Kirche Kunterbunt -  - E-Book

Kirche Kunterbunt E-Book

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Beschreibung

Kirche Kunterbunt ist ein Erfolgsmodell aus England: Es geht nicht um ein weiteres Kinderprogramm, sondern um eine neue Kirchenform! In der "Kirche Kunterbunt" können Kinder und Erwachsene miteinander den Glauben erkunden, entdecken und feiern. Bei jedem monatlichen Treff en gibt es Kreativstationen zu einem Thema, einen "Werkstatt-Gottesdienst" und zum Abschluss ein gemeinsames Essen. Ein Grundlagenbuch mit wertvollen Vorüberlegungen, Planungshilfen und Entwürfen für die konkrete Umsetzung von "Kirche Kunterbunt"!

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der

Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im

Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

3. Auflage 2024

© 2019 Neukirchener Verlagsgesellschaft mbH, Neukirchen-Vluyn

Koproduktion mit dem Praxisverlag buch+musik bm gGmbH

Alle Rechte vorbehalten

Umschlaggestaltung: Grafikbüro Sonnhüter, www.grafikbuero-sonnhueter.de unter Verwendung eines Bildes © von View Apart (Shutterstock)

Lektorat: Ekkehard Starke

DTP: Breklumer Print-Service, [email protected]

Verwendete Schrift: Chaparral Pro, Myriad Pro

Gesamtherstellung: CPI books GmbH, Leck

Printed in Germany

ISBN 978-3-7615-6615-2 Print (Neukirchener Verlag)

ISBN 978-3-86687-354-4 Print (Praxisverlag)

ISBN 978-3-7615-6616-9 E-Book (Neukirchener Verlag)ISBN 978-3-86687-355-1 E-Book (Praxisverlag)

www.neukirchener-verlage.dewww.praxisverlag-bm.de

Geleitwort

Das muss man sich einmal vorstellen: In der kunterbunten Kirche, die ihren Namen der unvergleichlichen Pippi Langstrumpf verdankt, muss der Michel aus Lönneberga nicht mehr in den Tischlerschuppen, um seine Figuren zu schnitzen. Er sitzt ja jetzt zwischen Willkommens-Gummibärchen und Werkstatt-Gottesdienst mit seinem – gar nicht so griesgrämigen – Vater an einem Tisch. Dort zeigt der Michel dem – gar nicht so geschickten – Vater, wie man den verlorenen Sohn schnitzt, während der sich noch an seinem Kollegen aus Lukas 15 abplagt, der dem Sohn entgegenrennt. Und dann gibt es irgendwann sogar noch …, aber nein, Blutsuppe (wie bei Astrid Lindgren) würden wir wahrscheinlich in der deutschen Variante der Messy Church nicht reichen, durchaus aber die aus einem schwedischen Möbelhaus vertrauten Kottbullar und natürlich Zimtschnecken.

Damit dürften Sie, liebe Leserin, lieber Leser, schon einmal zwei wichtige Informationen besitzen. Erstens: dass ich noch mehr als die Pippi Langstrumpf meinen strohblonden Namensvetter aus Lönneberga mag. Und zweitens: dass ich die „Kirche Kunterbunt“ für eine sehr gute Idee halte.

Und damit bin ich bei meinem eigentlichen Handwerk: dem Erkunden von Zukunftschancen der christlichen Gemeinde. Wenn wir uns in unserem Greifswalder Institut die Lage des christlichen Glaubens in Ost und West anschauen, dann gibt es immer wieder eine Beobachtung, die uns besonders bewegt. Und das ist die merkwürdige Spannung zwischen Aufwand und Ergebnis, wenn es um den Dienst der Gemeinden an Kindern und Jugendlichen geht. Gewiss ist auch da nicht alles Gold, was glänzt, aber eines kann man schlecht bestreiten: Sehr viele Gemeinden legen sich mächtig ins Zeug, um Kindern und Jugendlichen den Glauben ans Herz zu legen. Da gibt es (wenn auch mancherorts seltener als früher) Kindergottesdienste, da werden Kinder in christlichen Kindergärten mindestens mit den großen Festen vertraut gemacht. Da singen Kinder in kirchlichen Chören oder gehen in die Jungschar beim örtlichen CVJM. Da erleben sie den Religionsunterricht in der Schule, erleben ihre Erstkommunion oder die Konfirmation. Vielleicht waren sie Pfadfinder oder sind auf eine Jugendfreizeit in Astrid Lindgrens Heimat gefahren. Alles prima, mit großem, nicht zuletzt ehrenamtlichem Einsatz. Und es wäre natürlich ungerecht und auch undankbar zu sagen, dass das alles nichts austrägt. Das tut es – und wie sähe es um die Zukunft der Gemeinden aus, würde all das eingestellt! Aber es gibt dennoch diese Diskrepanz: Je jünger die Altersgruppen sind, die in großen Studien von Meinungsforschern befragt werden, desto größer ist ihr Abstand zum Glauben, ihre Gleichgültigkeit gegenüber der Kirche und ihre Bereitschaft, aus der Kirche auszutreten. Die letzte große Untersuchung der Evangelischen Kirche in Deutschland hat das vor einigen Jahren überdeutlich gezeigt. Je jünger, desto kirchenferner. Sie hat auch gezeigt, dass immer weniger junge Menschen sagen können, dass sie zuhause eine Erziehung im Glauben, so etwas wie eine Weitergabe von Wissen, Übungen und Lebenspraktiken erlebt haben. Anders gesagt: Eltern tun sich damit immer schwerer. Oder sie haben gar kein Interesse daran. Oder sie empfinden schon, dass sie ihren Kindern auch in Sachen Glauben etwas mitgeben sollten, wissen aber nicht wie. Oder sie denken in stillen Momenten daran, dass sie selbst gerne wissen würden, was und wie man glauben könnte.

