Kings of Passion - Entfesselte Leidenschaft - Michelle Summers - E-Book
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Kings of Passion - Entfesselte Leidenschaft E-Book

Michelle Summers

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Beschreibung

Sie sind reich und erfolgreich, ihre Affären und Skandale beherrschen die Schlagzeilen und das Beste ist ihnen gerade gut genug: Das sind die drei Townsend-Brüder Vaughan, Garrett und Lloyd, auch als "Opal-Könige" bekannt. Sexy-Boss-Romance in Australien für alle Leser*innen von Piper Rayne und April Dawson Die junge Restauratorin Robin Mayne ergattert einen grandiosen Auftrag: Sie soll sich um die wertvolle Kunstsammlung des schwerreichen CEO Vaughan Townsend kümmern. Dieser macht klar, dass sie alles andere als seine erste Wahl für diesen Job war. Immer wieder geraten Robin und Vaughan aneinander. Aber Robin spürt, da ist mehr zwischen ihnen. Und als Vaughan seine Lippen in einem leidenschaftlichen Kuss plötzlich auf ihre legt, erkennt Robin erst, wie gefährlich dieser Mann für ihr Herz werden kann. Dabei ahnt sie nichts von Vaughans dunklem Geheimnis, das ihn auf Schritt und Tritt verfolgt ... »Dieses Buch hat mir ein paar wundervolle Lesestunden geschenkt. Ich habe mich köstlich amüsiert, habe mit gefiebert, gehofft und getrauert.«  ((Leserstimme auf Netgalley)) »Wie schön war denn bitte diese Geschichte? Sie holt einen auf den Boden der Tatsachen zurück und lässt einen kurz innehalten und durchatmen.«  ((Leserstimme auf Netgalley)) »Heiß, heißer, Kings of Passion.«  ((Leserstimme auf Netgalley))

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© Piper Verlag GmbH, München 2021

Redaktion: Diana Steigerwald

Konvertierung auf Grundlage eines CSS-Layouts von digital publishing competence (München) mit abavo vlow (Buchloe)

Covergestaltung: © Traumstoff Buchdesign traumstoff.at

Covermotiv: Bilder unter Lizenzierung von Shutterstock.com genutzt

Alle Rechte vorbehalten. Unbefugte Nutzungen, wie etwa Vervielfältigung, Verbreitung, Speicherung oder Übertragung können zivil- oder strafrechtlich verfolgt werden.

Inhalte fremder Webseiten, auf die in diesem Buch (etwa durch Links) hingewiesen wird, macht sich der Verlag nicht zu eigen. Eine Haftung dafür übernimmt der Verlag nicht.

Inhalt

Cover & Impressum

Prolog

Robin

1. Kapitel

Robin

2. Kapitel

Robin

3. Kapitel

Robin

4. Kapitel

Robin

5. Kapitel

Vaughan

6. Kapitel

Robin

7. Kapitel

Robin

8. Kapitel

Robin

9. Kapitel

Robin

10. Kapitel

Vaughan

11. Kapitel

Robin

12. Kapitel

Robin

13. Kapitel

Robin

14. Kapitel

Vaughan

15. Kapitel

Robin

16. Kapitel

Robin

17. Kapitel

Robin

18. Kapitel

Robin

19. Kapitel

Vaughan

20. Kapitel

Robin

21. Kapitel

Robin

22. Kapitel

Robin

23. Kapitel

Vaughan

24. Kapitel

Vaughan

25. Kapitel

Robin

26. Kapitel

Vaughan

27. Kapitel

Robin

28. Kapitel

Robin

29. Kapitel

Vaughan

30. Kapitel

Robin

31. Kapitel

Robin

32. Kapitel

Vaughan

33. Kapitel

Robin

34. Kapitel

Vaughan

35. Kapitel

Robin

36. Kapitel

Vaughan

37. Kapitel

Robin

38. Kapitel

Robin – einen Monat später

Prolog

Robin

»Wo bleibst du?«

Ich schickte die Nachricht auf WhatsApp ab. Vor ziemlich genau zwanzig Minuten hatte ich dieselbe Frage gestellt. Und keine Antwort bekommen.

Das Essen stand auf kleiner Flamme auf dem Herd, um es warm zu halten. Ich hatte versprochen, heute etwas Leckeres für uns zu kochen, aber mein Verlobter Anthony hatte das wohl vergessen …

Ich lehnte mich in die weichen Polster der Couch zurück und lege mein Smartphone auf den TV-Tisch.

Anthony arbeitete in der Küche einer großen Cateringfirma und musste oft Überstunden schieben. Einen Tag nach Neujahr war da sicher erst recht die Hölle los. Doch normalerweise reagierte er immer auf mein Nachfragen. Nur heute nicht.

Ich schaute eine Folge Modern Family und wartete auf den Benachrichtigungston von WhatsApp, der mir verkündete, dass Tony endlich reagiert hatte.

Da das nicht passierte, griff ich ärgerlich nach dem Smartphone, um zu sehen, ob die beiden Haken nun blau markiert waren. Nope. Anthony hatte meine Nachricht noch nicht gelesen.

Es war jetzt einundzwanzig Uhr. Genervt schaltete ich den Fernseher aus, schnappte mir meinen Laptop und setzte ihn mir auf den Schoß, um eine E-Mail für Professor Gordon zu verfassen. Wenn ich schon auf Tony warten musste, konnte ich wenigstens produktiv sein.

Seit meinem Master-Abschluss arbeitete ich am Institute for Heritage, Museums and Conservation, was für mich eine große Ehre war, denn nur die besten Restauratoren wurden an der renommierten Einrichtung der University of Canberra beschäftigt.

Der Prof hatte mich heute gebeten, ein paar Infos über den Juwelenhersteller Kings of Passion zusammenzutragen und ihm diese bis Mitternacht zu senden, da er heute Abend auf einem Bankett war und morgen den CEO des Unternehmens in unserer Uni empfing. Es ging um die Restauration seiner Privatsammlung, darunter die eines wertvollen Gemäldes.

