Kirchlicher Dienst in säkularer Gesellschaft -  - E-Book

Kirchlicher Dienst in säkularer Gesellschaft E-Book

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Beschreibung

Anlässlich seines 80. Geburtstages widmen rund 40 Kollegen und Weggefährten aus Politik, Kirche, Caritas und Wissenschaft dem Jubilar Prälat Dr. iur. utr. h.c. Norbert Feldhoff, ehemaliger Domprobst und Generalvikar von Köln, ehemaliger Vorsitzender der Arbeitsrechtlichen Kommission des Deutschen Caritasverbandes, diese Festschrift zum Thema "Kirchlicher Dienst in säkularer Gesellschaft". Die zahlreichen Beiträge, die sich – aus ganz unterschiedlichen Perspektiven - dem Thema nähern, sind so vielfältig wie die Interessen- und Arbeitsgebiete des Jubilars. Die Festschrift bietet damit eine einzigartige Zusammenstellung wesentlicher Beiträge zum hochaktuellen Diskurs um das deutsche kirchliche Arbeitsrecht, eingebettet in den derzeitigen (kirchen-)politischen und juristischen Kontext und das einzigartige Lebenswerk des Jubilars.

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Annette Schavan | Gregor Thüsing (Hg.)

Kirchlicher Dienstin säkularer Gesellschaft

Festschrift für Norbert Feldhoffzum 80. Geburtstag

Die Festschrift wurde ermöglichtdurch großzügige Förderung der Pax-Bank eG

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

1. Auflage 2019

Alle Rechte vorbehalten

© 2019, Lambertus-Verlag, Freiburg im Breisgau

www.lambertus.de

Umschlaggestaltung: Nathalie Kupfermann, Bollschweil

Druck: Franz X. Stückle Druck und Verlag, Ettenheim

ISBN 978-3-7841-3200-6

ISBN eBook 978-3-7841-3201-3

Inhaltsverzeichnis

Zum Geleit

Annette Schavan

Norbert Feldhoff und die Kunst des Politischen

Peter Beer

Mehr als Paragraphen

Gedankensplitter für ein zu erneuerndes Kirchliches Arbeitsrecht

Klaus Bepler

Kollektive Konflikte in kirchlichen Einrichtungen

Hat sich die Rechtslage seit 2012 weiterentwickelt?

Ralph Bergold

Kirchlicher Dienst in der pluriformen Moderne als Ort der Kirche

Norbert Beyer

Norbert Feldhoff als Vorsitzender der Arbeitsrechtlichen Kommission

Martin Börschel

Kirchlicher Dienst in säkularer Gesellschaft

Eine Collage

Rainer Brockhoff

Kirchlicher Dienst und caritatives Unternehmertum in säkularer Gesellschaft

Georg Cremer

Als Caritas glaubwürdig in Märkten handeln

Wilhelm Dütz

Arbeitsstreitigkeiten im katholischen Kirchenarbeitsrecht

Joachim Eder

Der KODA-Vermittlungsausschuss

Ausgestaltung im Anschluss an das BAG-Urteil vom 20.11.2012

Detlev Fey

Kirchlicher Dienst in säkularer Gesellschaft

Martin Fuhrmann

Einrichtungsübergreifende Mitbestimmung in der katholischen Kirche

Einführung in das neue Recht der (erweiterten)Gesamtmitarbeitervertretungen (§ 24 MAVO)

Wolfgang Glöckner

Der „Kölner Weg“ des kirchlichen Arbeitsrechts in der Dombauhütte zu Köln

Ein Beispiel für gelebte Dienstgemeinschaft

Stefan Greiner

Kirchliche Spiritualität und kirchliche Rechtsbeziehungen

Im Einklang oder Widerspruch?

Elke Gundel und Rolf Lodde

Richter-Fenster und kirchliches Arbeitsrecht

Elisabeth Hartmeyer

Kirchlicher Dienst in säkularer Gesellschaft

Rudolf Henke und Christian Twardy

Die Einbindung von Gewerkschaften in der Arbeitsrechtlichen Kommission des Deutschen Caritasverbandes

Ansgar Hense

Vom personen- zum institutionenorientierten Verständnis kirchlichen Arbeitsrechts?

Einige Anmerkungen zu diesem Ansatz und seinem denkbaren theoretischen Rahmen

Stefan Heße

Liebe auf Distanz?

Eine missionarische Kirche der Beziehung in der Diaspora

Jacob Joussen

Einrichtungsspezifische Arbeitsrechtliche Kommissionen

Möglichkeiten und Grenzen am Beispiel der Dombauhütte zu Köln und dem Arbeitsrecht der Johanniter

Manfred Jüngst

Begrenzung befristeter Dienstverhältnisse in der Dienstgemeinschaft Katholische Kirche

Gebot oder Utopie, vertane Chancen und verbleibende Möglichkeiten

Karl Jüsten

Im Dienst der Kirche

Heinz-Jürgen Kalb

Die Geltung des kirchlichen Arbeitsrechts im säkularen Arbeitsverhältnis

Heinz-Josef Kessmann

Auswirkungen der Veränderungen der Ordnung der Arbeitsrechtlichen Kommission

Steffen Klumpp

Die Bedeutung des Arbeitsvertrags für den Dritten Weg

Ein Zwischenstandsbericht

Günter Krings

70 Jahre GG – 100 Jahre WRV

Ein Vorbild für das Verhältnis von Staat und Religion

Evelyne Menges

„Ehe für alle“

Arbeitsrechtliche Herausforderungen für die kirchliche Dienstgemeinschaft

Peter Neher

„So ist also die Caritas der Dampf in der sozialen Maschine“

Wie die Pluralisierung und Digitalisierung der Öffentlichkeit die verbandliche Caritas verändern

Renate Oxenknecht-Witzsch

Reformbedarf der MAVO, insbesondere für Mitarbeitervertretungen pastoraler Dienste

Ansgar Puff und Katharina Müller

Der Europäische Gerichtshof als Impulsgeber für das kirchliche Arbeitsrecht

Hermann Reichold

Der EuGH als Promotor eines neuen Loyalitätsrechts

Reinhard Richardi

Die Grundordnung für die Arbeitsverhältnisse in der katholischen Kirche

Entstehung und Zielsetzung

Harald Schliemann

Deutsches Staatskirchenrecht im Blick der Europäischen Union

Dominikus Schwaderlapp

Gesandt in die Welt von heute

Christliches Selbstverständnis im (Post-)Säkularismus

Thomas Schwendele

„Nichts über uns ohne uns!“

Ungeordnete und geordnete Beteiligung von Mitarbeitervertretern an der Weiterentwicklung von Ordnungen, die das kirchliche Arbeitsrecht regeln

Gregor Thüsing und Regina Mathy

Mutatur, non tollitur

Kirchliche Dienstgemeinschaft als Grund und Grenze der Besonderheiten des kirchlichen Arbeitsrechts

Friedrich Graf von Westphalen

Die katholische Soziallehre vor neuen Herausforderungen

Globalisierung, unbewältigte Finanzkrise und Digitalisierung

Christian Waldhoff

Theologische Fakultäten in einer säkularen Gesellschaft

Eva M. Welskop-Deffaa

Mit seelischer Schwungkraft

Dienstgemeinschaft für die Arbeitswelt 4.0

Anton E. Wirmer

Zur Auslegung kirchlichen Rechts durch staatliche Gerichte

Rainer Maria Kardinal Woelki

„Der Mensch ist der Weg der Kirche“

Theologische Gedanken zum caritativen Engagement der Kirche

Verzeichnis der Autorinnen und Autoren

Lebenslauf

Zum Geleit

Der Psalmist misst einem erfüllten Leben eine Zeitspanne von 80 Jahren zu. Die hat Norbert Feldhoff nun erreicht. Er kann dabei auf ein beeindruckendes und erfülltes Leben im Dienst der Kirche und der Gesellschaft zurückblicken. Seine Lebensdaten sind schnell erzählt und können bei Wikipedia nachgelesen werden – und sagen doch nur wenig darüber aus, welche zentrale Rolle er über all die Jahre einnahm, im rheinischen Katholizismus wie in der Kölner Gesellschaft gleichermaßen:

Nach dem Theologiestudium wurde der Jubilar am 11. Februar 1965 durch Kardinal Frings in Köln zum Priester geweiht. Anschließend war er für vier Jahre Kaplan an Hl. Dreikönige in Neuss und dort auch Stadtjugendseelsorger. 1969 wurde er Erzbischöflicher Kaplan und Geheimsekretär bei Kardinal Höffner. Das nächste wichtige Amt war dann das des Generalvikars des Erzbistums Köln. Hierzu wurde er am 30. April 1975 ernannt, schnell gefolgt von seiner Wahl zum Domkapitular. Die üblichen und auch einige unübliche kirchliche Ehrungen blieben nicht aus. Durch Papst Paul VI. am 24. Juli 1975 zum Päpstlichen Ehrenprälaten erhoben, wurde er am 21. Mai 1982 zum Archimandrit des griechisch-melkitisch-katholischen Patriarchats Jerusalem ernannt. Seit dem 27. November 1983 war er Moderator der Kölner Kurie und seit dem 20. Dezember 1983 Ökonom des Erzbistums Köln. Der hl. Papst Johannes Paul II. ernannte Norbert Feldhoff am 25. Juni 1992 zum Apostolischen Protonotar (der damals und aktuell einzige im Erzbistum Köln), und die Päpstliche Lateranuniversität verlieh ihm am 25. Mai 1993 die Ehrendoktorwürde Dr. iuris utriusque, den Doktor beider Rechte – des Kirchenrechts wie des römischen Rechts. Seit dem 16. September 1996 Vizepräsident des Deutschen Caritasverbandes, wählte ihn das Kölner Domkapitel am 3. Februar 2004 zum Dompropst. Nachdem er am 31. Mai 2004 auf seinen Wunsch hin als Generalvikar entpflichtet worden war, wurde er am 6. Juni 2004 als Dompropst in sein Amt eingeführt. Am 1. März 2015 ging Nobert Feldhoff mit 75 Jahren als Kölner Dompropst in den Ruhestand. Im Juni desselben Jahres wurde er neuer Kuratoriumsvorsitzender der Caritasstiftung im Erzbistum Köln und ist seitdem auch in den Vorständen und Beiräten zahlreicher anderer Stiftungen aktiv.

All das beschreibt nicht, als welchen belesenen und humorvollen Menschen und als welch klugen und frommen Seelsorger ihn seine Begleiter all die Jahre erleben durften. Was Norbert Feldhoff darüber hinaus ist, davon zeugen auch die Beiträge, die zu dieser Festschrift beigetragen haben. Sie sind Zeugnis einer Verbundenheit über das Bistum und über den Kreis von Kirche und Theologie hinaus, Ausdruck einer Sympathie und Wertschätzung, wie sie wohl nur einem ganz außergewöhnlichen Menschen und Priester zuteil wird. Viele Autorinnen und Autoren antworteten auf die Bitte an diesem Buch mitzuwirken: Wenn es einer verdient hat, dann er.

