KEIN DENKMAL FÜR EMILY - Sidney H. Courtier - E-Book

KEIN DENKMAL FÜR EMILY E-Book

Sidney H. Courtier

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  • Herausgeber: BookRix
  • Kategorie: Krimi
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2022
Beschreibung

Dreizehn Jahre sind vergangen, seit Emily Laugal, Gutsherrin und Wohltäterin, spurlos verschwand. Da erhält ihr Neffe Tim den Hinweis, in einer verborgenen Grotte nach den sterblichen Überresten Tante Emilys zu suchen. Und als er begreift, in welche gefährlichen Geheimnisse er da sorglos seine Nase steckt, ist es bereits zu spät...   »Dieser australische Autor erreicht Spitzenqualität auf dem Bereich des Thrillers.« - The Times, London.    Sidney H. Courtier (* 28. Januar 1904 in Kangaroo Flat, Victoria; † 1974 in Safety Beach, Victoria) gilt als einer der herausragendsten australischen Kriminal-Schriftsteller. Sein Roman  KEIN DENKMAL FÜR EMILY erschien erstmals im Jahr 1970; eine deutsche Erstveröffentlichung erfolgte 1971.  Der Signum-Verlag veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe dieses Klassikers der Kriminal-Literatur.

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SIDNEY H. COURTIER

 

 

Kein Denkmal für Emily

 

Roman

 

 

 

 

 

 

Signum-Verlag

 

Inhaltsverzeichnis

Das Buch 

KEIN DENKMAL FÜR EMILY 

Erstes Kapitel 

Zweites Kapitel 

Drittes Kapitel 

Viertes Kapitel 

Fünftes Kapitel 

Sechstes Kapitel 

Siebtes Kapitel 

Achtes Kapitel 

Neuntes Kapitel 

Zehntes Kapitel 

Elftes Kapitel 

Zwölftes Kapitel 

Dreizehntes Kapitel 

Vierzehntes Kapitel 

Das Buch

 

Dreizehn Jahre sind vergangen, seit Emily Laugal, Gutsherrin und Wohltäterin, spurlos verschwand. Da erhält ihr Neffe Tim den Hinweis, in einer verborgenen Grotte nach den sterblichen Überresten Tante Emilys zu suchen. Und als er begreift, in welche gefährlichen Geheimnisse er da sorglos seine Nase steckt, ist es bereits zu spät...

 

»Dieser australische Autor erreicht Spitzenqualität auf dem Bereich des Thrillers.«

- The Times, London.

 

Sidney H. Courtier (* 28. Januar 1904 in Kangaroo Flat, Victoria; † 1974 in Safety Beach, Victoria) gilt als einer der herausragendsten australischen Kriminal-Schriftsteller. Sein Roman Kein Denkmal für Emilyerschien erstmals im Jahr 1970; eine deutsche Erstveröffentlichung erfolgte 1971. 

Der Signum-Verlag veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe dieses Klassikers der Kriminal-Literatur.

 

 

 

  KEIN DENKMAL FÜR EMILY

 

 

 

 

 

 

  Erstes Kapitel

 

 

Ich hatte den Montag auf dem Land verbracht und den Verkauf einer Viehherde zur allseitigen Zufriedenheit vermittelt. So kam ich am Abend stolz in mein Büro zurück. Die Angestellten waren schon lange nach Hause gegangen, aber Margie Sullivan, meine Sekretärin und guter Geist der Firma William & Company, hatte pflichtgemäß alle Post geöffnet, außer einem Päckchen, das an mich persönlich gerichtet war.

Da ich kein Philatelist bin, sehe ich mir die Umschläge gewöhnlich nicht näher an; doch bei diesem Päckchen fielen mir verschiedene Einzelheiten auf. Die Adresse war in einer dicken, krakeligen Schrift geschrieben. Unten auf dem Umschlag stand in derselben Schrift: siehe Seite 24. Das Päckchen trug keinen Absender. Laut Poststempel war es in Sydney aufgegeben worden.