Stop! Nein, so meine ich es nicht: Die kunterbunte Kirche ist nicht die Rettung der Kirche, deren jüngste Mitglieder auf dem Absprung sind. Auch wenn uns die Zukunft unserer Gemeinden nicht ganz egal sein dürfte, ist die Idee der „messy church“ nicht so platt „taktisch“ ausgerichtet – ich könnte auch sagen: nicht so selbstbezüglich. Aber es kann uns ja nicht egal sein, ob Eltern und Kinder den christlichen Glauben kennenlernen, ihn als wichtig, spannend, hilfreich und orientierend erleben und sich im Glauben mit den anderen zusammen beheimaten, die auch nach Gott fragen und Jesus folgen. Das kann uns nicht egal sein. Und vielleicht brauchen wir doch noch einmal einen neuen, einen ganz anderen Ansatz.

Und da kommen wieder einmal unsere englischen Freunde ins Spiel. Seit etlichen Jahren inspirieren uns die Überlegungen von der Insel, wie denn „fresh expressions of church“ aussehen könnten. Nicht zuletzt geht es um neue Formen von Kirche für Menschen, die in keine Kirche gehen. Eine echte „Fresh X“ müsste ja da ansetzen: bei denen, die bisher keinen Zugang fanden. Verankert in ihrem Leben. Förderlich für ihr Dasein. Einladend im Blick auf lebendiges, mündiges Christsein. Eine vollwertige Weise, Kirche zu sein (und nicht nur eine Brücke in traditionelle Gottesdienste). Wir wissen, dass es Tausende solcher „Fresh X“ auf der Insel gibt. Verschiedenste Modelle, wie das aussehen kann, haben sich mit der Zeit entwickelt. In den am wenigsten erwartbaren Zusammenhängen: bei Surfern vor der Küste von Cornwall, bei Polizisten in der Wache von Merseyside in Liverpool oder in einem sozialen Brennpunkt am Stadtrand von London.

Aber am häufigsten ist von einer bestimmten Form von „Fresh X“ die Rede: von der „Messy Church“. Keine andere „Fresh X“ ist so verbreitet und offenkundig wirkungsvoll wie diese. Dabei ist die Idee recht einfach: nicht noch ein neues Kinderprogramm, sondern eine neue Form von Kirche, in der Kinder und Erwachsene miteinander den Glauben erkunden und hoffentlich entdecken, feiern und üben. Und darin liegt nach meiner Überzeugung die Pointe: Kinder und Erwachsene erleben miteinander Kirche, und das kunterbunt. Sie erleben eine gastfreundliche Gemeinde. Sie können miteinander kreativ sein. Sie feiern Gottesdienste in verträglichem Umfang. Sie essen miteinander und mit anderen. Das ist ja im Grunde so naheliegend, dass man sich fast fragt, warum man darauf nicht schon eher gekommen ist. Unser Lebenstempo ist so hoch, dass für viele Familien gemeinsame Zeit das Wertvollste ist, was sie haben können. Und Eltern machen in aller Regel gerne mit, wenn ihren Kindern etwas Gutes angeboten wird – zumal wenn sie selbst auch etwas davon haben. Und hier wird nicht nur Eltern (wie bei landeskirchlichen Taufen) das Versprechen abgenommen, die Kinder im Glauben zu erziehen. Hier ist vielmehr ein Raum, in dem alle miteinander mit dem Glauben anfangen können. Oder ihn mindestens einmal kennenlernen.

Das Buch, dessen erste Seiten Sie gerade lesen, wird Sie mit auf die Reise nehmen: nicht nach Lönneberga, aber in die kunterbunte Kirche. So übersetzen wir die „unordentliche Kirche“ („messy church“). Sie werden die Idee genauer kennenlernen, die vier Phasen eines monatlichen Treffens als „Kirche Kunterbunt“, die Werte, die hinter dieser Idee stecken, die Vorbereitung, bevor es losgeht, die Anforderungen an ein Team, das diese schöne Arbeit tragen soll. Sie werden auch praktische Materialien finden mit konkreten Entwürfen für verschiedenste Gelegenheiten. Dieser Band ist keine trockene Theorie. Man merkt, dass die, die hier mitgeschrieben haben, Erfahrung und Herzblut investieren.

Eine Kirche mit Michel, an einem Tisch mit Anton und Alma, seinen Eltern. Ohne Tischlerschuppen. Wie hießen wohl die, die Sie jetzt vor Augen haben, für Ihre kunterbunte Kirche?

Wir haben keine Garantie, dass damit alle Probleme gelöst wären, aber es wäre doch einen Versuch wert. Warum sollten wir nicht auch gute Erfahrungen machen, wie unsere Freunde in England, wenn Kinder und Erwachsene zusammen Jesus kennenlernen? Wirklich: Einen Versuch ist es wert!

Weitenhagen, im September 2018

Michael Herbst

Ein paar Worte zuvor

Nehmen wir mal an, Astrid Lindgren wäre in ihren Pippi Langstrumpf-Büchern auf eine ungewöhnliche Idee gekommen: ihre Heldin mit den orange-farbenen Zöpfen wird eines Tages von einer Synode zur neuen Bischöfin gewählt. Das ist schon ein verwegener Gedanke: Pippilotta Viktualia Rollgardina Pfefferminz Efraimstochter Langstrumpf an der Spitze einer Kirche, eine Neunjährige, die keine Angst hat, ganz anders als die meisten Erwachsenen um sie herum.

Was wäre wohl das Motto einer solchen Pippi Langstrumpf-Kirche? Vielleicht dieses: „Geht nicht, gibt‘s nicht“. Das wäre eine Revolution in einer Organisation, in der nicht selten nur das geht, was schon immer ging. Das würde richtig spannend werden. Und stellen wir uns nur die ersten offiziellen Pressefotos vor: Pippi mit Bischofsgewand und Bischofskreuz, kombiniert mit den waagrecht abstehenden Zöpfen ...

Würde Bischöfin Pippi dann trotzdem noch in ihrer Villa Kunterbunt residieren? Vermutlich schon. Und eine ihrer ersten Amtshandlungen wäre es dann vielleicht, eine Kirche Kunterbunt auszurufen. Und wie sähe diese dann aus?

