Kiss Me Killer: Nina & Roman - Jean Dark - E-Book
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Kiss Me Killer: Nina & Roman E-Book

Jean Dark

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Beschreibung

Nina Hartley ist Top-Journalistin und Single aus Überzeugung, doch sie hat ein Problem: Sie braucht dringend eine tolle neue Story. Als eine regelrechte Hinrichtung an mehreren Mafiabossen stattfindet, stürzt sie sich auf den Fall, der bald zu einem lebensgefährlichen Spiel wird: Denn ein Killer ist in der Stadt, der es auf hübsche junge Frauen abgesehen hat. Roman Baronov ist der Prinz der kriminellen Unterwelt. Als Neffe eines mächtigen, russischen Mafiapaten verfügt er über Geld, Einfluss und Frauen ohne Ende. Doch dann begegnet er Nina Hartley, die ihn um jeden Preis interviewen will ... selbst, wenn es dabei um ihr Leben geht! Als sich ihre Wege kreuzen, ahnt Nina nicht, welche folgenschweren Konsequenzen das haben wird. Ist sie dabei, sich Hals über Kopf in ihren Mörder zu verlieben? Doch wieso weckt dieser Mann dann solch köstlich dunkle, verbotene Leidenschaften in ihr? Achtung, Dark Romance! Dieses Buch enthält spannende Thrillerelemente, eindeutige Liebesszenen und bisweilen deutliche Sprache, welche dem Milieu der Handlung angepasst sind. Es wird daher empfohlen für Leserinnen und Leser ab 18 Jahren. Dieser Liebesroman ist 360 Taschenbuchseiten lang, in sich abgeschlossen, enthält keine Cliffhanger, aber ein Happy End!

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Kiss Me, Killer

Nina & Roman

Jean Dark

Dark Romance

Liebe Leserin, lieber Leser,

vielen Dank für dein Interesse an meinem Buch! Als kleines Dankeschön möchte ich dir gern einen meiner neuesten Romane schenken, den auf meiner Website kostenlos erhältst.

TOUCH ME - BERÜHRE MICH

Die Lehrerin Sandy führt ein beschauliches Leben in der Kleinstadt Havenbrook, bis Jake, ihre Sandkastenliebe aus Kindertagen, plötzlich wieder auftaucht - aus dem Lausbuben von früher ist ein superheißer Bad Boy geworden, der in Sandy wilde Leidenschaften weckt.

Doch Jake zu lieben ist ein Spiel mit dem Feuer, bei dem sich Sandy mehr als nur die Finger verbrennen könnte ...

Um das Buch zu erhalten, folge einfach diesem Link:

www.Jean-Dark.de

Ich freue mich auf dich!

Deine

Jean Dark

Prickelnde Dark Romance Thriller von Jean Dark:

THE DARKNESS OF LOVE: Gefährliche BegierdenKISS ME, KILLERTOUCH ME - Berühre Mich!HIS DARKEST FLOWER - Dark Romance

Weitere Informationen finden Sie auf der Website der Autorin

www.Jean-Dark.de

Über das Buch

Nina Hartley ist Top-Journalistin und Single aus Überzeugung, doch sie hat ein Problem: Sie braucht dringend eine tolle neue Story.

Als eine regelrechte Hinrichtung an  mehreren Mafiabossen stattfindet, stürzt sie sich auf den Fall, der bald zu einem lebensgefährlichen Spiel wird: Denn ein Killer ist in der Stadt, der es auf hübsche junge Frauen abgesehen hat.

Roman Baranov ist der Prinz der kriminellen Unterwelt. Als Neffe eines mächtigen, russischen Mafiapaten verfügt er über Geld, Einfluss und Frauen ohne Ende. Doch dann begegnet er Nina Hartley, die ihn um jeden Preis interviewen will ... selbst, wenn es dabei um ihr Leben geht!

Als sich ihre Wege kreuzen, ahnt Nina nicht, welche folgenschweren Konsequenzen das haben wird. Ist sie dabei, sich Hals über Kopf in ihren Mörder zu verlieben? Doch wieso weckt dieser Mann dann solch köstlich dunkle, verbotene Leidenschaften in ihr?

Achtung, Dark Romance! Dieses Buch enthält spannende Thrillerelemente, eindeutige Liebesszenen und bisweilen deutliche Sprache, welche dem Milieu der Handlung angepasst sind. Es wird daherempfohlen für Leserinnen und Leser ab 18 Jahren.

Copyright © 2018 by Jean Dark. Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck – auch auszugsweise – nur mit schriftlicher Genehmigung von Jean Dark. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotografie, Mikrofilm oder andere Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung der Autorin reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. Alle in diesem Roman beschriebenen Personen sind fiktiv. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen oder Unternehmen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.

Umschlaggestaltung & Satz: Ideekarree Leipzig, unter Verwendung von © blackday, Fotolia.com

Lektorat: Textbüro Bräuer, Frankfurt am Main

Korrektorat: Claudia Heinen

Impressum: Jean Dark, c/o Ideekarree, Alexander Pohl, Breitenfelder Str. 66, 04157 Leipzig, E-Mail: [email protected] (Im Betreff bitte »Jean Dark« angeben!)

Für meine Leserinnen und Leser.

Und für alle, die sich trauen, ihre Leidenschaften zu leben. Gebt acht auf euch!

Nur ein Märchen?

Als aber der Königssohn der Dornenhecke nahe kam, da waren es lauter große, schöne Rosenblüten, die sich auftaten und ihn unbeschadet hindurchließen, und hinter ihm schlossen sich ihre Dornenranken wieder.

Endlich kam er zu dem Turme und darinnen zu der kleinen Stube, in welcher das Dornröschen schlief. Da lag es und war so schön, dass er den Blick nicht abwenden konnte, und er bückte sich und gab ihr einen Kuss.

Als er sie küsste, schlug Dornröschen die Augen auf und erwachte und war ganz voll der Liebe für den schönen Prinzen. Und dann feierten sie Hochzeit und sie lebten vergnügt und liebten sich sehr. Und wenn sie nicht gestorben sind …

Aus »Dornröschen«, Märchen der Gebrüder Grimm

Teil Eins

Kapitel Eins

Nina Hartley

Innerlich döse ich langsam weg, während Charly mir die Leviten liest. Dabei ist es nicht mal so, dass es langweilig wäre, was er sagt, oder dass es nicht stimmen würde.

»Nina, du warst mal eine heiße junge Journalistin. Und ich meine wirklich heiß.«

Damit meint Charly natürlich ausschließlich meine journalistischen Fähigkeiten. Er ist weit über sechzig, und wenn er auch eine herausragende Spürnase und ein wirkliches Ass in seinem Geschäft ist, so verströmt er doch förmlich den Duft der Asexualität, falls so etwas möglich ist.

Damit meine ich, dass ich glaube, die Arbeit ist ihm einfach wichtiger. Als alles andere. Das war wohl auch schon immer so. Dennoch hat er eine Frau zu Hause, und zwei Kinder, die ihrerseits schon Kinder haben – was deutlich mehr ist, als ich vorzuweisen habe, wobei mich die Frau zu Hause jetzt auch weniger interessieren würde. Aber immerhin gehe ich auf die dreißig zu, und da schicken andere ihre Kids immerhin bereits zur Schule. Oder auf die Uni.

Und ich? War also mal heiß, Charly zufolge.

Und was bin ich jetzt?

Keine Ahnung.

Daher beschließe ich, ihm weiter zuzuhören.

»Ich brauche eine Story von dir, Nina. Eine richtig heiße.«

Heiß muss wohl Charlys neues Lieblingswort sein. Ach so, denke ich, diese Leier mal wieder. Mit der Charly übrigens auch vollkommen recht hat, was soll ich sagen?

»Ich weiß, du kannst das«, sagt Charly, während ich bedächtig dazu nicke. »Ich weiß, du bist gut. Aber wir brauchen einen Aufhänger, Mädchen! Ich muss Zeitungen verkaufen, und zwar an Leser. Und Leser kaufen eine Zeitung nun mal ausschließlich wegen der Topstory auf dem Titelblatt. Und die muss demzufolge heiß sein, brandheiß. Darum geht’s.«

Diesen Vortrag kann er gut, er hält ihn schließlich seit Jahrzehnten mindestens einmal jede Woche. Blöderweise hält er ihn in letzter Zeit vor allem mir.

