10,99 €
Warum ist es wichtig, Gottes Eigenschaften zu kennen? Warum ist es wichtig, sich der eigenen Grenzen bewusst zu sein? Wie gehe ich mit meinen Fehlern und Schwächen um?Wir wurden mit unseren Grenzen geschaffen. Wir waren nie dazu bestimmt, so wie Gott zu sein. Aber die Wurzel jeder Sünde ist unser rebellischer Wunsch, Eigenschaften zu besitzen, die nur Gott gehören. Darin besteht oft die Ursache unserer Probleme.Mit diesem Buch ermutigt Jen Wilkin uns Frauen, das Wesen Gottes tiefgehender zu erfassen, Ihn anzubeten und unsere Grenzen als Mittel zu erkennen, Seine grenzenlose Macht zu verherrlichen, indem wir Ihn allein Gott sein lassen. Wenn wir unsere menschlichen Fehler und Schwächen mit den Eigenschaften Gottes vergleichen, werden wir als Christen neu gestärkt durch die Gewissheit von Gottes Treue in Seinem unveränderlichen und allumfassenden Wesen. Diese Erkenntnis ermutigt uns, täglich neu Hoffnung bei Ihm zu suchen.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 203
Veröffentlichungsjahr: 2024
Originaltitel: None Like Him:
10 Ways God Is Different from Us
(and Why That’s a Good Thing)
© 2016 by Jennifer Wilkin
Veröffentlicht von Crossway
einem Verlagsdienst von Good News Publishers
Wheaton, Illinois 60187, U.S.A.
Diese Ausgabe wurde in Absprache
mit Crossway veröffentlicht.
Alle Rechte vorbehalten.
© 2024 Verlag Voice of HopeEckenhagener Str. 4351580 Reichshof-Mittelaggerwww.voh-shop.deÜbersetzung: Dr. Simone Müller
Lektorat und Design: Voice of HopeISBN 978-3-941456-19-8 – E-BookISBN 978-3-947978-93-9 – Kunstleder-BuchSoweit nicht anders vermerkt, wurden dieBibelzitate der Schlachter-Bibel 2000 entnommen.
Einleitung
Wie man eine gottesfürchtige Frau wird
»Anmut ist trügerisch und Schönheit vergeht,aber eine Frau, die den HERRN fürchtet, die wird gelobt werden.«Sprüche 31,30
Wenn du mir vor fünf Jahren gesagt hättest, dass ich eines Tages ein Buch für christliche Frauen schreiben und dieses mit einem Zitat aus Sprüche 31 einleiten würde, hätte ich es nie für möglich gehalten. Vermutlich wird kein Kapitel der Heiligen Schrift öfter verwendet, wenn es darum geht, Frauen anzusprechen. Aber ich bitte trotzdem um deine Aufmerksamkeit, auch wenn das Thema schon abgegriffen erscheint. Um dieses Thema anzugehen, denke ich, dass Sprüche 31,30 einen zweiten Blick wert ist – in Bezug auf das, was der Vers über Frauen aussagt, und mehr noch in Bezug auf das, was er über Gott aussagt.
Im Haus meiner Mutter hängen zwei kleine ovale Portraits von einem Mann und einer Frau aus dem späten 18. Jahrhundert. Es handelt sich um David und Nancy Coy aus Homer, New York, die Urgroßeltern der Urgroßmutter meiner Mutter. Wir nennen sie liebevoll »die Urahnen« – aufrichtige Bürger kongregationalistischer und presbyterianischer Abstammung, die mit ihrem Stirnrunzeln offenbar darauf bedacht waren, die Zivilisation vor dem Verfall zu bewahren. Aus ihrem starren Gesichtsausdruck schließe ich, dass sie es in ihrem Leben nicht leicht hatten. Vor allem Nancy wirkt wie eine Frau, die keinen Sinn für Humor hat. Hätte der Künstler seinen Bildradius etwas vergrößert und zusätzlich ihren Oberkörper gemalt, so hätten wir vermutlich gesehen, dass ihre Hände eine abgenutzte Ausgabe der King-James-Bibel mit eisernem Griff umklammerten. Ähnlich wie Portraits anderer Frauen aus jener Zeit, ist sie die Verkörperung des Bildes, das uns in den Sinn kommt, wenn wir den Ausdruck »gottesfürchtige Frau« hören. Jemanden heute so zu bezeichnen, könnte altmodisch klingen, vielleicht sogar ironisch; aber zu Nancys Zeiten wäre dies als hohes Lob angesehen worden, als direkter Verweis auf Sprüche 31,30.