Ich öffnete es und zog überrascht ein billiges Magazin heraus. In großen Buchstaben stand auf der Titelseite:

 

Ungeklärte Nachkriegskriminalfälle in Australien

 

Ich starrte einige Augenblicke verständnislos darauf. Dann schoss mir das Blut ins Gesicht, und ich sagte mir, dass es eines Tages hatte kommen müssen - ein Herausgeber von sensationellen Fällen konnte sich Emily nicht entgehen lassen.

Ich schlug das Heft auf und las, dass der Verlag seinen Lesern eine Belohnung von fünftausend Dollar bot, wenn man eine Information lieferte, die zur Aufklärung eines der hier geschilderten Rätsel führte. Eine unwahrscheinlich hohe Belohnung, die der Verlag sicher nur deshalb bot, weil er nicht glaubte, dass sie jemals ausgezahlt werden müsste. Ich sah mir das Inhaltsverzeichnis an.

 

Seite 2: Das Rätsel des exzentrischen Colonels

Seite 6: Das Rätsel der wassertretenden Witwe

Seite 8: Das Rätsel des gelähmten Hühnerfarmers

 

Einige Zeilen weiter unten fand ich es dann:

 

Seite 24: Das Rätsel der großherzigen Lady

 

Einen Augenblick lang wollte ich das Heft zerreißen und ins Feuer werfen, aber dann schlug ich Seite 24 auf. Als erstes sah ich Emilys Bild. Es war kein gutes Portrait. Es zeigte nicht die Farbe ihres haselnussbraunen Haares und auch nicht das helle Blau ihrer Augen, aber es vermittelte einen einigermaßen richtigen Eindruck von ihrem hageren Gesicht mit dem kleinen entschlossenen Kinn und dem verkniffenen Mund. Es gab auch eine Vorstellung von dem durchtriebenen Gesichtsausdruck, der in einem das Gefühl erweckte, für irgendeinen von Emilys Plänen benutzt zu werden.

Als ich das Foto länger betrachtete, wurde mir klar, dass ich Emily nie gemocht hatte, und ich wunderte mich wieder, wie verschieden Zwillingsschwestern sein konnten. Meine Mutter, die auch blaue Augen und blondes Haar gehabt hatte, unterschied sich doch völlig von Emily. Meine Mutter war im Gegensatz zu Emily offen, spontan und großzügig gewesen, obwohl Emily den Titel einer großherzigen Lady gewinnen sollte.

Das Bild auf der gegenüberliegenden Seite zeigte das Molinda- Tal. Ohne allzu große Schwierigkeiten konnte ich auf einem Hügel einen Punkt ausmachen, der das Haus von Glen Muir war, und ich konnte die Windungen der Bergbäche verfolgen, die unten, wo die Stadt Molinda lag, ins Meer mündeten.

Vor zehn Jahren hatte ich das Tal zuletzt gesehen, aber das Foto rief mir sofort alle Einzelheiten ins Gedächtnis zurück. Auf der nächsten Seite fand ich eine Großaufnahme von der Glen- Muir-Farm. Doch meine Aufmerksamkeit wurde sofort auf das Foto von einem schlaksigen Jungen in kurzen Hosen und offenem Hemd und mit einem Filzhut auf dem Kopf gelenkt. Die Bildunterschrift lautete:

»Tim Surrejon mit sechzehn Jahren, zu der Zeit als Emily Laugal verschwand. Er ist jetzt der Direktor der Firma William Surrejon & Co., Viehmakler, Namoira.«

Das Gesicht, das unter dem großen Hut hervorsah, war das Gesicht eines in die Enge getriebenen Tieres, und so kam ich mir auch vor, als dieses Foto gemacht wurde. Polizei, Reporter, Fotografen - niemand hatte Erbarmen mit einem sechzehnjährigen Jungen, der unter den furchtbaren Gewissensbissen litt, er hätte versäumt, Emily vor dem zu bewahren, was ihr passiert war.