»Das ist mir alles klar, Charly, es ist nur …«

»Pscht!«, sagt er und legt den Finger auf die Lippen.

Er ist einer der wenigen Menschen auf diesem Planeten, dem man einfach nichts übel nehmen kann. Nicht mal, dass er einem ständig ins Wort fällt und manchmal wie ein halb debiler Prediger rüberkommt, nur ohne die entsprechende Alkoholfahne.

»D. Y. W.«, sagt er und guckt mich verschwörerisch an.

»Wie bitte?«

»D. Y. W.«

»Ich glaube, du meinst D. I. Y., Charly. Do it yourself. Das ist jetzt das neue Ding der Hipster drüben in …«

»Nein danke«, sagt er breit grinsend. »Mit solchem Schweinkram haben wir hier nichts am Hut. Ich meine D. Y. W.«

»Und was soll das sein?«

»Diät, Yoga, Wechseljahre. D. Y. W. Das machen wir jetzt.«

»Nicht wirklich, oder?«

»Auch unsere Leser werden älter, Nina. Und sie haben Lust auf spannende neue Themen. Und vor allem die Damen haben ein berechtigtes Interesse daran, zu erfahren, wie sie ihre Hintern davon abhalten, so runzlig wie meiner zu werden.«

»Seit wann sind Wechseljahresbeschwerden ein neues Thema? Und Yoga? Also, wirklich, Charly. Die Neunziger haben angerufen.«

»Es geht auch um Ernährung und Fitness.«

»Natürlich. Und welchem Praktikanten soll ich dabei über die Schulter schauen, wie er sich für die gelangweilten Hausfrauen irgendeinen Mist aus den Fingern saugt?«

»Äh …«

Er blickt intensiv in meine Richtung.

»Charly, das ist doch wohl nicht dein Ernst!«

Das kann nicht sein Ernst sein.

»Ich dachte an dich, Nina«, sagt er. »Sieh es doch als Beförderung. Eigene Abteilung, du kannst machen, was du willst. In einem gewissen Rahmen, natürlich.«

»Du sperrst mich weg?«

»So würde ich das nicht nennen.«

»Lass mich raten, das Büro wäre im Keller?«

»Dort gibt es großzügige räumliche Möglichkeiten, Nina.«

»Charly, das kannst du mir nicht antun! Ich brauche das Leben auf der Straße. Im Dschungel. Von mir aus schick mich in ein Kriegsgebiet.«

»Du spinnst wohl!«

»Das wär mir egal, wirklich, nur lass mich nicht in einem Kellerloch versauern. Das kann ich nicht, ehrlich!«

»Nina, ich muss eine Zeitung verkaufen, und du …«

»Ich habe dir den Insider aus der Fabrik gebracht, in der die Junkies leben, Charly. Ich hab dir die Story mit den Kinderheimen präsentiert und die Sache mit Pharmaverschwörung! Und …«

»Stimmt alles, Nina. Aber … na ja, das Problem ist, diese Dinge sind eben alle schon ganz schön lange her, und seitdem … na ja, seitdem ist eben nicht allzu viel passiert von deiner Seite. Und ich bezahle dich gut, Nina. Viel zu gut.«

»Du bist ein alter Geizkragen!«

»Ich bezahle besser als die anderen Zeitungen.«

Das stimmt, leider. Und zwar beides.

»Gib mir vierzehn Tage, Charly. Ich bitte dich.«

»Also ich weiß nicht, Nina. Die anderen Redaktionen liegen mir schon ewig in den Ohren wegen knapper Mittel und der Ressortchef von der Sportabteilung …«

»Charly, bitte.«

Jetzt quengele ich wie ein blödes Kind. Komm schon, denke ich, der alten Zeiten wegen. Wenn es jemand anderer wäre, würde ich vielleicht ein bisschen das gute alte Wimpernklimpern probieren oder mir lasziv durch mein langes, blondes (und wirklich sehr weiches) Haar fahren, aber bei Charly lasse ich so was lieber. Der kennt viel bessere Tricks, er kennt sie nämlich alle.

»Hast du schon was Konkretes, Nina?«, will er wissen.

Na klar, ganz konkret habe ich im Moment Angst um meinen Job. Und Angst, bis zum Ende meiner Tage in einem verfluchten Kellerverlies zu landen.

»In vierzehn Tagen habe ich was, versprochen«, sage ich.

»Ach, Nina.«

»Komm schon!«

Er seufzt.

»Der alten Zeiten wegen.«

Yes! Innerlich jubiliere ich. Diesmal finde ich was. Bestimmt. Hoffentlich. Vielleicht.

»Du bist ein Schatz, Charly.«

»Eine Woche!«

»Vierzehn Tage, komm schon.«

Langsam schüttelt er den Kopf, und ich bemerke, dass aus den Silberfäden an seinen Schläfen irgendwann in den letzten Monaten ein durchgängiges Weiß geworden ist, was mir seltsamerweise bisher noch gar nicht aufgefallen war. Jetzt lächelt er nicht mehr.

»Eine Woche, Nina. Tut mir leid, mehr geht beim besten Willen nicht.«

Also schön, denke ich. Und so beginnt meine letzte Woche in Lohn und Brot. Denn natürlich habe ich gar nichts. Nicht den Anflug einer Story. Und es ist auch keine in Aussicht.

Abgesehen von dem verfluchten D. Y. W. natürlich, und bevor ich das mache, springe ich lieber von einem verdammt hohen Gebäude und werde auf diese Weise vielleicht wenigstens selbst zur Story, wenn auch zu keiner besonders guten.

Zwei Minuten später stehe ich vor Charlys Bürotür und komme langsam, aber sicher zu dem Schluss, dass ich unweigerlich verrückt werde, wenn ich heute auch nur eine weitere Sekunde in der Redaktion verbringe. Also beherzige ich den Ratschlag, den man von jedem, der sich für einen alten Hasen hält, kostenlos aufs Brot geschmiert bekommt.

Nämlich, dass man die Storys nicht in der Redaktion findet, sondern draußen auf der Straße.

Was natürlich im Zeitalter des Internets ein ziemlicher Blödsinn ist, aber ich nehme ihn mir trotzdem zu Herzen. Internet gibt es schließlich auch bei mir zu Hause. Und in den meisten der gefühlt einhundertachtzig Kneipen auf dem Weg dahin.

Eine dreiviertel Stunde später stehe ich vor meiner Wohnungstür.

Und nein, ich bin nicht in jede der Kneipen auf meinem Weg nach Hause eingekehrt, obwohl mir durchaus danach zumute gewesen wäre. Ich habe nur einmal Halt gemacht und mir von Rasheed eine Pizza machen lassen. Rasheed macht die besten Pizzen im Viertel und für einen Moment überlege ich, ob ich ihn aus purer Gehässigkeit den runzelärschigen alten Damen in meiner künftigen D.-Y.-W.-Redaktion ans Herz legen soll. Die können sich die Kalorien ja anschließend auf dem Hometrainer der Marke – hier den Namen unseres Werbekunden einsetzen – wieder von den Hüften trainieren. Und was meine Hüften betrifft, so finde ich die ziemlich in Ordnung, wie sie sind, danke der Nachfrage.

Immerhin laufe ich jeden Tag zur Redaktion und zurück, den besagten Hundertachtzig-Kneipen-Marathon, und immerhin mache ich nicht jedes Mal bei Rasheed Halt, nur zu besonderen Anlässen.

Wie heute.

Okay, denke ich, während ich, Pizzakarton in der Linken, Schlüssel in der Rechten, Pizzastück im Mund, versuche, meine Wohnungstür aufzuschließen. Okay, Süße, du brauchst eine Story. Oder einen unerklärlichen Motivationsanfall, der die nächsten Jahrzehnte anhält, in denen du zum Guru der Wechseljahresrunzelärsche aufsteigst. Nun ja, Letzteres ist wohl eher unwahrscheinlich, zugegeben.

Also eine Story, eine richtig heiße.

Bloß: Woher nehmen?

Ich habe die Erfahrung gemacht, dass einem tolle Ideen nur selten dann kommen, wenn man bewusst darüber nachdenkt, wie man am besten an eine tolle Idee kommt. Sondern zum Beispiel dann, wenn man auf dem Klo sitzt oder aus der Dusche steigt oder …

Oder.