Der Wind, der den Kirchen entgegenweht, ist in den letzten Jahren aufgefrischt. Der Missbrauchsskandal erschüttert die Kirche bis ins Mark, die Kirchenmitgliedschaften sinken, man hat die Angst, dass Glaube und Kirche aus der Gesellschaft langsam heraus verdunsten. Sich dem kraftvoll entgegenzustellen und damit es auch künftig einen überzeugenden kirchlichen Dienst in säkularer Gesellschaft gibt, braucht es überzeugende Kirchenmänner und -frauen. Bei allen Fehlern, die die Kirche hat und allen Unzulänglichkeiten, die ihre Amtsträger haben mögen, es gibt auch die strahlende Seite der Kirche und der Gemeinschaft der Christen, die überzeugend wirbt für das Vertrauen auf Gott und den Glauben an seine Liebe. Dafür steht der Jubilar, und dafür bleiben wir ihm dankbar. Auch in diesem Sinne: ad multos annos !

Annette SchavanGregor Thüsing

Norbert Feldhoffund die Kunst des Politischen

Annette Schavan

Mit diesem Buch erinnern wir an die Kunst des Politischen, die Norbert Feldhoff auf eine so unnachahmliche Weise praktiziert. Damit war er erfolgreich und kulturprägend. Er hat Brücken gebaut und nachdrücklich die Relevanz des Christentums für das Leben von Menschen und den Zusammenhalt des Gemeinwesens deutlich gemacht. Er hat Gegensätze ausgehalten und für Kompromisse geworben.

Norbert Feldhoff steht für ein Verständnis von Tradition, das für Zeiten des Wandels wie für solche der Disruption geeignet ist. Was heißt geeignet? Einfach gesprochen: geeignet ist, was in solchen Zeiten hilft, ein neues Kapitel zu schreiben, mit dem der Bruch der Tradition vermieden wird – im besten Fall sogar neue Überzeugungskraft wächst. Im beruflichen Leben von Norbert Feldhoff ist der Wandel die Konstante. In jüngerer Zeit erlebt die Katholische Kirche – und also auch er – wie auf den Wandel disruptive (wie das heute so schön heißt) Ereignisse folgen. Das Zweite Vatikanische Konzil hat bereits eine Ahnung davon gehabt, dass Zeichen der Zeit mehr als Trends sind, sie vielmehr die gesellschaftliche und kulturelle Wirklichkeit grundlegend verändern und mit Brüchen verbunden sind. Gewusst hat das die Kirche also früh. Sie hat aber, worauf heute Papst Franziskus oft hinweist, bald nach dem Konzil der Mut verlassen, die neuen Einsichten ernst zu nehmen und die eigenen Beschlüsse, die einer Reformation ähnelten, umzusetzen.

Norbert Feldhoff wurde in dem Jahr zum Priester geweiht, in dem – im Herbst – das Zweite Vatikanische Konzil zu Ende ging. Wir können uns heute kaum vorstellen, wie groß die Aufbruchsstimmung in der Kirche damals war. Die Kirche hatte ihr Verhältnis zur Welt, zum Judentum und zur Ökumene gänzlich neu formuliert. Sie war entschlossen, aufmerksamer auf die Zeichen der Zeit zu achten, als „Volk Gottes unterwegs“. Es erschien manchem sogar nicht ausgeschlossen, dass die Kirche von der Welt lernen kann. Sie hat aber wohl – aus der Sicht von heute – nicht wirklich souverän und konsequent die Verhältnisse und Versuchungen innerhalb der Kirche wahrnehmen wollen. Jetzt scheint sexualisierte Gewalt in Orden und Gemeinden als Spitze eines Eisberges, der Einstellungen sichtbar werden lässt, die alle Rede von der besonderen Sicht der Christen und des Christentums auf den Menschen ad absurdum führen. Wie sehr muss das gerade jene Generation der Priester, Ordensleute und engagierten Laien treffen, die in jungen Jahren den Aufbruch in der Kirche gestaltet haben.

Norbert Feldhoff lag in allen beruflichen Stationen und in seinem öffentlichen Wirken das Gemeinwohl am Herzen. Er hat ein feines Gespür für die öffentlichen Angelegenheiten, die der Politik aufgegeben sind – in Kirche und Gesellschaft. Er hat davon gesprochen, dass nicht schon dieses und jenes Interesse zu verfolgen der Kunst des Politischen genügen kann. In der Kirche betrifft das Gemeinwohl ein zweifaches: dasjenige innerhalb der Kirche und das Gemeinwohl in der Gesellschaft, zu dem die Kirche ihren Beitrag leistet. Der Absturz der Katholischen Kirche im öffentlichen Bewusstsein wird auf dramatische Weise in einer neuerlichen Studie sichtbar, in der auf die Frage, wer zum Gemeinwohl beitrage, die Katholische Kirche auf Platz 107 von 137 Plätzen steht. Die Caritas hat einen mittleren Platz bekommen und wird unabhängig von der Kirche gesehen – eine ebenfalls bedenkliche Erfahrung. Norbert Feldhoff hat wichtige Gedanken zur Caritas als einemGrundauftrag der Kirche formuliert. Er hat um die Spannungen gewusst – und sie zu lindern versucht – im Wirken der Kirche nach innen und nach außen. Die Geschichte vom barmherzigen Samariter, von der Papst Paul VI. in seiner Abschlussrede im Konzil gesagt hatte, sie sei für die Konzilsväter der rote Faden aller Beratungen gewesen, kollidierte in innerkirchlichen Konfliktlagen immer wieder mit einer Grundhaltung, die jede Epikie ablehnt. Norbert Feldhoff wusste um den Wert der Epikie und die Würde des Kompromisses und hat das auch nie verheimlicht. So war er gerade in schwierigen Situationen ein verlässlicher Partner.

Norbert Feldhoff blieb sich selbst treu, mochte es um ihn herum auch noch so brodeln. Er avancierte zu einem der führenden und prägenden Priester in Deutschland. Er managte das Erzbistum erfolgreich. Sein programmatischer Kommentar zum Reichtum des Erzbistums: „Die Kirche ist eine Glaubensgemeinschaft und kein Wirtschaftskonzern.“ Das hinderte ihn nicht daran, die Kirche von Köln wirtschaftlich erfolgreich zu führen. Die Ernsthaftigkeit in weltlichen Angelegenheiten gehört für ihn zum Selbstverständnis des Christen. Frömmigkeit und wirtschaftlicher Sachverstand sind keine Gegensätze. Wer an Gott glaubt, nimmt die Welt ernst. Bereits 2014 schrieb er in dem gleichen Aufsatz1: „Die Kirche muss die aktuelle Debatte um ihre Finanzen ernst nehmen und angemessen darauf reagieren. Nur so kann verloren gegangenes Vertrauen zurückgewonnen werden.“ Ernst nehmen bedeutet für ihn: Transparenz, überzeugende Regelwerke und Prioritäten, die der Glaubensgemeinschaft und eben nicht dem Wirtschaftskonzern gerecht werden. In heutiger Sprache heißt das so viel wie: nachhaltige Finanzpolitik der Kirche, die künftigen Generationen und ihrem kirchlichen Handeln Rechnung trägt.

Norbert Feldhoff weiß um die Kunst des Politischen angesichts divergierender Meinungen und Standpunkte in der Kirche und in seinem Erzbistum. Hier gab und gibt es ja genug Anschauungsmaterial dazu. Er beherrscht die Kunst des Politischen wie kaum ein anderer. Er war nie ein Scharfmacher; er steht loyal zum jeweiligen Oberhirten und weiß zugleich um die Zeichen der Zeit. Er wahrte die Eigenständigkeit seines Domes, als es um das Kirchenfenster von Gerhard Richter ging. Er „knipste“ das Licht am Dom aus, als die Pegida sich in Köln anmeldete. Sie verlor dann bald die Lust an öffentlicher Demonstration in der rheinischen Metropole. Norbert Feldhoff ist ein entschiedener Mensch in den Fragen des Glaubens und seiner rheinischen Frömmigkeit. Konsequent setzt er die richtigen Zeichen zur rechten Zeit. Er verteidigt den Wert des Kompromisses gegenüber den Anhängern der Kompromisslosigkeit, wenn es um die vorletzten Fragen geht.

Der rheinische Katholizismus, der mit einem großen Gestaltungswillen verbunden ist, weil er den Glauben und die Welt ernst nimmt, ist heute – auch in Köln – ein anderer geworden als in der Zeit des Aufbruchs nach dem Konzil. Stadtgesellschaften sind jetzt religiös plural. Sie brauchen mehr denn je Mittler und Brückenbauer. Scharfmacher sind Friedensgefährder. Es braucht jene, die gesprächsfähig sind, neugierig bleiben und den Dialog führen – mit den Kräften in der Stadtgesellschaft, mit den anderen Konfessionen und Religionen. Norbert Feldhoff ist ein herausragender Brückenbauer in einer unnachahmlichen Art, zu der auch seine Diskretion und seine Nachdenklichkeit gehören.

Auf die Frage, ob die Staatsleistungen nicht längst überfällig sind, antwortet er in dem bereits zitierten Beitrag2: „Ich weiß es nicht und ich behaupte, dass es niemand wirklich weiß.“ Darauf folgt der Hinweis auf die Kirche als Glaubensgemeinschaft. „Die Einheit im Glauben hat noch lange nicht zur Folge, dass kirchliche Vermögen sehr unterschiedlicher Träger wirtschaftlich zusammengerechnet werden können.“ Er schreibt über wichtige soziale und kulturell prägende Aufgaben, die die Kirche mit ihren diversen Trägern wahrnimmt. Er macht Gesprächsangebote. Er eifert nicht. Manche Debatte ist erst durch seine Beiträge zu jener Detailkenntnis gekommen, die ein sachkundiges Urteil möglich macht. So war es übrigens auch mit seinem Einsatz für die Caritas als Grundvollzug der Kirche. Während andere darüber debattierten, ob das denn alles noch nötig sei, lieferte er eine Theologie der Caritas. Gottesdienst und Menschendienst sind für ihn keine Alternativen. Zusammen genommen machen sie das Proprium der Kirche aus. Heute ist das die Botschaft von Papst Franziskus, der die Barmherzigkeit die stärkste Kraft des Herrn nennt.

Norbert Feldhoff ist ein rheinischer Katholik. Der rheinische Katholizismus ist eine spezifische, kulturell und mental geprägte Haltung der Frömmigkeit, zu deren DNA das Interesse für und die Sorge um das Gemeinwesen gehört. Rheinische Katholiken suchen keine Nischen, in denen sie gleichsam abtauchen und Sonderwelten begründen. Sie verstehen sich als Teil des Gemeinwesens und gehen von einem positiven Verständnis des Menschen aus. Sie mögen Menschen und sie mögen die Welt. Manchmal unterstellt man ihnen Liberalität oder gar Laxheit. Rheinische Katholiken meinen es aber ernst mit ihrer positiven Grundhaltung zu den Angelegenheiten der Welt, von denen sie wissen, dass die Kirche darin nicht aufgeht, gleichwohl daran Anteil hat.

Norbert Feldhoff ist ein Glücksfall für die Kirche in Deutschland, für das Erzbistum Köln. Er war für uns in der Gemeinde Hl. Dreikönige ein Glücksfall, als er dort als Kaplan eingesetzt war. Auch aus dieser Zeit rühren meine Erinnerungen an ihn. Er war für mich prägend. Er hat in allen Stationen seines beruflichen und öffentlichen Lebens einen großen Gestaltungswillen und so viel Überzeugungskraft gezeigt, wie sie heute schmerzlich in weiten Teilen der Kirche vermisst wird.