Mehr als einmal hatte der Prof betont, wie wichtig es für das Institut war, einen Klienten wie den CEO Vaughan Townsend zu gewinnen, nannte man doch den Namen Kings of Passion in einem Atemzug mit Cartier oder Tiffany. Ungefähr das ergab auch meine Recherche, nachdem ich mich durch zahlreiche Artikel im Netz geklickt hatte. Vaughan Townsend führte ein weltweit agierendes Milliardenunternehmen, das die Schmuckbranche mit eiserner – oder vielmehr goldener – Hand dominierte. Die wichtigsten Passagen kopierte ich für Gordon, damit er sich selbst ein Bild machen konnte.

Lieber Professor,

hier die Informationen, um die Sie mich baten.

Name des Unternehmens:Kings of Passion

Gründung:1929

Hauptsitz:Melbourne, Australien

Leitung:Vaughan Townsend

Mitarbeiterzahl (weltweit):35000 (Stand 2017)

Umsatz/Jahr:5 Milliarden Australische Dollar (Stand 2017)

Branche:Juwelen und Goldschmuck

Geschichte des Unternehmens:

Kings of Passion wurde 1929 vom Goldschmied Hubert Townsend in Melbourne gegründet. Townsend stammte ursprünglich aus einer Fischerfamilie aus Adelaide, entdeckte jedoch früh seine Leidenschaft für Schmuckdesign. Ausgebildet wurde er von einem befreundeten Goldschmied und Glasbläser, der ein kleines Geschäft in Melbourne besaß. Über die Jahre verfeinerte Townsend sein Talent. Insbesondere seine filigranen Ziertechniken und der Einsatz von Kleinstedelsteinen und Gravuren führten zu lokaler Berühmtheit.

Nachdem Townsend seine Ausbildung beendet und sich selbstständig gemacht hatte, erhielt er viele Aufträge der Melbourner Oberschicht und bald auch über die Stadtgrenze hinaus. Der Name des späteren Konzerns geht auf eine goldene, etwa einen Fuß große Skulptur zurück, die einen König im Opalgewand darstellt und für eine britische Aristokratin hergestellt wurde.

Ich entschied mich spontan, Gordon auch das Bild der Skulptur zu schicken. Sie wies den Charme der späten zwanziger, frühen Dreißigerjahre des letzten Jahrhunderts auf. Der König selbst wirkte wie der kleine Bruder der Statue of Liberty, statt einer Fackel hielt er jedoch ein Zepter in die Höhe. Sein goldener Umhang war mit feinsten Opalsplittern verziert.

Eine beeindruckende Skulptur. In Handarbeit gefertigt. Keine unpersönliche industrielle Fertigung, sondern geschaffen von einem Künstler. Ich schnitt die Grafik mit einer Software aus und kopierte sie in meine E-Mail, dann fügte ich weitere Passagen in die Nachricht ein.

Heute ist Kings of Passion einer der führenden Schmuckhersteller weltweit. Nach dem Tod von James Townsend, dem Sohn des Konzerngründers, übernahm dessen ältester Sohn Vaughan Townsend die Geschäftsleitung. Auch heute noch steht das Unternehmen für hochwertigen Schmuck und feinste Verzierungen.

Ich hoffe, die Informationen helfen Ihnen weiter, Professor.

Viel Glück für das Gespräch morgen.

Robin Mayne

Ich nickte zufrieden, so konnte ich die Mail auf Reisen schicken. Kaum hatte ich auf den Senden-Button geklickt, hörte ich ein Knarzen aus dem Hausflur. Es war jetzt fast zweiundzwanzig Uhr.

Mein Blick wanderte durch den dunklen Raum zur Zimmertür, die einen Spaltbreit geöffnet war, schließlich blieb er an der Wohnungstür haften.

Just in dem Moment hörte ich, wie sich der Schlüssel im Schloss drehte, und kurz darauf ging die Wohnungstür auf, und Anthony trat ein. Leise schloss er die Tür hinter sich, schlich zum Garderobenständer und schlüpfte aus seinen Schuhen, während ich den Laptop zur Seite legte.

»Du bist noch wach?«, wunderte Tony sich und lugte durch die Wohnzimmertür.

»Wolltest du nicht längst hier sein? Ich habe für uns gekocht …«

Ich sehnte mich danach, dass er mich zumindest tröstend in die Arme nahm. Betreten kam er herein, ohne jede Eile. Zwei Schritte von der Couch entfernt blieb er stehen, die Hände in den Hosentaschen vergraben.

»Sorry, hat länger gedauert auf der Arbeit. Und dann hab ich unterwegs Mike getroffen … Wir haben uns verquatscht.«

Was für ein Zufall. Ausgerechnet Mike, der Kerl, der immer über die Stränge schlug? Tony kannte ihn aus der Schulzeit. Mike war jemand, der zu allem eine Meinung hatte und grundsätzlich Entscheidungen traf, die meinen Ansichten widersprachen. Er klopfte sein Geld noch vor Monatsende auf den Kopf, wenn ihm danach war, ohne an morgen zu denken. Oder pöbelte Leute auf der Straße an, wenn er zu viel getrunken hatte. Ganz zu schweigen davon, dass er es liebte, nach Mitternacht Autorennen durch die City zu veranstalten. Ich hatte jedes Mal Angst, dass Tony bei so was mitmachte und ihm oder jemand anderem etwas passierte. »Mach dich mal locker«, pflegte Mike, zu mir zu sagen. Ich war in seinen Augen zu unflexibel, eine Spaßbremse, weil ich mich nicht sinnlos betrinken wollte. Und ausgerechnet dieser Mike hatte nun also unseren Abend ruiniert? Gut, Anthony sah das sicher anders. Er kam näher, setzte sich auf die Kante der Couch und hauchte einen Kuss auf meine Wange.