Die Geschichte war nüchtern, ohne Effekthascherei geschrieben:

»Das Verschwinden von Emily Laugal am Donnerstag, dem 1. September 1958 löste eine der gründlichsten Suchaktionen in der Geschichte von New South Wales aus. Aber bevor wir die Ereignisse des 1. Septembers berichten, müssen wir uns mit dem Hintergrund des Rätsels um Emily Laugal beschäftigen.

Im Jahre 1840 landete ein junger Schotte namens James Laugal in Sydney...«

Die Erzählung berichtete von den Abenteuern des James Laugal, schilderte, wie er in ein Tal an der Südküste kam, das ihn an seine Heimat erinnerte, und wie er es Molinda nannte und sich hier auf einem Hügel, der in das Tal hineinragte, sein Zuhause baute. Er taufte es Glen Muir. Von der Veranda aus konnte er das ganze Land überblicken, das er als sein eigenes beanspruchte. Er war ein gottesfürchtiger Mann und schrieb seinen wachsenden Reichtum seinem Vertrauen in die Vorsehung zu, und diesen Glauben gab er an seinen einzigen Nachkommen, seinen Sohn Eileach, weiter.

Eileach hatte einen Sohn Robert, auch ein Einzelkind, und Robert war genauso gottesfürchtig wie seine Vorfahren, obwohl er manchmal den Reichtum der Laugals zum Teil ihrem genauen Wissen über die Viehzucht zuschrieb.

»In einer Hinsicht«, bemerkte der Verfasser, »unterschied sich Robert von seinen unmittelbaren Vorfahren. Kein Sohn kam auf die Welt, um den Namen der Laugals fortzuführen. Stattdessen gebar ihm seine Frau im Jahr 1910 die Zwillingstöchter Alison und Emily...

Obschon in mittleren Jahren, meldete Robert sich freiwillig bei der australischen Armee und diente während des ersten Weltkrieges, meistens im Ausland. Als er 1919 entlassen wurde, nahm er sein früheres Leben wieder auf, als wäre er nie fort gewesen... Seine Frau starb 1925, als seine beiden Töchter noch sehr jung waren, aber er hatte ihnen den gleichen gottesfürchtigen Glauben eingepflanzt, der schon ihm anerzogen worden war. 1935 heiratete Alison William Surrejon, einen Viehmakler aus Namoira. Sie gebar ihm zwei Söhne: 1936 Peter und 1942 Tim, den William nie sah, weil er im Krieg fiel.

Emily heiratete nicht. Sie folgte den Fußstapfen ihres Vaters und leitete die Glen-Muir-Viehfarm. Sie kümmerte sich auch um die Kirche und kirchliche Aktivitäten. Ihre Wohltätigkeit verschaffte ihr den Titel der großherzigen Lady, besonders nach dem Tod ihres Vaters im Jahr 1955. Ihr ist zum großen Teil die Errichtung eines modernen Krankenhauses in Molinda zu verdanken. Es ist ein offenes Geheimnis, dass Emily durch finanzielle Unterstützung ihrer Zwillingsschwester half, die Firma William Surrejon & Co. während des zweiten Weltkrieges und den folgenden schwierigen Jahren zu erhalten. Und ihr Geld ermöglichte Peter, ihrem älteren Neffen, das Studium.

Dr. Peter Surrejon ist jetzt Neurologe in der Macquaire Street. Ihr jüngerer Neffe Tim trat in die Firma seiner Mutter ein. Alison Surrejon starb 1966, und Tim Surrejon wurde Alleinbesitzer der Firma...

Und das bringt uns zu dem entscheidenden Mittwoch, dem 1. September 1958...«

Ich hielt für einen Augenblick ein, weil mir irgendetwas seltsam vorkam, aber trotz heftigen Nachdenkens kam ich nicht darauf, was es war. Deshalb las ich weiter:

»An diesem Tag befanden sich sieben Leute auf der Glen-Muir-Farm: Emily Laugal; Joe Obelham, Verwalter der Farm, und Netta Obelham, seine Frau, Köchin und Haushälterin auf der Farm (sie sind immer noch dort); John Dwyer und Bart Chesman, Landarbeiter (Dwyer ist immer noch auf der Farm, aber Chesman ist jetzt ein selbständiger Farmer); Laura Owen, damals zehn Jahre alt; und schließlich Tim Surrejon, Emily Laugals jüngerer Neffe, der hier seine Ferien verbrachte. Tim hatte immer den größeren Teil seiner Ferien auf Glen Muir verbracht. Sein Bruder, der sich auf sein Examen an der Universität in Sidney vorbereitete, war nur sehr selten auf der Farm seiner Tante.