1 Norbert Feldhoff, Wie reich ist die Kirche in Deutschland, Stimmen der Zeit 139 (2014)

2 Norbert Feldhoff, Wie reich ist die Kirche in Deutschland, Stimmen der Zeit 139 (2014)

Mehr als Paragraphen

Gedankensplitter für ein zu erneuerndes Kirchliches Arbeitsrecht

Peter Beer

I. Problematisches

Es gibt sie, die Menschen, die Freude an ihrer Arbeit haben. Sie gehen gerne zur Arbeit, freuen sich auf die Begegnung mit den Kolleginnen und Kollegen und wenn es einmal sein muss, dann schauen Sie auch nicht peinlich genau in immer kürzeren Intervallen auf die Uhr, um auf jeden Fall und auf dem schnellsten sowie erstbesten Weg den Betrieb wieder zu verlassen. Ohne sich von Arbeitgeberseite über den „Tisch ziehen“ lassen zu müssen, identifizieren sie sich so mit ihrer Tätigkeit, dass sie bereit sind, sich persönlich einzubringen. Das ist die eine Seite der Medaille. Denn es gibt auch Arbeitsverhältnisse, die geradezu gegenteilig erlebt und durchlitten werden. Nicht umsonst gibt es dafür einschlägige Bezeichnungen: Schinderei, Plackerei, elende Maloche, Quälerei, Hamsterrad und so weiter und so fort. Man mag es auf kirchlicher Seite so gar nicht recht glauben wollen, weil es doch (immer noch) so viele engagierte Leute gibt und man sich selbst als Wertegemeinschaft definiert oder sich zumindest so verstehen und darstellen will: aber auch im Verantwortungsbereich der Kirche gibt es im Kontext Arbeit Gründe, warum solche kirchlichen Arbeitsverhältnisse mit eher negativen Konnotationen verbunden und mit nicht weniger kritischen Begriffen belegt werden. Als Anlass dafür gilt z. B. nicht Wenigen die gegenwärtige Verfasstheit der Kirche, näher hin ihr dramatischer Glaubwürdigkeits- und Vertrauensverlust im Zusammenhang mit dem weltweiten Missbrauchsskandal, der sich auch auf den einzelnen Arbeitnehmer/die einzelne Arbeitnehmerin auszuwirken beginnt. Sie werden angesprochen, werden gefragt, wie sie für einen solchen „Verein“ tätig sein können und man stellt damit gleich ihre eigene moralische Integrität in Frage, obwohl doch eigentlich die derjenigen gemeint sein müsste, die die Verantwortung für den Skandal tragen. Gleichzeitig tun sich die so gescholtenen kirchlichen Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen immer schwerer damit, die ihnen auferlegten Loyalitätsobliegenheiten nachvollziehen und somit auch akzeptieren zu können. Sie empfinden diese Obliegenheiten nicht selten als übergriffig und ihrer Eigenverantwortung zuwiderlaufend. Spätestens ab diesem Punkt wird deutlich, dass kirchliches Arbeitsrecht als ein Ausdruck der Organisationsform kirchlicher Arbeitsverhältnisse weit über den rechtlichen Aspekt hinaus in den Bereich der Frage nach dem Sinn, der Bedeutung und dem Deutungshorizont von Arbeit hineinreicht. Damit ist zugleich angezeigt, dass die rechtliche Diskussion über das kirchliche Arbeitsrecht dringend von einer eher theologisch-sozialethischen Diskussion nicht nur peripher sekundiert sondern gleichberechtigt begleitet werden muss. Gerade was letztere angeht, so ist es nachdrücklich auch Sache der Theologie das basal festzulegen, was es denn kirchenspezifisch überhaupt zu regeln gilt, was den Regelungsgegenstand ausmacht, und zu bedenken, ob der Regelungsbestand, also das bestehende Regelwerk kirchlichen Arbeitsrechts, jenem basalen Regelungsgegenstand grundlegend entspricht. Wirft man einen Blick auf das, was Theologie bzw. katholische Sozialethik zum Thema „Arbeit“ sagen und setzt man dies in Beziehung zu dem, wie kirchliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter das kirchliche Arbeitsrecht teilweise empfinden, dann können einem da schon gewisse Zweifel kommen, ob die soeben skizzierte Aufgabenstellung in ausreichendem Maße erfasst bzw. erledigt wurde.

II. Theologisches

Wirft man nur einen kurzen Blick in das „Kompendium der Soziallehre der Kirche“ des Päpstlichen Rates für Gerechtigkeit und Frieden von 2004 (hier besonders das Sechste Kapitel im Zweiten Teil), dann lässt sich dort ein hehr gezeichnetes Bild der menschlichen Arbeit entnehmen.3 Einige wenige Aspekte davon seien nachfolgend exemplarisch kurz angeführt.

Menschliche Arbeit bedeutet Teilhabe am Schöpfungs- und Erlösungswerk Gottes. Durch Arbeit gestalten Menschen die Schöpfung Gottes mit und tragen dazu bei, die gemeinsamen Lebensbedingungen zu verbessern, im gemeinsamen Tun Solidarität zu üben. In und mit der Arbeit entwickeln sie Fähigkeiten und Kompetenzen eine gerechtere Gesellschaft mitzugestalten und schaffen die Bedingungen der Möglichkeit Freiräume für Kunst und Kultur sowie religiöses Leben zu schaffen. Die Arbeit ist Teil der Selbstermächtigung des Menschen, indem er sich selbst als Person entdeckt und seine Stärken und Schwächen, Potenziale und Grenzen erkennt. Gleichzeitig kommt mit der Arbeit die eigene Persönlichkeit zum Ausdruck. Die Ergebnisse, die Produkte der eigenen Arbeit sind insofern ein Stück weit ins Materielle gebrachte Ideen, Einstellungen, Haltungen zu sich selbst, zu den Mitmenschen, zur Welt als solcher. Wer sorgfältig mit seinem Werkstoff umgeht, nachhaltig Ressourcen verwendet, gewissenhaft Arbeitsziele umsetzt, sich in verantwortungsvoller Weise in den Wirtschaftskreislauf einbringt, sagt genauso viel über sich selbst aus wie diejenigen, die z. B. nur pro forma im Modus der Ehrlichkeit arbeiten, Leistung und Anstrengung vortäuschen. Arbeit bringt aber nicht nur Persönlichkeit zum Ausdruck, sie schafft auch wichtige Grundlagen dafür, sich als eigenständige Person erfahren zu können, indem sie wesentlich zum Selbstwertgefühl beiträgt. In der Arbeit und den dazugehörigen Prozessen können die Arbeitenden erfahren, dass sie – und zwar sie ganz persönlich – gebraucht werden; sie können ihr Können demonstrieren und Anerkennung gewinnen; Sie sind mit der entlohnten Arbeit in der Lage ihre Lebensgrundlagen selbständig zu schaffen und zu erhalten, was die eigene Unabhängigkeit bzw. die Erfahrung von Freiheitsgraden erhöht; mit Lohn und Arbeit können andere unterstützt, kann anderen geholfen werden, sodass sich der Einzelne als starkes Mitglied einer größeren Gemeinschaft verstehen kann. Das Erleben der Teilhabe an einer solchen Gemeinschaft entspricht der Verfasstheit des Menschen als soziales Wesen, das in der unangemessenen Vereinzelung und/oder Isolation Verlorenheit und Unglück erfährt.

III. Praktisches

Damit die Sichtweisen auf und das Verständnis von Arbeit gemäß der Soziallehre der Kirche nicht im Theoretisch-Abstrakten verbleiben, sondern für Arbeitsverhältnisse im Verantwortungsbereich der Kirche praktisch werden, bedarf es einiger wesentlicher Voraussetzungen, die das Fundament für entsprechende arbeitsrechtliche Regelungen darstellen können.

Die schon erwähnte Teilhabe am Schöpfungs- und Erlösungswerk Gottes deutet es bereits an. Es braucht eine grundsätzliche Vision, an der sich das Thema Arbeit verorten lässt und woraus sich Sinn und Zweck menschlicher Arbeit ableiten lassen. Eine solche Vision, ist sie denn klar und kann sie geteilt werden, macht es möglich im positiven Sinne stolz auf das eigene Tun zu sein, weil man sich als Teil von etwas Größerem verstehen kann, das immer wieder neu herausfordert. Arbeit ist in diesem Kontext nicht ein bloß mechanisches Wiederholen bzw. Abspielen festgelegter Abläufe, sondern sinnvolles Tun, das über den Moment hinaus Bestand hat.

Die Selbstermächtigung des Menschen, wie sie sich aus der Arbeit nach der Sicht der katholischen Soziallehre ergibt, setzt voraus, dass die Arbeitenden genügend Freiräume dafür haben. Vorschriften und Vorgaben bis ins kleinste Detail, deren Einhaltung mehr oder weniger lückenlos überwacht und bei Verstößen dagegen rigoros sanktioniert werden, lassen es wohl kaum gerechtfertigt erscheinen, auch nur ansatzweise an Selbstermächtigung zu denken. Das Gleiche gilt in den Fällen, in denen ein bestimmtes, auf die Organisation von Arbeitsverhältnissen abzielendes Regelwerk zwar breitmaschiger sein mag, aber an sich z. B. auf Grund mangelnder Konsistenz nicht verständlich und/oder als Ganzes in seinen Grundlagen und wahren Zielsetzungen nicht mehr verstehbar ist. In Folge davon bleiben dann auch das eigene Berufsverständnis und damit zusammenhängend das Verständnis der Eigenart der jeweiligen Arbeit bzw. Betriebsstätte, das das eigene Berufsverständnis kontextualisiert, rätselhaft. Wenn man jemandem die Chance nicht gibt, zu verstehen warum, wozu, weshalb er/sie etwas tut, dem/der nimmt man letztendlich auch eine wesentliche Chance zur Selbstermächtigung, zum Verstehen seiner/ihrer selbst und dem eigenverantwortlichen Umgang mit sich selbst, seinem Engagement, seinem Gestaltungswillen.

Wenn nach der katholischen Soziallehre in der Arbeit die jeweils eigene Persönlichkeit der Arbeitenden zum Ausdruck kommt, dann braucht es dazu aber voraussetzungsgemäß im und um den Arbeitskontext Differenzierungen, die nicht alle Arbeitenden über einen Kamm scheren, wenn es z. B. um Anforderungen, Aufträge, Kompetenzzuschreibungen, Verantwortungsgrade etc. geht. Nicht jeder muss alles können, aber jeder muss zum Ganzen der Zielsetzung einer Arbeitsorganisationseinheit beitragen. Dies entspricht nicht nur der Entwicklung hin zu einer immer arbeitsteiligeren Gesellschaft, in der die Individualität der einzelnen Arbeitenden dem gemeinsamen Ergebnis nicht entgegensteht. Es entspricht auch dem Gedanken der Bereicherung der Kooperation durch Pluralität bzw. Diversität. Dass durch Arbeit das Selbstwertgefühl gestützt wird, schließt Beteiligungs- und Mitsprachemöglichkeiten mit ein. Vor allem, wer sich äußern kann und wessen Äußerungen so wahr- und angenommen werden, dass sie etwas bewirken, der kann einen Eindruck davon gewinnen, wie er oder sie wertgeschätzt werden, was wiederum das Selbstwertgefühl stärkt.