Es ist Freitag. Und ich habe hundertachtzig Kneipen in der Nähe (von denen ich hundertneunundsiebzig noch nie besucht habe und das auch nicht vorhabe), und ich bin miserabler Stimmung. Ich beschließe, das schleunigst zu ändern, weil man in schlechter Stimmung noch schlechter auf gute Ideen kommt. Und heiße Storys klopfen dann auch nur selten an der Tür.

Ich packe also die Pizza auf den Küchentisch, in der festen Absicht, den Rest heute zur späteren Stunde kalt in mich hineinzustopfen. Falls ich dann nicht besserer Laune bin, will ich wenigstens meine schlechte Laune richtig auskosten. Und was würde sich besser dazu eignen, als weit nach Mitternacht einsam und angetrunken auf der Couch das Testbild zu betrachten und kalte, fettige Pizzareste zu vertilgen?

Okay, ich werde melodramatisch. Kein Grund, das Testbild zu betrachten, immerhin bin ich im Besitz jeder Menge schnulziger Frauenfilme auf DVD. Die sind noch besser. Und in meiner Situation vermutlich sogar noch ein bisschen erbärmlicher als das Testbild.

Also ist es beschlossen, ich werde ausgehen.

Dann passiert etwas Erstaunliches: Meine Laune hat sich, ohne dass der geringste Anlass dazu bestünde, schon merklich gebessert, als ich aus der Dusche steige.

Ich wische den Wasserdampf vom Spiegel und betrachte mich eingehend. Ich bin das, was ich selbst als großes Mädchen bezeichnen würde. Also nicht im Sinne von erwachsen, denn das wird nur allzu gern von meiner Umgebung in Zweifel gezogen, und nicht zuletzt auch von mir selbst.

Sondern körperlich groß, konkret bedeutet das in meinem Fall: eins zweiundsiebzig.

Ich bin auch nicht die Art von schlank, die man bei magersüchtigen Models allgemein bevorzugt. Was hauptsächlich daher rührt, dass ich im Gegensatz zu diesen Streichholzmädchen gelegentlich etwas esse. Und hin und wieder ist das eben eine Pizza von Rasheed.

Daher habe ich Hüften.

Die sich jedoch, so habe ich mir sagen lassen, recht angenehm betasten lassen in gewissen Situationen, und – in anderen Situationen, nämlich beispielsweise dann, wenn ich ein Kleid darüber trage – durchaus wohlwollende Blicke auf sich ziehen. Alles paletti also an der Hüftenfront. Wobei wir in der Mitte angefangen hätten, typisch ich.

Ich drehe und wende mich, und in einem Anfall von durch Charly verursachter Paranoia suche ich nach Runzeln auf meinem Hintern, aber auch davon bin ich bislang glücklicherweise verschont geblieben.

Ich mag meinen Hintern, genau wie meine Hüften. Passenderweise ist der nicht zu klein, aber fest, und darauf kommt es schließlich an, oder? Meine Schenkel, ach ja, die könnten vielleicht ein bisschen schlanker sein. Durchaus. Sie könnten aber auch runzelig sein, nicht wahr? Und deshalb bevorzuge ich sie so, wie sie nun mal sind. Das ist einer der Vorteile, wenn man ein relativ großes Mädchen ist: Dann fallen auch die Beine etwas größer aus, und in meinem Fall kann man sie durchaus als lang bezeichnen, wenn sie auch nicht gerade an die einer Gazelle erinnern, aber schließlich bin ich ja kein Paarhufer.

Kommen wir zu den problematischeren Bereichen.

Ich drehe mich zur Seite und betrachte meinen Bauch. Wie immer, wenn ich das tue, schicke ich ein Gebet stiller Dankbarkeit an den schweineteuren EMS-Anzug, den ich mir in einem Anfall von finanziellem Übermut von Charlys letztem Bonus gekauft habe und in den ich mich drei Mal die Woche zwinge, um mich unter dem Einfluss von Reizstrom auf einer Yogamatte zu wälzen. Das sieht sicher seltsam aus, aber es wirkt. Mein Körper ist straff und vermutlich ziehe ich Styroporkügelchen an, wo immer ich welche antreffe. Ich stelle mir vor, dass man den Prototyp dieses sogenannten Fitnessgeräts im staubigen Labor eines gewissen Dr. Frankenstein gefunden hat.

Mein Bauch mag also ebenso wie meine Hüfte und meine Schenkel vorhanden sein, aber er ist einigermaßen flach und straff. Daran hat auch Rasheed bisher nichts ändern können.

Als mein kritischer Blick weiter nach oben wandert, beschließe ich, heute den Push-up zu nehmen. Nicht, weil ich irgendetwas vorhätte, sondern … na ja, meine Brüste sind nicht wirklich lächerlich zu nennen, aber es fehlt auch nicht sehr viel. Ich hatte viel Spaß in der sechsten bis achten Klasse. Besonders dann, wenn die besser bestückten Mädchen mich mit einem Blick betrachteten, der wohl die Frage zum Ausdruck bringen sollte, ob ich auch vorhabe, mich irgendwann mal zu einer Frau zu entwickeln oder nicht.

Ja, sie sind klein.

Aber dafür hängen sie auch nicht. Das könnten sie auch gar nicht bei der Größe. Es soll ja sogar Männer geben, die auf so etwas stehen. Ein paar haben das sogar mir gegenüber behauptet. Aber da waren sie meist damit beschäftigt, sich eingehend mit meiner sonstigen Anatomie zu beschäftigen, also muss man sich fragen, wie viel Wahrheit man in einer solchen Situation erwarten darf und ob das jetzt überhaupt die große Rolle spielt.

Okay, können wir dann jetzt aufhören, über meine Brüste nachzudenken?

Ich strecke mir noch mal selbst die Zunge raus, das ist auch so eine Art Ritual von mir, dann rubbele ich mich trocken und beginne mit dem aufwendigeren Teil: dem Schminken meines Gesichts. Das könnte hübsch sein, ist es vielleicht sogar, und ich will mich wirklich nicht über das beschweren, das mir mitgegeben wurde.

Allerdings muss ich jedes Mal, wenn ich mich schminke, mein Haar zu einem Knoten zusammenbinden, was ich sonst nie tue. Normalerweise lasse ich es immer lang auf meine Schultern fallen, damit es die Narbe verdeckt, die von meinem rechten Augenwinkel über die gesamte Länge meiner Wange, meinen Hals und hinab bis zum Ansatz meiner Brüste geht.

Die Narbe, die er mir verpasst hat.

Kapitel Zwei

Roman Baronov

Oh Mann, Dimitrij treibt mich noch zum Wahnsinn – und es ist nicht das erste Mal, dass ich glaube, er macht das mit Absicht. Der alte Herr ist ein Sturkopf erster Güte. Das Problem: Ich bin mindestens genauso stur wie er.

Und das ist verdammt gut so.

Ich verdanke Dimitrij Baronov eine Menge, das wissen er und ich, und umso höher ist es ihm wohl anzurechnen, dass er mir überhaupt zuhört. Wenn man eine Position wie Dimitrij innehat, muss man überhaupt niemandem zuhören, streng genommen. Dafür gibt es aber jede Menge Leute, die einem an den Lippen hängen. Von denen wiederum sechzig Prozent nichts als Arschkriecher sind, und vor denen muss man sich ganz besonders in Acht nehmen.

Aber nichts davon muss ich Dimitrij erklären, schließlich hat er mir das meiste, das man in unseren Kreisen zum Überleben braucht, selbst beigebracht.

»Wie ein Sohn hab ich dich aufgenommen, Roman«, sagt er. Alte Leier, aber es stimmt. Ohne ihn wäre ich jetzt vermutlich ein drogensüchtiger Penner, im Gefängnis oder tot. Höchstwahrscheinlich Letzteres.

Was ich tatsächlich bin, ist ein ansehnlicher junger Bursche (was mir persönlich scheißegal ist) und Inhaber eines halben Dutzends ausgezeichnet laufender Firmen (was mir nicht direkt scheißegal ist), mir gehören außerdem ein paar Häuser und Grundstücke in bester Lage quer durch die Stadt sowie ein kleiner Fuhrpark ausgesuchter Oldtimer, darunter ein Jaguar XK 150 in der raren S-Variante, und das ist mir alles andere als egal.