Laura Owen kam aus Sydney. Es gehörte zu Emilys Gewohnheiten, bedürftigen Kindern aus der Vorstadt von Sydney einen Ferienaufenthalt auf der Glen-Muir-Farm zu ermöglichen. Laura hatte wegen einer schweren Krankheit im Krankenhaus gelegen und war von einer kirchlichen Organisation Emily anempfohlen worden...«

Ich hielt wieder ein. Ich hatte seit Jahren nicht mehr an Laura Owen gedacht. In meiner Erinnerung tauchte sie als blasses, kränkliches Mädchen auf, das gut ein paar Pfund mehr vertragen hätte.

»Am 1. September wehte ein starker Westwind, und einige Wolken zogen über den Himmel. Die Akazien standen in voller Blüte, und die Luft war mit goldenen Pollen angefüllt. Emily trug einen lilafarbenen, gemusterten Rock, eine goldfarbene Bluse und einen gelben Pullover. Um den Kopf hatte sie ein dunkelbraunes Tuch geschlungen. Außerdem trug sie, wie immer wenn sie Auto fuhr, teure Handschuhe.

Laut den Aussagen herrschte keine Vorahnung der Tragödie, als Emily in ihren Kombiwagen stieg und auf dem Weg davonfuhr, der das Farmgelände mit der dreihundert Meter weiter gelegenen Straße verbindet.

Es hatte keinen Streit, keine Spannung, keinen versteckten Ärger gegeben. Als Emily Laugal fortfuhr, gingen die Leute auf der Farm ihren gewohnten Tätigkeiten nach. Netta Obelham war im Haus beschäftigt; Laura Owen spielte mit dem Spielzeug, das ihr die Gastgeberin gegeben hatte; Bart Chesman hatte den Bagger, einen Lastwagen, der mit einem Grabgerät kombiniert war, zum Zaun hinuntergefahren, der Glen Muir von dem angrenzenden Gut der Nichols trennte. Der Wind hatte dort einen Baum umgeweht; John Dwyer war mit einem Auto ins obere Tal gefahren, um sich irgendwelche Viehbestände anzusehen; Joe Obelham und Tim Surrejon arbeiteten an einer widerspenstigen Pumpmaschine, die auch der Wind beschädigt hatte.

In den späteren Aussagen gab es nur eine Unstimmigkeit. Tim Surrejon behauptete, er hätte seine Tante nach Molinda begleiten wollen: Sie ließ ihn gewöhnlich den Kombi fahren, und zu der Zeit (er war sechzehn) fuhr er leidenschaftlich gern Auto. Als Emily den Wagen aus der Garage holte, kam Tim heran und bat, das Steuer übernehmen zu dürfen. Laut seiner Aussage bei der Polizei soll Emily geantwortet haben: Diesmal nicht, Tim. Ich möchte allein sein.

Aber Mrs. Obelhams Geschichte lautet anders. Sie war gerade in der Speisekammer, die über der Garage liegt, als Emily herausfuhr. Mrs. Obelham sah, wie Tim neben dem Kombi auftauchte. Sie hörte nicht, was Tim sagte, aber sie hörte Emilys Antwort. Laut Mrs. Obelham sagte Emily Laugal: Diesmal nicht, Tim? Dann muss ich allein fahren...«

Ich hatte mich oft gefragt, wie bei diesem stürmischen Wind Netta Obelham etwas gehört haben konnte, ohne direkt neben uns zu stehen. Aber diese Frage beschäftigte mich jetzt nicht. Die Worte: Dann muss ich allein fahren waren in derselben krakeligen Schrift, in der die Adresse geschrieben war, dick unterstrichen, als ob der Absender des Magazins deutlich machen wollte, dass ich das, was Emily zugestoßen war, verschuldet hatte. Wenn ich mit Emily mitgefahren wäre, so lautete die Botschaft der unterstrichenen Worte, wäre ihr nichts geschehen. Wieder schien sich eine Frage in meinem Kopf zu regen, aber ich konnte das Gefühl nicht in Worte fassen.