Das bloße unhinterfragbare Entgegennehmen von Anweisungen kann dies nicht bewirken. Im Gegenteil: man erlebt sich als abhängiges kleines Rädchen im großen Getriebe, unbedeutend, weil beliebig austauschbar. In diesem Sinne greift eine reine Teilhabe an einer größeren Gemeinschaft zu kurz, wenn ihr eine nähere Spezifikation über die Idee der Gerechtigkeit fehlt und somit die Teilhabe nicht grundsätzlich gleichberechtigt ist. Einer solchen gleichberechtigen Teilhabe stehen auch unterschiedliche Rollen innerhalb einer Gemeinschaft nicht entgegen, solange eben diese Rollen gleichberechtigt dazu beitragen, die Gemeinschaft mitzugestalten.

Fassen wir also nochmals kurz zusammen. In den vorhergehenden Überlegungen sollte deutlich werden, dass das Verständnis von Arbeit nach kirchlicher Soziallehre auf bestimmte Voraussetzungen angewiesen ist, um von der Theorie in die Praxis, von der Abstraktion in die Konkretion zu kommen. Diese Voraussetzungen sind das Vorhandensein einer Vision, in der sich Arbeit verorten lässt; das Bestehen von Freiräumen und Verstehensmöglichkeiten in Bezug auf die jeweils eigene Arbeit; die Möglichkeit von Beteiligung und Mitsprache; die gleichberechtigte Teilhabe an einer großen Gemeinschaft. Als nächstes stellt sich die Frage, wie sich diese Voraussetzungen in der kirchlichen Arbeitsrechtssatzung konkret niederschlagen bzw. auswirken können und notwendigerweise Berücksichtigung finden.

IV. Notwendiges

Im Kontext bisheriger Diskussionen über das kirchliche Arbeitsrecht wird oftmals der sogenannte Verkündigungsauftrag in den Mittelpunkt gestellt. Einmal davon abgesehen, dass dabei nicht oder so gut wie nicht erläutert wird, was dieser Auftrag denn genau sein soll, dient die Verwendung des Begriffs Verkündigungsauftrag dazu, jenen Visionsrahmen abzustecken, innerhalb dessen kirchliche Arbeitnehmer ihre Arbeit verorten können und sollen. Auch wenn dies jetzt hier nicht näher ausgeführt werden kann, so entsteht nicht selten der Eindruck, dass der Verkündigungsauftrag in eins gesetzt wird mit katechetischen Bemühungen, die auf eine Erschließung des Wortes Gottes abzielen. Die Folge eines solchen wortlastigen Verständnisses des Verkündigungsauftrags führt dann dazu, dass viele kirchliche Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen jener Vision verlustig gehen, die sie für die sinnhafte Kontextualisierung ihrer Arbeit bräuchten, denn viele von ihnen, wie z. B. jene in den Bereichen Caritas, Finanzen, Technik, Soziales, haben ihren Arbeitsschwerpunkt eben nicht im strengen Sinn auf dem Feld der Katechese. Die Folge davon ist, dass eine wesentliche Grundlage für das kirchliche Arbeitsrecht in diesen Bereichen entfallen würde, obwohl die dort arbeitenden Menschen für den Dienst der Kirche in der Welt nicht unbedeutend sind und daher auch zur so oft beschworenen Dienstgemeinschaft gehören sollten. Vor diesem Hintergrund ist es sicherlich nicht falsch die These zu vertreten, dass die Rede vom Verkündigungsauftrag zur Markierung der Vision, in deren Rahmung sich kirchliche Arbeitsverhältnisse verorten ließen, ungeeignet bzw. nicht zutreffend ist. Ein weit geeigneterer Begriff wäre der des Sendungsauftrags. Er bezeichnet jenes Handeln in der Welt, das zur Errichtung des Reiches Gottes als Reich des Friedens, der Gerechtigkeit, der Hoffnung, der Freude und der Liebe beiträgt und das sich in unterschiedlichster Weise realisiert. Dieses Handeln lässt mehr Variationsbreite und Intensitätsgrade zu, als die mehr oder weniger alleinige Konzentration auf den ausdrücklichen Wortcharakter des Verkündigungsauftrags. Der Einsatz für eine gerechte, friedvolle Welt z. B., kennt auch die Ökumene der Anders- und Nichtglaubenden, die sich in Bezug auf das Wort Gottes und damit zusammenhängende Lehrgebäude als wesentlich schwieriger erweist. So kann es z. B. kirchliche Mitarbeitende geben, die zwar nicht die christlichen Glaubensinhalte teilen können, sich jedoch mit voller Überzeugung und ganzem Engagement die Ziele der Veränderung der Welt im Sinne des Reiches Gottes zu eigen machen und damit für die Kirche z. B. im Bereich der Krankenpflege und Sozialarbeit größte Bedeutung haben können.

Dass die Beteiligung am Sendungsauftrag der Kirche nicht konsequenzlos bleiben kann, ergibt sich aus der Einsicht, dass der Einsatz für Gerechtigkeit, Frieden, Hoffnung auf Glaubwürdigkeit angewiesen ist. Andernfalls wäre er in sich widersprüchlich und damit unwirksam. Gerechtigkeit und Frieden beispielsweise bauen auf Grundhaltungen der dabei interagierenden Menschen auf, die sich nicht auf bestimmte Dienstzeiten beschränken lassen, sondern sich gerade durch ihre Verlässlichkeit und Beständigkeit definieren. „Part-Time“-Gerechtigkeit gibt es nicht, sie wäre allenfalls Kalkül um in bestimmten gesellschaftlich-sozialen Konstellationen gut anzukommen. Um die schon erwähnte Glaubwürdigkeit zu sichern und die Eigenart des Einsatzes für das Reich Gottes im Sendungsauftrag zu markieren, bedarf es jener Loyalitätsverpflichtungen, die das berufliche Handeln aber auch darüber hinausgehende Lebensvollzüge betreffen, eben weil es das, um was es beim Reich Gottes geht, nicht in Teilzeit geben kann. Der Arzt des kirchlichen Krankenhauses kann eben nicht nebenher in Eigenregie als Nebentätigkeit eine professionelle, gewinnorientierte Sterbehilfeklinik betreiben; genauso wenig wie der kirchliche Religionslehrer in seiner Freizeit als Hauptagitator gegen die kirchliche Glaubenslehre in einem Atheisten- oder Agnostikerverband auftreten kann. An diesen beiden Beispielen wird deutlich, dass sich die Loyalitätsverpflichtungen als Sicherungsmaßnahmen für Glaubwürdigkeit aus der konkreten Tätigkeit bzw. dem entsprechenden Berufsfeld und der Berufsgruppe ergeben. Glaubwürdigkeit und deren Sicherung durch Loyalitätsobliegenheiten können jeweils nur oder zumindest wesentlich konkret erschlossen bzw. abgeleitet und nicht abstrakt generell vorgegeben werden. In diesem Sinne gilt es dann auch sogleich festzustellen, dass ein Konzept von mehr tätigkeits- und einrichtungsspezifischen Loyalitätsobliegenheiten zur Sicherung der Glaubwürdigkeit kirchlichen Handelns jenem entgegensteht, das Loyalitätsobliegenheiten als katechetische Instrumente missversteht, um über arbeitsvertragliche Elemente ein bestimmtes „Glaubenslevel“ bei kirchlichen Mitarbeitenden abzusichern. Das vorgeschlagene Verständnis von Loyalitätsobliegenheiten als Instrument zur Sicherung von Glaubwürdigkeit steht darüber hinaus ebenfalls jenem entgegen, welches Loyalität mit Totalidentifikation verwechselt. Loyalität meint die Übereinstimmung in den wesentlichen handlungsleitenden Zielen, auch wenn es in anderen Punkten eine bestimmte Identifikationsvarianz gibt. Damit werden Handlungsspielräume eröffnet, die nicht Willkür bedeuten, weil sie durch die Loyalitätsobliegenheiten gefasst werden. Jene Fassung selbst kann aber auch vernünftig nachvollzogen werden, sie baut nicht auf absolut autoritärer Vorgabe auf, sondern sie erfährt eine plausible auf der beruflichen Tätigkeit und eben institutioneller Fassung beruhende Herleitung.

Die Differenzierung hinsichtlich der Loyalitätsobliegenheiten ermöglicht auch eine differenzierte Wahrnehmung der kirchlichen Arbeitnehmerschaft und somit des einzelnen Arbeitnehmers innerhalb einer Einrichtung, sei es im Kindergarten, Schule, Sozialstation o.ä. Ein kirchlicher Arbeitnehmer/eine kirchliche Arbeitnehmerin muss nicht alle Loyalitätsobliegenheiten – wie vorausgehend dargestellt – erfüllen, die es innerhalb einer Einrichtung auf Grund der dortigen Tätigkeitsfelder und der Eigenart der Einrichtung gibt. Nicht der Einzelne/die Einzelne hat die ganze Last aller Loyalitätsobliegenheiten zu tragen, alleine für die Glaubwürdigkeit einer Einrichtung als Ganzes zu sorgen, quasi als „Einzelkämpfer“/„ Einzelkämpferin“ in rechter Weise für die Erfüllung jenes Teils des Sendungsauftrags zu sorgen, den eigentlich eine Einrichtung in ihrer Gesamtheit zu erfüllen hat. Insofern kann man folgerichtig auch von einem einrichtungs- bzw. institutionenorientierten Ansatz des kirchlichen Arbeitsrechts sprechen, der sich von einem personenzentrierten Ansatz in der Hinsicht unterscheidet, dass er das differenziert Gemeinsame im Blick auf Sendungsauftrag und Glaubwürdigkeit unterstreicht.

Soll dieses Gemeinsame durchgängig greifbar sein und auch einen Beitrag zur Hebung des Selbstwertgefühls kirchlicher Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen leisten, wäre es vorteilhaft, wenn die Betroffenen selbst bei der Festlegung der von ihnen zu beachtenden Loyalitätsverpflichtungen beteiligt wären und es für sie Mitsprachemöglichkeiten gäbe. Damit würde sich nicht nur die Versteh- und Nachvollziehbarkeit dieser Obliegenheiten erhöhen, in deren Ausbuchstabieren würde auch noch einmal die gemeinsame Verantwortung für das gemeinsame Handeln unterstrichen.