Es macht durchaus Spaß, solchen Gedanken nachzuhängen. Warum nicht mal Gemeindeentwicklung ganz spielerisch angehen? Was würde tatsächlich in einer Kirche passieren, in der eine unkonventionelle Neunjährige die Weichen stellt?

Eine Fünfjährige antwortete jedenfalls begeistert mit „Ja“, als ihre Mutter sie fragte, ob sie in eine Pippi-Langstrumpf-Kirche gehen würde. Und dieses Buch beschreibt, dass einiges in dieser Richtung tatsächlich möglich ist.

Zu schön, um wahr zu sein?

„Kirche Kunterbunt“ ist die deutsche Übersetzung für „Messy Church“. Die schnell wachsende Messy Church-Bewegung (www.messychurch.org.uk) stellt wie die Efraimstochter tatsächlich auch die kirchliche Welt ziemlich auf den Kopf. Jedenfalls schauen alle ungläubig zum zweiten Mal hin, wenn sie die Zahlen sehen. Seit 2004 sind über 5000 Messy Churches gestartet, die meisten in Großbritannien. Viele auch in den anderen angelsächsischen Ländern, in Schweden, Dänemark und über weiteren 30 Nationen. In den Niederlanden zum Beispiel entstanden in nur wenigen Jahren über 150 „Kliederkerke“, wie sie dort heißen. Die Wachstums-Kurven der Messy Church-Bewegung passen so gar nicht zu den übrigen kirchlichen Trends. Sie stellen diese auf den Kopf, als wollten sie sagen: „Geht nicht, gibt es nicht ...“

Seit 2004 sind über 4000 Messy Churches gestartet, die meisten in Großbritannien.

Ein Kirchenhistoriker in Großbritannien sieht bei Messy Church sogar Parallelen zum phänomenalen Wachstum der „Sunday schools“1. Als der englische Zeitungsverleger und Sozialreformer Robert Raikes 1780 begann, in einem Elendsviertel von Gloucester verwahrloste Kinder zu sammeln und sie anhand der Bibel im Schreiben und Lesen zu unterrichten, wurde eine Bewegung geboren, die viele christliche Konfessionen erfasste. Sie wuchs bis 1910 in England auf fast 6 Millionen Teilnehmende. Damals gingen tatsächlich 85 % aller englischen Kinder in eine Sunday school.

Die Sonntagsschule hatte neben der Verkündigung auch eine starke soziale und pädagogische Komponente. Auch Kirche Kunterbunt kommt nicht frömmelnd, sondern bunt, überraschend und manchmal auch chaotisch daher. Wie in der Sunday School-Bewegung damals wird auch hier vieles vor allem von ehrenamtlichen Teams verantwortet, und die Treffen finden nicht nur in Gemeindehäusern statt. Und beide Bewegungen erreichen viele Menschen weit über die kirchlichen Kernmilieus hinaus. Ein Unterschied liegt allerdings darin, dass Kirche Kunterbunt ganz bewusst kein Kinderprogramm ist, sondern ebenso Erwachsene anspricht.

Vielleicht ist inzwischen auch in Deutschland die Zeit reif für eine Kirche Kunterbunt. Jedenfalls, das zeigt der Blick in andere Länder, hat diese Bewegung viel Potential, und manche vergleichen sie schon mit der Sonntagsschul-Bewegung vergangener Jahrhunderte.

1 Vgl. George Lings, Messy Church Theology, S. 131–153.

Was macht eine Kirche Kunterbunt aus?

Von außen gesehen ist Kirche Kunterbunt zunächst ein monatliches, zwei- bis dreistündiges Event. An verschiedenen Kreativstationen wird zu einem Thema gebastelt und gespielt, experimentiert oder Kinder und ihre Begleiter sind sportlich aktiv. Danach folgen ein kurzer Werkstatt-Gottesdienst, die Feier-Zeit, und im Anschluss ein gemeinsames Essen.

Aber es ist weit mehr als das, denn im Mittelpunkt stehen gelebte Gastfreundschaft und Gemeinschaft. Wer hier nur ein Programm-Angebot sieht, geht am Eigentlichen vorbei. Kirche Kunterbunt ist deshalb auch keine Zubringerstraße zum traditionellen Sonntags-Gottesdienst, sondern ein Ort, an dem ein geistlich geprägtes Beziehungs-Netzwerk entstehen kann, in dem Familien Glauben entdecken und einüben. Aber dazu später mehr.

Viele junge Familien in der Nachbarschaft kennen sich – vor allem durch ihre Kinder. Die Eltern treffen sich vor der Grundschule oder vor dem Kindergarten, nachmittags auf dem Spielplatz, beim Kinder-Turnen oder im Freibad. Einige sind bei der Kinderbibelwoche dabei, manche gehen vielleicht in die Jungschar-Gruppe und zum Kindergottesdienst, viele aber auch nicht.

Kirche Kunterbunt ist nicht ein weiteres Kinderprogramm, sondern spricht altersübergreifend auch die Erwachsenen an, die ganze Familie also. Das trifft durchaus einen postmodernen Nerv in Zeiten von Ganztagsbetreuung und wenig gemeinsamer Familienzeit. Viele Eltern wünschen sich, Zeit miteinander mit ihren Kindern zu verbringen, vor allem am Wochenende. Diese kostbare Zeit wollen sie gemeinsam erleben, sie wollen kein Kinderprogramm, das ihnen ihre Kinder wegnimmt. Wenn der unter der Woche viel beschäftigte Vater mit seiner Tochter oder die berufstätige Alleinerziehende mit ihrem Sohn an einer der Kreativstationen von Kirche Kunterbunt einen Versuch ausprobiert oder eine Szene mit Playmobil nachbaut, dann kann Glaube gemeinsam neu entdeckt werden.

