... keine normale Reise ... - Anne E. Dünzelmann - E-Book

... keine normale Reise ... E-Book

Anne E. Dünzelmann

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Beschreibung

Im Zeitfenster 1938/39 konnte ein Kontingent von etwa 500 jüdischen Kindern und Jugendlichen nach Schweden in Sicherheit gebracht werden. Das umfasste einmal die Vorbereitung auf das Leben in Palästina mit der Unterbringung in entsprechenden Einrichtungen sowie die Reise dorthin. Zum anderen mussten Pflegefamilien für die Kinder und Arbeitsmöglichkeiten für die Jugendlichen gefunden werden. Maßgeblichen Anteil daran hatte Eva Warburg ls Teil eines breitgefächerten Netzwerks. Dem wird hier nachgegangen. Ebenso wird anhand bestimmter Biografien betroffener Kinder deren Weg und damit die Bewältigung ihrer spezifischen traumatischen Erfahrungen nachgezeichnet.

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Danksagung

Für hilfreiche Informationen

habe ich besonders

Helmut Müssener, Uppsala

und

Jan Winter,Uppsala

zu danken.

Vor allem aber möchte ich

Beate Simon-Fırat

für ihre Freundschaft, ihr Verständnis, ihre Anteilnahme

meinen Dank aussprechen.

Vorbemerkungen

Oft wird im Kontext der Transporte jüdischer Kinder und Jugendlicher im Zeitraum 1938/1939 der Name Eva Warburg genannt. Doch ist bisher nur wenig über sie öffentlich bekannt geworden. Ebenfalls fndet Schweden als Aufnahmeland jüdischer Kinder aus Mitteleuropa weniger Beachtung. Dieses Manko soll mit der vorliegenden Publikation verringert werden.

Neben der Darstellung des Lebens von Eva Warburg und ihres Wirkens steht vor allem das prozesshafte Geschehen der Kindertransporte und das Leben der betroffenen Kinder und Jugendlichen in Schweden im Fokus. Einzelne biografische Fallbeispiele sollen helfen, deren Schicksal nachzuvollziehen ‒ obwohl nur noch wenige am Leben sind. Unter diesen befindet sich z. B. Miriam Pollin respektive Thea Kurzbarth aus Hamburg. Einen nicht uninteressanten Aspekt liefern die entstandenen Beziehungen einzelner Protagonisten zueinander. Das bedingt durch die gleiche Unterkunft, die kulturelle Zugehörigkeit und gemeinsame Zielsetzungen.

Die vorliegende Arbeit ist zwar nicht als grundlegende Forschung angelegt, soll aber durchaus anregend wirken. Auch hoffe ich, eine Forschungslücke verkleinert zu haben. Für etwaige Fehlinformationen bitte ich um Entschuldigung. Diese sind den oft abweichenden und nicht immer genau zu verifizierenden Angaben geschuldet.

Bewusst habe ich auf einen umfangreichen Quellenapparat verzichtet. Einzelinformationen aus dem Internet sind unter Varia gebündelt, mit * versehene Institutionen und Personen im Glossar aufgeführt. In der Bibliografie werden unter Weitergehende Quellen solche Archivalien und Publikationen genannt, die lediglich sekundär benutzt wurden, aber wesentlich mehr Informationen enthalten.