Wollten wir heute eine Frau als gottesfürchtig rühmen, würden wir es vermutlich in etwa so ausdrücken: »Sie liebt Jesus so sehr«, oder: »Sie hat eine so tiefe Beziehung zum Herrn!« Das stereotype Portrait einer solchen Frau würde heute dem Foto einer Bildagentur mit Weichzeichner entsprechen, das eine glücklich lächelnde Frau mit ausgebreiteten Armen auf einer sonnendurchfluteten Wiese zeigt. Es ist keine schlechte Art, Gottesfurcht bildlich darzustellen, aber es ist eben ein ziemlicher Kontrast zu Nancy. Und ich frage mich – aus Respekt vor Nancy –, ob wir Frauen von heute nicht darüber nachdenken sollten, was aus unserer Vorstellung von einer »gottesfürchtigen Frau« geworden ist. Damit möchte ich nicht behaupten, dass Nancy eine bessere Version gekannt habe. Ich frage mich eher, ob eine zutreffendere Auffassung einer gottesfürchtigen Frau nicht irgendwo dazwischen liegt – zwischen einem feierlich-strengen Blick und einem zuckersüßen Lächeln.
An dieser Stelle möchte ich ein etwas weniger schockierendes Geständnis ablegen: Wenn ich einen Vers aus der Bibel wählen müsste, der mich am meisten beeinflusst hat, so wäre er nicht in Sprüche 31 zu finden. Es wäre Psalm 111,10. Ich stieß auf diesen Vers mit Anfang zwanzig. Zu dieser Zeit in meinem Leben verspürte ich das verzweifelte Bedürfnis, in meiner Weisheit wachsen zu müssen, hatte jedoch keine klare Vorstellung davon, wie ich damit beginnen könnte. Sollte ich Theologie studieren? Mir einen Mentor suchen? Die Heilige Schrift auswendig lernen? Mein Glaube war hauptsächlich von einem Gefühl geprägt – von meiner innigen Liebe zu Gott. Ich wusste aber, dass ich Weisheit darüber brauchte, wie ich diesem Gott, den ich zu lieben behauptete, nachfolgen konnte. Dann eines Tages las ich während meiner Stillen Zeit Psalm 111,10. Der Vers beantwortete meine Frage, wo und wie ich anfangen sollte, auf höchst unerwartete Weise:
»Die Furcht des HERRN ist der Anfang der Weisheit.«
Wenn wir den Herrn auf rechte Weise fürchten, dann tun wir das nicht als solche, die von schrecklicher Angst vor Ihm erfüllt sind. Christus, unser Mittler, versichert uns, dass wir uns dem Thron Gottes mit Zuversicht nähern dürfen. Wir zittern nicht, wie es die Dämonen tun; sie fürchten zu Recht den Zorn Gottes. Vielmehr zittern wir als solche, die verstehen, dass Gottes Zorn, der auf uns lag, am Kreuz gestillt wurde. Wenn wir Gott in rechter Weise fürchten, erkennen wir Ihn als das, was Er wirklich ist: ein grenzenloser Gott, der sich von allem und jedem unterscheidet, das wir kennen. Dies ist der Beginn davon, weise zu werden.
Aber man sollte auch die Kehrseite der Botschaft von Psalm 111,10 betrachten. Nicht nur ist die Furcht des Herrn der Anfang der Weisheit, sondern die Furcht vor Menschen ist der Anfang der Torheit. Dies ist der doppelte Mahnruf von Sprüche 31,30, den wir so dringend verstehen müssen:
»Anmut ist trügerisch und Schönheit vergeht [die Furcht vor Menschen ist der Anfang der Torheit], aber eine Frau, die den HERRN fürchtet, die wird gelobt werden [die Furcht des HERRN ist der Anfang der Weisheit].«
Wenn wir die Majestät Gottes aus den Augen verlieren, dann füllen wir die Lücke in unserem Blickfeld automatisch mit dem Märchen von der Größe irgendeiner anderen Person. Wir verehren den Ehepartner oder eine Führungsperson. Wir vergöttern unsere Kinder oder einen Freund. Wir erweisen sogar uns selbst Ehrfurcht und Bewunderung. Und das ist absolute Torheit. Es ist nicht nur unweise, jemand anderem als Gott unsere Verehrung entgegenzubringen, sondern es ist die eigentliche Definition von Unvernunft. Und es ist ein kräftezehrendes Unterfangen.