»Sei nicht böse, ich sehe ihn so selten. Eins hat das andere ergeben.«

Selten? Ich hatte das Gefühl, ich führte eine Dreierbeziehung, weil Mike irgendwie immer mit von der Partie war, und sei es nur indirekt. Ob es um Wochenendausflüge ging oder abendliche Unternehmungen, wir passten unsere Pläne an seine an, damit die Männerfreundschaft genug Raum hatte.

Aber eigentlich war ich nicht sauer auf Mike. Ich war verärgert über Tony, denn ich hatte mich auf ihn verlassen. Das Essen konnte ich zwar einfrieren, dennoch eine Pleite! Ein Wangenkuss machte das auch nicht wieder gut.

»Ich bin duschen«, sagte er und hauchte mich versehentlich an.

»O Mann, du hast vielleicht eine Fahne«, sagte ich und wedelte mir frische Luft zu, während Anthony im Bad verschwand. Von wegen verquatscht! Die waren wieder mal um die Häuser gezogen. Seufzend ging ich in die Küche, um das Ragout in Plastikboxen umzufüllen, die ich dann im Tiefkühler lagerte.

Es hatte ein besonderer Abend werden sollen, weil wir in den letzten Wochen wenig Zeit für uns gehabt hatten. Ich wusste aber auch, dass Tony mit seinem Job haderte. Durch Mike erzielte er einen gewissen Ausgleich. Außerdem war er jetzt hier, und ich wollte so kurz vor dem Zubettgehen keinen Zwist. Ich sehnte mich viel mehr nach seinen zärtlichen Händen und seinen sinnlichen Lippen. Also schluckte ich um des lieben Friedens willen alles hinunter. Vielleicht war ja zumindest noch etwas Quality Time drin. Ich räumte noch im Wohnzimmer auf, und als ich mich ins Schlafzimmer zurückzog, lag Tony schon im Bett.

»Ich geh auch noch mal unter die Brause, wartest du so lange auf mich?« Ich zog mich vor seinen Augen aus und legte meine Klamotten auf den Hocker neben meiner Seite des Bettes ab.

»Klar«, sagte er mit einem Lächeln. Mir entging sein Blick nicht, mit dem er meinen Körper betrachtete. Vielleicht war noch mehr drin als nur Quality Time?

Ich verschwand im Bad, schlüpfte in die Kabine und ließ das angenehm warme Wasser auf mich herunterprasseln. Rasch seifte ich mich ein, um schnell wieder bei Tony zu sein. Kaum hatte ich das kleine Bad jedoch verlassen, hörte ich ihn leise, aber gleichmäßig ein- und ausatmen.

»Schläfst du etwa?«, raunte ich. Keine Antwort. Das durfte doch nicht wahr sein.

1. Kapitel

Robin

Sie waren nebenan. Sprachen so laut, dass ich ihre Stimmen in Gordons Büro hören konnte, aber nicht laut genug, dass ich verstand, was sie sagten. Townsend war sicher einer dieser reichen Snobs, die von alter Kunst keinen blassen Schimmer hatten, aber sie dennoch sammelten, weil man das in ihren Kreisen so machte.

Ich sollte jetzt besser mit der Arbeit fortfahren, anstatt den Prof zu belauschen. Mein Boudivar restaurierte sich nicht von allein.

Vorsichtig gab ich wenige Tropfen Olivgrün in meine Farbmischung und vermengte alles mit einem Holzstäbchen auf der Palette, bis ich endlich den Ton hatte, den ich haben wollte: ein gedämpftes Laubgrün. Ich setzte mir einen Klecks auf den Ärmel meines Maleroveralls und strich ihn aus, um die Wirkung der Farbe auf weißem Grund zu testen. Noch ein Schuss Nachtgrün, und es war perfekt!

Zum Glück war ich, trotz kurzer Nacht, ausgeruht. Zwei Kaffees heute Morgen hatten mich auf die Beine gebracht, während Anthony noch wie ein Stein schlief. Ich hatte ihm ein paar Brötchen warm gemacht und meinen Lieblingsaufstrich Vegemite auf den Tisch gestellt, bevor ich zur Universität aufgebrochen war, an der ich vor einem halben Jahr meinen Abschluss im Studiengang Restauration und Konservation gemacht hatte. Der Prof hatte mich auf diesem Weg unterstützt und später ins Institut geholt. Guter Job, gutes Gehalt. So konnte ich meinen Studienkredit in absehbarer Zeit zurückzahlen.

Ich setzte meine Lupenbrille auf, streifte Einweghandschuhe über und näherte mich ehrfürchtig dem alten Ölgemälde aus der Spätromantik: Picknick im Park.

Der Künstler hatte eine Szene seines Alltags eingefangen, in dem Picknicks noch Großveranstaltungen gewesen waren, und das so lebendig, dass man das Gefühl hatte, die Herrschaften auf dem Bild würden gleich zum Leben erwachen. Ich liebte die vielen Details, die Schleifen in den Haaren der Mädchen, die sanften Rottöne am Horizont, die auf den frühen Abend hindeuteten, und die sehnsüchtigen Blicke, die sich ein junger Mann und eine Frau zuwarfen, die aber nur die beiden und der Betrachter mitbekamen.

Über die Jahre hinweg waren kleine Risse in der Leinwand entstanden, und Farbe war abgeblättert oder verblasst.

Einen Teil davon hatte ich bereits in Ordnung gebracht, jetzt musste ich nur noch den Lindenbaum im Hintergrund in seinen Ursprungszustand zurückversetzen. Hierzu hatte ich in alten Katalogen nach Abbildungen des Gemäldes gesucht, um eine Vorstellung vom ursprünglichen Farbton zu bekommen. Ich arbeitete inzwischen drei Wochen an dem Projekt, abzüglich der Feiertage.