Ich gehe ausschließlich mit den heißesten Frauen aus, ficke sie derart um den Verstand, dass sie anschließend bei all ihren ebenfalls heißen Freundinnen davon schwärmen, und dann vergesse ich sie in schöner Regelmäßigkeit wieder.

Kurz gesagt bin ich ein Mann mit einem gewissen Erfolg im Beruf (über den wir jetzt nicht sprechen sollten, aber ich kann ohne Übertreibung sagen, dass ich zu den besten in meinem Job gehöre) und ein paar recht unterhaltsamen Hobbys.

Und einer Jacht in der North Cove Marina, oder erwähnte ich das schon?

Onkel Dimitrij könnte also eigentlich nicht stolzer auf mich sein. Eigentlich. Wenn da eben nur nicht die Sache mit meinem Job wäre, oder vielmehr die Art und Weise, auf die ich meine Jobs zu erledigen pflege. Die mag Onkel Dimitrij nämlich nicht besonders.

Weil Onkel Dimitrij eben nicht nur ein unerhörter Sturkopf, sondern auch ein glühender Verfechter der sogenannten alten Schule ist.

»Dimitrij«, sage ich, »bei allem Respekt. Diese Geschäfte werden nicht ewig so weiterlaufen.«

»Diese Geschäfte ernähren unsere Familie gut. Diese Geschäfte haben mir ermöglicht, dich aufzunehmen. In meine Familie. Es ist ein Familiengeschäft, das ist, was es ist.«

Manchmal, wenn er sich aufregt, hapert es bei Dimitrij ein bisschen mit der hiesigen Landessprache, aber er besteht darauf, nicht Russisch zu reden, außer zu ganz besonderen Anlässen. Vermutlich ist das seine verquere Vorstellung von Integration oder was weiß ich.

»Herrgott, wir sind doch nicht mehr in den Fünfzigern«, sage ich. »Die Zeiten ändern sich nun mal. Und damit auch die Geschäftsmodelle. Wer sich da nicht anpasst, wird irgendwann untergehen.«

»Ich habe einige kommen und gehen sehen, die solches Zeug erzählt haben, Roman«, sagt er streng. »Einige davon gingen in Betonschuhen, und zwar baden.«

Gott, er hat ja recht damit und ich kenne eine Menge harte Burschen, die spontan ernsthafte Verdauungsprobleme bekommen würden, wenn sie solche Worte aus seinem Mund vernähmen. Zum Glück habe ich einen stabilen Magen.

»Och, echt jetzt, Dimitrij? Drohst du mir?«

»Wie du redest!«, regt er sich auf. »Wo bleibt dein Respekt? Manchmal frage ich mich, ob du wirklich der Sohn meines Bruders bist oder vielleicht doch ein Findelkind.«

»Mich haben die Raben gebracht, das weißt du doch«, sage ich und bemerke mit einiger Befriedigung das leichte Zucken um seine Mundwinkel. Was die anderen sogenannten harten Kerle nämlich nicht wissen, ist, dass Dimitrij eigentlich ein Herz aus Gold hat. Man müsste nur ziemlich lang danach suchen, bei all dem Stein, den er drumherum gebaut hat. Aber das muss man wohl, wenn man der Boss einer der mächtigsten Organisationen an der Ostküste ist. Und das noch eine Weile bleiben will, und noch dazu am Leben. Ehrgeizige Pläne also.

»Also, Rabenkind«, sagt Dimitrij schließlich. »Was schlägst du demnach vor?«

Jetzt bin ich wirklich baff. So zugänglich war er noch nie zuvor. Er will mir tatsächlich zuhören. Für einen Augenblick überlege ich, ob ich ihn aufziehen soll und ihn fragen, ob Mamutschka ihm ins Gewissen geredet hat. Die starke Frau hinter jedem starken Mann und so. Bei ihm passt der Spruch wie die Faust aufs Auge. Die er mir zu Erziehungszwecken durchaus auch hin und wieder verpasst hat in den guten, alten Zeiten meiner Jugend. Und jedes Mal zu Recht.

Ich beschließe, ihn nicht aufzuziehen und stattdessen die Chance zu nutzen, dass er mir erstmals wirklich zuhört. Dann erkläre ich ihm, was ich vorhabe.

Und Dimitrij kriegt große Augen.

Kapitel Drei

Nina Hartley

In der Blue Ridge Bar fühle ich mich vor allem aus einem Grund wohl: weil man einen hier in Ruhe lässt.

Sogar, wenn man eine Frau ist. Und einen straffen Po und leider etwas zu kleine Brüste hat. Das interessiert hier niemanden, und wenn doch, behält der Betreffende seine Sympathiebekundungen für sich. Gott sei Dank.

Ich habe keine Ahnung, warum das so ist, vermute aber, dass Big Jim, der Barkeeper, einen nicht unbeträchtlichen Anteil daran hat, dass sich die Gäste hier zu benehmen wissen. Zum anderen liegt es vermutlich daran, dass das Blue Ridge von all jenen bevorzugt wird, die ihre Sorgen lieber mit sich selbst (und dem Getränk ihrer Wahl) bereden als in Gesellschaft eines aufdringlichen Fremden.

Das Blue Ridge ist also praktisch das genaue Gegenteil einer Aufreißerbar für verzweifelte Singles und solche, die gern mal für einen Abend Single wären. Und das Blue Ridge hat Klasse, finde ich jedenfalls. Sie haben hier tatsächlich noch diese gerahmten Fotos von Berühmtheiten an der Wand, wie man sie früher angeblich in jeder guten Kneipe zu sehen bekam, und die sind alle echt, oder sie sehen zumindest verdammt echt aus.

Da hängt sogar ein Bild von Wladimir Putin, dem russischen Präsidenten, was ein einigermaßen seltenes Spektakel in einer Bar an der Ostküste der Vereinigten Staaten gewesen sein dürfte. Vielleicht hängt es ja irgendwie mit jenem Bild zusammen, aber sie servieren hier einen verdammt guten Wodka Martini – den besten, den ich je getrunken habe.

Ich bin jedenfalls Single aus Überzeugung, und nicht bloß für eine Nacht. Was natürlich nicht bedeutet, dass ich eine Jungfrau wäre – wenn auch die Art, wie ich meine Jungfräulichkeit verloren habe, zu den weniger spaßigen Anekdoten aus meinem Leben gehört – oder wie eine Nonne lebe. Ich habe Sex, zumindest hin und wieder, ich mag Sex, sehr sogar, besonders, wenn er gut ist. Ich meine, wer tut das denn bitte nicht?

Was ich aber nicht mag, ist das Schnarchen neben mir in der Nacht, oder wenn der Dreamboy im Schlaf leise einen fahren lässt. Das brauche ich nun wirklich nicht. Ich stehe auch nicht drauf, jemandem Frühstück zu machen oder die schmutzigen Klamotten zu waschen oder mich anderweitig als kostenloses Hausmädchen und Putzhilfe oder bestenfalls als Mutterersatz zur Verfügung zu stellen.

Nein, danke, dann doch lieber Wham-Bam-Thank-you-Sir! Und bis zum nächsten Mal, auch wenn das eher unwahrscheinlich ist.

Und bevor jetzt jemand meint, ich solle mal zum Psychoonkel gehen und mich wegen meiner Bindungsunfähigkeit behandeln lassen oder wenigstens mal ordentlich ausheulen, dann will ich noch folgende kleine Anekdote zum Besten geben.

Ich hatte das alles.

Den Dreamboy, die Wäsche und die kleinen Lüftchen in der Nacht. Und ich habe geglaubt, dass das mein kleines Stückchen Glück sein würde.

Es war die Zeit, in der ich noch eine richtig heiße Journalistin war, Sie erinnern sich? Als mir die Storys nur so zuzufliegen schienen und ich es nach der Arbeit gar nicht erwarten konnte, nach Hause zu kommen, anstatt mir eine von Rasheeds Pizzen reinzuziehen und mich dann ins Blue Ridge zu schleppen.

Bloß dass ich ein Mal zur falschen Zeit nach Hause kam und mir daher mit ansehen durfte, wie Dreamboy, der mich zu diesem Zeitpunkt schon mehrere Monate lang nicht mehr angefasst hatte, meine beste Freundin Carol auf der Couch zu einem lautstarken Orgasmus brachte – so lautstark, dass die beiden mich zunächst gar nicht bemerkten.