Ich las weiter:

»Emily Laugal kam gegen zehn Uhr in Molinda an. Die Stadt ist eine Ansammlung von Geschäften und Wohnhäusern in der gleichnamigen Bucht. Die Häuser auf der Hauptstraße stehen nur auf einer Seite. Von dort führen einige Pfade zu den Feldern hinter dem Ort. Es gibt dort sechs Läden, eine kleine Schule, die Post, zwei Banken (die eine - die Commonwealth Bank - ist in demselben Gebäude wie die Post untergebracht), eine Tankstelle mit Garage, eine Polizeiwache, ein Hotel, eine Kirche und das Molinda-Krankenhaus. Man kann sich schwerlich eine Gemeinde vorstellen, deren Mitglieder einander besser beobachten können als hier.

Von ihrer Ankunft um zehn Uhr bis zu ihrer Abfahrt um halb zwölf wurde Emily auch die ganze Zeit von einem oder mehreren Einwohnern gesehen. Sie parkte ihren Kombi vor der Post und ging dort auch zuerst hinein. An der Tür sprach sie kurz mit Mona Chesman, Lernschwester am Krankenhaus und Schwester von Bart Chesman, dem Viehzüchter von Glen Muir. Emily holte die Post für die Farm ab und öffnete einige Briefe, während sie am Schalter stand.

Dann ging sie zur New South Wales Bank, die einige Häuser von der Post entfernt liegt. Hier zahlte sie einen Betrag von ungefähr tausend Pfund in Schecks ein. Dann hob sie fünfhundert Pfund in Zehn- und Fünfpfundnoten ab und ging zur Post zurück, wo sich ja auch die Commonwealth Bank befand. Bei dieser Bank zahlte sie dreihundert Pfund von dem abgehobenen Geld auf ein Sparkonto ein.

Anschließend ging sie zu Walter Kenzies Lebensmittelgeschäft, William Symes Gemüseladen, Frank Smiths Metzgerei und zu Miss Eileen O’Neills Kurzwarengeschäft. In all diesen Läden machte sie Einkäufe und bezahlte in bar. In jedem Geschäft sprach sie mit den Leuten hinter dem Ladentisch und mit den anderen Kunden. Jeder, der sie sah und mit ihr sprach, fand nichts Ungewöhnliches in ihrem Benehmen.

Nachdem Emily ihre Einkäufe im Kombi verstaut hatte, ging sie zu dem Hotel und fragte Jim Donald, den Wirt, ob seine Frau Cathie zu Hause sei. Donald sagte, seine Frau sei da, und Emily ging daraufhin in die Privaträume des Hotels, um Mrs. Donald zu suchen.

Cathie Donald bestätigte, dass Emily Laugal ungefähr viertel vor elf im Hotel ankam. In Molinda gibt es eine Hilfsorganisation für Krankenhäuser, deren Aufgabe es unter anderem ist, freiwillige Hilfsdienste im Krankenhaus zu leisten, und eine der Pflichten dieses Hilfsdienstes ist es, die Mittagsmahlzeiten an die Patienten auszuteilen. Mrs. Donald war der Sekretär dieser Vereinigung und Emily Laugal der Präsident. Beim Tee arbeiteten sie den Dienstplan für die nächsten zwei Monate aus, und Mrs. Donalds Aufgabe bestand darin, alle Mitglieder zu informieren, an welchen Tagen und zu welcher Zeit sie im Krankenhaus erscheinen mussten.