Mit ruhiger Hand zog ich die Form einzelner Blätter nach. Nicht zu viel Druck, ermahnte ich mich. Ich wollte das Gemälde schließlich nicht à la Malen nach Zahlen komplett überstreichen. Ich besserte nur die Stellen aus, die es wirklich nötig hatten, um so viel wie möglich vom Original zu belassen. Außerdem, das war ein eiserner Grundsatz, sollte jede Retusche reversibel sein. Wie oft Gordon mir das während meines Studiums eingebläut hatte!

Ich trat einen Schritt zurück und musterte meine Arbeit. Den Ton hatte ich gut getroffen. Nur der obere Teil des Wipfels konnte noch etwas Farbe vertragen. Aber vorher brauchte ich noch einen Kaffee, denn allmählich ließ die Wirkung meiner morgendlichen Koffeinzufuhr nach.

Ich überlegte, zum Automaten in der Eingangshalle zu gehen, als sich die Stimmen in Gordons Büro der Verbindungstür nährten. Ich sah, wie sich die Klinke neigte, die Tür sich aber noch nicht öffnete. Wollte der Milliardär von Kings of Passion auch noch eine Führung durch die Werkstatt, oder was hatte das zu bedeuten? Ich hatte gedacht, ich könnte hier in Ruhe arbeiten.

Ich zog mir die Lupenbrille vom Kopf, streifte die Latexhandschuhe ab und legte rasch Farbpalette und Pinsel zur Seite, damit nichts im Weg war, wenn die beiden Männer eintraten. Hätte man mich vorgewarnt, hätte ich hier noch ein wenig aufräumen können.

Die Tür öffnete sich, und Gordon betrat unsere Werkstatt, seine gräulichen Haare standen im Zerstreuter-Professor-Look ab. Er nickte mir zu und knibbelte an dem Ellenbogenflicken seiner Tweedjacke. Hinter ihm betrat ein junger Mann im dunklen Anzug den Raum. Hochgewachsen, kräftige Schritte. Fast stieß er mit mir zusammen. Ja, ich war eine vertikale Herausforderung mit meiner Größe von einem Meter sechzig, aber mich deshalb gleich über den Haufen rennen zu wollen … Unsere Blicke trafen sich. Ich hatte noch nie so intensiv blaue Augen gesehen. Sie besaßen etwas sehr Beherrschtes, musterten mich von oben bis unten. Ich hatte das Gefühl, der Mann würde mich scannen. Schließlich umspielte ein selbstgefälliges Lächeln einen Mundwinkel, als wäre ich nur ein lästiges Insekt. Arroganter Schnösel …

»Wenn ich Ihnen vorstellen darf: Robin Mayne, eine meiner besten wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen. Ihr Spezialgebiet sind alte Gemälde europäischen Ursprungs.«

»Guten Tag«, sagte ich, und er nickte mir zu.

»Und das ist Mr Townsend«, stellte Gordon seinen Begleiter vor.

»Sehr erfreut«, sagte ich, um das Eis zu brechen, und hielt ihm die Hand hin. Er nahm sie unverwandt an und schüttelte sie, kräftiger Händedruck, ich war beeindruckt. Sein Blick fiel auf meinen Verlobungsring, der mit kräftigem Laubgrün beschmiert war. Doch nicht nur der, auch Townsends Finger schimmerten nun in einem wunderschönen Grünton.

»Oh … das tut mir leid, ich …«, versuchte ich zu erklären.

»Sie sind jung«, stellte er sachlich fest, und doch klang es, als wäre es ein Makel. Wie in Zeitlupe wischte er sich mit einem Tuch aus seiner Anzugtasche die Finger sauber.

Das ging ja gut los.

Wieder trafen sich unsere Blicke, und ich verstummte, denn seiner war kühl und bohrend. Klar, er hielt mich jetzt für den größten Tollpatsch unter der Sonne. Zwar sagte er nichts, aber ich sah es ihm an.

Solche Fehler durften selbst einer Berufsanfängerin nicht passieren. Offenbar hatte ich beim Weglegen der Palette Farbe an die Hände bekommen. Zum Glück waren nur Townsends Hände grün geworden und keine wertvolle Leinwand.

»Mr Townsend wollte gern wissen, wie wir hier im Institut arbeiten«, erklärte Gordon. »Zeigen Sie uns also bitte, was Sie gerade machen.«

Außer mir und anderen die Finger zu beschmieren? Perfekt, ausgerechnet mich dafür auszuwählen, dachte ich ironisch und führte den Mann im Anzug zu meinem Boudivar, der in einer Staffelei lehnte. Im Vorbeigehen schnappte ich mir rasch ein paar Tücher vom Arbeitstisch, um meine Hände unauffällig zu säubern.

»Ich arbeite derzeit an diesem Stück«, begann ich und ließ die Tücher in der Hosentasche meines Overalls verschwinden.

»Es waren zwei kleine Risse in der Leinwand. Hier und hier.« Ich deutete auf die betreffenden Stellen, stolz darüber, dass man nichts mehr von ihnen sah.

»Wie haben Sie das geschafft?«, fragte Townsend im selbstgefälligen Ton.

Vielleicht indem ich meinen Job gemacht hatte?

»Ich habe auf der Rückseite je einen Streifen frischer Leinwand angebracht und diese dann mit einer perfekt abgestimmten Farbe überstrichen.«

Nun sah sich Townsend bemüßigt, die Stellen genauer zu betrachten. Als er sich vorbeugte, kam er dicht an mich heran, und sein Duft stieg mir in die Nase.

»Hat der Leim die Leinwand nicht durchtränkt und dadurch beschädigt?«

»Sehen Sie denn Schäden?«, konterte ich. Er lächelte, meine schlagfertige Antwort schien ihm zu gefallen.