Eine Stärkung des Gemeinsamen bzw. der Teilhabe an selbigem würde auch ein Überdenken des Terminus „Dienstgemeinschaft“ bedeuten. Es lässt sich nicht ganz von der Hand weisen, dass der bisherigen Fassung dieses Begriffs ein gewisses Gefälle zwischen Dienstgebern und Dienstnehmern inhärent ist, das seiner eigentlichen Zielrichtung zuwiderläuft. Während in dieser Dienstgemeinschaft die kirchlichen Arbeitnehmer Loyalitätsobliegenheiten zu beachten haben, ist dies bei den kirchlichen Arbeitgebern die Fürsorgepflicht gegenüber den kirchlichen Arbeitnehmern. Damit entsteht der Eindruck, als hätten die kirchlichen Arbeitgeber anders als die kirchlichen Arbeitnehmer keine Loyalitätspflichten gegenüber dem Sendungsauftrag zu erfüllen. Die Idee der Dienstgemeinschaft von kirchlichen Arbeitnehmern und Arbeitgebern als gemeinsamem Dienst (wenn auch mit verschiedenen Rollen und Aufgabenstellungen) am Sendungsauftrag wird damit letztlich ad absurdum geführt. Es bedarf sicherlich noch mannigfacher Überlegungen zur genaueren Fassung von Loyalitätsobliegenheiten der kirchlichen Arbeitgeber gegenüber dem Sendungsauftrag der Kirche. Doch auch wenn dies noch einige Zeit in Anspruch nehmen wird, drängt nicht minder die Zeit, sich dieser Aufgabe zu stellen. Wie diese Aufgabe drängt, wird in unseren Tagen umso deutlicher, je mehr jene Verhaltensweisen von Vertretern der kirchlichen Arbeitgeberseite die Glaubwürdigkeit des kirchlichen Handelns als Ganzes in Frage stellen und damit auch kirchliche Arbeitnehmer unverschuldet gesellschaftlich in schwere Bedrängnis bringen. Natürlich muss es dann bei einem solchen Klärungsprozess bezüglich der Loyalitätsobliegenheiten kirchlicher Arbeitgeber auch darum gehen, auszubuchstabieren was es bedeutet, wenn jene Arbeitgeber gegen die für sie relevanten Loyalitätsobliegenheiten verstoßen.

V. Zukünftiges

Die gerade im vorhergehenden Abschnitt benannten Punkte, die es notwendigerweise für eine Erneuerung des kirchlichen Arbeitsrechts zu bedenken, zu diskutieren und auszuführen gilt, sollten dazu beitragen, kirchliches Arbeitsrecht weder zu unterschätzen noch zu überschätzen.

Kirchliches Arbeitsrecht „nur“ als Paragraphenwerk zu sehen und diesbezügliche Veränderungen hauptsächlich als Wortklauberei zu klassifizieren, würde ein Unterschätzen bedeuten. Kirchliches Arbeitsrecht und die damit eng zusammenhängende konkrete Organisation von Arbeitsverhältnissen hat Teil am Zeichen- und Werkzeugcharakter der Kirche selbst. An der Art und Weise wie die Kirche die Arbeitsverhältnisse organisiert, zeigt sich, was ihr wichtig ist; zeigt sich, was mit der Formulierung Auferbauung des Reiches Gottes gemeint ist; erweist sich, was dieses Reich Gottes ist. Zugleich aber verändert die Kirche mit ihrer exemplarisch vorgelebten Organisation kirchlicher Arbeitsverhältnisse tatsächlich schon ein Stück weit real die Arbeits- und Lebensverhältnisse; Ist die Kirche Werkzeug für die Veränderung der Welt im Sinne der Auferbauung des Reiches Gottes, motiviert sie mit ihrem Beispiel schon jetzt andere, es ihr gleich zu tun, setzt sie Veränderungsbewegungen in Gang. Im Umkehrschluss bedeutet dies dann aber auch: Eine im Sinn der katholischen Soziallehre unangemessene Gestaltung kirchlicher Arbeitsverhältnisse widerspricht dem Wesen der Kirche selbst als Zeichen und Wirkung für die Veränderung der Welt im Sinne des jesuanischen Sendungsauftrags.

Eine Überschätzung kirchlichen Arbeitsrechts würde es bedeuten, wenn davon ausgegangen wird, eine juristische Auseinandersetzung bzw. Beschäftigung mit den in diesen Überlegungen angesprochenen Punkten wäre ausreichend. Es bedarf dringend einer adäquaten Einstellungs-, Haltungs- und Blickrichtungsänderung! Theologen sollten die Einstellung zum kirchlichen Arbeitsrecht insofern ändern, als sie es als ihre ureigene Angelegenheit annehmen und bearbeiten. Dienstgeber- und Dienstnehmer sollten insofern eine Haltungsänderung anstreben, als sie sich zunehmend ihres gemeinsamen Auftrags bewusst werden und davon wegkommen, das im weltlichen Bereich übliche Gegenüber von Arbeitgeber und Arbeitnehmer im kirchlichen Bereich nur mit leichten Modifikationen einfach widerzuspiegeln. Die Gesetzgeber kirchlichen Arbeitsrechts sollten ihre Haltung dahingehend ändern, dass sie ihre Aufmerksamkeit verstärkt auf den in Frage stehenden Regelungsgegenstand lenken, ohne sich im Klein-Klein juristischer Formulierungen zu verlieren, für die sie im Zweifelsfall sowieso nicht ausreichend eigenständig qualifiziert sind.

Letztendlich bleibt es abzuwarten, ob eine Erneuerung des kirchlichen Arbeitsrechts entlang den aufgezeigten Linien eine Wirkung entfaltet, die sich an dieser Aussage festmachen lässt: Menschen möchten in ein kirchliches Arbeitsverhältnis nicht trotz, sondern wegen des kirchlichen Arbeitsrechts eintreten. Und sie möchten dies deshalb, weil das kirchliche Arbeitsrecht eine Vision von Arbeit durchscheinen lässt, die diese sinnvoll erfahrbar macht; Freiräume für Selbstermächtigungsprozesse im Modus des Verstehens eröffnet; die Individualität der Arbeitenden differenziert zum Tragen bringt; Beteiligungs- und Mitspracherechte zuspricht, die es anderswo vielleicht so nicht gibt und eine gleichberechtigte Teilhabe an einer Gemeinschaft ermöglicht, von der man in anderen Kontexten nur träumen kann. Ein so erneuertes kirchliches Arbeitsrecht würde sicherlich auch zur Glaubwürdigkeit der Kirche selbst beitragen, weil sie auf diese Weise belegen könnte, dass das, was sie nach außen verbindet und dort von Anderen fordert, in ihrem Inneren eindeutig verwirklicht wird.

3 Für die deutsche Ausgabe: Päpstlicher Rat für Gerechtigkeit und Frieden (2006) Kompendium der Soziallehre der Kirche, Freiburg im Breisgau: Herder, hier v.a. S. 199 – 239.

Kollektive Konflikte in kirchlichen Einrichtungen

Hat sich die Rechtslage seit 2012 weiterentwickelt?

Klaus Bepler

Norbert Feldhoff war als Vize-Präsident des Deutschen Caritasverbandes und Vorsitzender der Arbeitsrechtlichen Kommission eng mit den rechtlichen und vermutlich auch mit den gelegentlichen menschlichen Problemen des Dritten Weges befasst. Wie ich ihn in anderen Zusammenhängen kennen gelernt habe, bin ich sicher, dass er dort höchst kompetent, sachbezogen und zielorientiert gearbeitet, dabei aber nie das praktische Gebot der Nächstenliebe und den Humor aus den Augen verloren hat. Er hat also auch dort so gehandelt, wie man sich als Christ einen modernen Priester in der Welt wünscht. Es ist deshalb nicht ganz unproblematisch, aber hoffentlich vertretbar, ihm einen Beitrag zu widmen, der sich mit einem Bereich befasst, in dem notwendige und in aller Regel fruchtbare Konflikte nicht intern, „lautlos“, bewältigt werden können: Es soll um die rechtlichen Bedingungen für die kollektive Konfliktaustragung und Konfliktbewältigung in kirchlichen Einrichtungen gehen, in denen Arbeitnehmer beschäftigt werden, und darum, ob und wie sich die Rechtslage seit der Rechtsprechung zum Streikverbot in kirchlichen Einrichtungen aus dem Jahre 2012 entwickelt hat.

I. Kirchenautonomie und staatliche Rechtsordnung

Es ist das Recht jeder Gruppe von Menschen, sich zu organisieren und für die Bewältigung ihrer internen Konflikte Wege vorzusehen, die sie für richtig halten. Sie können und werden sich dabei im Zweifel an den ideellen Prinzipien und Zielen orientieren, auf denen ihre Zusammengehörigkeit gründet. Diese Autonomie steht jedem Einzelnen, jeder Gruppe von Einzelnen, aber auch fester organisierten Einheiten zu, die sich aufgrund der Willensübereinkunft ihrer Mitglieder gebildet und am Leben erhalten haben. Im Rechtsraum ruht dieses Recht für das Individuum auf Art. 2 und Art. 9 und für die Organisation vielfach auch auf Art. 9 Abs. 1 und/oder Abs. 3 GG. Wegen der Verbindung organisatorischer Entscheidungen mit den die Organisation und ihre Mitglieder einenden Grundüberzeugungen wird vielfach auch die grundgesetzlich garantierte unverletzliche Freiheit des Glaubens und des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses (Art. 4 GG) betroffen sein. Für die Kirchen tritt mit Art. 140 GG und dem dort inkorporierten Art. 137 der Weimarer Reichsverfassung (WRV) eine verfassungsrechtliche Absicherung der korporativen Dimension der Religionsfreiheit1 hinzu. Sie hebt die Religionsgesellschaften gegenüber den sonstigen Vereinigungen hervor und ist Grundlage für ein eigenständiges Recht der religiösen Vereinigungen.2

Für den dem staatlichen Recht verpflichteten Juristen eröffnet sich ein Arbeitsfeld, wenn die Gruppe oder Organisation für bestimmte Teilbereiche ihren allein durch die Binnenautonomie geprägten Raum verlässt und in den staatlichen Rechtskreis eintritt.3 An Autonomie gewohnte Personen oder Organisationen haben dabei typischerweise das sehr engagiert verfochtene Ziel, auch bei Kontakten nach außen ihre Autonomie und das autonom Geschaffene so weit wie möglich aufrecht zu erhalten. Das schafft Probleme. Ein zweiter Aufgabenbereich wird eröffnet, wenn Gruppe oder Organisation in eine – nicht notwendig freiwillige – Berührung mit Trägern konkurrierender Rechte kommen. Kommt es dann zu Konflikten, bedarf es zunächst der Gewichtung der Rechtspositionen. Bei Gleichgewichtigkeit müssen die einander gegenüberstehenden Rechtspositionen miteinander abgeglichen werden. Ziel dieser Gedankenoperation muss es sein, die jeweils verfassungsrechtlich garantierten Rechte beiderseits möglichst weitgehend wirksam zu erhalten.4

II. Kirchliche Arbeitsverhältnisse und staatliches Arbeitskampfrecht

Das vieldiskutierte Thema Arbeitskampf und Kirche gehört in den angesprochenen zweiten Bereich. Zu einer grundlegenden Stellungnahme war das Bundesarbeitsgericht im Jahre 2012 aufgerufen. Es fällte dazu am 20. November 2012 ein Urteil, das für die katholische Kirche und ihre Einrichtungen unmittelbar einschlägig ist, weil es sich mit dem Dritten Weg5 befasst.6 Auf ihm entstehen im katholischen Bereich durchgängig die kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen, die arbeitsvertraglich in Bezug genommen und so zum maßgebenden Inhalt der Arbeitsverhältnisse werden.