Mit diesem Buch hoffe ich nun das Bild der »gottesfürchtigen Frau« sowohl von den verblichenen Portraits in antiken ovalen Rahmen als auch aus den mit Schriftzügen verzierten Rahmen und mit Weichzeichner bearbeiteten Instagram-Fotos, zurückzugewinnen. Auf den folgenden Seiten möchte ich mit dir die Majestät eines grenzenlosen Gottes betrachten. Ich möchte, dass wir über Seine vollkommenen Eigenschaften nachsinnen, damit sie für uns zum vernünftigsten Gegenstand unserer Scheu und Ehrfurcht werden. Und dabei möchte ich erreichen, dass wir unserer Neigung entgegenwirken, von anderen und auch von uns selbst zu fordern, etwas zu sein, was nur Gott ist.
Das Leben ist zu kurz und zu kostbar, um es damit zu verbringen, dass wir die falschen Dinge auf die falsche Art und Weise fürchten. Ich schlage vor, dass wir die heilige Furcht vor einem Gott lernen, der wie kein anderer ist. Nur dann wird unsere Menschenfurcht in die Flucht geschlagen, unsere Selbstbeweihräucherung zu Grabe getragen, und nur so werden unsere Herzen sich der Anbetung zuwenden. Ich möchte, dass wir im wahrsten Sinne des Wortes gottesfürchtige Frauen werden, dass wir uns freudig am Fuße des Berges Zion aufstellen und unserem Vater im Himmel wahre Anbetung darbringen. Und indem wir dies tun, fangen wir an, weise zu werden.
1
Unendlich
Der grenzenlose Gott
Herr, wir bestaunen Deinen Plan,
den Du perfekt gestaltet hast,
dass niemand ihn beschreiben kann,
und kein Verstand ihn je erfasst.
– Isaac Watts (1674–1748)
Am Tag meiner Geburt schrieb der Entbindungsarzt mit fester Hand in die Geburtsurkunde: »3487 Gramm, 53 Zentimeter«. Es war der erste amtlich beglaubigte Nachweis dafür, dass ich nicht Gott war.
In den darauffolgenden Jahren sollte ich dafür genügend Beweise liefern; aber in den frühesten Momenten meines Lebens, am 4. Februar 1969, lange bevor ich meinen ersten rebellischen Gedanken formte, meine ersten trotzigen Laute von mir gab und meinen ersten ungehorsamen Schritt machte, war die Kluft zwischen dem, was Gott ist, und dem, was ich bin, bereits durch die einfache Tatsache, dass ich messbar war, endgültig festgestellt worden.
Jede Diskussion darüber, wie Gott so anders ist als wir, muss mit der Erkenntnis beginnen, dass wir messbar sind und Er nicht. Gott ist unendlich, nicht durch Einschränkungen gebunden. Er entzieht sich jeglicher Art von Messung. Seine Grenzenlosigkeit liegt allen Seinen Eigenschaften zugrunde; Seine Macht, Sein Wissen, Seine Liebe und Gnade sind nicht nur groß, sondern sie sind unendlich groß, unermesslich groß. Niemand kann irgendeinen Aspekt dessen, was Gott ist, auf eine Waage legen oder mit einem Zollstock messen.