»Ich bin im Besitz eines Gemäldes aus der Renaissance. Es befindet sich in meiner Privatsammlung in Melbourne.« Townsend sah mich nicht an. Er sah niemanden an, sein Blick blieb bedeutungsschwanger auf dem Boudivar haften. Seine Stimme vibrierte, wenn er sprach, ich glaubte, das Timbre sogar körperlich zu spüren, was mich durcheinanderbrachte. Und dann war da noch dieser angenehm herbe Geruch nach gerösteten Mandeln, den er verströmte und der nun durch den Raum waberte. Aber es war die Erwähnung der Renaissance, die mein Herz schnell klopfen ließ. Ich liebte Gemälde aus dieser Epoche Europas und hatte mich schon während meines Studiums darauf spezialisiert.

»Wir reden von einem Bernaduchi«, warf Gordon ein. Ich sah am Gesicht des Profs, wie aufgeregt er deswegen war. Jetzt verstand ich auch, warum der Professor diesen Klienten unbedingt gewinnen wollte. Es gab nur wenige Werke dieses großen Künstlers, die der Nachwelt erhalten geblieben waren. Townsends Bild musste ein Vermögen wert sein. Eine echte Rarität und von unschätzbarem Wert für die Kunstwelt. Und unser Institut würde natürlich an Prestige gewinnen.

»Bedauerlicherweise ist er in keinem guten Zustand«, erklärte Townsend milde und drehte sich zu uns um.

»Ich bin sicher, unser Institut wird Ihnen weiterhelfen können«, versicherte Professor Gordon, während Townsends Blick mich erneut aufsog.

»Ich muss zugeben, ich war zuerst überrascht, dass Sie einer so jungen Restauratorin einen Boudivar anvertrauen«, sagte er in Gordons Richtung.

Ich seufzte. Wie oft ich diesem Vorurteil schon begegnet war … Als hätte ich nicht etliche Prüfungen, zwei Semester Praktika in der National Gallery und dem National Museum of Australia absolviert sowie Zertifikate in Spezialkursen erworben. Ich hatte meinen Abschluss mit Bravour bestanden, als eine von drei Jahrgangsbesten. Außerdem war ich in einer Studiengruppe beratend tätig gewesen, als ein Forscherteam alte Schriftrollen zu entziffern versuchte. Es war uns gelungen, einige Zeichen zu rekonstruieren.

Nur war ich unter dreißig und somit angeblich schrecklich unerfahren …

»Aber offensichtlich bieten Sie an dieser Universität eine fundierte Ausbildung an, Professor«, rang sich Townsend ein Lob ab.

»Wir sind stolz auf unsere praktischen Kurse innerhalb des Studiengangs. An unserem Institut wird nur neueste Technik unter modernsten Gesichtspunkten gelehrt«, führte Gordon aus. »Hinzu kommen zwei praktische Semester …«

»Ich habe genug gesehen«, erklärte Townsend gnädig und schnitt Gordon damit das Wort ab.

»Überzeugende Arbeit«, sagte er an mich gewandt. Ich lächelte überrascht.

»Dann lassen Sie uns die Details in meinem Büro besprechen«, schlug der Prof vor und hielt Townsend die Verbindungstür auf. Bevor dieser hindurchtrat, nickte er mir noch einmal zu.

»Machen Sie weiter so«, meinte Gordon zu mir, ehe er die Werkstatt verließ und die Tür hinter sich schloss.

In Gordons Büro hörte ich sie diskutieren. Ich war froh, dass ich mich wieder meiner Arbeit widmen konnte.

Eine ganze Weile beschäftigte ich mich noch mit dem Lindenbaum, bis plötzlich wieder die Seitentür aufging und Gordon mit hochzufriedenem Gesichtsausdruck hereinkam.

»Ich fahre schon nächsten Mittwoch nach Melbourne, um Townsends Bernaduchi in Augenschein zu nehmen. Er hat sich noch nicht endgültig entschieden, aber wir sind einen Schritt näher an der Auftragsvergabe!«

»Ich gratuliere Ihnen, Professor!« Ich freute mich ehrlich für ihn, wusste ich doch, wie wichtig ihm das Projekt war.

»Danke, Robin. Sie waren eine große Hilfe.«

2. Kapitel

Robin

»Ich bin wieder da!«, rief ich durch den Flur unserer Zweizimmerwohnung in Canberra Central, als ich abends heimkam. Den Boudivar hatte ich endlich fertigbekommen. Darauf war ich stolz. Und dann hatte der Prof auch noch diesen wichtigen Auftrag in Melbourne an Land gezogen. Schien, als würde 2018 doch noch einen guten Start hinlegen.

Der appetitliche Geruch von Rinderhack stieg mir in die Nase und holte mich ins Hier und Jetzt zurück. Überrascht sog ich ihn auf. Anthony hatte gekocht? Ich meine, Kochen war sein Job, doch für uns machte er das nur selten.

Ich schlüpfte aus meinen Turnschuhen und ging in die Küche, wo Tony Patties in der Pfanne brutzelte. Amüsiert legte ich die Chiko Rolls auf den Tisch, die ich spontan vom Imbiss um die Ecke mitgenommen hatte.

»Da bist du ja, Abendessen ist gleich fertig«, sagte Anthony, der unter seinem Wuschelhaar zu mir linste.

Ich hob die Papiertüte mit den Chiko Rolls hoch. »Wir sind mehr als gut versorgt.«

Er kam grinsend zu mir, zog mich an sich und schenkte mir einen sinnlichen Kuss. Das war fast noch überraschender, als ihn kochen zu sehen. Seine Hände legten sich um meine Wangen, und seine Stirn schmiegte sich an meine.

»Tut mir leid, dass ich in letzter Zeit so wenig für dich da war und gestern dein Essen verpasst habe. Ich bin heute zeitig nach Hause gegangen, um es wiedergutzumachen.«

Wenn er mich so ansah mit seinen braunen Hundeaugen, konnte ich kaum böse sein.