Inhalt

Verzeichnis biografischer Fallbeispiele

Eva Warburg ‒ ihr Leben und Wirken

Netzwerkliche Verbindungen

Kinder/Jugend‒Alijah

Die Transporte

In Schweden

Vorbereitung auf die Alijah nach Palästina

Kibbuz BaDerech/Hälsinggården in Falun

Die Svenska Israelmissionen

Betreuende Einrichtungen

Bewertung

Exkurs

Flyktingbarnen aus Dänemark, Norwegen und Finnland

Anhang

Die Familie von Eva Warburg

Genealogische Daten

Anmerkungen

Glossar

Abkürzungen

Abbildungsnachweise

Bibliografie

Verzeichnis biografischer Fallbeispiele

Klas F. Back mit Ernst und Hilde Back

Max Goldstein

Berthold Grünfeld

Günter Heinrich

Hannelore und Inge Josias

Ruth Nelly Kahn-Moos

Hans J. O. Moos

Hans S. Kaufmann

Thea Kurzbarth/Miriam Pollin

Erwin Leiser

Isbert Levi

Peggy Parnass

Ilse Reifenstein/Elise Hallin

Berthold Rindsberg/Baruch Ron

Harry Leo Schein

Eva Schwarz-Tuteur

Otto Schwarz

Manfred Schwarz

Siegfried Tschmul/Shlomo Shaked

Karl-Heinz Tuteur

Otto Ullmann

Eva Warburg ‒ ihr Leben und Wirken

Eva Amalie W. wurde am 31. Dezember 1912 als zweite und mittlere Tochter von Anna und Fritz Warburg geboren. Ebenso wie ihre Mutter ließ sie sich zur Kindergärtnerin und Hortnerin ausbilden, und zwar von 1930 bis 1932 in Berlin im Pestalozzi-Fröbel-Haus des Berliner Vereins für Volkserziehung. Doch zuvor soll sie nach ihrem Abitur einen Gartenbau-Lehrgang absolviert haben, vielleicht auch erst nach der Berliner Zeit. Sie kam als 18-Jährige nach Berlin und war somit im besten Alter, ihrem Leben eine eigene Richtung zu geben und sich ihren Vorstellungen gemäß zu verorten und neu zu orientieren: hin zum Judentum, zum Zionismus mit dem Engagement in der Alijah* sowie dem Erlernen der hebräischen Sprache und einer koscheren Haushaltsführung. Ebenso kam sie in Berlin mit wichtigen Leute in Kontakt und bewegte sich in einem entsprechenden Umfeld. Dazu gehörte u. a. der ›Hilfsverein deutscher Juden‹* und die Hechaluz*-Bewegung, wo sie mutmaßlich ihren späteren Ehemann Naftali Unger kennenlernte. Vor allem war es der Kreis um die projektierte Jugend-Alijah in Berlin mit Recha Freier* und Eva Michaelis-Stern* sowie den Cousinen Gisela und Lola Warburg.1 Möglicherweise stand sie auch in Kontakt mit Wolf Jacobson, der um diese Zeit in Berlin zum Rabbiner ausgebildet wurde und 1943 nach Schweden emigrierte. (Dünzelmann)

Wieder in Hamburg engagierte sie sich im sozialen Segment, das dank der mütterlichen Prägung und vor allem im Kontext eines Vita activa, eines tätigen Lebens. (Vgl. Hannah Arendt) Dazu gehörte die Einrichtung eines Horts in der Hamburger Hochallee ab Oktober 1933. Mit dieser Gruppe verbrachte sie auch Ferien im holländischen Internat Eerde2 und in Dänemark. Etwa im gleichen Zeitraum richtete sie in der Blankeneser Sommer-Residenz am Kösterberg eine Art Refugium für sozial schwächere jüdische Kinder ein. Die anfänglich sieben und dann 30 Kinder erhielten ein gutes Mittagessen, Hilfe bei den Schulaufgaben und Möglichkeiten zum Spielen. Dadurch konnte sie bis zur Enteignung 1938 insgesamt 250 Kindern helfen. Die Kosten dafür hatten wohlhabende jüdische Familien übernommen.

Daneben unterstützte EW den Hechaluz sowie die Jugend-Alijah. Weiterhin war sie mit Naftali U. befreundet, der sich 1935/36 in Hamburg aufhielt und häufiger Gast in ihrem Elternhaus war. Zwar nahmen die Eltern ihn freundlich auf, standen aber seinem Zionismus eher skeptisch gegenüber. Eva selbst hielt sich 1936 kurz in Palästina auf, fasste aber im September 1938 den Entschluss, nicht sofort dorthin zu emigrieren. Stattdessen unterstützte sie die Eltern bei ihrem Umzug nach Stockholm. Doch war ihr vor allem wichtig, die geplanten Kindertransporte zu organisieren und durchzuführen. So beteiligte sie sich nach der Pogromnacht am 9. November 1938 maßgeblich an deren Organisation von Hamburg nach Schweden. Sie selbst verließ 1939 als letzte der Warburgs vor dem Holocaust Hamburg, mutmaßlich in Begleitung eines Kindertransports. Dank des Einsatzes gilt sie aktuell auch als treibende Kraft der Jugend-Alijah in Schweden. (Chernow; SWA; Varia)