Mit diesen jungen Familien, mit den Kindern und ihren Bezugspersonen (das können auch die Großeltern oder Paten sein) baut Kirche Kunterbunt ein Beziehungs-Netzwerk. Die monatlichen Treffen sind Ankerpunkte, aber auch im Alltag begegnet man sich. Zusätzlich gibt es bei den Treffen „Ideen für Zuhause“ (s. Praxisteil) zum Mitnehmen, so dass auch zuhause manches umgesetzt und eingeübt werden kann. Gerade auch bisher dem Glauben gegenüber indifferente oder skeptische Erwachsene werden so fast spielerisch zu ersten Schritten der Nachfolge eingeladen und begegnen Bibeltexten ganz neu, oft mit den Augen ihrer Kinder.

Die DNA einer Kirche Kunterbunt

Kirche Kunterbunt ist kreativ, fröhlich feiernd, gastfreundlich, generationenübergreifend und christuszentriert. Im Buch werden diese grundlegenden Werte näher entfaltet.

Und wer eine Definition braucht, soll auch nicht leer ausgehen: Kirche Kunterbunt ist eine generationenübergreifende, neue Ausdrucksform von Kirche, in der Kinder und ihre Bezugspersonen zusammenkommen, um zu reden, kreativ zu werden, miteinander zu essen und Gott zu feiern.2

Kirche Kunterbunt bildet damit auch einen Gegenpol zu gesellschaftlichen Trends. Kirche Kunterbunt bedeutet, selbst kreativ zu werden, anstatt nur shoppen zu gehen, Zeit zu haben am Tisch und eine Tischgemeinschaft wirklich zu genießen. Und sie ist eine Einladung, zurückzukehren zu den biblischen Quellen, spirituell neugierig zu sein, sich von Kinderfragen in Frage stellen zu lassen. Durch eine Kirche Kunterbunt wird zudem eine verlässliche Gemeinschaft im Nahbereich aufgebaut.

Kirche Kunterbunt ist, wie es die Gründerin Lucy Moore formuliert hat, ein Raum, in dem Reich Gottes erfahren wird, so dass Einzelne und ganze Familien wachsen können – zur Verherrlichung Gottes und zur ganzheitlichen Gesundung eines Gemeinwesens.

Kompakt formuliert: Es geht um

2 Lucy Moore / Jane Leadbetter, Starting your Messy Church, S. 15.

Die „Messy Churches“ erreichen am meisten die kirchlich Distanzierten.

Kirche für Familien, die nicht zur Kirche gehen

Untersuchungen aus England zeigen, dass – innerhalb der Fresh X-Bewegung – überraschenderweise gerade die „Messy Churches“ am meisten die kirchlich Distanzierten erreichen. Der Grund ist vermutlich, dass es in dieser Lebensphase intensive Beziehungsnetzwerke vor Ort gibt und es leicht ist, andere einzuladen.

Kirche Kunterbunt ist, das werden wir immer wieder betonen, nun aber nicht nur ein Kinderprogramm oder Bastel-Angebot im Gemeindehaus, sondern eine neue Form von Kirche. Sie ist, wie es der Neutestamentler Hans-Joachim Eckstein einmal treffend formuliert hat, schon „ganz Kirche, aber nie die ganze Kirche“. Sie dient also nicht nur dazu, junge Familien dann irgendwann zum Sonntagsgottesdienst zu bringen. (Natürlich kann dies geschehen, aber es ist nicht das eigentliche Ziel – eben weil Kirche Kunterbunt schon Kirche ist.)

Viele Kirchengemeinden haben durch Kindergärten, Kinderbibelwochen, Eltern-Kind-Gruppen, durch Kontakte zu Taufeltern, Kindergruppen, Sommerferienprogramm, Freizeiten und andere Aktivitäten bereits viele Schnittmengen mit jungen Familien. Eine Kirche Kunterbunt kann hier zu einem inhaltlichen Mittelpunkt werden und diesen Menschen einen geistlichen Lebensraum anbieten, ein eigenes Beziehungsnetzwerk, in dem sie erste Schritte der Nachfolge gehen.

Es gibt viele gute Gründe, mit einer Kirche Kunterbunt zu starten – und es gibt auch durchaus fragwürdige Motive dafür. In Kapitel zwei finden sich zehn Argumente, die auch für das Gespräch mit Leitungsgremien und Kirchenvorständen hilfreich sind, und auch zehn „nicht so gute Gründe“.

So ist das Buch aufgebaut

Zunächst werden die vier Programm-Bausteine einer monatlichen Kirche Kunterbunt beschrieben:

Willkommens-Zeit: Erst mal ankommen: Kirche Kunterbunt steht für eine Willkommenskultur, die sofort sichtbar und spürbar wird, wenn man den Raum betritt. Aktiv-Zeit: Dann folgt ca. eine Stunde für das gemeinsame Aktivsein von Jung und Alt zu einem Thema oder Bibeltext: im Raum verteilt stehen Kreativstationen (im Sommer können es auch Stationen im Freien sein). Das sind nicht nur Bastelangebote, sondern es geht vielfältig zur Sache, kreativ, pädagogisch und sportlich. Feier-Zeit: Manche Ergebnisse, wie vielleicht Fotos von Figuren oder Playmobilszenen, ein Theaterstück oder ein Fingerfarbengemälde finden ihren Weg in den kurzen Werkstatt-Gottesdienst, der sich anschließt. Auch dieser lebt von der Beteiligung. Essens-Zeit: Und schließlich: keine Kirche Kunterbunt ohne Tischgemeinschaft und Essen. Ob selbst gekocht wird, ob der Pizza-Service vorbeikommt oder ob es Essen im „bring & share“-Stil gibt: Hier hat man Zeit zum Reden, hier lernen manche Familien wieder, wie wichtig Tischgemeinschaft ist und was ihnen entgeht, wenn sie zuhause nur im Stehen oder aus dem Kühlschrank essen.

Richtig, Kirche Kunterbunt ist aufwendig, und es braucht einiges an Vorbereitung für diese meist dreistündigen, intensiven Treffen. Auch deshalb findet Kirche Kunterbunt in der Regel nicht wöchentlich, sondern monatlich statt. Dazwischen kann sich ja auch viel ereignen. Einen monatlichen Rhythmus aber braucht es, damit Beziehung entstehen kann.