»Aber Chiko Rolls? Das heißt, es gibt was zu feiern?«

»Ich habe den Boudivar endlich fertig!«

»Das ist toll, Robin!« Er lachte. »Oh, das Essen brennt an.« Er ließ von mir ab und fischte die nun recht knusprigen Patties mit dem Wender aus der Pfanne. Ein wenig dampfte es, weswegen ich das Fenster öffnete.

Ich atmete tief ein und blickte über die Hochhäuser, die eine Wohnsiedlung bildeten. Das hier war nicht unbedingt der Ort, an dem ich alt werden wollte. Red Hill in New South Wales entsprach da eher meinen Vorstellungen … Ich träumte seit jeher von einem Häuschen im Grünen.

Als ich mich zu Anthony an den Tisch setzte, war mein Burger schon fertig. Ein Riesenteil, das ich sicher nicht schaffte, weil es einfach zu gehaltvoll war. Belegt mit Salat und Roter Beete, Cheddar und natürlich dem knusprigen Patty sowie Anthonys Barbecue-Spezialsoße, die er selbst kreierte.

»Ich fürchte, nach der Hälfte bin ich satt. Aber lieb, dass du für uns gekocht hast.«

»Kein Thema, ich esse zur Not auch deine Chiko Roll mit.« Anthony zwinkerte. Er konnte essen, so viel er wollte, und Hunger hatte er irgendwie auch immer. Aber sah man ihm das an? Nein. Der Kerl war so drahtig, als wäre er auf Dauerdiät! Das war ganz schön unfair, ich musste eine Torte nur ansehen und hatte gleich drei Pfund mehr auf den Rippen.

Aber an Gewichtsprobleme wollte ich jetzt nicht denken, ich stand dazu, eine eher kurvige Frau zu sein. Genussvoll nahm ich also einen Bissen.

»Ich liebe deine Burger«, sagte ich ehrlich. »Und alles andere, was du kochst. Das solltest du öfter tun.« Ich zwinkerte ihm zu.

»Du bist süß«, sagte er vergnüglich schmatzend. »Auch wenn Burger nicht gerade hohe Kunst sind.«

»Deine schon.« Ich streckte ihm die Zunge raus, meinte es aber ernst. Kochen war wirklich sein Ding. Ich verstand es, dass er nicht beim Cateringservice versauern wollte, sondern davon träumte, Koch in einem Spitzenrestaurant zu werden.

Anthony nickte langsam und schob mir die zweite Chiko Roll zu, seinen Burger und die erste hatte er schon gegessen.

»Nimm du«, sagte ich, denn mit meinem Burger war ich gut bedient.

Er beugte sich zu mir vor, und sein markanter Geruch stieg mir in die Nase. Ein Kuss landete auf meinen Lippen.

»Du hast recht, wir sollten das öfter machen.«

»Gemeinsam essen?«

Er nickte, und seine plötzlich so liebe Art stimmte mich versöhnlich. Vielleicht konnte ich es ja wagen, das Thema Hochzeitstermin anzuschneiden, ohne dass wir uns deswegen gleich wieder in die Haare bekamen.

Tief atmete ich durch. »Vielleicht können wir ja langsam mal einen Termin aussuchen.«

Ich musste gar nichts Näheres sagen, an Anthonys Blick erkannte ich, er wusste, worum es ging.

Langsam nickte er. »Sobald ich einen neuen Job habe.«

Das sagte er jedes Mal. Aber irgendwie blieb er doch beim Catering hängen. Plötzlich grinste er jedoch schelmisch.

»Aber wenn das nächste Woche klappt, machen wir Nägel mit Köpfen«, betonte Anthony.

»Nächste Woche? Wovon redest du?«

»Ich habe ein Vorstellungsgespräch als Koch in so ’nem Nobelschuppen.«

O mein Gott, davon hatte ich gar nichts gewusst!

»Sollte ’ne Überraschung sein«, erklärte er.

Ich hatte ihm Unrecht getan. Er klemmte sich augenscheinlich doch dahinter, dem Catering endlich den Rücken zu kehren.

»Bereite einfach deine Spezialburger zu, und sie nehmen dich mit Kusshand. Ich würde das jedenfalls tun.«

Er grinste von einem Ohr zum anderen. »Ganz so leicht wird es leider nicht, die haben gewisse Ansprüche.«

Anthony griff nach der zweiten Chiko Roll und biss kräftig ab.

»Ich werde denen ein Probegericht kredenzen, dass ihnen Hören und Sehen vergeht«, prophezeite er. Und ich hatte nicht die geringsten Zweifel daran, schließlich kannte ich niemanden, der ein größeres Kochgenie war als Anthony. Zugegeben, ich war nicht ganz objektiv. Ich liebte sein Lächeln, seine braunen Augen, die immer so warm leuchteten, und – mein Blick glitt über seine beeindruckenden Armmuskeln – noch so einiges mehr.

»Aber lass uns trotzdem kleine Schritte machen. Erst der neue Job, dann die Hochzeit, dann die Red Hills. Einverstanden?«

»Kleine Schritte sind okay«, sagte ich. Solange wir irgendwann die Ziellinie erreichten.

Anthony legte die Chiko Roll zur Seite und schob seinen Stuhl zurück. Langsam kam er näher, hockte sich vor mich. Ich schluckte, denn ganz plötzlich war mir richtig heiß.

Er griff nach meiner Hand, führte sie zu seinen warmen weichen Lippen und hauchte Küsse auf sie, eine feuchte, prickelnde Spur hinterlassend.

Anthony erhob sich und zog mich mit sich, führte mich in unser Schlafzimmer. Inzwischen prickelte mein Körper überall, an allen möglichen und unmöglichen Stellen.

Und während unsere Münder sanft miteinander verschmolzen, bettete mich Anthony zwischen Kissen. Dann zog er die Decke über uns, und es wurde warm, stickig und dunkel um mich …

Ich kuschelte mich erschöpft an Anthonys Schulter, strich mit der Hand über seine nackte Brust, tastete fasziniert die Berge und Täler seiner Muskeln ab. Seine Haut glühte, war noch regelrecht aufgeladen von den heißen Momenten, die wir gerade miteinander verlebt hatten. Seufzend schloss ich die Augen.