Im Rechtsstreit ging es um die Klage verschiedener kirchlicher Einrichtungen, deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von der beklagten Gewerkschaft ver. Di zu Warnstreiks aufgerufen worden waren. Dies war geschehen, nachdem sich die Einrichtungen unter Hinweis auf das für sie maßgebende, konkret aber stockende Arbeitsrechtsregelungsverfahren des Dritten Weges geweigert hatten, in Tarifverhandlungen einzutreten. Die Einrichtungen machten geltend, Streikaufrufe seien ihnen gegenüber rechtswidrig. Sie verletzten das kirchliche Selbstbestimmungsrecht aus Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 137 Abs. 3 WRV. Dieses Recht erlaube es den Kirchen, die privatrechtlich begründeten Arbeitsrechtsverhältnisse am Leitbild der christlichen Dienstgemeinschaft7 auszurichten. Dieses beruhe auf dem Bekenntnis, dass alle dort beschäftigten Dienstnehmer in Gemeinschaft mit den jeweiligen Dienstgebern den Auftrag der Kirche in der Welt erfüllten. Die gemeinsame Verantwortung für den Dienst der Kirche verpflichte zu einer vertrauensvollen Zusammenarbeit und gebiete eine konsensuale Lösung von Konflikten um den Inhalt von Arbeitsbedingungen. Hierfür sei ein kollektives Regelungsverfahren erforderlich, das auf den Grundsätzen von Partnerschaft und Kooperation beruhe, und in dem Konflikte ohne Arbeitskämpfe über eine Schlichtungskommission ausgetragen würden. Ein Arbeitskampf zerstöre die Dienstgemeinschaft und hindere die Kirche für dessen Dauer an der Erbringung ihres Auftrags. Das kirchenrechtlich niedergelegte Verbot des Arbeitskampfes in kirchlichen Einrichtungen müsse deshalb auch von den staatlichen Gerichten geschützt, seine Durchsetzung gesichert werden.

Die beklagte Gewerkschaft berief sich demgegenüber darauf, dass ihr im allgemeinen Arbeitsleben, an dem sich ja auch die kirchlichen Einrichtungen beteiligten, das Streikrecht aus Art. 9 Abs. 3 GG vorbehaltlos gewährleistet sei. Die beiden einander gegenüberstehenden Rechtspositionen von verfassungsrechtlichem Gewicht hat das Bundesarbeitsgericht zunächst – was die Rechte der Kirchen angeht, zu Recht auch unter Rückgriff auf Art. 4 GG,8 – als grundsätzlich gleichwertig bewertet (Rn. 103 ff.; 110 ff.). Auf dem Weg zu einem möglichst schonenden Ausgleich der so einander gegenüberstehenden Rechte ging es davon aus, das Selbstbestimmungsrecht einer Religionsgesellschaft und die Koalitionsfreiheit einer Gewerkschaft schlössen sich nicht wechselseitig aus. Die Rechte kollidierten aber, wenn die einzelnen verfassungsrechtlichen Gewährleistungen, was das Verfahren zur kollektiven Regelung der Arbeitsbedingungen angeht, wahrgenommen würden. Auf der einen Seite stünden das Leitbild der Dienstgemeinschaft und das kooperative Verfahren mit der Möglichkeit einer Schlichtung durch neutrale Dritte. Dem stehe auf der anderen Seite das damit unvereinbare Regelungsmodell des staatlichen Tarifrechts gegenüber, in dem erst durch Druck und Gegendruck, mit Hilfe kampfweiser Arbeitsniederlegung und Nichtbeschäftigung, angemessene Verhandlungsergebnisse erreicht werden könnten. Es müssten deshalb beide Regelungsmodelle miteinander verglichen und möglichst schonend einander angenähert werden.

Bei der gebotenen Herstellung praktischer Konkordanz sei davon auszugehen, dass die Kirchen bei der Ausgestaltung ihres Regelungskonzepts nicht völlig frei seien. Sie müssten Rücksicht auf die verfassungsrechtlichen Gewährleistungen des Art. 9 Abs. 3 GG nehmen. Ihr Konfliktregelungsmodell dürfe die Koalitionsfreiheit und das Konzept der Tarifautonomie nur insoweit verdrängen, wie es für die Wahrung ihres Leitbildes der Dienstgemeinschaft erforderlich sei. Das angestrebte Ziel eines fairen, sachgerechten und verbindlichen Interessenausgleichs müsse tatsächlich erreicht werden. Hiervon ausgehend erkannte das Bundesarbeitsgericht den Kirchen und ihren Einrichtungen nur dann den Schutz staatlicher Gerichte vor Arbeitskampfmaßnahmen einer Gewerkschaft zu, wenn das kirchliche Arbeitsrechtsregelungsverfahren drei Bedingungen erfüllt:9

(1) Widerstreitende Arbeitsvertragsinteressen können im Wege kollektiver Verhandlungen nur dann fair und angemessen ausgeglichen werden, wenn die Verhandlungen bei annähernd gleicher Verhandlungsstärke und Durchsetzungskraft durchgeführt werden. Das kirchliche Konfliktlösungsmodell genügt dieser Vorgabe nur und kann den Vorrang vor dem Jedermann-Recht aus Art. 9 Abs. 3 GG beanspruchen, wenn die Verhandlungsschwäche der Dienstnehmer auch in diesem Modell hinreichend ausgeglichen wird. Dass am Arbeitsrechtsregelungsverfahren paritätisch besetzte Kommissionen beteiligt sind, reicht dafür nicht aus. Zusätzlich muss, wenn es dort nicht zu einer Einigung kommt, über paritätisch besetzte Schlichtungskommissionen unter der Leitung eines unabhängigen und neutralen Dritten, notfalls mit dessen Stimme, ein verbindliches Ergebnis erreichbar sein. Die mit den Entscheidungsstrukturen eines solchen Schlichtungsverfahrens verbundenen Unwägbarkeiten und die Verlagerung der Konfliktlösung auf eine andere Verhandlungsebene fördert schon in den Kommissionen die Bereitschaft zu Kompromissen. Sie schließen es aus, dass sich die Rolle der Arbeitnehmer und ihrer Vertreter auf ein „kollektives Betteln“10 reduziert. Dafür muss die Anrufung der Schiedskommission der Dienstnehmerseite uneingeschränkt offenstehen. Die Unabhängigkeit und Neutralität des Vorsitzenden der Schlichtungskommission darf nicht fraglich und muss auch durch das Bestellungsverfahren gewährleistet sein.

(2) Das Leitbild der Dienstgemeinschaft schließt eine gewerkschaftliche Unterstützung der Dienstnehmerseite nicht aus.11 Es ist nicht darauf gerichtet, Gewerkschaften von Verhandlungen in den arbeitsrechtlichen Kommissionen oder Schiedskommissionen fernzuhalten und sie daran zu hindern, aufgrund eigener Entscheidung ihr Sach- und Fachwissen dort einzubringen. Die Kirchen dürfen Gewerkschaften nicht durch Besetzungsregeln für arbeitsrechtliche Kommissionen und Schiedskommissionen von einer frei gewählten Mitwirkung am dritten Weg ausschließen.

(3) Das Kräfteungleichgewicht zwischen Dienstnehmern und Dienstgebern wird nur dann beseitigt, wenn das Ergebnis der Kollektivverhandlungen einschließlich einer darauf gerichteten Schlichtung für die Arbeitsvertragsparteien verbindlich ist. Es muss einer einseitigen Abänderung durch den Dienstgeber entzogen sein. Es darf für den jeweiligen Dienstgeber auch nicht die Möglichkeit geben, zwischen verschiedenen, auf dem Dritten Weg zustande gekommenen Regelwerken zu wählen. Solche einseitigen Bestimmungsrechte werden durch die religiöse Betätigungsfreiheit nicht geschützt.

III. Grenzen kirchlicher Arbeitskampffreiheit

Drei Fragen sollen aus der Erfahrung von mehr als sechs Jahren seit Verkündung des referierten Urteils behandelt werden:

(1) Welches ist die Rechtsfolge, wenn eine kirchliche Einrichtung in den bei ihr abgeschlossenen Arbeitsverträgen von den auf dem Arbeitsrechtsregelungsverfahren des Dritten Weges zustande gekommenen Arbeitsvertragsrichtlinien (AVR) abweicht?

(2) Genügen die Verfahrensregelungen zur Einleitung und Durchführung des Vermittlungsverfahrens auf dem Weg zu Regelungen des Dritten Weges auf katholischer Seite den Vorgaben der Rechtsprechung?

(3) Und schließlich: Sind alle systemimmanenten Überlegungen in diesem Zusammenhang überholt? Ist die auf die kirchlichen Einrichtungen als Ganze ausgerichtete Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zum grundsätzlich eröffneten Recht, gewerkschaftliche Arbeitskämpfe unter Hinweis auf das kirchliche Selbstbestimmungsrecht und die Glaubensfreiheit mit staatlicher Hilfe abzuwehren, durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union in der Rechtssache Egenberger12 und im Chefarzt-Fall „IR/JQ“13 grundsätzlich in Frage gestellt?

1. Abweichungen von AVR in einzelnen Einrichtungen

Am 24. Mai 2018 hat der Sechste Senat des Bundesarbeitsgerichts eigentlich nur eine Selbstverständlichkeit aus der ständigen Rechtsprechung des Gerichts14 wiederholt: Kirchengesetzliche Regelungen, welche die Schaffung einer vertraglichen Grundlage für die vollumfängliche Geltung des kirchlichen Arbeitsrechts anordnen, schließen es nach dem staatlichen Arbeitsrecht nicht aus, dass eine kirchliche Einrichtung nur eingeschränkt auf kirchliche Arbeitsrechtsregelungen, etwa die Arbeitsvertragsrichtlinien (AVR), Bezug nimmt.15 Das nicht in Bezug Genommene gilt in einem solchen Fall im betreffenden Arbeitsverhältnis selbst dann nicht, wenn kirchenarbeitsrechtliche Regelungen16 die normative Geltung kirchlicher AVR für diese Beschäftigten anordnen. Eine dahin gehende Rechtsetzungsmacht mit Verbindlichkeit für den staatlichen Rechtskreis ist nicht Teil der Kirchenautonomie. Arbeitsrechtsregelungen gelten dort nur, soweit sie arbeitsvertraglich in Bezug genommen sind. Dem entsprechend führt auch das Verlassen des Geltungsbereichs einer kollektiven Arbeitsrechtsregelung im Wege eines Betriebsübergangs nicht wie im Tarifvertragsrecht nach § 4 Abs. 5 TVG zur – statischen – Nachwirkung des bei Betriebsübergang kollektiv Geregelten. Ob Arbeitsrechtsregelungen wie etwa AVR im Stand beim Übergang auf den nicht kirchlichen Betriebserwerber statisch oder über diesen Zeitpunkt hinaus in ihrer jeweiligen Fassung, also dynamisch, weitergelten, richtet sich nach dem, was die Parteien des einzelnen Arbeitsverhältnisses vertraglich hierzu vereinbart hatten.17

Dass aufgrund dieses rechtsdogmatischen Ansatzes den kirchlichen Einrichtungen die Vertragsfreiheit bleibt, von kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen abzuweichen, bedeutet keinen Verstoß gegen das Gebot des Bundesarbeitsgerichts, die Regelungen des Dritten Weges müssten „abweichungsfest“ sein.18 Die Kirche kann hier nur kirchenrechtlich festlegen, wer nach Maßgabe der sich aus den Vorgaben der Dienstgemeinschaft ergebenden Regeln Teil des kirchlichen Dienstes ist und dass der, der gegen das kirchenarbeitsrechtliche Regelwerk verstößt, dies nicht ist. Dies ist in den Art. 2 und 7 der Grundordnung und den auf dieser Grundlage entstandenen kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen geschehen.