Das macht die Aufgabe, ein Buch über Seine Eigenschaften zu schreiben, besonders herausfordernd. Eines meiner Lieblingslieder spricht von der Unermesslichkeit einer einzigen der Eigenschaften Gottes: Seiner Liebe. Der Verfasser des Liedes denkt über die Aussichtslosigkeit des Versuchs nach, diese Liebe zu erfassen:
Wär nur aus Tinte jedes Meer,
und wärn die Himmel aus Papier;
käm jeder Halm als Stift daher,
wär jeder Mensch ein Schreiber hier;
wer sie beschreibt, stets dabei bleibt,
versiegen würd das Meer;
die Niederschrift noch übertrifft
die Himmelsweite sehr.1
Ich bin ein kümmerlicher Schreiber, der mit spärlicher Tinte und einer sehr kleinen Schriftrolle arbeitet. Und meine Aufgabe ist es, wenigstens ein paar bescheidene Erkenntnisse über zehn Eigenschaften Gottes zu vermitteln. Zehn. Ich war mir meiner Begrenzungen noch nie so bewusst wie heute. Aber ich möchte meinen Teil zu diesem ständigen Bemühen beitragen, den Unbeschreiblichen zu beschreiben. Andere gläubige Autoren haben dies schon für mich getan. Stephen Charnock, Arthur Pink, A.W. Tozer und R.C. Sproul haben alle den grenzenlosen Charakter Gottes zu meinem großen Gewinn erforscht, und zwar in einem Ausmaß, zu dem ich nicht fähig bin. Aber ich hoffe, auf den folgenden Seiten die erhabene Sicht von Gott, die diese Autoren beleuchtet haben, aufzugreifen und eine entscheidende Frage zu stellen:
»Wie sollte die Erkenntnis, dass Gott _______ ist, meine Lebensweise verändern?« Welche messbare Veränderung sollte sich ergeben, wenn ich über Gottes unermessliche Eigenschaften, wie sie in der Bibel beschrieben sind, nachsinne?
Warum wir so gern messen
Wir begrenzten Menschen lieben es, Messungen vorzunehmen; wir zählen und rechnen, quantifizieren und verfolgen Dinge zurück. Wenn du in deiner Speisekammer nachschaust, siehst du auf jeder Verpackung die Gewichtsangabe des Inhalts abgedruckt. Jedes Lebensmitteletikett verrät dir die Anzahl der Kalorien, die Anteile an Fett und Kohlenhydraten des vorliegenden Produkts. Deine Tankanzeige gibt an, wie voll dein Tank ist. Deine Uhr zeigt an, wie viel Zeit dir noch bis zum Abendessen bleibt. Dein Haushaltsplan gibt genau wieder, wie viel Geld du noch ausgeben darfst. Dein Social-Media-Account gibt Auskunft über deinen Freundeskreis. Wir sind glücklicherweise überall von Messsystemen umgeben.
Unser Drang, Dinge zu messen, ist keine neue Entwicklung. Die Völker der Antike haben die Himmelsbewegungen verfolgt; ihre Messwerkzeuge sind heute noch immer in den Einkerbungen der Felsschluchten und in den Ringen der Monolithen sichtbar. Sie maßen die Gezeiten, die Jahreszeiten und den Ablauf der Zeit. Das Messen ist die jahrtausendealte Leidenschaft des eingeschränkten Menschen, der seine eigenen Grenzen wahrnimmt und versucht, sie durch die Vermessung seiner Welt zu überwinden. Was wir messen können, meinen wir bis zu einem gewissen Grad kontrollieren zu können.
Es wird eine Geschichte erzählt (angelehnt an eine wahre Begebenheit) von einer Basketballmannschaft aus der Kleinstadt Hickory, Indiana, USA, die unter der Führung ihres Trainers Norman Dale zu Höchstleistungen aufstieg. Nachdem die Mannschaft von Trainer Dale 1951 das Landesfinale erreicht hatte, erblickten diese Kleinstadt-Jungs zum ersten Mal den Ort, an dem das Meisterschaftsspiel ausgetragen werden sollte: eine riesige Sporthalle, mindestens zehn Mal so groß wie die Turnhallen der Kleinstadt-Highschools, in denen die Mannschaft die ganze Saison über gespielt hatte. Als die Spieler den Anblick mit großen Augen bestaunten, holte Dale aus seiner Tasche ein Metermaß hervor. Er beauftragte einen der Jungs, die Entfernung zwischen der Rückwand und der Freiwurflinie auszumessen und zu melden. Viereinhalb Meter. Zwei weitere Spieler bat er, den Abstand vom Boden bis zum Netz zu messen. Drei Meter.