Sein Kuss landete auf meinem Schopf, zärtlich zog er mich näher an sich. »Das war wunderschön«, raunte er. »Sei mir nicht böse, aber ich muss mich kurz frisch machen.«

»Wenn du schnell wieder bei mir bist …«

»Ich beeile mich.« Erneut gab er mir einen Kuss auf den Haaransatz, dann kletterte Anthony aus dem Bett. Ich vermisste ihn schon, bevor er die Tür erreicht hatte.

»Ich bin gleich wieder da«, versprach er und verschwand.

Glücklich rekelte ich mich unter der dünnen Decke, sog so viel von seinem Duft auf wie möglich und hoffte, dass er sich wirklich beeilte, als meine Finger unter meinem Kissen etwas griffen, das dort nicht sein sollte.

Ich erspürte den Verschluss eines BHs und zog das Ding rasch hervor. Im nächsten Moment blieb die Welt stehen. Mein Herz klopfte dennoch wie verrückt. Es war das Einzige, das nicht in Starre verfallen war. Ungläubig beäugte ich den Büstenhalter mit roter Spitze, den ich nicht kannte.

Wem gehörte er? Er roch widerlich süß. Zu viel Parfüm. Was war hier passiert? Und wann?

Etwa heute, kurz bevor ich heimgekommen war? Es konnte ja nur so gewesen sein, zwischen Tonys Feierabend und meiner Heimkehr. Das Bett kam mir plötzlich schmutzig vor. Hatte ich sie vielleicht sogar noch auf der Straße gesehen, ohne zu wissen, wer sie war?

Mein Herz schlug nicht einfach nur schneller, es überschlug sich, stolperte, raste. Mir wurde übel.

Hatte Anthony mich wirklich … Ich schaffte es nicht, den Gedanken zu Ende zu führen, denn er fühlte sich völlig falsch an. So etwas würde er nie tun! Und doch fragte ich mich, ob er all die Abende, an denen er ohne mich ausgegangen war, wirklich nur Mike getroffen hatte.

Just in dem Moment kehrte Anthony zurück, und als er den BH sah, wich nicht nur sämtliche Farbe aus seinem Gesicht, sondern sein Lächeln erstarb. Ich hatte ihn noch nie mit so starrer Miene gesehen. Unsere Blicke trafen sich. Ich sah Schuld in seinem.

Irgendwie hatte ich auf eine logische Erklärung gehofft, die meine Seifenblase nicht zerplatzen ließ. Meinetwegen eine Ausrede. Der BH sei ein Geschenk oder so was, obwohl er eindeutig schon getragen worden war. Herrje, sogar eine Lüge wäre gerade okay.

Alles erschien mir in diesem Augenblick besser als die verdammte Wahrheit. Aber Anthony sagte nichts, und in mir zersprang etwas in tausend Splitter, wie Glas, das mit Wucht zu Boden ging …

3. Kapitel

Robin

»Ich kann es nicht fassen, er hatte eine Affäre mit seiner Ex?« Maya starrte mich an, als käme ich von einem anderen Planeten. Ich konnte es ihr nicht verübeln, hatte ich ihr doch diese unfassbare Geschichte erzählt, nachdem ich unvermittelt um kurz vor Mitternacht vor ihrer Tür stand. Völlig durchnässt vom Regen, der sich auf der kurzen Strecke von meinem Wagen bis zu Mayas Wohnhaus wie aus Kübeln über mich ergoss. Eine gepackte Reisetasche über der Schulter, in die ich spontan alles geworfen hatte, was mir in die Finger geraten war. Und einer Mordswut im Bauch. Kurzum, ich hatte mich nicht wie ich selbst gefühlt und auch nicht so ausgesehen.

Anthony hatte sich geweigert zu gehen, versucht, auf mich einzureden, irgendwelche unlogischen Erklärungen geliefert, warum er mit seiner Ex Simone wieder im Bett gelandet war. Bis ich es gewesen war, die die Flucht ergriffen hatte.

»Kann ich bei dir schlafen?«, hatte ich Maya mit tränenverschleiertem Blick gefragt – und nun saß ich auf ihrer Klappcouch, ein Handtuch um die Schultern und eine Bierflasche in der Hand.

Langsam nickte ich auf Mayas Frage. Ich konnte es auch nicht fassen. Es klang so unwirklich, als wäre es Teil der Geschichte von jemand anderem. Hätte ich doch nur nicht diesen dämlichen Spitzen-BH gefunden, dann wüsste ich von alldem nichts. Manchmal war Unwissenheit ein Segen. Doch jetzt war die Katze aus dem Sack. Ich saß hier wie ein zerrupftes Huhn und musste mich der Realität stellen.

»Uff«, machte Maya und ließ sich mit ihrem Bier in den Ohrensessel zu meiner Rechten fallen. Ich hatte sie aus dem Bett geklingelt, sie trug schon ihren Pyjama. Außerdem stand ihre Wuschelmähne, die sie vergeblich mit einer Hand zu bändigen versuchte, nach allen Seiten ab, was definitiv nicht ihrer üblichen Frisur entsprach.

»Das ist hardcore …«

Das war es. Ich fühlte mich wie in einem schlechten Film.

»Wie lange … geht das schon?«, fragte Maya vorsichtig.

»Monate«, flutschte es völlig emotionslos aus mir raus. Ich fühlte mich innerlich ausgetrocknet, obwohl sich Tränen in meinen Augen sammelten. Was wohl bedeutete, dass ich traurig war. Aber ich fühlte mich lediglich ausgelaugt. Vielleicht war es auch der Schock. Die Wut war gerade jedenfalls auch verflogen. Hatte eine Hülle hinterlassen, die auf den Namen Robin hörte.