Das dritte Kapitel beantwortet (fast) alle Fragen im Blick auf den Start einer Kirche Kunterbunt:

Wie könnten die ersten Schritte aussehen, wie bekommt man grünes Licht von den Leitungsgremien?Wie groß sollte ein Team sein? Wie finden wir die richtigen Personen? Und was hat es mit dem „Innenministerium“ auf sich?Welche Räume und Ressourcen braucht es? Welche rechtlichen Fragen sind zu bedenken? Wie wird eine Kirche Kunterbunt bekannt? Was läuft über Mundpropaganda, und wann benötigt es gezieltes Marketing? Welche Vernetzung bietet sich vor Ort an? Und beim Blick auf den Jahreskalender, wo kann angedockt werden?

Kinder stellen oft die besseren Fragen.

Kapitel vier entfaltet dann die Grundwerte von Kirche Kunterbunt: kreativ sein als Grund- und Lebenshaltung. Wieso Kirche Kunterbunt eine fröhliche Angelegenheit ist und warum das Feiern eines Gottesdienstes dazugehört.Wie eine Kirche Kunterbunt gastfreundlich und einladend sein kann. Und wie wir generationenübergreifend gemeinsam lernen und unterwegs sein können, auch im Glauben. Kinder stellen ja oft die besseren Fragen. Und eine Pippi Langstrumpf hat Erwachsenen vieles beizubringen, zum Beispiel, einfach weniger Angst zu haben. Und schließlich christuszentriert: das klare christliche Profil der Kirche Kunterbunt. Sie ist eine neue Form von Gemeinde, eine Nachfolge-Gemeinschaft – auch wenn manches mit Sicherheit ungewohnt ist und eben kunterbunt daherkommt.

Schließlich folgen über 100 Seiten mit sehr konkreten Vorschlägen zu einzelnen Themen. Damit lässt sich ein erstes Jahr gut füllen.

Dieses Buch muss nicht kapitelweise von vorne nach hinten gelesen werden, auch wenn sich das natürlich anbietet. Gerne können Sie auch kunterbunt irgendwo zu lesen anfangen. Dass verschiedene Autorinnen und Autoren am Werk waren, spürt man einzelnen Artikeln sicherlich ab. Auch das Buch ist das Ergebnis eines bunten Teams, so wie Kirche Kunterbunt vor Ort.

Und ein imaginärer, lustiger Brief an das Team in Hintermwalde gehört ebenso dazu wie Interviews mit Praktikerinnen und Praktikern, eine Gaben- und eine Checkliste für Besuche.

Unser gemeinsamer Wunsch ist, dass Sie Hoffnung schöpfen, Ihre Phantasie Flügel bekommt und dass Sie am Ende sagen: „Geht nicht, gibt‘s nicht. Wir starten eine Kirche Kunterbunt bei uns.“

Kirche Kunterbunt Was passiert da eigentlich?

Es gibt bestimmt viele gute Gründe, warum man eine Kirche Kunterbunt starten sollte – und wir wollen Sie ja auch nicht davon abhalten. Aber dennoch lohnt es sich, einen Schritt zurückzutreten und auf das große Ganze zu schauen. Sich ganz ehrlich die Frage zu stellen: Warum wollen wir eine Kirche Kunterbunt starten?

Bei einer Kirche Kunterbunt gibt es immer viel zu tun, ein Team muss gefunden, ein Raum gemietet und Material beschafft werden. Dabei dürfen wir das Eigentliche nicht aus den Augen verlieren. Im Zentrum sollte immer das Anliegen stehen: Wie können wir Kindern und Erwachsenen gemeinsam helfen, biblische Geschichten und Glaube als relevant zu entdecken, erste Schritte der Nachfolge zu gehen und Jesus kennenzulernen? Der Ablauf bzw. das Konzept dient dabei lediglich als Gerüst, das helfen kann, dieses Ziel zu erreichen. Als Christen haben wir den Auftrag, Menschen zu Jesus-Nachfolgern zu machen. Und das kann eben auch mit Glitzersteinchen und Gummibärchen geschehen.

10 gute Gründe, um mit Kirche Kunterbunt zu starten3

1. Wir wollen das Kostbarste in unserem Leben, den Glauben an Christus, mit anderen teilen.

2. Kirche heißt für uns: nicht nur stillsitzen, sondern auch essen, lachen, beten und schöpferisch tätig werden.

3. Wir haben gute Kontakte zu jungen Familien und zu Kindern samt ihren Bezugspersonen.

4. Pippi Langstrumpf war die Heldin unserer Kindheit.

5. Wir möchten selbst konsequenter Jesus nachfolgen und andere auf diesem Weg mitnehmen.

6. Wir arbeiten mit allen Christen zusammen, die diese Vision teilen, auch über konfessionelle Gartenzäune hinweg.

7. Wir lieben den Satz: „Erziehung kannst du dir sparen, Kinder machen dir eh alles nach.“ Auch im Glauben zählt das gelebte Leben und das Miteinander.

8. Wir glauben, dass Erwachsene eine Menge von Kindern lernen können – von ihrem Staunen, ihren Fragen, ihrer Unbekümmertheit.

9. Wir sind überzeugt, dass ein lebendiger Glaube den Alltag vieler Familien verändern kann.

10. Wir wissen, dass eine Kirche Kunterbunt auf der eine Seite „Blut, Schweiß und Tränen“ bedeutet und eine Menge Farbflecken, aber eben auch viel Spaß und Kinder-Jubel und eine tiefe Dankbarkeit darüber, dass Menschen von der Liebe Gottes berührt werden.

Bei welchem der „nicht so guten Gründe“ haben Sie sich ertappt gefühlt? Und welche der zehn guten Gründe können Sie von Herzen bejahen? – Die eigene Motivation zu klären ist ein ganz wichtiger erster Schritt.