Und ich, ganz die beste Freundin, wollte keine Spielverderberin sein – ich habe die beiden erst aus der Wohnung geworfen, nachdem auch er seinen Höhepunkt gehabt hatte, was ich doch ziemlich verständnisvoll finde.

Na ja, und seitdem bin ich eben Single. Tapfer, tough und beinahe dreißig.

Scheiße.

Vielleicht bin ich ja wirklich ganz gut aufgehoben in der D.-Y.-W.-Abteilung, immerhin werd ich in nicht allzu ferner Zeit selbst zur Zielgruppe gehören.

Und nun hänge ich in einer Bar herum, um über mein in letzter Zeit nicht so besonders spektakulär verlaufendes Leben nachzudenken und um Himmels willen bloß nicht angequatscht zu werden.

Das ist echt komisch, oder?

Ich werde nämlich überhaupt nicht gern angequatscht, da habe ich eine wesentlich zielführendere Methode: Wenn mir ein Kerl gefällt und mir nett zulächelt (so viel Mumm sollte er schon haben), lächle ich einfach zurück.

Und drehe dann mein Gesicht so, dass er die Narbe sehen kann, nur, damit es nachher keine langen Gesichter gibt, wenn er kapiert, dass er da Two-Face vor sich hat oder von mir aus auch Frankensteins Monster. (Ich habe schon weit Schlimmeres gehört und bin nur froh, dass ich nicht schon als Kind mit so einem Gesicht herumlaufen musste.)

Wenn ihn dieser Anblick also nicht augenblicklich in die Flucht schlägt und er nicht allzu betrunken ist, nicke ich ihm zu und lasse mir einen Drink spendieren. Wenn ich nach diesem Drink Lust auf den nächsten verspüre, weil der Kerl mich nicht in den Schlaf gequasselt oder seine Zunge verschluckt hat, stehen die Chancen gut für … nun ja, dafür, dass es eine spannende Nacht wird. Und dann bleibt es bei einer Nacht. Punkt.

Das ist meine eiserne Regel seit dieser Sache mit Thomas. Sehen Sie, ich bin wirklich kein kompliziertes Mädchen. Sondern eins, das weiß, was sie will, und wie sie es kriegt.

Oder das dachte ich zumindest, bis heute Abend.

Bis zu dem Moment, in dem dieser Kerl aus dem Hinterzimmer kommt. Das Hinterzimmer der Blue Ridge Bar ist ein Bereich, zu dem sogar Stammgäste wie ich keinen Zutritt haben. Big Jim schüttelt mit dem Kopf, wenn einer versucht, da reinzugehen, und deutet auf die rote Kordel vor der Tür.

»Geschlossene Gesellschaft«, sagt er dann mit einem bedauernden Lächeln, auch wenn überhaupt niemand da drin ist.

Heute, fällt mir auf, war die Kordel geöffnet, als ich ankam, und offenbar tagt diesmal tatsächlich eine Gesellschaft dort drin, wenn diese vielleicht auch nur aus diesem einen, jungen Mann besteht, der soeben den Schankraum des Blue Ridge betritt. Ich sehe auf den ersten Blick, dass er ungefähr so gut hier reinpasst wie ein Stripper auf einen Kindergeburtstag.

Wer ist dieser Typ?

Breite, und ich meine, verdammt breite Schultern, über denen sich etwas spannt, das ein maßgeschneiderter Anzug sein muss, und so, wie der ihm sitzt, war da auch nicht irgendein Pfuscher am Werk. Angegossen ist überhaupt kein Ausdruck. Ich frage mich flüchtig, wieso der Stoff nicht reißt, wenn er seine Arme bewegt. Gott, man sieht das Spiel seiner Muskeln unter seinem edlen Zwirn und dieses Spiel ist spannender als der gesamte Superbowl.

In der Erwartung einer herben Enttäuschung gleitet mein längst nicht mehr gelangweilter Blick nach oben in ein gebräuntes (aber nicht solariumverbranntes) Gesicht mit so markanten Kieferknochen, dass sie auch gut zu Baggerschaufeln passen könnten, wobei das seltsamerweise nicht auf seinen Mund zutrifft. Er hat volle Lippen, die schon beinahe sinnlich wirken – ach was, die sind zum Hinschmelzen, Niederknien und schließlich zum dran Festsaugen.

Er trägt einen Bart, der ein bisschen mehr als ein Dreitagebart ist und noch nicht ganz ein Vollbart. Genau die richtige Länge, wie ich finde. Bei einem gewissen Typen habe ich diese Länge ebenfalls gemocht, die meistens sonntags zustande kam, bevor der bewusste Typ sich für die Woche rasiert hat. Oh, das war natürlich, bevor er meine beste Freundin vor meinen Augen vernascht hat. Aber an den will ich jetzt gar nicht denken, denn in diesem Moment zuckt ein Blitz durch den Raum.

Oder es kommt mir so vor.

Seine Augen. Eisblau.

Ich hatte keine Ahnung, was die Farbe Eisblau eigentlich bedeutet, bevor ich in diese Augen geschaut habe. Ruhig und selbstsicher und kühl. Abschätzend, wie die eines Raubtiers kurz vor dem Sprung. Eines Raubtiers von solcher Kraft und Geschicklichkeit, dass es sich seiner Beute gewiss sein kann, bevor es nur einen Muskel bewegt. Und (womit wir wieder bei der Gazelle wären) man sich ruhig fragen darf, ob das kleine Gazellchen denn überhaupt wirklich noch fliehen will, nachdem es in diese Augen geblickt hat.

So wie ich jetzt.

Das Reh auf der Fahrbahn, das bin ich.

Und er ist der Truck.

Und er kommt direkt auf mich zugerast.

Da weiß ich, dass mir jetzt auch Gazellenbeine nichts mehr nützen würden. Also senke ich den Blick, schaue in mein Glas. Sauge an meinem Strohhalm und kann einfach nicht aufhören, dabei an diese Lippen zu denken. Und diese Augen.

Und dann steht er direkt neben mir. Seine Präsenz ist mehr als nur körperlich, sie ist … überwältigend. Ein Naturereignis.

Scheiße, wer ist dieser Kerl?

Und wieso versaut er mir die einzige Bar in dieser Stadt, in der man bisher gepflegt das Alleinsein feiern konnte?

Ich ertrinke förmlich in seinem Geruch, während er sich über die Bar lehnt und Big Jim irgendetwas zuraunt, das ich nicht verstehe, das Big Jim jedoch ein amüsiertes Lachen entlockt, in das der Kerl einstimmt, rau, tief und ungemein männlich. Und so riecht er auch. Das ist ein Eau de Toilette, und offenbar ein ziemlich teures, aber es verstärkt vielmehr den Duft, der von seinem gewaltigen Körper ausgeht, anstatt diesen mit einer eigenen Duftnote zu überlagern. Das würde nur stören.

Worüber ich aber überhaupt nicht hinwegkomme, ist, dass der Typ mich kein bisschen zu beachten scheint. Steht hier direkt neben mir, so nah, dass ich mit einer winzigen Armbewegung seinen Unterarm (es ist ja genügend davon da) berühren könnte.

Und ignoriert mich.

Genau wie Big Jim das jetzt plötzlich tut. Vergessen sind alle Pläne und Vorsätze – ich will, dass der Kerl mich beachtet, und zwar sofort. Vielleicht blinzle ich dabei sogar wie die bezaubernde Jeannie in dieser dämlichen Fernsehserie, damit mein Wunsch in Erfüllung geht.

Tut er aber nicht.

Eingebildetes Arschloch, denke ich und frage mich, woher diese plötzliche Aggressivität kommt. Vielleicht hat seine bloße Anwesenheit auch in mir animalische Triebe entfesselt.

Und dann passiert das Unwahrscheinlichste überhaupt. Während ich noch versuche, einigermaßen Ordnung in meine panisch-fantastischen Gedanken zu bringen beziehungsweise mich zu entscheiden, ob ich ihn einfach angrabschen und auf besoffen machen soll und ob ich damit vielleicht sogar durchkäme, dreht er sich zu mir um.

Sofort bin ich im Scheinwerferkegel seiner Augen gefangen, als er sich zu mir runterbeugt. Das muss er nämlich tatsächlich, dieser Riesenkerl, und erwähnte ich schon, dass ich mich gelegentlich selbst für ein großes Mädchen halte?