Mit einem leichten Lächeln bemerkte Dale: »Ich denke, ihr werdet feststellen, dass es exakt die gleichen Maße hat wie unsere Sporthalle zu Hause in Hickory.«
Diese Szene ist brillant, weil sie eine universelle Wahrheit verdeutlicht: Es ist beruhigend, wenn man die Maße von etwas bestimmen kann. Es vermittelt uns ein gewisses Maß an Geborgenheit und ein Gefühl der Kontrolle.
Wir Menschen versuchen, nicht nur unsere Umgebung, sondern auch unsere Mitmenschen zu beurteilen. Jedes Mal, wenn wir eine neue Bekanntschaft machen, die Tauglichkeit eines politischen Kandidaten überprüfen oder ein Bewerbungsgespräch führen, dann schätzen wir die Stärken und Schwächen des Gegenübers ein. Wir »legen« sozusagen »das Maß an« für ihren Charakter und ihre Fähigkeiten. Wir versuchen ihre Eigenschaften zu quantifizieren, um zu beurteilen, inwieweit sie unseres Vertrauens oder unserer Unterstützung würdig sind, und um unsere Erwartungen auf einem realistischen Niveau zu halten.
Wir schätzen uns selbst und andere ein, um uns zu vergleichen. Fragen wie zum Beispiel »Bin ich klug?«, »Bin ich reich?« oder »Bin ich moralisch?« werden beantwortet mit: »Im Vergleich zu wem?« Wir wählen unsere menschlichen Maßstäbe sorgfältig aus und versichern uns oft, dass wir doch gut abschneiden werden, wenn wir uns mit Menschen umgeben, deren eigene Unzulänglichkeiten uns im Vergleich mit ihnen groß erscheinen lassen. Wir reden uns ein, dass wir im Vergleich zur Person X tatsächlich ziemlich klug, reich oder moralisch seien. Aber solange unsere Vergleichsgröße nicht klüger, reicher und moralischer ist als wir selbst, halten wir den Mythos von unserer eigenen Überlegenheit aufrecht. Wir werden glauben, dass wir konkurrenzlos seien. Und genau hier beginnt ein unermesslicher Gott, unser Gefühl der persönlichen Großartigkeit zu erschüttern.
Unser unermesslicher, maßgebender Gott
Für den menschlichen Verstand, der mit der Erfassung der Schöpfung und ihrer Bewohner beschäftigt ist und die Kontrolle über sie durch Messungen und vergleichende Bewertungen sucht, stellt die Gottheit ein großes Rätsel dar. Der Gott der Bibel ist unendlich – unermesslich, nicht zählbar, unfassbar, ungebunden, ohne jegliche Einschränkung. Wir können Ihn nicht vollständig erfassen, so sehr wir uns auch bemühen mögen. Wir können Ihn nicht auf eine physikalische oder geistige Grenze beschränken. Wir können Ihn nicht kontrollieren, und wir können uns niemals mit Ihm vergleichen.
Hiobs Ratgeber Zophar drückt unser Dilemma wie folgt aus:
»Kannst du die Tiefe Gottes ergründen oder zur Vollkommenheit des Allmächtigen gelangen? Sie ist himmelhoch – was willst du tun? tiefer als das Totenreich – was kannst du wissen? Ihre Ausdehnung ist größer als die Erde und breiter als das Meer.«
Hiob 11,7-9
David preist die Unendlichkeit der Größe Gottes:
»Groß ist der HERR und hoch zu loben, ja, Seine Größe ist unerforschlich.«
Psalm 145,3
Auch Salomo erkennt die Unbegrenztheit Gottes an:
»Aber wohnt Gott wirklich auf der Erde? Siehe, die Himmel und aller Himmel Himmel können Dich nicht fassen; wie sollte es denn dieses Haus tun, das ich gebaut habe!«
1. Könige 8,27
Paradoxerweise ist Er, der unermesslich ist, Selbst das Maß aller Dinge. Beachte diesen schönen Kontrast in Jesaja 40:
»Wer hat die Wasser mit der hohlen Hand gemessen? Wer hat den Himmel mit der Spanne abgegrenzt und den Staub der Erde in ein Maß gefasst? Wer hat die Berge mit der Waage gewogen und die Hügel mit Waagschalen? Wer hat den Geist des HERRN ergründet, und wer hat Ihn als Ratgeber unterwiesen?«
Jesaja 40,12-13
Kurz und bündig ausgedrückt: Wer hat alles gemessen? Gott. Wer hat Gott gemessen? Niemand.