Als sie den Dienstplan aufgestellt hatten, verließ Emily Laugal das Hotel. Das war um zehn nach elf. Sie ging zu ihrem Kombi, fuhr die Straße entlang zum Pfarrhaus neben der St. Giles-Kirche. Dort erfuhr sie, dass der Pfarrer, Reverend Richard Somers, zu einer Diözesankonferenz nach Canberra gerufen worden war und erst am nächsten Tag zurückerwartet wurde. Sie verbrachte zehn Minuten mit Phoebe Somers und lehnte eine Einladung zu einer Tasse Tee ab, weil sie schon bei Cathie Donald Tee getrunken hatte. Als Phoebe Somers nach dem Grund für ihre Unterredung mit dem Pfarrer fragte, antwortete Emily, es sei eine unwichtige Angelegenheit und hätte Zeit, bis sie den Pfarrer wieder treffen würde. Später sagte Pfarrer Somers, er hätte keine Ahnung, worüber Emily Laugal mit ihm habe sprechen wollen.

Nach ihrem Gespräch mit Mrs. Somers kehrte Emily Laugal zu ihrem Kombi zurück, fuhr wieder die Hauptstraße entlang und dann ins Tal hinaus. Zehn Leute sahen sie, wie sie die Stadt verließ, und alle winkten oder nickten ihr zu. Zwischen Molinda und Glen Muir liegen an der Straße die Tore von sechs Farmen, und zwar in folgender Reihenfolge, wenn man aus der Stadt herausfährt: die von Stanley Chesman, Max Nightingale, Albert Tyabb, Carl Schultz, Michael Scayles und Clem Nichols. Bis zum heutigen Tag hat sich nur geändert, dass Stanley Chesman tot ist und sein Sohn Bart, früher einer der Viehzüchter auf Glen Muir, jetzt die Farm bewirtschaftet.

Da die Leute vom Land sehr genaue Beobachter sind, wurde Emilys Kombi von jeder Farm aus gesehen, und zwei der Farmer, zuerst Michael Scayles und dann Clem Nichols, fuhren sogar an ihr vorbei, da sie auf dem Weg zur Stadt waren. Beide sind der Meinung, dass es Emily war, die sie gesehen haben. Sie winkten ihr zu und hupten.

Inzwischen gingen - wie gesagt - die Leute auf der Glen-Muir-Farm ihren üblichen Beschäftigungen nach. Netta Obelham hatte im Haus zu tun; Joe Obelham und Tim Surrejon arbeiteten an dem Motor der Pumpe; Laura spielte mit ihrem Spielzeug; auch die Landarbeiter waren beschäftigt, der eine mit dem Zaun, der andere mit dem Vieh im oberen Tal.

Gegen halb zehn fragte Laura Owen Mrs. Obelham, ob sie zu der Pferdekoppel hinuntergehen dürfe, wo Bart Chesman den Zaun reparierte. Das Kind mochte Chesman sehr gern, und es wollte mit im Bagger fahren, wenn Chesman zum Mittagessen heraufkäme. Mrs. Obelham sah keinen Grund, nein zu sagen, und so machte sich das Kind auf den Weg.

Kurz nach zwölf kam John Dwyer vom oberen Tal zurück, dicht gefolgt von Chesman und Laura, und Chesman teilte Joe Obelham und Tim Surrejon mit, dass Miss Laugal gerade an der vorderen Einfahrt sei, vierhundert Meter vom Haus entfernt.

Alles im Haus verlief normal. Die Männer wuschen sich, und Mrs. Obelham und das Kind bereiteten das Essen zu. Dann bemerkte einer von ihnen, dass der Kombi nicht vorm Haus angekommen war. Es war später schwierig festzustellen, wem es als erstem aufgefallen war, aber niemand war beunruhigt, obwohl Mrs. Obelham Laura nach draußen schickte, um nachzusehen, was Mrs. Laugal tat. Das Kind meldete, dass der Kombi immer noch vor der Einfahrt stand und von Emily nichts zu sehen war.

Joe Obelham vermutete, dass irgendetwas am Kombi nicht funktionierte, und er beschloss, mit dem Wagen hinzufahren, falls ein Abschleppseil benötigt würde. Tim Surrejon ging mit. Die beiden Landarbeiter setzten sich zu Tisch; sie wollten so schnell wie möglich zu ihrer Arbeit zurück.