10 nicht so gute Gründe für eine Kirche Kunterbunt

1. Unser Kindergottesdienst funktioniert nicht mehr, deshalb muss etwas Neues her.

2. Kirche Kunterbunt scheint gerade ein Trend zu sein. Auf dieser Welle schwimmen wir mit.

3. Wir können mit Kirche Kunterbunt viele Menschen erreichen. Das tut unserer Statistik gut.

4. Kirche Kunterbunt klingt ziemlich anarchistisch, und wir waren schon immer gegen diese ganze kirchliche Bürgerlichkeit.

5. Durch Kirche Kunterbunt bekommen junge Familie wieder Zugang zu unserem Sonntagmorgen-Gottesdienst.

6. Wir haben noch so viel Fingerfarben, Filz, Bast und Bastelmaterial in den Schränken im Gemeindehaus, endlich kommt das zum Einsatz.

7. Der Leitungskreis oder die Pastorin hat gesagt: „Irgendwas mit Kindern ist jetzt dran ...“

8. Kirche Kunterbunt scheint ganz easy zu sein, das machen wir jetzt einfach mal.

9. Es gibt ja auch Kinderturnen, Kinderchöre und Kindergruppen in jedem Verein: höchste Zeit, dass wir auch aktiv werden, bevor uns andere die Kinder wegschnappen.

10. Der christliche Glaube passt halt nicht mehr so recht in unsere Zeit. Aber mit Fischstäbchen, Farben und Frohsinn kommen wir wieder an die Leute.

Der zeitliche Ablauf einer Kirche Kunterbunt

kann folgendermaßen aussehen:

1. Willkommens-Zeit: ca. 10–15 Minuten

2. Aktiv-Zeit: Kreativstationen, ca. 45–60 Minuten

3. Feier-Zeit: Werkstatt-Gottesdienst, ca. 20–30 Minuten

4. Essens-Zeit: gemeinsames Essen, ca. 45–90 Minuten

Die zeitlichen Angaben sollen als Inspiration dienen, denn der Ablauf und die Dauer der einzelnen Elemente können je nach Kontext und Zielgruppe sehr unterschiedlich sein. Es hängt z. B. viel davon ab, um welche Uhrzeit und an welchem Tag Ihre Kirche Kunterbunt stattfindet. An einem Samstagmorgen braucht es evtl. keine längere Ankommenszeit. Aber wenn Sie am Freitagnachmittag um vier einladen, ist eine längere Zeitspanne, bis es losgeht, bestimmt eine Erleichterung für Eltern, die direkt von der Arbeit bzw. dem Kindergarten kommen.Genauso spielt es eine Rolle, mit wie vielen Besuchern Sie rechnen. Kommen nur ca. 20 Besucher, dann wird einiges schneller gehen. Sie bauen dann vermutlich auch weniger Stationen auf. Wenn Sie hingegen mit 50 oder mehr Menschen rechnen, muss genügend Zeit vor allem auch für das Essen eingeplant werden, damit es für die Besucher und die Mitarbeitenden nicht stressig wird.

Am besten ist es sicherlich, eine kleine Umfrage unter der Zielgruppe zu starten. Welches Zeitfenster passt am besten? Wären 2–3 Stunden Dauer okay?

Kirche Kunterbunt muss an die Gegebenheiten vor Ort angepasst werden.

Manchmal, z. B. wenn die Wahl auf einen Samstagmorgen fällt, macht es vielleicht auch Sinn, Tischgemeinschaft und Essen an den Anfang zu stellen, z. B. als Brunch. Kirche Kunterbunt ist kein fertiges Programm zum Kopieren, sondern bietet eine Struktur und Grundwerte. Aber alles muss an die Gegebenheiten vor Ort angepasst werden.

Hier ein kleines fiktives Beispiel, wie das dann aussehen kann …

3 Vgl. Lucy Moore, Starting your Messy Church, S. 9ff.

Zu Gast bei St. Wilfridus – Kirche Kunterbunt

Freitagnachmittag, halb vier. Unser 12-köpfiges Team (viele Konfis und Jugendliche) hat 10 Tische mit Stationen zur Jona-Geschichte vorbereitet. Wir treffen uns für die Gebetsrunde. Gleich wird sich das Gemeindehaus mit Eltern und Kindern füllen und ein wildes Gewusel einsetzen. Manche kommen direkt von der Schule, andere mit Spiel-Kameraden, einige Eltern direkt von der Arbeit, und manche haben eben ihre Kinder aus dem Kindergarten abgeholt.

Im Foyer wurden 2–3 kleinere Tische und Stehtische aufgebaut und mit Keksen ausgestattet. In dem ruhigeren Raum ist Platz zum Ausruhen, für eine Tasse Kaffee und ein nettes Gespräch. Zwei ältere Damen übernehmen den Ausschank und haben als „Barkeeper“ immer ein offenes Ohr für die Besucher.

Alle Besucher werden persönlich begrüßt. Auf einem Tisch mit Namensschildern suchen alle nach ihrem Namen, und für Neue erstellen wir ein Schild. Die Atmosphäre ist entspannt, man redet sich mit Vornamen an. Aus der Küche duftet es verführerisch. Manche haben sich in die Online-Liste eingetragen und bringen Salate mit. Dann klettert Heike auf einen Stuhl, begrüßt alle, sagt was zur Geschichte von Jona und dem Wal („Kann man vor Gott davonlaufen?“). Sie erklärt kurz die Kreativstationen, die überall im Raum verteilt sind. Ein Mitglied aus dem Team ist jeweils dabei und erklärt, was zu tun ist, und stellt den Bezug zur Jona-Geschichte her. Wenig später geht es rund.Hier drüben basteln einige einen Knet-Wal, dort kann man mit Playmobil die Jona-Geschichte nachstellen, und das Ergebnis wird fotografiert. An einem Tisch wird geknobelt, es werden Abzählreime ausprobiert – Jona wurde ja auch ausgelost. In der Ecke gibt es den Wal-Tunnel. Wie fühlt es sich an im Innern eines Wals? Die Älteren können an drei Laptops mit einem PC-Spiel die Stadt Ninive entwickeln. Oder sie versuchen, auf dem Hof den Ball in ein improvisiertes Wal-Maul zu kicken. Auf der Bühne lernen einige mit Tobi das Jona-Lied, und an einer anderen Station werden innere Aspekte der Geschichte (nur weg hier; Angst; sich ertappt fühlen) pantomimisch umgesetzt. Andere lassen mit einem blauen Schwungtuch einen aufgeblasenen Wal im Meer tanzen, und in einer anderen Ecke entsteht aus Kartons die Stadt Ninive. Auf einem Tisch ist Teig ausgerollt, Fisch-Ausstecher liegen bereit. Die Fisch-Plätzchen wandern in den Backofen und kommen zum Dessert wieder auf den Tisch. Immer wieder kann man die Station wechseln, Neues ausprobieren.Um fünf Uhr stellt sich Tim, der heute die Feier-Zeit leitet, wieder auf einen Stuhl. Er bittet alle, in die Ecke zu kommen, wo Sitzkissen liegen, die Technik aufgebaut ist und einige Stühle bereitstehen für die Älteren, die mit ihren Enkeln da sind. Tobi stimmt das Jona-Lied an, und lauthals singen viele mit. Einige bleiben hinten stehen, sind noch auf Distanz. Aber das ist okay so. Es wird still im Raum für einige Sekunden. Wer will, kann in dieser Zeit mit Gott reden.