In einem bemerkenswerten Paradoxon befasst sich der unermessliche Gott mit den Maßen von Bundeslade und Stiftshütte, Tempel und Städten. Der grenzenlose Gott legt die Begrenzungen für Ozeane fest. Er zählt die Haare auf unserem Haupt. Er zählt die Sterne und Sandkörner. Unser unbegrenzter Gott legt die Länge unserer Gliedmaßen und den Umfang unseres Schädels fest. Er bemisst sogar unsere Tage in Handbreiten, liebevoll und absichtlich. Und alles, was Er misst, ist absolut perfekt bemessen. Alles, was Er begrenzt, ist perfekt eingegrenzt. Und trotzdem ist Er Selbst unendlich im Detail – grenzenlos, unermesslich, uneingeschränkt.
Der grenzenlose Gott
Was Zophar sagte, was David und Salomo anbeteten, was Jesaja begriff, ist folgendes: Gott hat keinen, der sich mit Ihm messen könnte. Und nicht nur das, sondern Er setzt auch die Grenzen, an die sich Seine Schöpfung zu halten hat. Unser gesamtes Leben in der Nachfolge Christi muss darauf ausgerichtet sein, die Grenzen, die Gott für uns gesetzt hat, zu erkennen und wertzuschätzen. Er lehrt sie uns voller Liebe durch Sein Wort, durch Prüfungen, durch Züchtigung. Er demütigt uns durch diese Mittel, um uns daran zu erinnern, dass wir nicht Gott sind, noch irgendjemand oder irgendetwas anderes, das oder den wir kennen, Gott ist.
Keiner ist so wie unser Gott. Der Gott der Bibel ist unvergleichbar; Er steht unendlich hoch über Seiner Schöpfung. Zu sagen, dass irgendjemand oder irgendetwas Ihm gleich sei, ist der Versuch, das Unbegrenzte in begrenzten Begriffen auszudrücken. Jeglicher Vergleich wird unweigerlich zu kurz greifen. So wie die Autoren der Heiligen Schrift nach angemessenen menschlichen Begriffen suchten, um himmlische Visionen zu beschreiben, sind auch wir schlecht dazu ausgerüstet, Gottes Vollkommenheit in Worte zu fassen. Aber wir müssen uns trotzdem bemühen, es zu versuchen. Wie die Israeliten damals, an deren Sandalen noch der Sand vom Grund des Roten Meeres klebte, spüren auch wir das Ausmaß der Frage, die in der Luft hängt:
»Wer ist Dir gleich unter den Göttern, o HERR? Wer ist Dir gleich, herrlich in Heiligkeit, furchtgebietend in Ruhmestaten, Wunder vollbringend?«
2. Mose 15,11
Auch der Psalmist staunt:
»Wer ist wie der HERR, unser Gott, der in solcher Höhe thront? Der so tief heruntersieht auf den Himmel und auf die Erde.«
Psalm 113,5-6
Die Antwort ist natürlich: keiner. Die Schöpfung, die innerhalb der Grenzen von Zeit und Raum existiert, kann nicht mit der Herrlichkeit eines grenzenlosen Gottes konkurrieren, geschweige denn sie voll zum Ausdruck bringen. Und doch haben wir von Anfang an versucht, uns mit Gott zu messen.
So werden wie Gott
Sobald unser erstes Kind, ein Junge, krabbeln gelernt hatte, begann er, die Grenzen seiner Welt zu erkunden. Was durfte er anfassen, was war verboten? Alle Eltern können ein Lied von dem folgenden interessanten Phänomen singen: Setzt man ein Kleinkind in einen leeren Raum mit zwanzig Gegenständen, von denen es neunzehn anfassen darf, aber einen nicht, spielt es zunächst vielleicht zufrieden mit den erlaubten Dingen, wird jedoch nach kurzer Zeit seine Augen auf den verbotenen Gegenstand richten. Schon bald wird es anfangen, näher an ihn heranzurücken, vielleicht eine Hand danach auszustrecken, ohne ihn jedoch tatsächlich zu berühren. Eine sanft formulierte Ermahnung kann das Kind womöglich dazu veranlassen, seinen Blick zu seinen Eltern zu wenden und sein Vorhaben zu überdenken; aber letztendlich wird es mit ziemlicher Sicherheit den einen Gegenstand anfassen, von dem es genau weiß, dass ihm dies nicht erlaubt ist – es sei denn, die Eltern greifen ein.