»Krass …«

Ich nickte, hörte mich selbst reden und hatte zugleich das Gefühl, neben mir zu stehen und mich selbst zu beobachten. Meine Mum würde sagen, ich dissoziiere, oder irgendein anderes schlaues Wort ihres Fachjargons verwenden. Sie war mit Leib und Seele Psychiaterin und gehörte zu der überengagierten Sorte, die nicht nur ihre Patienten, sondern auch das eigene Umfeld auf Schritt und Tritt analysierte. Ich konnte ein Lied davon singen, war ich, seit ich als Fünfjährige in einen Teich gefallen und fast ertrunken war, ihr Lieblingsanalysand. Ein Vorfall, an den ich mich nicht mal erinnern konnte, meine Mutter dafür umso mehr. Überraschend sachlich schilderte ich, was vorgefallen war, erzählte von dem Abend, dem guten Sex und dem Moment, in dem ich den BH im Bett gefunden hatte.

Ich sah deutlich, wie Maya an der Stelle schluckte.

Zumindest war Anthony ab dem Moment völlig ehrlich gewesen. Eigentlich hatte er selbst nicht gewollt, dass es passierte. Doch seine Gefühle für seine Ex waren plötzlich wieder da gewesen, nachdem er sie zufällig in ihrer alten Lieblingsbar getroffen hatte. Das war drei Monate her und der Anfang von meinem Unglück gewesen. Wie ein Ersatzspieler hatte ich die ganze Zeit auf der Bank gesessen und war erst jetzt aufs Feld geschickt worden. Viel zu spät, um jetzt noch etwas ausrichten zu können. Ich war nicht mal sicher, ob ich das wollte. Vielleicht war es besser so.

»Er behauptet, mich immer noch zu lieben. Er wollte nicht, dass ich gehe … aber ich konnte nicht anders, ich musste abhauen.«

Wie hätte ich denn jetzt seelenruhig neben ihm einschlafen sollen? Selbst wenn ich ihn auf die Couch verfrachtet hätte, es hätte nichts geändert. Seine Nähe war mir zu viel.

»Ich denke, das war nur menschlich.« Maya lächelte mich gutmütig an und streichelte meine Schulter. Sie war zehn Jahre älter als ich, was ich oft vergaß, weil man herrlich mit ihr herumalbern konnte. Ich hatte sie über einen echt coolen Auftrag meiner damaligen Praktikumsstelle vor ein paar Jahren kennengelernt. Ihre erste Vernissage, und ich hatte einen alten Rahmen für sie restaurieren sollen. Nachdem sie ihren Job als Sozialarbeiterin aufgegeben hatte, widmete sie sich ganz der Kunst, was bisher nur bedingt Ertrag einbrachte. Daher kellnerte sie oft spätabends, um die Miete zu zahlen. Fragte man sie, ob sie damit zufrieden war, betonte Maya, es sei ihr das Wichtigste, Zeit fürs kreative Schaffen zu haben, was mit einem festen Job bei einem Sozialdienst nicht möglich war.

Wir hatten sofort gewusst, dass wir Seelenverwandte waren. Wir mochten unser Sushi ohne Wasabi, liebten beide Bridget Jones und standen auf total unterschiedliche Männertypen, ausgenommen Colin Firth, und würden uns ergo nie in die Quere kommen. Gerade wirkte sie jedoch wie die große Schwester, die ich mir immer gewünscht hatte.

»Was er getan hat, geht gar nicht, Süße. Und ich denke, das weiß er auch.«

Ich hätte es wohl ahnen sollen, so oft wie er dem Thema Hochzeit aus dem Weg gegangen war.

»Du kannst so lange hierbleiben, wie du willst, Robin. Die alte Klappcouch ist nicht bequem, aber immer für dich frei.«

Ich versuchte zu lächeln, aber es misslang, stattdessen weinte ich einfach los. Die Traurigkeit brach über mich herein, dass ich sie kaum bändigen konnte. Zumindest fühlte ich wieder etwas.

»O nein, Robin … Süße!« Schon saß Maya neben mir und zog mich in die Arme. Ich lehnte meinen Kopf an ihre Schulter. Keine Ahnung, wie es jetzt weitergehen sollte. Keine Hochzeit? Kein Häuschen im Grünen? Alles schien mit einem Mal zerstört, alles, worauf ich mich so sehr gefreut hatte.

Ich hatte gedacht, er und ich wären ein Team. Dass wir uns etwas zusammen aufbauen würden, am selben Strang zogen. F*ck … was für ein beschissenes Jahr.

Aus der Umarmung heraus angelte ich nach meinem Bier, das auf dem TV-Tisch stand. Doch als ich es zu meinen Lippen führte, merkte ich, es war leer.

»Ich brauche noch eine Flasche«, murmelte ich.

Maya ließ mich los und sah mich ernst an. »Besser nicht, Robin. Du weißt doch, dass Alkohol bei dir die Traurigkeit verstärkt.«

»Mir egal!«

»Ich mache uns lieber einen Beruhigungstee, wie wäre das?« Ich nickte zögerlich.

Eigentlich wäre es verlockend, den Kummer zu ertränken. Aber Maya hatte ja recht. Was brachte es, sich sinnlos zu betrinken und in Depressionen zu verfallen? Das Problem ging davon nicht weg, und ich müsste mich am nächsten Morgen zusätzlich mit einem Kater rumplagen. Ich war nicht Mike. Der hatte Tony sicher zum Fremdgehen angestiftet! Nein, das war unfair. Tony war erwachsen und wusste, was er tat. Ich sollte ihn nicht in Schutz nehmen. Es war immerhin kein einmaliger Ausrutscher im angetrunkenen Zustand gewesen.

Meine beste Freundin verschwand in der Küche und gab mir die Gelegenheit, mich zu sammeln. Was er jetzt wohl machte? War er bei ihr und ich eine Masochistin, weil ich mich mit solchen Überlegungen quälte?