»Hi!«, sagt er, »ich bin Roman Baronov.«

»Aha«, sage ich, nichts weiter.

Ich weiß, das ist ungefähr die intelligenteste Erwiderung ever, aber das fällt mir erst viel später auf. Im Moment bin ich mit Überwältigtsein zu beschäftigt, um zu denken.

Dann öffnet dieses Traumbild erneut seine überirdisch schönen Lippen und brummt etwas zu mir herunter, das ich zwar verstehe, aber zunächst nicht kapiere. Zu sehr lenkt mich diese basslastige Stimme ab, und irgendwo am Rande meines Bewusstseins glaubt ein nahezu verdrängter Teil meines Gehirns, gemeinhin als Vernunft bekannt, einen osteuropäischen Akzent in seiner Stimme herausgehört zu haben. Russisch vermutlich. Eine Sprache, der ich, hätte man mich bis zu diesem Augenblick gefragt, ein Sex-Appeal von vielleicht minus drei auf einer Skala von eins bis zehn zugebilligt hätte. Wie gesagt, bis jetzt.

Und dann das.

Mit einiger Verzögerung erklärt sich mein Verstand bereit, das, was er mich gefragt hat, zu verarbeiten, während er mit breitem Grinsen auf meine Antwort wartet.

Er hat mich gefragt, ob ich ihn auf eine Privatparty begleiten wolle. Ob ich was?

»Ob ich was?«

»Eine Party«, sagt er. »Nur eine kleine. Ich mag nicht so gern die Öffentlichkeit.«

Da ist er wieder, dieser Akzent. Der gerade eine Zwölf oder so auf der neuerdings nach oben offenen Sexyness-Skala erreicht.

»Ja«, sage ich, »und ich mag es hier. Danke, aber nein danke.«

Was redest du da, du dumme Gans?, brüllt die eine Hälfte meines Verstandes, während die andere, die allmählich die Oberhand gewinnt, mir auf die Schulter klopft für diese ausgesprochen vernünftige Entscheidung. Natürlich werde ich nicht einem Wildfremden auf irgendeine zwielichtige Privatparty folgen. Schließlich bin ich nicht lebensmüde.

Doch dieser andere Teil von mir kann den Blick einfach nicht von diesen Schultern lösen, und dem, was sich unter seinem Anzug bewegt, als hätte es ein Eigenleben. Mein Blick rutscht nach unten und ich schwöre, dass man sogar den Sixpack sehen kann, der sich unter seinem weißen Oberhemd bewegt.

Fuck …, sabbert die eine Hälfte.

»Okay«, sagt er. »Schade. Ich hatte Sie für unterhaltsam gehalten. Und unternehmungslustiger.«

Plötzlich klingt sein Englisch beinahe gestelzt.

»Dann vielleicht ein andermal.«

Ja, rufen mein Bauch und mein zitternder Unterleib im Chor, andermal. Oder jetzt gleich, von mir aus direkt auf der Theke, du schönes, großes Tier!

»Ich glaube nicht«, presse ich heraus.

Da lacht er nur. Wie einer, der es besser weiß. Und Gott, er weiß es besser. Dazu muss er nur gelegentlich in den Spiegel schauen. Oder in ein Lexikon, unter den Begriff »feuchter Mädchentraum«. Daneben ist nämlich höchstwahrscheinlich ein Foto von ihm abgebildet.

»In diesem Fall wünsche ich einen schönen Abend«, sagt er. »Bedienen Sie sich, es geht aufs Haus.«

Mein Blick zuckt zu Big Jim, und der nickt, immer noch grinsend.

Wer. Ist. Dieser. Typ?

Wie aufs Stichwort tauchen zwei atemberaubende Brünette an der Bar auf, ich habe keine Ahnung, wo die so plötzlich herkommen. Was mich betrifft, hätten sie durch ein Loch in der Wand hereinkommen können, ich hätte es sowieso nicht mitgekriegt. Wahrscheinlicher ist jedoch das Hinterzimmer, was immer die dort getrieben haben mögen.

Die beiden haken sich bei Mr. Baronov unter, jede an einem Arm, als wäre das gar nichts, und lächeln dabei, dass ihre perfekten Zähne strahlen, als wären sie gerade einem Werbespot für irgend so ein Wundermittel entsprungen. Die übrigens gut zu ihnen passen, also die Zähne, weil sie auch in jeder anderen Hinsicht perfekt zu sein scheinen.

Für einen Moment grinsen mich die drei an der Bar an (und sehe ich da nicht etwas Gehässiges in den Blicken dieser ach so perfekten Schönheiten aufblitzen?), dann drehen sie sich synchron um und stolzieren zur Tür. Ich schüttele den Kopf und widme mich wieder meinem Drink.

Erst als sie aus dem Bereich der Bar verschwunden sind, kapiere ich, was mir an den beiden Mädels so seltsam vorkam. Sie gleichen sich wie ein Ei dem anderen. Eineiige Zwillinge.

Ich will überhaupt nicht darüber nachdenken, zu was für einer Art von Party die drei unterwegs sind und was sie dort zu veranstalten gedenken. Vielleicht sind es auch nur beste Freundinnen mit einem sehr ähnlichen Geschmack, was ihr Äußeres betrifft. In jedem Fall stehen sie wohl ebenfalls in besagtem Lexikon unter dem Stichwort »feuchter Traum«, nur eben für Männer. Wie schön für sie.

Ich hätte doch gar nicht gewusst, was ich da sollte auf dieser sogenannten Privatparty, schaltet sich mein Verstand ein, dieser ewig erhobene Zeigefinger. Und ich wäre auch alles andere als passend angezogen. Gegen diese drei Vorzeigeexemplare der menschlichen Gattung wirke ich wie Frankensteins Kreatur, ob Narbe oder nicht.

»Roman Baronov«, sagt der Barkeeper, und ich bemerke, dass ich schon wieder in Richtung Tür starre, durch welche diese wandelnde Ménage-à-trois soeben verschwunden ist.

»Hm?«, frage ich ohne großes Interesse.

»Das war Roman Baronov. Ihm gehört der Laden.«

»Hm«, sage ich, um mich zu sammeln. »Ich dachte, der gehört dir, Jim?«

»Nein.« Er schüttelt den Kopf. »Ich schmeiße den Laden nur für den Chef. Der Besitzer ist Roman.«

»Schöner Barbesitzer ist das«, sage ich. »Ich habe ihn hier noch nie arbeiten sehen.«

Da lacht Big Jim wieder, als hätte ich irgendwas besonders Komisches gesagt.

»War das ernst gemeint?«, frage ich ihn. »Dass meine Rechnung heute aufs Haus geht?«

Er nickt.

»Natürlich. Was Roman Baronov sagt, ist Gesetz.«

»Wie schön für ihn«, sage ich, und nun ist es an mir zu grinsen. Zeit, diesem arroganten Schönling so richtig schön eins reinzuwürgen.

»Big Jim?«, frage ich gedehnt. »Reichst du mir wohl bitte mal die Getränkekarte? Ich habe Lust auf etwas … Exklusives.«

»Zur Feier des Abends?«

»Ganz genau.«

»Sehr wohl, Teuerste«, sagt er genauso gestelzt wie ich und dann kichern wir beide ein bisschen. Er reicht mir die Karte rüber, und das besiegelt mein Schicksal.

Kapitel Vier

???

Der Plan ist so lächerlich einfach, dass es beinahe haarsträubend ist. Und das ist auch der Grund, aus dem er funktionieren wird. Ein schwieriger Plan hätte etwa so ausgesehen: Einen Haufen Leute einstellen, und damit einen Haufen Zeugen und Unwägbarkeiten generieren, man bedenke bloß, was passieren kann, wenn die Cops irgendwo auftauchen und einer die Sache verpfuscht. Die kassieren einen von den kleinen Fischen ein, und alles fliegt auf. Blöd. Blöder Zufall, aber davon gibt es leider viel zu viele.

Also eliminiert man diese als Allererstes, die Zufälle. Hier ist ein Rätsel: Wie viele Leute können ein Geheimnis bewahren? Einer, wenn er tot ist. Genau. Haha.

Aber zurück zum Plan.