In Stockholm lebte sie mit den Eltern in einer Wohnung am Strandvägen 41. Im Frühjahr 1939 übetrug ihr das Londoner Büro der Youth Aliyah die Leitung der Jugend-Alijah i Sverige mit Sitz in Stockholm. (nationalarchives.gov.uk) Was laut Glück im Sommer vom Jersalemer Hauptbüro bestätigt wurde. (Hachscharah) In der Folge organisierte sie nicht nur die praktische Vorbereitung auf das Leben in Palästina in entsprechenden Einrichtungen. Ebenso organisierte sie die Auswanderung nach Palästina einschließlich Visabeschaffung und Reisemöglichkeiten. Sie musste sich aber auch mit den Hamburger Behörden wegen der von den Nazis eingeführten Reichsfluchtsteuer auseinandersetzen. Mit der Wahrnehmung ihrer Interessen beauftragte sie den am Mittelweg 17 wohnenden und mit der Familie befreundeten Wissenschaftler Robert Solmitz. In Stockholm konnte sie sich ein weit verzweigtes Netzwerk schaffen, so war sie u. a. mit der Sexualpädagogin Elise Ottesen-Jensen und dem Ehepaar Berendsohn* befreundet. Sie dürfte aber auch in Kontakt zur Emigranten-Selbsthilfe* gestanden haben. (SWA; Varia)

Da sich die Situation durch den Ausbruch des Zweiten Weltkriegs dramatisch veränderte, musste EW den Plan fallenlassen, im März 1941 mit einer Gruppe Jugendlicher endlich nach Palästina zu reisen. Zuvor hatte sie das für eine Einreise erforderliche (Kapitalisten-)Zertifikat beantragt und auch erhalten. Doch wurde weiterhin ihre Hilfe in Schweden benötigt, so 1943 bei der Rezeption aus Dänemark geflüchteter jüdischer Jugendlicher, zu denen u. a. Hans Kaufmann und Hans Moos gehörten. Von Helsingborg bzw. Malmö erfolgte der Transport nach Stockholm per Bahn in Zehnergruppen, die sie dort persönlich am Centralbahnhof begrüßte und weiter betreute. Darüber hinaus veranlasste sie den Kauf eines Bootes, mit dem Juden zur Flucht aus Dänemark verholfen wurde. 1944 engagierte sie sich ebenfalls bei der Betreuung finnisch-jüdischer Flüchtlingskinder (→ Exkurs III) und half 1945, Holocaust-Überlebende zu versorgen. (SWA)

Im März 1946 konnte EW endlich Schweden über Malmö verlassen und von Kopenhagen aus mit dem Schiff Florida in dreiwöchiger Fahrt nach Haifa reisen ‒ was zuvor in Stockholm mit einem großen Abschiedsfest gefeiert wurde. In Palästina traf sie Naftali Unger im südlich von Tel Aviv gelegenen, 1928 gegründeten Kibbuz Gi'vat Brener (Givat Brenner) nahe Rehovot wieder. Beide heirateten im gleichen Jahr und lebten in diesem Kibbuz einige Jahre. Dank ihrer Fähigkeiten konnte EW sich gut in das Kibbuzleben integrieren und mitgestalten. So war sie während dieser Zeit für die Betreuung von etwa 50 Kindern verantwortlich. Anfang der 1950er Jahre wechselten die Ungers in den von Gi'vat Brener aus neu gegründeten Kibbuz Nezer Sereni. (Ebd.)

Diesen besuchte Walter A. Berendsohn mit seiner Frau Dorothea und den in Israel lebenden Töchtern Annelie und Karin 1957. Im gleichen Jahr verließen EWs Eltern Stockholm, um bei ihrer Tochter Eva im Kibbuz zu leben. Jahre später zogen Eva und Naftali Unger nach Rehovot. Dort richtete sie in der Garage ihres Hauses eine Art Lernzimmer ein und unterstützte Kinder aus der Nachbarschaft bei den Schulaufgaben. Die letzten Jahre ihres Lebens verbrachte sie in einer Senioreneinrichtung in Rehovot. Noch im hohen Alter war sie eine starke und lebensfrohe Persönlichkeit. Am 24. November 2016 endete friedlich ihr langes, fast 105 Jahre währendes Leben. (Varia)

Auf einer israelischen Website würdigt man sie als engagierte Frau mit vielen Ideen und einem großen Herzen. Dank ihrer großbürgerlichen Sozialisation und ihrer Ausbildung besaß sie genügend Selbstvertrauen und Durchsetzungskraft zur Bewältigung der von ihr übernommenen Aufgaben. Hinzu kamen Idealismus und Pflichtgefühl. Ihre Erfahrungen und Begegnungen hat sie in einem Album festgehalten, 1999 als Printbook in Rehovot erschienen. (Varia)