Es verging einige Zeit, bevor Joe Obelham und Tim Surrejon einsahen, dass die Lage ernst war. Da stand der Kombi mit den eingekauften Dingen; der Zündschlüssel steckte; auf dem Vordersitz lag Emily Laugals Handtasche (außer einigen Briefen, Taschentüchern, Lippenstift usw. enthielt sie hundertfünfundachtzig Pfund in Scheinen und ungefähr zwei Pfund in Kleingeld); und da lag auch das braune Tuch, das sie an diesem Morgen getragen hatte.

Später sagte Tim Surrejon, dass er und Joe Obelham zuerst überhaupt nicht daran gedacht hätten, dass seiner Tante etwas zugestoßen sein könnte. Alles sah so normal und natürlich aus. Als sie den Zündschlüssel herumdrehten, sprang der Motor sofort an, und alles hatte den Anschein, dass sie nur ihren Namen zu rufen brauchten, um sie antworten zu hören.

Schließlich fuhr Tim den Wagen zum Haus zurück und holte Mrs. Obelham, die beiden Landarbeiter und Laura Owen, und alle durchsuchten das Gebüsch und die trockenen Flussrinnen. Sie berieten zwei Stunden miteinander, bevor sie die Sache dem Ortspolizisten, Wachtmeister Tom Pearson, berichteten, der übrigens immer noch in Molinda seinen Dienst tut. Obwohl Wachtmeister Pearson nur zögernd annahm, dass etwas vorgefallen sein könnte, rief er doch alle verfügbaren Leute zusammen, und gegen vier Uhr waren vierzig Personen auf der Suche.

Bei Einbruch der Dunkelheit nahmen schon siebzig Menschen an der Aktion teil. Am nächsten Morgen waren es schon hundertdreißig Männer und Frauen, die das ganze Tal durchforschten, alle Flussrinnen und Felsspalten durchkämmten. Eine der Frauen war Alison Surrejon, Tims Mutter und Emily Laugals Zwillingsschwester. Sie war die Nacht von Namoira nach Glen Muir durchgefahren.

Die intensive Suchaktion hielt noch die ganze Woche bis weit in die nächste Woche hinein an. Das durchsuchte Gebiet erstreckte sich weit über das Molinda Tal hinaus. Aber von Emily Laugal wurde seit dem kurzen Augenblick, als sie von ihrem Kombi aus Clem Nichols, dem zweiten der beiden Farmer, die ihr auf dem Weg begegneten, zugewinkt hatte, nichts mehr gesehen...«

Die Geschichte übersprang sieben Jahre und brachte nun die rechtlichen Auseinandersetzungen über Emilys Todeserklärung und das Gesuch an das oberste Gericht, das Testament zu öffnen. An diesen Auseinandersetzungen war niemand der Surrejons, weder meine Mutter, noch mein Bruder Pete, noch ich, irgendwie beteiligt, da Emily angeordnet hatte, ihr Besitz sollte der Wohlfahrt vermacht werden, zum größten Teil dem Molinda-Krankenhaus.

Ich überflog diesen Teil des Berichts und las dann die Zusammenfassung der Geschichte. Mir war das alles bekannt, trotzdem las ich es mit größtem Interesse. Nach der Beschreibung der polizeilichen Untersuchung des Kombiwagens, die keine weiteren Anhaltspunkte ergeben hatte, trug der Verfasser drei Theorien vor:

1. Emily hatte, aus irgendeinem unverständlichen Grund, beschlossen, aus Molinda zu fliehen und sich zu verstecken. Dagegen sprachen die zurückgelassene Handtasche mit dem Geld, das liegengebliebene Kopftuch und die Schwierigkeit, ungesehen aus dem Tal zu entkommen.

2. Sie hatte an einer Stelle, wo sie nicht gefunden werden konnte, Selbstmord begangen. Der Verfasser hielt diese Theorie für lächerlich und fügte hinzu, dass jeder, der Emily gekannt hatte, ihm sicher zustimmen würde.