Inzwischen hat Nicole fünf Fotos aus der Playmobil-Ecke auf den Laptop gezogen. Tim erzählt anhand der Bilder sehr anschaulich, wie Jona berufen wird, wie er abhaut, wie sie fast im Seesturm untergehen, wie Jona ausgelost wird und im Wal landet. Kann man vor Gott davonlaufen? Hat er auch einen Auftrag für uns? Tim stellt die Frage an Jessica, die kurz erzählt, welchen Auftrag von Gott sie für sich erkannt hat. Schließlich werden ein paar Verse aus dem Walfisch-Gebet (Jona 2) in einfachen Sätzen gemeinsam gesprochen, danach stehen alle im großen Kreis zum Segens-Lied. Die Feier-Zeit ist anschaulich, lebensnah und kurzweilig.

Ein Tischlied eröffnet das Essen.

Im Anschluss bauen alle das Büfett auf. Ein Tischlied eröffnet das Essen. Manchen gefällt es, sie werden es zuhause einführen. Es gibt Fischstäbchen, Kartoffelbrei und die mitgebrachten Salate. Der Nachtisch, blauer Wackelpudding mit frisch gebackenen Fischplätzchen, schmeckt super. Die Gespräche an den Tischen sind lebhaft.

Um 18:30 Uhr ist der offizielle Teil zu Ende. Viele helfen mit beim Aufräumen. Einige haben für Sonntag einen gemeinsamen Ausflug vereinbart. Am Schwarzen Brett im Foyer hängen Gesuche für Kinderklamotten oder Babysitter-Annoncen. Außerdem ein Infoplakat mit allen wichtigen Infos für die nächsten Veranstaltungen, eine Liste, in die man sich für die WhatsApp-Gruppe eintragen kann, und die Adresse einer Website mit Infos zur Kirche Kunterbunt.

Nach und nach leert sich der Raum. Gegen halb acht schalte ich die Spülmaschine aus und lösche das Licht. Einige vom Team treffen sich noch in der Kneipe nebenan, werten aus und schmieden Pläne. Ich gehe erschöpft, aber überglücklich nach Hause. Menschen entdecken Gott, die Kirche gar nicht auf ihrem Schirm hatten. Sie fangen zuhause an, mit ihren Kindern zu beten. Welch ein Vorrecht, hier dabei zu sein. Nächste Woche trifft sich das Team – und in vier Wochen ist es schon wieder so weit. Viele sehe ich bereits morgen vor dem Kindergarten wieder.

Bausteine einer Kirche Kunterbunt

Herzlich willkommen – die Willkommens-Zeit

Das Wichtigste vorweg – lassen Sie sich und den Besuchern Zeit anzukommen. Als Deutsche tendieren wir dazu, alle Programmpunkte minutiös im Blick zu haben. Der Ablauf ist durchgetaktet und wehe, jemand braucht länger als eine Minute, um seinen Mantel in die Garderobe zu hängen ...

Weil Kirche Kunterbunt den Fokus auf die Beziehungen legt, ist es wichtig, dass sich die Besucher wohlfühlen, dass sie herzlich begrüßt werden, dass man sich Zeit für sie nimmt, dass sie respektvoll behandelt werden. Mit einem kurzen Händeschütteln an der Eingangstür ist es dann nicht getan. Wir sollten auch bedenken, dass viele, die zu Kirche Kunterbunt kommen, nicht – oder schon lange nicht mehr – in einer Kirche waren. Sie brauchen Herzlichkeit und eine Atmosphäre zum Wohlfühlen.

Ganz grob kann man ca. 15 Minuten dafür einplanen. Wichtig ist, dass es zu Ihrer Zielgruppe passt. Vielleicht kann es auch hilfreich sein, eine Lounge- oder Café-Atmosphäre zu schaffen, in der man ankommen kann, sich einen Kaffee oder eine Bionade gönnt und ganz entspannt erst mal durchatmet. Fragen Sie Ihre Freunde und Bekannten bzw. die Menschen, die Sie einladen möchten, was für sie attraktiv wäre – welches Setting, welche Atmosphäre hilft, dass sie sich wohlfühlen?4

Die Kreativstationen sollten bis dahin auch bereits aufgebaut sein, so dass das Team genug Zeit hat, sich um die Ankommenden zu kümmern. Oft kann man in dem ganzen Trubel das eigentliche Anliegen vergessen, nämlich mit allen, ob Jung oder Alt, Kontakte zu knüpfen.

Ein paar Teammitglieder sollten, wenn möglich, nur für diesen Willkommens-Bereich verantwortlich sein. Möglichst sollte aus verschiedenen Generationen jemand im Team vertreten sein, damit jeder ankommende Gast ein Gegenüber und einen Anknüpfungspunkt finden kann. Zu den Aufgaben des Teams gehört es dann, die Namensschilder vorzubereiten und vielleicht auf eine Liste zum Eintragen in die WhatsApp-Gruppe hinzuweisen. Sie sollten ein offenes Ohr für die Ankommenden haben und allen, die neu und zum ersten Mal dabei sind, Dinge erklären und den Einstieg erleichtern. Vielleicht gibt es einige bei ihnen im Team, die genau diese Gabe haben: Menschen willkommen zu heißen.