Naftali Unger, *1909 ‒ Δ1987

wurde in Polen geboren und ist in Berlin aufgewachsen. Als überzeugter Zionist und Chaluz* ging er um 1931 nach Palästina, wo er beim Aufbau des Kibbuz Gi'vat Brener mithalf. 1933/34 beauftragte ihn die dortige Gewerkschaft Histradrut, in Deutschland an der Alijah nach Palästina mitzuwirken. 1935/36 war er in Hamburg aktiv und nahm u. a. Kontakt zum jüdischen Reeder Arnold Bernstein auf, um eine an der Schiffahrt orientierte Hachscharah* zu organisieren und Ausbildungsplätze für jüdische Jugendliche auf seefahrenden Schiffen einzurichten. In diesem Kontext wurde 1934 in Haifa zur Unterstützung der Alijah die Palestine Shipping Co. Ltd. gegründet. Ebenso vertiefte er den Kontakt zu Eva W. und ihrer Familie. Wieder in Palästina wurden mit seiner Hilfe zwei maritime Kibbuzim an der Küste gegründet (vgl. Ina Lorenz, Seefahrts-Hachscharah in Hamburg 1935-1938), u. a. in Haifa. 1939 hielt er sich kurz in Frankreich auf, wo er vom Ausbruch des Zweiten Weltkriegs überrascht wurde und seine Zukunft neu planen musste. Er schloss sich den britischen Alliierten an und kämpfte in Nordafrika und Italien. Nach 1945 lebte NU wieder im Kibbuz Gi'vat Brener, in dem Eva und er Ende 1946 heirateten. Aus der Ehe gingen zwei Kinder hervor, Tochter Dvorah (*1948) und Sohn Gabi (*1950), hinzu kamen acht Enkel und sechs Urenkel. (Chernow; SWA; Varia)

Netzwerkliche Verbindungen

Familie

Freunschaftenr

Jüdische Gemeinde Hamburg

Mosaiska församlingen Stockh.

Hilfskomitee Jüd.Gemeinde

Stockh.Kom. Flüchtlingshilfe

Jüd. Hilfsorganisationen USA

und in Europa

Hilfsverein Deutscher Juden

Jewish Agency for Palestine

Eva Warburg

Youth Aliyah London

Jugend-Alijah, Berlin

JOINT

Hechaluz-Büro Hässleholm

HIAS-HICEM

Hjälpkommitté Mos.förs.Stock

Reisebüro Intourist u. a.

Kibbuz BaDerech u. a. Heime

Botschaften UdSSR, Türkei, Syrien

Brit. Mandatsregierung Palästina

Hechaluz Dänemark

Palästina-Büro Stockh. G.Löllbach

Kinder/Jugend‒Alijah

Die Transporte

Bereits 1932 initiierte die Berliner Lehrerin und Publizistin Recha Freier das Projekt der Kinderauswanderung. So reiste im Oktober eine erste Gruppe jüdischer Jugendlicher nach Palästina. Da sie ohne Eltern emigrierten, nannte man diese Auswanderung Kinder- und Jugend-Alijah, auf Hebräisch Aliyat Hanoar. Am 30. Januar 1933 wurde in Berlin offiziell das ›Hilfskomitee für jüdische Jugendliche‹ eingetragen, daraus formierte sich mit Hilfe von Lola Hahn-Warburg im Mai die so genannte Jugend-Alijah. In Palästina wurde diese 1934 in Jerusalem im Auftrag der Jewish Angency von Henriette Szold gegründet und geleitet. Nahezu zeitgleich entstand in Berlin die Kinderauswanderung als Unterabteilung der ›Reichsvertretung der Juden in Deutschland‹. Ab 1935 wurde das Berliner Büro von Lola Hahns Schwester Gisela Warburg bis zum Pogrom am 9. November 1938 geleitet. Mit Entstehen der Jugend-Alijah als Teil des Hechaluz-Weltverbandes kam es auch zur Gründung von Hachscharah-Zentren als Vorbereitungseinrichtungen. 1938 folgten solche in Österreich und Böhmen, 1939 in der restlichen ČSR. Zwischen 1934 und 1938 konnten die meisten der für die Alijah angemeldeten Kinder in die USA reisen, nur wenige gingen nach Palästina. Ab 1938 entwickelte sich die Jugend-Alijah bis 1945 zu einer sozialen Einrichtung und Fluchthilfeorganisation. Laut Albert Einstein war die Jugend-Alijah auch ein Mittel, den Betroffenen u. a. »den Glauben an menschliche Liebe und Würde« wiederzugeben. (Varia)