Wichtig ist natürlich, synchron zuzuschlagen, also alle Köpfe der Hydra gleichzeitig abzuschlagen, damit die keine Zeit hat, sich neue Köpfe wachsen zu lassen. Man kennt das ja, du schlägst einen ab, zwei wachsen nach, und du hast gar nichts bekommen, außer dir noch mehr Arbeit zu verschaffen, und am Ende kriegen sie dich noch, weil du darüber den Kopf verlierst. Den Kopf, kapiert?

Also stellt man all diese unwägbaren Mitarbeiter auf, lässt sie auf die Uhr gucken und dann gleichzeitig losschlagen, am besten noch in den Wohnsitzen der einzelnen Familienmitglieder, die natürlich ausgesprochen gut bewacht sind. Von schwer bewaffneten Profis, von denen die allermeisten sogar hin und wieder ein Ziel aus nächster Nähe zu treffen imstande sind. Und was hat man davon? Mit ganz viel Glück schafft es vielleicht die Hälfte der eigenen Leute, überhaupt bis zum Primärziel vorzudringen. Und von denen geht noch mindestens die Hälfte bei dem Versuch drauf, anschließend den Ball wieder zu verlassen. Und letztlich hat man so ein gewaltiges und chaotisches Blutbad angerichtet, dass die eigentliche Botschaft überhaupt nicht mehr ankommt. Wenn ein Großteil der Primärziele überlebt, hat keine Sau mehr Angst vorm schwarzen Mann, richtig? Richtig.

Was also tun?

Information.

Das ist der Schlüssel.

Es ist das verdammte Zeitalter der Information und nützliche Informationen haben schon immer über den Ausgang einer Schlacht entschieden, noch bevor der erste Schuss fällt oder irgendwer mit seinen Säbeln rasselt. Wer hitzköpfig in eine Schlacht rennt, rennt ganz schnell ohne Kopf weiter.

Deshalb: Information. Technologie. Und nicht dieser Dreißiger-Jahre-Bullshit mit MPs vom Trittbrett eines vorbeifahrenden Oldtimers aus. Das ist Bonny-und-Clyde-Bullshit und wir alle wissen ja, wie das mit denen ausgegangen ist.

Also beschafft man sich Leute, die über Informationen verfügen, und dann quetscht man die aus. Indem man ihnen Angst macht. Und zwar so viel Angst, dass sie weder aus noch ein wissen und sich schließlich verquasseln. Und das Schöne daran: Wenn sie das erst einmal getan haben, dann können sie natürlich auch nicht mehr zu denen zurück, die sie gerade verpfiffen haben. Dann sind sie in der Zwickmühle. Genau da, wo man sie haben will.

Und manchmal, ganz selten, hat man bei dieser Art von Informationssuche eben ein bisschen Glück und kommt auf eine Lösung, die so himmelschreiend einfach ist, dass man sich fragen möchte, wie es diese Vollidioten überhaupt geschafft haben, bis zum heutigen Tag zu überleben. Nun ja, bis zum heutigen Tag, darin liegt ja eben der Witz.

Also.

Sie treffen sich, um miteinander Karten zu spielen.

Das muss man sich vorstellen.

Karten zu spielen.

Im Ernst?

Diese Typen gehören zu den einflussreichsten Köpfen einiger der gefährlichsten Verbrecherorganisationen der Welt. Die bekriegen sich gnadenlos im Kampf um Drogenabsatzgebiete und Waffenhändler und an welcher Straßenecke wessen Nutten stehen dürfen.

Und dann veranstalten sie allwöchentlich eine gemeinsame Pokerrunde. Das ist kaum zu glauben, oder?

Vermutlich gehörte es deshalb zu den bestgehüteten Geheimnissen in dieser Stadt. Gehörte, Vergangenheitsform.

Natürlich wechselt die Location für dieses streng geheime Idiotentreffen jedes Mal, und kaum einer weiß davon. Vermutlich käme es auch bei den Cops und dem gesamten restlichen Fußvolk nicht besonders gut an, wenn sie das wüssten. Dass für die Bosse alles nur ein Spiel ist. Rein geschäftlich, nicht persönlich.

Oh, ich habe ein paar von deinen Jungs über die Klinge springen lassen, ich hoffe, du bist nicht böse, Don Calzone?

Ach nein, kein Problem, die mochte ich eh nicht so, aber jetzt gib erst mal Karten, Don Manicotti.

Echt unglaublich, diese Typen!

Und jetzt das Bonbon: Diese Kerle, so leidenschaftliche Zocker sie auch sein mögen, trauen sich natürlich gegenseitig kein Stück über den Weg, und deswegen haben sie ein ausgefeiltes System von Metalldetektoren und Sicherheitsleuten, das dafür sorgt, dass jeder von ihnen sauber am Spieltisch sitzt, also vollkommen unbewaffnet. Damit da niemand auf dumme Gedanken kommt.

Und die haben echt geglaubt, das für sich behalten zu können.

Aber wie ich bereits sagte: Wie viele Leute können ein Geheimnis bewahren? Genau.

Nach dieser Aktion wird es dieser Dinosaurier Dimitrij hoffentlich kapieren. Ach was, den Hintern küssen wird er mir dafür. Und dann werde ich am Zug sein.

Endlich.

Kapitel Fünf

Nina Hartley

Später, sehr viel später genau genommen, sitze ich in einem Taxi, das mich nach Hause bringen soll. Das Blue Ridge habe ich zwar von meiner Wohnung aus bequem per Fuß erreichen können und natürlich ginge das auch auf dem Rückweg, es ist nicht besonders weit.

Ich möchte mir und eventuellen nächtlichen Passanten jedoch den Anblick einer sturzbetrunkenen jungen Frau ersparen, die sich, schwer an die Hauswand gestützt, wankend ihren Weg in die heimische Bettstatt erkämpft.

Dass ich wenigstens den Heimweg im Taxi einigermaßen unbeschadet überlebe, verdanke ich vermutlich – neben meinem ausgezeichneten Geschmack für Singlebars, in denen man auch Single bleibt – hauptsächlich Big Jim, der mir irgendwann schlichtweg keinen weiteren Drink mehr ausgeschenkt hat und mich freundlich, aber bestimmt auf meinen Barhocker drückte, während er mir ein Taxi rief, und zwar mit meinem Handy, das ich sonst bestimmt ebenfalls noch in der Bar hätte liegen lassen. Guter Mann.

Immerhin habe ich mich ausgesprochen stilvoll betrunken, nämlich mit wirklich exzellentem Wodka, nur unwesentlich verdünnt mit original russischem Kaviar, den Big Jim zu meiner großen Überraschung und Freude unter der Bar hervorzauberte.

»Für besondere Gäste«, sagte er, als er den Kaviar mit etwas frischem Weißbrot vor mir auf den Tresen stellte. Besondere Gäste, ich frage mich, wen er damit wohl gemeint hat. Mal abgesehen von Mister Wahnsinn, der um die Zeit, als ich Kaviar in mich hineinzuschaufeln begann, vermutlich die dritte Runde mit den beiden Modelzwillingen einläutete.

Wie schön für ihn.

Je betrunkener ich wurde, desto wütender wurde ich auf ihn. Was absurd ist, ich weiß. Wäre ich nüchtern genug dazu, könnte ich mir vielleicht sogar einen Anflug von Eifersucht eingestehen. Bei einem Typen, mit dem ich ganze zwei Sätze oder so gewechselt habe, seit ich ihn vor ein paar Stunden kennenlernte, um ihn gleich darauf wieder aus meinem Leben herauszubefördern, und zwar für immer – spätestens, wenn Big Jim ihm die Rechnung für meinen heutigen Exzess präsentieren wird.

Wenn der Typ den Betrag unter dieser Rechnung sieht, wird er mich schlichtweg für eine Alkoholikerin halten und sich in Zukunft vermutlich sehr gut überlegen, wem er freie Drinks auf seine Kosten spendiert.

Die beiden bildschönen Zwillinge trinken vermutlich nichts als Wasser. Sollen sie zur Hölle fahren mit ihren jugendlichen Knackärschen und ihren erstaunlich großen, festen Brüsten. Ich muss mich einfach daran festklammern, dass diese das Werk eines Schönheitschirurgen sind, um den Glauben in Gottes Kreaturen nicht komplett zu verlieren. Aber vermutlich irre ich mich.