Kreativstationen – die Aktiv-Zeit

An den Kreativstationen haben die Besucher Zeit, sich ganz entspannt verschiedenen kreativen, sportlichen, wissenschaftlichen oder schauspielerischen Angeboten zu widmen (die Liste kann gerne nach Belieben erweitert werden). Hier ist Zeit zum Ausprobieren und Experimentieren.

Den Neuen den Einstieg erleichtern

Nach einer kurzen Erklärung der unterschiedlichen Angebote kann sich jeder aussuchen, an welche Station er oder sie zuerst gehen möchte. Bei der Vorbereitung ist es gut, unterschiedliche Zielgruppen und Interessen im Blick zu haben. Gibt es etwas für Jungs und Männer? Für Mädels von 10-12 Jahren? Können Eltern und Kinder gemeinsam einer Sache nachgehen, aber auf unterschiedlichen Schwierigkeitsleveln?

Für Chemie-Freunde gibt es inzwischen eine ganze Themensammlung zu wissenschaftlichen Experimenten5, die man in einer Kirche Kunterbunt anbieten kann, ebenso wie spezielle Angebote für Männer6 und für eher sportlich Orientierte7. Der Fantasie und Kreativität sind hier keine Grenzen gesetzt. Vielleicht haben Sie einen Bauernhof zur Hand und können sogar etwas mit Pferden und Hasen anbieten (wobei anmalen hier vermutlich nicht in Frage kommt …).

Die Anzahl der Stationen kann recht unterschiedlich sein. 7–10 Stationen anzubieten, hat sich bisher allerdings bewährt. So ist genügend Auswahl vorhanden, aber es sind nicht zu viele, um unübersichtlich zu werden (wobei es sinnvoll ist, lieber eine Station mehr aufzubauen, auch wenn diese evtl. leer bleibt, so dass auf jeden Fall genug Platz für alle Besucher ist). Eine Station sollte Platz für ca. 5–8 Personen bieten.

Die Stationen behandeln alle das Thema oder den Bibeltext des Tages, auch wenn es vielleicht manchmal nicht gleich offensichtlich sein muss. Es kann auch sehr spannend sein, sich einem Thema von unterschiedlichen Seiten anzunähern. Je nach Saison können die Stationen auch draußen stattfinden – vor allem im Sommer bieten sich viele kreative und witzige Angebote mit Wasser oder Eis an.

An jeder Station sollten nach Möglichkeit 1–2 Personen bereitstehen, um den Leuten zu zeigen, was es zu tun gibt, und um einen Bezug zur Geschichte und zum Thema herzustellen. Das können auch Teenager oder sogar Konfis sein, aber auch die eigene Oma oder jemand aus dem Jugendkreis. Es ist besser, wenn mehrere mithelfen und verantwortlich sind, damit auch die Mitarbeitenden sich eventuell mal umsehen und selbst an den anderen Tischen etwas mitmachen können. Es hat sich gezeigt, dass Kinder und Erwachsene lieber mehrere kleinere Dinge machen als nur wenige, für die man eine längere Ausdauer braucht. Deshalb bietet es sich an, die meisten Kreativstationen so zu planen, dass die Aktivitäten ca. 5–15 Minuten brauchen. Da ständig wieder neue Personen an die Station kommen, muss genügend Material vorhanden sein. Vor allem jüngere Kinder können sich oft nicht so lange mit einer Sache beschäftigen. Deswegen ist ein vielfältiges Angebot sowohl in der Art als auch in Dauer und Schwierigkeitsgrad hilfreich.

Die unterschiedlichen Stationen sollen alle Sinne ansprechen.

Die unterschiedlichen Stationen sollen alle Sinne ansprechen. Vor allem Stationen mit Lebensmitteln kommen meistens gut an. Hier ist es wichtig, einen echten „Feldwebel“ am Tisch zu positionieren, der nicht nur darauf achtet, dass u. U. alle Hände vorher gewaschen wurden, sondern auch die Verteilung der Zutaten mit Argusaugen bewacht. Sonst kann es passieren, dass die ersten drei Kinder alle Gummibärchen wegfuttern.

Bei der Planung ist es wichtig, die Aufteilung im Raum mitzubedenken. Welche Vor- und Nachteile haben kleine bzw. große Räume? Können Nachbar-Räume mitgenutzt werden? Soll es einen eher ruhigen Bereich geben? Wie viele Personen erwarten wir? Wie wirkt sich das auf die Lautstärke aus? Können Stationen in mehreren Räumen parallel stattfinden? Ist das Gelände kindersicher (z. B. Steckdosen, steile Treppen, Straßen, etc.)? Was kann im Außenbereich stattfinden? Wie viele Leute haben Platz, was ist rechtlich (z. B. wegen Brandschutz etc.) erlaubt?

Generell sollte für alle Altersgruppen, Geschlechter und Lerntypen etwas dabei sein, mit dem sie sich anfreunden können. Nach ca. 45–60 Minuten werden die Kreativstationen von jemand aus dem Team beendet, und es wird zum Werkstatt-Gottesdienst übergeleitet.

Werkstatt-Gottesdienst – die Feier-Zeit

Was meinen wir mit Werkstatt-Gottesdienst? In der englischen Messy Church-Bewegung wird dieser Baustein mit „Celebration“ überschrieben und meint das Gottesdienstfeiern. Wir haben dafür den Begriff „Feier-Zeit“ gewählt, um damit auszudrücken: Nicht eine Person allein „verkündigt“, sondern möglichst viele sind beteiligt, und Ergebnisse der Kreativstationen können einfließen. Alle, die da sind, feiern zusammen Gottes Gegenwart und seine Gegenwart in unserem Leben.