Die Ausübung der durch das Urteil vom 24. Mai 2018 bestätigten Vertragsgestaltungsfreiheit kirchlicher Arbeitsrechtsträger im Geltungsbereich von AVR hat für diese auch negative Folgen, die für das Urteil nicht entscheidungserheblich waren, aber außerhalb der konkreten gerichtlichen Konfliktbewältigung betont werden sollen.

Zunächst: Nur partiell in Bezug genommene AVR verlieren ihre Angemessenheitsvermutung. Sie sind nur als Ganze nach den Regeln des Dritten Weges in einer ausgewogenen Verhandlungssituation entstanden. Teile des Regelwerks sind deshalb nicht von der Inhalts- und Angemessenheitskontrolle nach §§ 307 ff. BGB ausgenommen, wie dies die Rechtsprechung mit Hilfe des „Scharniers“ der „im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten“ (§ 310 Abs. 4 S. 2 BGB)19 für insgesamt auf dem Dritten Weg zustande gekommene Regelungen annimmt.20 Wenn AVR nur teilweise, und sei es auch überwiegend, in Bezug genommen werden, im Übrigen aber Abweichendes vereinbart wird, gilt nichts anderes als für die Kontrolle arbeitsvertraglich in Bezug genommener Tarifverträge. Die Inbezugnahme nur einzelner tariflicher Regelungen lässt diese nicht an der Kontrollfreiheit nach § 310 Abs. 4 BGB teilnehmen. Ob die danach wiederhergestellte Kontrolldichte auch dann maßgebend ist, wenn ganze Regelungskomplexe in Bezug genommen worden sind – oder nach einer abweichenden Regelung im Übrigen als nicht zu kontrollierender Vertragsinhalt verbleiben –, ist zwar umstritten, aber im Ergebnis zu bejahen.21

Die zweite Konsequenz einer von AVR abweichenden Regelung ergibt sich unmittelbar aus dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 20. November 2012: Wer dem privilegierten Arbeitsrechtsregelungsverfahren des auf die Dienstgemeinschaft zugeschnittenen Dritten Weges und dessen Ergebnissen, die nach dem Willen der Kirche für jedes einzelne bei ihr angesiedelte Arbeitsverhältnis verbindlich sind, bewusst, wenn auch vielleicht nur punktuell ausweicht, verletzt die in § 2 AVR allgemein festgelegte und vom Bundesarbeitsgericht für diese Privilegierung verlangte Verbindlichkeit des Dritten Weges. Er verliert den aus dem kirchlichen Selbstverwaltungsrecht fließenden Anspruch auf staatlichen Schutz vor Arbeitskampfmaßnahmen zur Durchsetzung von Tarifverträgen.22 Und: Auch ein kirchlicher Träger, der im kirchlichen Regelungsbereich regelt, ohne hierzu durch eine kirchliche Regelungsordnung legitimiert zu sein, kann damit auch eine gesetzliche Öffnungsklausel nicht verwerten, die Regelungen der Kirche vorbehalten ist, wie z. B. § 7 Abs. 4 ArbZG.23 Ob dies für jede lückenhafte Übernahme der AVR gilt oder nur für solche, die in dem betreffenden geöffneten Regelungsbereich vom kirchlichen Regelwerk abweichen, ist offen, aus meiner Sicht aber im erstgenannten Sinne zu beantworten.

2. Die kirchlichen Vermittlungsverfahren

Für die Beantwortung der Frage, ob die auf katholischer Seite getroffenen Verfahrensregelungen zur Einleitung und Durchführung des Vermittlungsverfahrens den Vorgaben der Rechtsprechung vom 20. November 2012 genügen, werden beispielhaft die bundesweit geltenden Ordnungen herangezogen.

a) Zentral-KODA Ordnung

Zunächst zu den Regelungen der von der Vollversammlung des Verbandes der Diözesen Deutschlands am 18. November 2013 beschlossenen und am 1. Januar 2014 in Kraft getretenen Zentral-KODA Ordnung:

Hat ein Antrag der Dienstgeber- oder Dienstnehmerseite, mit dem eine arbeitsrechtliche Neuregelung für die Beschäftigten der verfassten Kirche angestrebt wird, nicht die erforderliche Mehrheit von drei Vierteln der Mitglieder der paritätisch besetzten Zentralen Kommission gefunden, kann ein Vermittlungsausschuss angerufen werden. Dies setzt voraus, dass dem Regelungsantrag mindestens die Hälfte der Mitglieder der Zentralen Kommission zugestimmt und sich auch die Hälfte der Mitglieder für die Anrufung Vermittlungsausschusses ausgesprochen hat (§ 17 Zentral-KODA Ordnung). Die strukturell unterlegene Dienstnehmerseite kann also, wenn sie sich einig ist, die Durchführung des Vermittlungsverfahrens erzwingen Dass hierfür nicht auch die Mehrheit oder zumindest eine qualifizierte Mehrheit der Mitglieder der Dienstnehmerseite ausreichen, kann man vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, auch im Vergleich zu den Regelungen, die für gewerkschaftliche Tarifkommissionen gelten, problematisieren. Durchgreifende Bedenken dürften hier aber nicht bestehen.

Schwieriger wird es bei der Zusammensetzung des Vermittlungsausschusses und der Wahl der hier vorgesehenen zwei Vorsitzenden. Es ist schon merkwürdig, dass dem Vermittlungsausschuss je eine/ein Vorsitzende(r) „jeder Seite“ vorsitzt.24 Dass so die Voraussetzung eines oder einer neutralen und unabhängigen Vorsitzenden erfüllt wird, ist zweifelhaft. Man kann dies aber isoliert vielleicht noch als Petitesse ansehen. Entscheidend muss sein, ob die Regelungen im Übrigen Unabhängigkeit und Neutralität gewährleisten. Die Installation von zwei Vorsitzenden, die sich auch in einigen tarifvertraglichen Schlichtungsregelungen findet,25 muss dem Vorsitz durch einen unabhängigen Dritten aufgrund entsprechender Verfahrensvorschriften letztlich gleichwertig sein. Dies ist dann der Fall, wenn danach Unwägbarkeiten bestehen, die einen vergleichbaren Einigungsdruck auslösen wie bei der Vermittlung durch einen unabhängigen Vorsitzenden.26

Daran fehlt es. Zwar kann für die Regelung der Arbeitsverhältnisse in kirchlichen Einrichtungen eine gewisse Kirchennähe verlangt werden, die auch in einer qualifizierten Kirchenmitgliedschaft zum Ausdruck kommen kann; für Unabhängigkeit und Neutralität spricht zumindest, dass die Vorsitzenden nicht dem kirchlichen Dienst angehören dürfen (§ 15 Zentral-KODA Ordnung). Auch die Wahl der Vorsitzenden geht zunächst in diese Richtung. Sie sind vom Plenum der Zentralen Kommission mit nach Wahlgängen gestuften Mehrheitsanforderungen zu wählen. In einem etwa erforderlichen vierten Wahlgang ist dann aber eine getrennte Wahl der beiden Vorsitzenden durch die Dienstgeberseite und die Dienstnehmerseite vorgeschrieben (§ 16 Zentral-KODA Ordnung). Auch darüber könnte man noch hinwegsehen, wäre die Entscheidungsfindung im Vermittlungsausschuss so geregelt, dass für alle Beteiligten die Nichterreichung eines Kompromisses ein kaum wägbares Risiko darstellte, sodass letztlich mit aller Macht auf eine gemeinsame Lösung hingearbeitet würde.27

Leider begründet die Zentral-KODA Ordnung einen in die entgegengesetzte Richtung deutenden, relativ einfachen Ausweg in ein Verfahrensende ohne Neuregelung: Die beiden Vorsitzenden haben zwar dem paritätisch besetzten Vermittlungsausschuss einen gemeinsamen Vermittlungsvorschlag zur Abstimmung zu unterbreiten; ein Vermittlungsvorschlag von anderen Mitgliedern des Vermittlungsausschusses ist nicht vorgesehen. Bei der Abstimmung über ihren Vermittlungsvorschlag, die bereits mit einfacher Mehrheit zu einem Ergebnis führt, haben die Vorsitzenden auch nur eine Stimme. Können sich die beiden Vorsitzenden aber bereits nicht auf einen gemeinsamen Vermittlungsvorschlag einigen, ist das Vermittlungsverfahren aufgrund der ausdrücklichen Regelung in § 18 Abs. 2 S. 5 Zentral-KODA Ordnung schon an dieser Stelle insgesamt und abschließend beendet. Es kann von vornherein nicht mehr zu einem Verfahren zur ersetzenden Entscheidung kommen, der zweiten Stufe des Vermittlungsverfahrens (§ 19 Zentral-KODA Ordnung) und damit auch nicht zu einer Neuregelung.

Es wird so kein Druck dahin ausgelöst, dass sich die Vorsitzenden irgendwie zu einem gemeinsamen Vorschlag durchringen. Er bestünde, wenn nach der Feststellung, dass man nicht zu einem gemeinsamen Vorschlag findet, das Vorschlags- und später auch das gemeinsame Stimmrecht nur einem der Vorsitzenden zugewiesen würde. Für die Entscheidung, welcher der Vorsitzenden diese Rechte haben soll, bietet sich neben dem Losverfahren auch eine Regelung an, wonach dieses Recht von Vermittlungsverfahren zu Vermittlungsverfahren von(m) einer(n) auf die(en) andere(n) Vorsitzende(n) wechselt.28 Die hierin liegenden Unwägbarkeiten, aber auch die Gefahr, dass es nicht zu einer kontinuierlichen Entwicklung der im Vermittlungsausschuss gefundenen Regelungen kommt, würde unter vernunftgesteuerten Mitgliedern des Vermittlungsausschusses den Willen zum Kompromiss deutlich fördern.

Man kann sich bei dieser Regelung vielleicht noch damit beruhigen, dass Vorsitzende, denen zumindest der Anschein wichtig ist, ihrer Aufgabe gerecht werden zu wollen, es kaum je zu einem Scheitern nach § 18 Abs. 2 S. 5 Zentral-KODA Ordnung kommen lassen werden. Ihre Kompromissbereitschaft wird hier außerordentlich weit gehen, weil es ja nur um einen Vermittlungsvorschlag geht. Die Letztentscheidung über eine künftige Regelung liegt auf der ersten Vermittlungsstufe wieder bei der Zentralkommission. Endgültig problematisch wird es aber dadurch, dass es für das sich bei Scheitern der Vermittlung auf der ersten Stufe nach § 19 Zentral-KODA Ordnung anschließende Verfahren zur ersetzenden Entscheidung keine der beschriebenen Möglichkeiten gibt, eine einheitliche Abstimmung seitens der Vorsitzenden zu erzwingen. Es fehlt hierzu eine eigenständige Regelung für den unverändert bleibenden Vermittlungsausschuss. Deshalb wird § 18 Abs. 2 S. 5 Zentral-KODA Ordnung entsprechend anzuwenden sein. Damit fehlt auch für das ersetzende Verfahren hinreichender Druck auf die Vorsitzenden, sich auf eine gemeinsame Abstimmung über eine Neuregelung zu verständigen.