3. Emily war ermordet worden. Das war die bevorzugte Theorie. Was die Beseitigung der Leiche betraf, so gab es eine Menge Vermutungen. Sie konnte in einem Grab auf dem Friedhof in Molinda begraben worden sein (eine Möglichkeit, die von der Polizei damals nicht übersehen worden war, aber immer noch in Frage kam). Die Leiche konnte auch, mit Gewichten beschwert, irgendwo draußen im Meer versenkt worden sein. Oder vielleicht einige hundert Kilometer ins Landesinnere gebracht und dort begraben worden sein. Dabei, wie auch bei der Meer-Theorie, ergaben sich zwar Schwierigkeiten, aber es gab Leute, die meinten, dass es so geschehen sei.

»Aber«, so schloss der Verfasser, quasi als Knalleffekt, »die meisten Leute in Molinda glauben, dass Emily Laugals Leiche irgendwo im Tal begraben worden ist, in einer der vielen Ecken, die noch nicht vollständig erforscht worden sind...«

Anscheinend gehörte der Absender des Päckchens zu den Anhängern der letzten Theorie. Denn er hatte den letzten Satz mit einem Sternchen versehen und darunter in seiner krakeligen Schrift geschrieben: »Es ist schade, dass Sie nicht zurückkommen und die Laugal-Schlucht durchstöbern durften, sagen wir mal, die erste Höhle in den Felsen unterhalb der Straße.«

 

 

 

 

  Zweites Kapitel

 

 

Das Telefon klingelte. Ich brauchte einige Zeit, bis ich mir dessen bewusst wurde, weil mich immer noch diese unklare Frage beschäftigte.

Als ich die Stimme meines Bruders hörte, verbannte ich die Frage zeitweilig aus meinem Kopf. Wir Sprachen zuerst über Joan, seine Frau, und über seine vier Kinder, zwei Jungen und zwei Mädchen, die dauernd voller Streiche waren. Ich erinnerte ihn daran, dass er und ich vor Jahren auch keine Musterknaben gewesen waren.

Peter lachte; dann fragte er in dem ruhigen klaren Ton, den er sicher als Nervenarzt im Laufe der Jahre entwickelt hatte, ob ich irgendwelche besondere Post erhalten hätte, zum Beispiel ein Magazin?

»Ich habe das Ding gerade vor mir«, sagte ich. »Es kam heute mit der Post.« 

Sein Exemplar sei auch heute gekommen, sagte Pete. Er hätte es gerade gelesen, und es sähe wie ein Einbruch in seine private Sphäre aus. Aber der Absender war anonym; und am besten vergaß man die ganze Sache sofort; man brauchte schließlich kein Öl ins Feuer zu gießen. Er wolle nur wissen, ob ich auch die Geschichte gelesen hätte.

Ich fragte meinen Bruder, ob sein Exemplar mit Anmerkungen versehen war.

»Was meinst du damit?«, fragte er.

Ich las den in meinem Exemplar unterstrichenen Satz vor und auch den mit einem Sternchen markierten Zusatz. Mein Bruder fluchte heftig. In seinem Exemplar fände sich nichts dergleichen, sagte er; die Tatsache, dass die Anspielung nur an mich gerichtet war, könne üble Folgen haben, und wir müssten vorsichtig sein...

Seine Stimme erstarb, und ich stellte mir ihn vor, wie er in seinem Haus vor seinem Telefon saß - groß, schlank, mit blauen Augen, sorgfältig gekleidet.

»Wo bist du, Pete?«, sagte ich. »Bist du noch da?«

»Ja«, antwortete er. »Sag mal, Tim, hast du schon überlegt, wer uns das geschieht haben könnte?«

»Ja, aber...« mich quälte wieder diese undeutliche Frage. »Mir ist wichtiger, wie viele Leute ein Exemplar dieses Magazins erhalten haben? Noch wichtiger, wer sind diese Leute?«

Mein Bruder verfolgte jedoch einen anderen Gedanken.