Ich kann mich erinnern, dass ich versuchte, mein Lachen zu verbergen, als sich dieser Prozess einmal vor mir abspielte. Das innere moralische Tauziehen meines Kindes war in vollem Umfang zu sehen, und es war sowohl wegen seiner ungekünstelten Ehrlichkeit als auch wegen seiner Vertrautheit äußert amüsant.
Aus diesem Verlangen, die Grenzen auszutesten, wachsen wir nicht heraus. Mit zunehmendem Alter entwickeln wir vielleicht genug Selbstbeherrschung, um unsere vollgesabberten Finger nicht in Steckdosen zu stecken oder unseren Namen mit Edding an die Wand zu schreiben. Doch wir tragen immer noch dasselbe Verlangen in uns, Dinge zu tun, die wir nicht tun sollten, oder nach dem zu greifen, was wir nicht berühren sollten. Wir sind Grenzgänger, Grenzverletzer, Überspringer von Zäunen und tragen in uns den verdrehten Glauben, dass unser himmlischer Vater uns etwas vorenthalten wolle, das wir brauchen oder uns Freude bereite. Selbst während wir Seine guten Gaben genießen, sind wir uns überdeutlich der von Ihm festgelegten Grenzen bewusst und stellen deren Gültigkeit in Frage. Obwohl Er uns neunzehn Gaben schenkt und uns vor einer Gefahr warnt, vermuten wir, dass das, was uns vorenthalten wird, nicht gefährlich, sondern begehrenswert sei.
Genau dieses Muster sehen wir auf den ersten Seiten der Bibel. Voller Liebe wurden unsere Eltern Adam und Eva in eine extra für ihre Sicherheit und Freude geschaffene Umgebung eingebettet. Doch sie nahmen die Tatsache, dass sie nach dem Ebenbild Gottes geschaffen waren, fälschlicherweise als Freibrief, um wie Gott Selbst zu werden. Es war ihnen nicht genug, Sein Ebenbild innerhalb der Grenzen der menschlichen Existenz zu tragen. Nein, sie mussten Gott gleich werden. Der Schöpfer wollte ihnen etwas vorenthalten. Doch eine listige Stimme behauptete, dass die Grenzenlosigkeit in greifbarer Nähe sei:
»Da sprach die Schlange zu der Frau: Keineswegs werdet ihr sterben! Sondern Gott weiß: An dem Tag, da ihr davon esst, werden euch die Augen geöffnet, und ihr werdet sein wie Gott und werdet erkennen, was Gut und Böse ist!«
1. Mose 3,4-5
Und so griff die Begrenzte nach dem tiefhängenden Ast, um das Unbegrenzte abzupflücken. Da begann die Menschheitsgeschichte ihr zerstörerisches Muster der Konkurrenz mit Gott, indem der Mensch jeden Gipfel und jeden Felsspalt der Schöpfung untergrub und aushöhlte, in der unerbittlichen Wiederholung jenes ersten Greifens, um mit langen Fingern nach dem Göttlichen zu fassen.
Spiegelbild oder Konkurrent?
Seitdem ist es immer so gewesen: Der Mensch, der geschaffen wurde, um das Ebenbild Gottes zu tragen, strebt danach, Gott gleich zu werden. Wir sind dazu bestimmt, Seine Herrlichkeit widerzuspiegeln. Stattdessen entscheiden wir uns dafür, mit dieser Herrlichkeit zu konkurrieren, indem wir nach den Eigenschaften greifen, die nur auf Gott zutreffen, die nur zu einem grenzenlosen Wesen passen. Anstatt die Allwissenheit Gottes anzubeten und ihr zu vertrauen, begehren wir selbst, allwissend zu sein. Anstatt Seine Allmacht zu preisen und zu verehren, streben wir nach der höchsten Macht in den Bereichen, die wir selbst beeinflussen können. Anstatt in der Unwandelbarkeit Gottes zu ruhen, verweisen wir auf unsere eigenen alten Sündenmuster und erklären uns selbst für unveränderlich und unveränderbar.