Seltsame Gedanken denke ich da, während das Taxi vor meiner Haustür zum Stehen kommt und ich versuche, dem Schlingern und Drehen in meinem Kopf zumindest für einen Moment Einhalt zu gebieten, in der Hoffnung, einigermaßen würdevoll aus dem Gefährt zu steigen, ohne mich direkt daneben auf die Straße zu packen. Oh, eitle, kindische Hoffnung!

Aber es gelingt.

Hauptsächlich deshalb, weil der nette Taxifahrer so freundlich ist, mich bis zur Haustür zu begleiten, wobei er mir stützend unter den Ellbogen greift, als wäre ich seine alte Frau Mutter, die er zu ihrer Ruhestätte oder zum Tanz geleitet. Ein schöner Tanz, denke ich, der hoffentlich bald in meinem kuscheligen Bett enden und dann in einen komatösen Schlaf übergehen wird, der jeden Gedanken an das Aufwachen bis zum nächsten Morgen verdrängt.

Denn das dürfte die absolute Hölle werden.

Aber immerhin, denke ich in einem Anfall unerschütterlichen Optimismus, hatte dieser Abend den Vorteil, dass ich schon seit Stunden nicht an das Damoklesschwert denken musste, das über meinem Job bei der Zeitung schwebt. Und ich werde ganz bestimmt nicht jetzt damit anfangen.

Derweil habe ich es irgendwie bis zu meiner Wohnungstür geschafft, und hoffentlich auch den Taxifahrer bezahlt, auch wenn ich mich im Moment nicht allzu konkret an ein solches Ereignis erinnern kann. Ich drücke die Tür hinter mir ins Schloss, streife meine Pumps von den Füßen, schlüpfe aus Rock und Bluse und krieche ins Bett, wobei ich mir ausgesprochen schäbig vorkomme.

Was mich jedoch nicht davon abhält, an ihn zu denken, und an die animalische Anziehungskraft, die von ihm ausgeht. Jetzt, denke ich, wäre ich vermutlich betrunken genug, um mit ihm überall hinzugehen. Auf eine Party oder in sein Bett, wo schon die beiden Zwillinge warten, oder auch in seine mit rotem Plüsch ausgekleidete Folterkammer.

Mir wird klar, dass ich, egal wie sehr mein Kopf sich dreht, nicht werde einschlafen können, solange diese Gedanken – die Gedanken an ihn – durch meinen Kopf schwirren wie aufgeregte Nachtfalter um eine Küchenlampe. Und da ich im Moment ohnehin den Boden meiner Existenz erreicht habe, und da ich Mister Wahnsinnsaugen sowieso nie wiedersehen werde (höchstens höre ich von seinem Anwalt), beschließe ich, dass es nun auch keine Rolle mehr spielt, wie ich diesen schrägen Abend beende und lege Hand an mich in Sünde.

Ja, ja, ich weiß. Armselig.

Meine Ungeduld trägt aber Früchte und ich gelange in Rekordzeit ans Ziel, während ich an kaum etwas anderes als das animalische Funkeln in seinen eisblauen Augen denke. Na ja, vielleicht auch ein bisschen an die Schultern, und das, was sich unter seinem Hemd (und vielleicht auch woanders, noch ein Stückchen tiefer) abgezeichnet hat. Es ist ein Werk der Verzweiflung, und hinterher komme ich mir noch ein bisschen schäbiger vor.

Aber wenigstens kann ich dann schlafen.

Rezept für einen starken Wodka Martini

Zutaten:

5 cl Wodka1 cl Vermouth trocken1 grüne OliveEiswürfelCocktailschale

Zubereitung:

Die Cocktailschale im Kühlfach vorkühlen.Eiswürfel, Wodka und Wermut in ein Rührglas füllen und verrühren.Die grüne Olive in die Cocktailschale geben und die verrührte Wodka-Vermouth-Menge ins Cocktailglas geben und servieren.

Teil Zwei

Kapitel Sechs

Nina Hartley

Ich erwache am nächsten Morgen – genau genommen wohl eher: ein paar Stunden später – in erstaunlich guter Verfassung, bedenkt man mein kleines Abenteuer von letzter Nacht. Das ist einer der unschätzbaren Vorteile von Qualitätsstoff, wie der erfahrene Trinker (und ich jetzt auch) weiß. Einen richtigen Brummschädel hat man in aller Regel nur, wenn man es mit Billigfusel übertreibt. Was mich allerdings nicht davon abhält, mir vorzunehmen, in nächster Zeit mit jeder Art von berauschenden Getränken deutlich kürzerzutreten.

Als ich den Fernseher anschalte, bin ich in Sekundenschnelle vollends wach.

In der vergangenen Nacht wurden zwölf Menschen auf brutale Weise abgeschlachtet. Und zwar keine zwei Straßen entfernt von der Bar, in der ich mich währenddessen hemmungslos betrunken habe.

Und das Schlimmste: Ich war nicht dort!

Ich drehe den Fernseher lauter, jeder Anflug von Müdigkeit oder Restalkohol verfliegt augenblicklich. Das Ganze passierte in einer Art Klub, der zu diesem Zeitpunkt jedoch wegen angeblicher Renovierungsarbeiten geschlossen war, und zwar schon seit über zwei Wochen. Offenbar gab es aber in dem Haus ein bestens erhaltenes Hinterzimmer, in dem illegale Pokerrunden um hohen Einsatz stattfanden.

Gestern war der Einsatz für alle sechs Beteiligten besonders hoch, denn sie bezahlten ihre Spielschulden mit dem Leben – ebenso wie sechs Sicherheitsleute, die sie hatten beschützen sollen. Es gab keine Überlebenden des Massakers, das ein oder mehrere Unbekannte offenbar mit großkalibrigen Automatikwaffen anrichteten.

Das ist natürlich schrecklich. Furchtbar jenseits aller Vorstellung, keine Frage, aber dennoch beginnt mein Hirn sofort zu rattern. Was ist das für eine Pokerrunde, die so viele Aufpasser wie Spieler braucht? Und welche Art von Anschlag geht so sauber und mit solch tödlicher Effizienz über die Bühne? Ich sehe es förmlich vor mir: Ein Spezialkommando schaltet zuerst die Securityleute aus, stürmt dann in den Raum mit den Kartentischen und beginnt zu ballern, mit dem festen Vorsatz, erst wieder damit aufzuhören, wenn die letzte Kugel ihr Ziel getroffen hat.

Das ist Wilder Westen in Reinkultur. Oder etwas anderes, das mich eher an Typen in teuren Anzügen und Goldkettchen an den haarigen Handgelenken denken lässt. Und Pizza.

In jedem Fall ist es aber eine Story, und diese findet gerade keine zwei Blocks von meiner Wohnung entfernt statt.

Keine Frage, was ich als Nächstes zu tun habe.

Ich sause gleich einem Kugelblitz ins Bad und danke mir selbst dafür, dass ich mir schon vor Jahren eine Notfallroutine für Fälle wie diesen zurechtgelegt habe. Zehn Minuten später trete ich aus dem Badezimmer, geduscht, mit geputzten Zähnen und ausreichend geschminkt und wohlriechend, um unter Leute gehen zu können. Das muss genügen.

Während ich mein Handy und meine Schlüssel in die Handtasche stopfe, denke ich schon darüber nach, wie sich das Szenario beschreiben ließe. Mir fallen Begriffe ein wie Schlachthaus und Bombeneinschlag, und da der Reporter auf der Mattscheibe von großkalibrigen Waffen und zwölf Toten sprach, dürfte ich mit diesem Vokabular nicht allzu falsch liegen.

Ein weniger erfahrener Reporter würde jetzt vielleicht direkt zum Tatort fahren, aber ich weiß, dass dafür ein schlechter Zeitpunkt ist, den richtigen habe ich – so muss ich leider zugeben – schlicht verpennt.

Schon mal deswegen, weil es dort jetzt vor Polizisten wimmeln wird, welche vor allem damit beschäftigt sein werden, ganze Heerscharen meiner Kollegen abzuwimmeln, um zumindest einigermaßen die Arbeit tun zu können, wegen der sie eigentlich dort sind. Mir ist außerdem klar, dass alles, das die Polizei zum jetzigen Zeitpunkt der Presse mitteilen wird, bereits seit etwa einer Stunde über alle Bildschirme flimmert und da erst mal nichts wesentlich Neues hinzukommen wird.

---ENDE DER LESEPROBE---