre das klebrige Klatschen. Er wird schneller.

Gleich vorbei.

Es ist mir scheißegal. Es ist Teil meines Plans.

Außerdem habe ich vorhin im Wald ein paar Mal an einem kleinen Joint gezogen, den ich mir extra vorher gedreht hatte. Ich komme dann besser damit zurecht.

Er ist heute energischer als die Male davor, und ich höre, wie er hinter mir grunzt und quiekt. Er hört sich an wie ein Schwein. Ein krankes, perverses Schwein.

Er ist ein Schwein.

Sein Schweiß tropft auf meinen unteren Rücken und meinen Hintern. Ich versuche, mich auf die nasse Wolle in meinem Mund zu konzentrieren, denn seinen stinkenden, verkeimten Schweiß auf meiner Haut zu spüren, ekelt mich an. Vielmehr als sein Ding in meinem Arsch. Duschen muss ich sowieso.

Die Katze sitzt nur da wie versteinert. Sie findet das Programm scheinbar interessant, denn sie wirkt fasziniert und lässt ihren Blick nicht von uns.

Katzen miauen und maunzen nur dem Menschen gegenüber. Niemals bei Artgenossen. Wo habe ich das noch gehört? Oder gelesen? Angel.

Er ist wütend, sonst wäre er nicht so wild. Irgendetwas hat ihn verärgert, das habe ich gleich gemerkt, als er mir die Tür aufgemacht hat. Aber auch das ist mir scheißegal. Er ist sowieso schon tot, er weiß es nur noch nicht. Alles zu seiner Zeit.

Er ist in mir und die Katze vor mir. Er kämpft sich einen ab und ...

Was macht die Katze da? Sie fängt an, ihren eigenen Schwanz zu jagen …

Sein Schwanz — ihr Schwanz.

Hoffentlich ist er bald fertig.

Die Katze dreht sich. Was ist mit dem Tier los?

Dreht sich immer schneller. Die Katze ist doch nicht normal! Wenn sie nicht aufpasst, knallt sie gleich gegen den … Scheiße … den Schaltschrank.

Sie schüttelt sich, als hätte sie einen Stromstoß bekommen. Sie ist total orientierungslos. Ihre Augen … rollen unkontrolliert.

Ich vergesse für einen Moment den Hausmeister hinter mir und mache einen Fehler. Ich fange laut an zu lachen, denke mir nichts dabei.

Früher hätte ich Mitleid mit dieser Katze gehabt und mit Sicherheit nicht gelacht. Aber das war mal … Er hört augenblicklich auf, mich zu bearbeiten und zieht sein Teil ruckartig raus. Er ist wütend, denkt wahrscheinlich, ich würde über ihn lachen. Keine Ahnung.

Er packt mich an meiner Schulter und dreht mich ruckartig um, sodass ich seine schmierige Visage direkt vor mir habe. Seine Haare sind schweißnass und kleben an seiner birnenförmigen Stirn. Aber das ist nicht annähernd so ekelhaft wie die Tatsache, dass ich plötzlich sein Ding an meinem eigenen spüre, da wir beide mit runtergelassenen Hosen dicht voreinander stehen. Spitze an Spitze sozusagen. Die Schwerter gekreuzt. Das geht überhaupt nicht in Ordnung, und mir wird speiübel.

Ich stoße ihn unsanft von mir weg. Er stolpert rückwärts über seinen Overall, der ihm an den Fußgelenken hängt. Er fällt.

Achtung — Baum fällt! Noch bevor er auf seinem fetten Hintern landet, habe ich meine Hosen wieder oben.

Es mag seltsam anmuten, dass dieser Hautkontakt einen solchen Schock in mir ausgelöst hat.

Verständlich angesichts der Tatsache, dass ich den Kerl ja auch an und in meinen Allerwertesten lasse. Aber das ist Mittel zum Zweck und die andere Sache meine Privatsphäre. Tabuzone.

Außer mir selbst hat noch nie jemand mein edelstes Stück berührt, und das soll bis zum Erwählen meiner Herzensperson auch so bleiben.

Durch diese ungeplante Berührung fühle ich mich irgendwie entjungfert, das gefällt mir überhaupt nicht.

Ekel peitscht mich, und ich schüttele mich wie die Katze kurz zuvor.

Hätte er nicht ohnehin auf meiner Liste gestanden, wäre dieser Moment wohl der richtige Zeitpunkt gewesen, um ihm die Eier abzuschneiden und sie ihm dahin zu stopfen, wo einmal seine Augen waren.

Er liegt vor mir auf dem Betonfußboden, auf dem Rücken wie ein Maikäfer. Ich stehe nur da und rühre mich nicht.

Mir wird schlecht.

Der Schock und der Schreck lähmen mich immer noch.

Er versucht, wieder auf die Beine zu kommen. Relativ erfolglos, denn sein fetter Bauch hindert ihn daran, mit den kurzen Armen an seine Hosen zu gelangen. Er schnaubt, schimpft und robbt vor mir hin und her.

Ich fange erneut an zu lachen. Ziemlich laut, und mit einer Portion Schadenfreude. Ich zeige mit dem Finger auf ihn, um zu signalisieren, dass ich dieses Mal tatsächlich über ihn lache.

Und so etwas spielt oben die Vertrauensperson und den Ansprechpartner für die Schüler.

Ob außer mir noch jemand weiß, dass er so einer ist?

Es ist eine gewisse Genugtuung, über ihn zu lachen.

Ihn so hilflos zu sehen. Allein wegen der widerlichen Berührung.

Aber es ist auch Ausdruck von Verachtung und Ekel.

Er sieht mich an und sagt nichts.