Wie unser Vater Adam und unsere Mutter Eva sehnen wir uns nach dem, was nur für Gott bestimmt ist, lehnen die Grenzen ab, die Gott uns gesetzt hat, und begehren die Grenzenlosigkeit, von der wir törichterweise glauben, dass wir mit ihr umgehen könnten und ein Recht darauf hätten. Selbst als Erlöste begehren wir die verbotene Frucht der Konkurrenz, Gott gleich zu sein.
Theologen beschreiben das Wesen Gottes anhand von zwei Listen. Die eine Liste enthält Eigenschaften, die nur auf Gott zutreffen. Die zweite Liste enthält Eigenschaften, die auf Gott zutreffen, jedoch auch für uns wahr werden können. Hier ist ein Beispiel zweier solcher Listen:
Nur Gott ist
unendlich
unbegreiflich
selbstexistent
selbstgenugsam
ewig
unwandelbar
allgegenwärtig
allwissend
allmächtig
Gott ist(und wir können sein)
heilig
liebevoll
gerecht
gut
barmherzig
gnädig
langmütig
weise
eifersüchtig (um Seiner Ehre willen, dass sie Ihm niemand streitig macht)
treu
rechtschaffen
wahrhaftig
Jede Eigenschaft auf beiden Listen trifft uneingeschränkt auf Gott zu. Sobald der Heilige Geist in uns wohnt, kann die Liste auf der rechten Seite auch für uns wahr werden. Es sind Eigenschaften, die in uns wachsen, wenn wir im Gehorsam gegenüber den Geboten Gottes wandeln. Wenn wir davon sprechen, »dem Ebenbild [Christi] gleichgestaltet zu werden« (Röm. 8,29), dann ist dies die Liste, die wir damit meinen. Sie zeigt uns, wie wir widerspiegeln können, wer Gott ist, so wie Christus es tat.
Das Problem, das ich auf den Seiten dieses Buches untersuchen möchte, besteht darin, wie wir Menschen mit der Liste auf der linken Seite umgehen. Obwohl diese Liste nur auf Gott zutreffen kann, wollen wir, dass sie auch für uns gilt. Dies offenbart unser Bestreben danach, mit Gott zu konkurrieren. Wir wünschen uns mehr, dass diese Liste auf uns zutrifft als die Liste auf der rechten Seite. Um die Wahrheit dieser Aussage zu erkennen, stelle dir selbst zwei Fragen:
Wie viele Menschen verbringen ihren Tag mit Überlegungen, wie sie grenzenlose Liebe für ihren Mitmenschen erreichen können?Wie viele Menschen verbringen den Tag mit Überlegungen, wie sie grenzenlose Macht über ihre Mitmenschen erreichen können?Obwohl wir wissen, dass die Liste auf der rechten Seite zu unserem Besten und zu Gottes Ehre ist, werden wir von der Liste auf der linken Seite angezogen – eine Liste, die nicht uns gilt. Das Streben nach ihr bringt Gott keine Ehre. Mit dieser Liste trachten wir in Wirklichkeit danach, Gott die Ehre zu rauben. Diese Liste flüstert uns zu, wie die Schlange Eva zuflüsterte: »Ihr werdet sein wie Gott« (1.Mo. 3,5). Es ist die natürliche Neigung des sündigen Herzens, diese Eigenschaften zu begehren; aber als solche, denen ein neues Herz mit neuen Wünschen geschenkt wurde, müssen wir lernen, die Liste auf der rechten Seite anzustreben. Sie repräsentiert das Leben im Überfluss, das Jesus uns zu schenken gekommen ist (Joh. 10,10).
Dieses Buch handelt also von der Liste mit den Eigenschaften, die nur auf Gott Selbst zutreffen. Wir werden untersuchen, wie wir unsere Zeit und Energie dafür verwenden, diese Eigenschaften zu erlangen, indem wir danach streben, die Grenzen unseres Geburtsrechts als endliche Menschen zu überschreiten. Und wir werden lernen, diese Liste einem unendlichen Gott zu überlassen.