Eine vergleichbare Situation ist natürlich grundsätzlich auch dann möglich, wenn einem Vermittlungsausschuss nur eine unabhängige Person vorsitzt und diese sich nicht zu einem Vorschlag imstande sieht. Dies ist aber zum einen sehr unwahrscheinlich, zum anderen in die Verantwortung eines jedenfalls formal unabhängigen Dritten gelegt. Die Regelungen der Zentral-KODA Ordnung eröffnet eine Regelungsblockade der Dienstgeberseite29 zusammen mit „ihrer“ oder „ihrem“ Vorsitzenden, den die Ordnung selbst so qualifiziert.30

Auch wenn man hiernach die Regelung des Verfahrens vor dem Schlichtungsausschuss der Zentral-KODA an den Vorgaben des Bundesarbeitsgerichts gemessen für unzureichend hält, ist sie deshalb nicht als solche rechtlich bedenklich. Sie ist im Rahmen der Kirchenautonomie als Binnenrecht rechtlich möglich. Sie reicht aber nicht aus, um den derart praktizierten Dritten Weg als strukturell gleichwertig gegenüber dem Tarifvertragssystem zu bewerten. Es ist dann aber sehr zweifelhaft, ob das Bundesarbeitsgericht unter diesen Umständen, würde es erneut angerufen, einen Streikaufruf gegenüber einer Einrichtung der verfassten Kirche als rechtswidrig bewerten würde.

b) AK Ordnung

Die einschlägigen Bestimmungen der Ordnung der arbeitsrechtlichen Kommission des Deutschen Caritasverbandes e. V. in der ab dem 1. Januar 2016 gültigen Fassung (AK Ordnung) weichen von denen der Zentral-KODA Ordnung teilweise ab.

Hinsichtlich der Möglichkeit, den Vermittlungsausschuss anzurufen, unterscheiden sich die AK Ordnung und die Bestimmungen der Zentral-KODA Ordnung nicht substantiell. Die – solidarisch handelnde – Dienstnehmerbank bedarf keiner Unterstützung, will sie nach dem Scheitern eines Regelungsvorschlags den Vermittlungsausschuss anrufen. Es gibt auch zwei Vorsitzende, welche dieselben Mindestbedingungen erfüllen müssen. Auch ist – erneut problematisch – jede(r) Vorsitzende einer Seite zugeordnet. Schließlich besteht bei der Wahl der Vorsitzenden ebenfalls – leider – kein Unterschied. Beide Vorsitzenden sind zwar zunächst vom gesamten Gremium, der Arbeitsrechtlichen Kommission, zu wählen. Aber auch hier wählen, wenn drei Wahlgänge mit absinkenden Mehrheitsanforderungen erfolglos geblieben sind, die Dienstgeber- und die Mitarbeitervertreter „ihre(n)“ Vorsitzende(n) mit einfacher Mehrheit allein.31

Bei der Durchführung des Vermittlungsverfahrens auf der ersten Stufe haben dann auch hier die beiden Vorsitzenden nur eine gemeinsame Stimme. Sie müssen sich auf einen Vermittlungsvorschlag einigen. Die AK Ordnung gibt aber den Vorsitzenden nicht die Möglichkeit zu einem das Vermittlungsverfahren ohne Weiteres beendenden Offenbarungseid („Wir konnten uns leider nicht einigen!“). Nimmt man die AK Ordnung ernst, bleibt das Vermittlungsverfahren anhängig, bis ein Vermittlungsvorschlag gemacht worden ist und darüber abgestimmt wurde. Eine ausdrückliche Beantwortung der Frage, ob damit tatsächlich eine vieltägige Vermittlung geboten sein kann, sei einem Mitvorsitzenden während seiner Amtszeit erlassen. Man wird diese Gefahr durch Großzügigkeit bei der Suche nach einem Kompromiss auch in schwierigen Regelungsfragen vermeiden, weil es noch nicht um eine Regelung, sondern nur um einen Vorschlag geht, über den dann die Arbeitsrechtliche Kommission verantwortlich zu entscheiden hat.

Das Vermittlungsverfahren kann dann zwar gleichwohl auch schon auf der ersten Stufe letztlich ergebnislos scheitern, wenn kein Vorschlag die erforderliche einfache Mehrheit unter den Ausschussmitgliedern erhält (§ 18 Abs. 4 AK Ordnung).32 Dies wird aber auch deshalb sehr unwahrscheinlich, weil nach der AK Ordnung – anders als nach der Zentral-KODA Ordnung – neben den Vorsitzenden des Vermittlungsausschusses auch die sonstigen Ausschussmitglieder Vermittlungsvorschläge machen und zur Annäherung der Positionen beitragen können. Hierzu gehören auch die Dienstgeber- und Mitarbeitervertreter, die nicht aus den Kommissionen kommen und in deren Geflechte eingebunden sind. Durch die erweiterten Vorschlagsbefugnisse wird im Übrigen zu Recht deutlich, dass bei der Caritas eine erfolgreiche Vermittlung nicht nur Sache der Vorsitzenden ist. Es ist der Ausschuss selbst mit allen seinen Mitgliedern, dem die Vermittlungsaufgabe obliegt.

Hat der Vermittlungsausschuss einen Vermittlungsvorschlag beschlossen, ist dieser der Arbeitsrechtlichen Kommission zur Abstimmung vorzulegen. Erhält er dort nicht die erforderliche Mehrheit und kommt zu dem Regelungsgegenstand auch kein Beschluss mit anderem Inhalt zustande, bleibt es nur dann bei der bisherigen Rechtslage, wenn nicht eine Neuregelung unter Einschaltung des erweiterten Vermittlungsausschusses gelingt. Voraussetzung für dessen Anrufung ist, dass sich die Hälfte der Mitglieder der paritätisch besetzten Arbeitsrechtlichen Kommission, also auch hier die Mitarbeiterseite allein, hierfür entscheidet. Der erweiterte Vermittlungsausschuss besteht aus den sechs Mitgliedern des Vermittlungsausschusses33 und vier weiteren Mitgliedern, nämlich für jede Seite ein Vertreter, der der Arbeitsrechtlichen Kommission und einer, der ihr nicht angehört. Dieser erweiterte Ausschuss unterbreitet keinen weiteren Vermittlungsvorschlag, sondern schafft durch Spruch eine Neuregelung. Der Spruch bedarf der Zustimmung der einfachen Mehrheit unter den Ausschussmitgliedern, wobei auch hier die Vorsitzenden nur eine Stimme haben. Auf der zweiten Stufe der Vermittlung geht es den Ordnungsgebern aber offenbar auch darum, dass sich das Ergebnis nicht allzu lange hinauszögert: Stellen die Vorsitzenden fest, dass sie sich nicht einigen können, kann irgendein Ausschussmitglied einschließlich der beiden Vorsitzenden – nicht etwa nur eine „Bank“ – nach § 18 Abs. 7 S. 3 AK Ordnung beantragen, durch Los zu ermitteln, welcher von beiden Vorsitzenden das Vorsitzenden-Stimmrecht bei der anstehenden Abstimmung hat. Nur Spieler – bei der Caritas? – werden es so weit kommen lassen.

c) Vergleichende Bewertung

Legt man beide Regelungen zum Vermittlungsausschuss nebeneinander, spricht einiges dafür, dass die AK Ordnung trotz der zumindest nicht glücklichen Regelung, mit zwei Vorsitzenden in die Vermittlung zu gehen, von denen je eine(r) der Dienstgeber- und eine(r) der Mitarbeiterseite zugeordnet ist, den Anforderungen der höchstrichterlichen Rechtsprechung für eine arbeitskampfrechtliche Privilegierung genügt. Hier bestehen hinreichende Vorkehrungen, dass es nicht in einem Zusammenspiel von einer Seite und der(m) „zugehörigen“ Vorsitzenden zu einer prinzipiellen, nicht sachlich fundierten Regelungsblockade kommt. Anders verhält es sich bei der Zentral-KODA Ordnung. Sie macht es einer Seite allzu leicht, eine Neuregelung zu blockieren. Es besteht keine Gleichwertigkeit mit einer Vermittlung durch einen neutralen Dritten.

d) Reparatur der Zentral-KODA Ordnung?

Es gibt allerdings Anlass zu hoffen, dass die aus der Sicht des Urteils vom 20. November 2012 bestehenden Defizite der Zentral-KODA Ordnung in absehbarer Zeit ausgeglichen sein werden. Am 24 November 2014 hat die Vollversammlung der Diözesen Deutschlands eine Rahmenordnung für die Kommission zur Ordnung des diözesanen Arbeitsvertragsrechts (Rahmen-KODA-Ordnung) beschlossen. Dabei handelt es sich allerdings nur um eine Vorlage für die einzelnen Ordnungsgeber, die sich danach richten können, dies aber nicht müssen.

In dieser Vorlage sind zwar ebenfalls zwei Vorsitzende für den Vermittlungsausschuss vorgesehen, Sie sind nach drei erfolglosen Wahlversuchen im Plenum jeweils durch die eine oder andere Seite der paritätisch besetzten Kommission zu wählen. Für das Verfahren im Vermittlungsausschuss sieht § 25 Abs. 2 S. 5 Rahmen-KODA-Ordnung dann aber vor, dass bereits auf der ersten Stufe des Vermittlungsverfahrens für den Fall, dass sich die beiden Vorsitzenden nicht auf den ihnen abverlangten gemeinsamen Vermittlungsvorschlag einigen können, ein Losentscheid durchzuführen ist. Er soll darüber entscheiden, welche oder welcher der beiden Vorsitzenden für den Vorschlag verantwortlich ist und dann auch das Stimmrecht ausübt. Im Verfahren zur ersetzenden Entscheidung wird diese Regelung in der Sache wiederholt. § 25 Abs. 2 S. 5 Rahmen-KODA-Ordnung soll dann entsprechend gelten. Ist der nun für eine Regelung durch Spruch vorzulegende Vermittlungsvorschlag nicht von den Vorsitzenden gemeinsam, sondern aufgrund eines Losentscheides durch einen Vorsitzenden erfolgt, bleibt dieser auch die oder der allein Stimmberechtigte für die ersetzende Entscheidung.

Diese Regelung, deren Umsetzung wohl die Anforderungen der Rechtsprechung erfüllt, war Vorlage für den bereits erarbeiteten Entwurf einer Neuregelung der Zentral-KODA Ordnung. Er befindet sich allerdings bereits seit einiger Zeit im Beratungsverfahren, für das ein Ende derzeit nicht abzusehen ist. Ursache hierfür könnte der Umstand sein, dass die Vorschläge der Rahmen-KODA Ordnung nicht in allen Regionen und Diözesen überzeugt zu haben scheinen: Während z. B. die Verordnung über die „Kommission zur Ordnung des Dienstund Arbeitsvertragsrechts“ im Erzbistum Freiburg (Bistums-KODA-Ordnung) vom 11. August 2015,34 geändert durch Verordnung vom 1. Februar 2017,35 die hier interessierenden Regelungen der Rahmen-KODA-Ordnung übernommen hat, hat die Ordnung zur Mitwirkung bei der Gestaltung des Arbeitsvertragsrechts durch Kommissionen in den (Erz-) Diözesen Aachen, Essen, Köln, Münster (nordrhein-westfälischer Teil) und Paderborn (Regional-KODA NW) in ihrer letzten Fassung36